Dienstag, 31. Januar 2012

eia wasser regnet schlaf


eia wasser regnet schlaf

I

eia wasser regnet schlaf
eia abend schwimmt ins gras
wer zum wasser geht wird schlaf
wer zum abend kommt wird gras
weißes wasser grüner schlaf
großer abend kleines gras
es kommt es kommt
ein fremder

II

was sollen wir mit dem ertrunkenen matrosen tun?*
wir ziehen ihm die stiefel aus
wir ziehen ihm die weste aus
und legen ihn ins gras**
mein kind im fluß ists dunkel
mein kind im fluß ists naß
was sollen wir mit dem ertrunkenen matrosen tun?
wir ziehen ihm das wasser an
wir ziehen ihm den abend an
und tragen ihn zurück
mein kind du mußt nicht weinen
mein kind das ist nur schlaf
was sollen wir mit dem ertrunkenen matrosen tun?
wir singen ihm das wasserlied
wir sprechen ihm das grasgebet
dann will er gern zurück

III

es geht es geht
ein fremder
ins große gras den kleinen abend
im weißen schlaf das grüne naß
und geht zum gras und wird ein abend
und kommt zum schlaf und wird ein naß
eia schwimmt ins gras der abend
eia regnet's wasserschlaf


Elisabeth Borchers 1960

* "was sollen wir mit dem ertrunkenen matrosen tun", What shall we do with the drunken sailor, ist ein traditioneller Shanty der englischen Matrosen.
** "gras" - Leaves of gras - Grashalme ist der Titel einer Gedichtssammlung von Walt Whitman, 1855 im Selbstverlag veröffentlicht und Grund für seine Entlassung aus dem Staatsdienst.

 
Am 20.6.1960 erschien in der FAZ dieses Gedicht und löste einen Skandal aus. Wochenlang erhielt die FAZ-Redaktion empörte Leserbriefe. Heute ist es schwer vorstellbar, dass ein Gedicht so leidenschaftliche Reaktionen hervorrufen könnte.

How to draw sailors - a drawing lessons for kids in easy steps


Ein interessanter Artikel von Ulrich Greiner über die "Frankfurter Anthologie", eine Gedichtssammlung bestehend aus bisher circa 1600 Gedichten. Seit 1974 wird in jeder Samstagausgabe der FAZ ein Gedicht veöffentlicht. Die Anthologie wird von Marcel Reich-Ranicki betreut, der auch die jährlich erscheinde Buchausgabe herausgibt. (Wiki)

Montag, 30. Januar 2012

Ausschwitz - Zur Erinnerung - 27.1.1945 - Primo Levi


Ihr, die ihr gesichert lebet In behaglicher Wohnung; 
Ihr, die ihr abends beim Heimkehren 
Warme Speise findet und vertraute Gesichter: 
Denket, ob dies ein Mann sei, 
Der schuftet im Schlamm, 
Der Frieden nicht kennt, 
Der kämpft um ein halbes Brot, 
Der stirbt auf ein Ja oder Nein, 
Denket, ob dies eine Frau sei, 
Die kein Haar mehr hat und keinen Namen, 
Die zum Erinnern keine Kraft mehr hat. 
Leer die Augen und kalt ihr Schoß 
Wie im Winter die Kröte. 
Denket, daß solches gewesen, 
Es sollen sein diese Worte in euren Herzen. 
Ihr sollt über sie sinnen, wenn ihr sitzet 
In einem Hause, wenn ihr geht auf euren Wegen, 
Wenn ihr euch niederlegt und wenn ihr aufsteht; 
Ihr sollt sie einschärfen euern Kindern. Oder eure Wohnstatt soll zerbrechen, 
Krankheit soll euch niederringen, 
Eure Kinder sollen das Antlitz von euch wenden. 
Aus: Primo Levi "Ist das ein Mensch?"


Wikipedia schreibt:

Zwischen dem 17. Januar 1945 und dem 23. Januar wurden etwa 60.000 Häftlinge aus Ausschwitz evakuiert und in Todesmärschen nach Westen getrieben. In den Lagern und Außenstellen blieben etwa 7500 Häftlinge zurück, die zu schwach oder zu krank zum Marschieren waren. Mehr als 300 wurden erschossen; man nimmt an, dass eine geplante Vernichtungsaktion nur durch das rasche Vorrücken der Roten Armee verhindert wurde.
Zuerst wurde das Hauptlager Monowitz am Vormittag des 27. Januar 1945 durch die sowjetischen Truppen (322. Infanteriedivision der 60. Armee der I. Ukrainischen Front unter dem Oberbefehl von Generaloberst Kutotschkin) befreit. Von den dort zurückgelassenen Gefangenen — die Angaben reichen von 600 bis 850 Personen — starben trotz medizinischer Hilfe 200 in den Folgetagen an Entkräftung.
Das Stammlager und Auschwitz-Birkenau wurden – auch durch die Soldaten der 322. Division – schließlich am frühen Nachmittag des 27. Januar befreit. In Birkenau waren fast 5.800 entkräftete und kranke Häftlinge, darunter fast 4.000 Frauen, unversorgt zurückgeblieben. In den desinfizierten Baracken wurden Feldlazarette eingerichtet, in denen die an Unterernährung und Infektionen leidenden und traumatisierten Häftlinge versorgt wurden.
Einige Tage später wurde die Weltöffentlichkeit über die Gräueltaten informiert. Die Ermittler fanden über eine Million Kleider, ca. 45.000 Paar Schuhe und sieben Tonnen Menschenhaar, die von den KZ-Wächtern zurückgelassen wurden.
In den Jahren 1940 bis 1945 wurden in die Konzentrationslager Auschwitz mindestens 1,1 Millionen Juden, 140.000 Polen, 20.000 Sinti und Roma sowie mehr als 10.000 sowjetische Kriegsgefangene deportiert. Knapp über 400.000 Häftlinge wurden registriert. Von den registrierten Häftlingen sind mehr als die Hälfte aufgrund der Arbeitsbedingungen, Hunger, Krankheiten, medizinischen Versuchen und Exekutionen gestorben.
Die nicht registrierten 900.000 nach Birkenau Deportierten wurden kurz nach der Ankunft ermordet.
Als Obergrenze der Todesopfer im Konzentrationslager- und Vernichtungslagerkomplex Auschwitz wird die Zahl von 1,5 Millionen Opfern angegeben.


Ein Artikel aus der Zeitschrift "Die Zeit"

Mein Jahrhundertbuch (46)

Günter Kunert: "Ist das ein Mensch?" von Primo Levi 
(Originaltitel: Se questo è un uomo)


Ist das ein Mensch? So hieß das erste von Primo Levi in Deutschland veröffentlichte Buch. Die Aufmerksamkeit war, wie ich mich erinnere, nicht übermäßig groß. Das Thema behagte nicht so recht. Denn Levi berichtete über die Hölle, in der er selber gewesen war und die nun einen Namen trug: Auschwitz. Im Gegensatz zu anderen Berichten Überlebender macht Levis Buch, machen seine Bücher eine Ausnahme. Sie sind nicht nur stilistisch eindrucksvoll, weil dieser Mann ein Schriftsteller von hohen Graden gewesen ist, von einer bedeutenden sprachlichen Kraft, sondern weil seine Ausgangsposition eine gänzlich andere Basis als die anderer Geretteter besaß. Primo Levi war studierter Chemiker, ein wissenschaftlich gebildeter, analytischer Kopf, der seine Erfahrungen unter anderen als nur moralischen Gesichtspunkten protokollierte. Seine Biografie belegt den Zivilisationsbruch unseres Jahrhunderts auf besondere Weise.
Mit einer unerhörten und erschreckenden Akribie notiert Levi die Entmenschung der zum Tode verurteilten Juden Europas. Er selber gerät, fast durch Zufall, in die Ungeheuerlichkeit. Nachdem er sich in Italien einer Widerstandsgruppe, die von den Faschisten ausgehoben wird, angeschlossen hatte, erklärt er den Häschern, er sei nicht der Resistenzia wegen in die Berge gegangen, sondern weil er Jude sei. Damit, so meint er, habe er das kleinere Übel gewählt. Von Auschwitz wissen die italienischen Juden nichts, einem Ort irgendwo in der Ferne, der sich bald entpuppt, als was wir ihn kennen: die Stätte des unvorstellbarsten Massenmordes in der europäischen Geschichte. Levi hat "Glück" im Unglück. Er übersteht die Selektion, da er ein Fachmann ist, dessen Kenntnisse man verwerten kann. So gehört er zu den "Privilegierten", deren Sterben aufgeschoben wird.
Haben wir nicht durch die Vorgänge im Kosovo die Vergangenheit aufflackern sehen? Das Unheil lauert vor unserer Haustür, und noch halten wir uns für dagegen gefeit, bloß eine Garantie besitzen wir keineswegs.
Überleben ist Zufall, schreibt Levi. Eine eigene Leistung ist es keineswegs. Und wer überlebt hat, kann mitnichten aufatmen. Denn das Erlebte und Erlittene lässt sich nicht vergessen. Primo Levi ist diese Vergangenheit durch seine literarische "Erinnerungsarbeit" nie losgeworden. Die eintätowierte Nummer hat das Gedächtnis wie die Psyche stigmatisiert. Früher oder später erscheint dem Überlebenden sein Dasein, das Dasein überhaupt sinnlos. Die Schatten von gestern mehren sich, die Last des Gewesenen wird schwerer bis zur Unerträglichkeit. "Ich weiß auch, daß ich es immer gewußt habe", schrieb er rund 15 Jahre nach Auschwitz, im Dezember 1961, "ich bin wieder im Lager, nichts ist wirklich außer dem Lager, alles andere waren kurze Ferien oder Sinnestäuschung, Traum ..." Im Jahr 1986 nimmt sich Primo Levi das Leben.
Wer statt freundlicher Illusionen die Wahrheit über die Menschen zu ertragen vermag, der lese seine Bücher.

Primo Levi:Ist das ein Mensch? Ein autobiographischer Bericht; aus dem Italienischen von Heinz Riedt; Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1992 


Aus:
An die Nachgeborenen
von Bertolt Brecht



Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.


Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist,
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst!
Der dort ruhig über die Strasse geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?


Ich wäre gerne auch weise,
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen.
Aber ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten.


Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden
Sassen ohne mich sicherer, das hoffte ich.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.


Die Kräfte waren gering. Das Ziel
Lag in grosser Ferne.
Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich
Kaum zu erreichen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.



Sonntag, 29. Januar 2012

The Ides of March - Die Iden des März - Idus Martiae


Der 15. März des Jahres 44 - Gaius Iulius Caesar nimmt an einer Sitzung des römischen Senats im Theater des Pompeius teil.

Ein Augur, ein Vogelschauer, hatte Caesars Frau, die ihn auf Grund von Albträumen aufgesucht hatte, am Morgen desselben Tages, mit den Worten: "Cave Idus Martias" vor möglichem Übel für ihren Mann gewarnt. Caesar ging dennoch zur Senatssitzung, und als er im Anschluss auf eben jenen Seher traf, stellte er abschätzig fest „Die Iden des März sind da!“, worauf dieser entgegnete: „Da sind sie, aber noch nicht vorbei.“ Tja. Caesar wurde dann mit 23 Dolchstichen ermordet.

Was macht der deutsche Filmverleih für den Fall, dass der Zuschauer unwissend UND unfähig zur Benutzung des Internets ist, er gibt dem Film einen Untertitel: Tage des Verrats. WARUM????

Der Film: George Clooney hat Regie geführt, Leonardo DiCaprio ist einer der Produzenten. Schauspieler, beide! Und Ryan Gosling spielt den zentralen Unschuldsverlierer und, Gott sei Dank nach "Drive", dieses Mal mit Mimik und Timing.

Ich habe einige von Clooneys Regieprojekten gesehen und bin erstaunt; nicht dass ich glaube, er sei ein großer Regisseur, aber er ist ein anständiger Mensch und ein Moralist und fühlt sich verpflichtet, sich mit seinem Zorn über den Zustand der Welt öffentlich auseinanderzusetzen. Das klingt altbacken und berührt mich sehr. Und er besetzt außerordentlich gut!

Da nutzt einer seine Popularität und sein hübsches Gesicht, nicht nur für Espresso Werbung und den Verkauf teurer Uhren, sondern um Filme zu realisieren, die ohne seinen Namen und seinen Einfluss, höchstens in Indiewettbewerben lobende Erwähnung finden würden, was nichts Schlechtes ist, aber die Zuschauerzahl per se unter 100 000 festlegen würde.

Die Handlung: Ein Gouverneur im Wahlkampf für das Amt des Präsidenten, ein guter Kandidat, einer, der sagt, was er denkt, der Risiken eingeht, unkorrumpierbar - Clooney charmant, ernsthaft, glaubwürdig, ein weißer Obama - sein Wahlkampfteam, eine gut geölte Maschine - Gosling ist sein Public Relation Manager, Philip Seymour Hoffman (großartig wie immer) sein Wahlkampfmanager. Eine "kleine" Indiskretion ereignet sich, und was folgt, lässt sich am besten in Englisch sagen: Everything unravels. Alles löst sich auf, trifft es nicht ganz. Wie bei einem Pullover, der wunderbar aussieht und nur ein kleiner Faden hängt frei - jemand zieht daran und ...

Trotz gegenteiliger Erfahrung und vielmaliger Enttäuschung, sitzt tief in den meisten von uns, immer noch, die Hoffnung auf den Erlöser, den der es richten wird, Obama war so einer für viele. Und dann geht der Mann Kompromisse ein, "knickt ein", hält nicht was er versprochen hat, genau wie es zu erwarten war, und wir sind enttäuscht und zornig.

In seiner "Minima Moralia" stellt Adorno die Frage (man klingt das intellektuell) „Wie lebt man unter allen Umständen richtig?“, und seine Antwort lautet: "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen." Darüber spricht dieser Film, ganz ohne blutige Dolchstöße, ohne großes Drama. Ein Lehrstück.



Brot und Butter Pudding


Es hat geschneit. Es ist kalt. Aha, es ist Winter! Ich brauche dringend kuschliges warmes Essen. Am besten Kindernachtisch.

Wenn  Engländer altes Weißbrot übrig haben, machen sie, so sagt man, daraus eine süße Nachspeise, sehr reich, sehr nahrhaft, sehr gut: Bread and butter pudding. 1723 wurde das erste Rezept von John Nott niedergeschrieben.

Hier die Version meiner nichtbritischen Mutter:
Altes Weißbrot oder noch besser Brioche in Scheiben schneiden, dann in Dreiecke, mit Butter und Aprikosenmarmelade bestreichen, damit eine feuerfeste Form auslegen, zuerst um den Boden und die Ränder herum und den Rest in die Mitte. 
3-4 Eier, 500 g Sahne und 2 Teelöffel Vanillezucker "zusammenschlagen" bis die Creme leicht schaumig ist, dann einen Schuß Amaretto untermischen, weil der so gut zur Aprikosen-marmelade paßt. Das Ganze über die Brotscheiben gießen und erstmal circa 3 bis 4 Stunden stehen lassen.
Jetzt in den auf 180 Grad vorgeheizten Backofen schieben und 40 - 60 Minuten drin lassen. Oben sollte es tiefgolden werden und unten nicht mehr allzu flüssig sein.

Heiß servieren, genießen, verdauen.



Samstag, 28. Januar 2012

Tigerlillies - Freakshow

Die Tigerlillies auf einem geschenkten Mix-Tape Ende der 80er, und ich meine wirklich Tape, auf einer Cassette also, ein Lied gesungen in feinstem Falsett, ungeschlechtlich schön und doch eindeutig ein Mann. Zarteste Melodie und dazu ein gräßlich trauriger Text - "Pretty Soon" - die mitleidlose Vorraussage des "Ziemlich Bald" anstehenden Todes und der Details des Verfalls des Körpers vor und nach dem Sterben, mit der sich wiederholenden Endzeile: "Hoffe nur, jemand ist bei Dir, wenn Du stirbst".

Pretty soon, it will be your judgement day
Pretty soon, you will be in decay
Pretty soon, on a marble slab you'll lie
Hope someones with you when you die

Pretty soon, you body will be in pain
Every muscle and sinew will burn like a flame
Pretty soon, in fear you will cry
Hope someones with you when you die

Pretty soon, maggots eat your flesh
Pretty soon, old and rotting where once you were fresh
Pretty soon, your flesh putrefies
Just hope someones with you when you die 

 
Es war ungeheuer kompliziert, herauzufinden, wer der Verleger ihrer Platten ist und wie man die aus England importiert. Aber ein lieber Mensch hat es geschafft. 
Dann im Schillertheater, als Gastspiel "Der Struwwelpeter". Wow, unvorbereitet, erwartete ich Kindertheater und erlebte barockes Horrordrama, hoch artifiziell und garstig und bildgewaltig. Definitiv nichts für Kinder!

http://www.youtube.com/watch?v=hwXPPgEAvjI 
Der Fliegende Robert - Flying Robert
Später ein Konzert in der Kalkscheune, da saß Martyn Jacques, der Sänger, mit seiner Ziehharmonika, oft mit geschlossenen Augen, neben ihm die beiden anderen (Adrian Huge und Adrian Stout) und zauberte gräuliche Endzeitvisionen in die damals noch verrauchte Luft des Saales.
Heute im Wintergarten eine "Freakshow", und auch wenn es wunderbare artistische Nummern gab, und die dekadente und doch zornige Grundstimmung mir gefiel, kam es doch letztendlich zu nichts. Der Gesang: vergröbert und eingeebnet, poesiearm und nachlässig, die Poesie nur noch erinnert und deshalb behauptet. Schade, schade!
Aber zwei, drei Szenen waren hinreißend! Und eine Mitspielerin, eine Zwergin, war von solchem Ernst und solcher Eleganz, dass sie manches zu lange Lied fast wettmachte.


Dies war lange mein Lieblingslied der Band, ein hysterisierter Soldat singt über seine Glücksgefühle beim Einschlagen der Nägel während er Jesus ans Kreuz nagelt.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Cai Guo-Qiang - Wölfe - Frontal


CAI GUO-QIANG 'HEAD ON' 2006








"Bewaffnet mit hungriger Kameradschaft, wagen 99 lebensgroße Wölfe einen Sprung ins Ungewisse und finden sich, eingefroren, in einem atemberaubendem Bogen über weitem dunklen Raum. Ihre kühne Welle findet ein unglückliches Ende in der Form einer Glasswand: frontal in die dünne Scheibe knallend, bröckelt der mächtige Bogen; die Wölfe fallen, schockiert und entsetzt. Aber sie raffen sich wieder auf und humpeln, um sich wieder in das Schwanzende der Herde einzuordnen, und schaffen so einen endlosen Kreis von Brutalität und Aberwitz."


Armed with a hungry camaraderie, 99 life-sized wolves take a fiery leap of faith and find themselves frozen in a breathtaking arc across a vast expanse of dark space. Their bold surge meets an unfortunate demise in the form of a glass wall: slamming into the thin pane head on, the mighty arc crumbles; the wolves fall, shocked and aghast. Yet they pick themselves up again and limp to rejoin the tail end of the herd, forming an endless cycle of brutality and folly. 
Tara Tan in This is Tomorrow




Michelangelo liebt - Rilke verehrt

  

An Tommaso Cavalieri

Du weißt, Herr, dass ich weiß, wie sehr du weißt,
dass ich, um dich zu fühlen, dich erreiche,
und weißt, ich weiß, du weißt, ich bin der Gleiche:
was ists, das uns im Gruße zögern heißt?

Ist wahr die Hoffnung, die du mir gebracht,
und wahr der Wunsch und sicher, dass er gelte,
so bricht die Wand, die zwischen uns gestellte,
verhehltes Wehe hat nun doppelt Macht.

Wenn ich an dir nur liebe, was auch du
am meisten an dir liebst, Herz, zürne nicht.
Das sind die Geister, die sich so umwerben.

Was ich begehr in deinem Angesicht,
dem sehn die Menschen unverständig zu,
und wer es wissen will, der muss erst sterben.


Michelangelo Buonarotti, übersetzt von Rainer Maria Rilke
Insel, Frankfurt August 2002 



Details aus dem Letzten Gericht, ein letzter Kuss. Sixtinische Kapelle


Das waren Tage Michelangelo´s...

Das waren Tage Michelangelo´s,
von denen ich in fremden Büchern las.
Das war der Mann, der über einem Maß,
gigantengroß,
die Unermesslichkeit vergaß.

Das war der Mann, der immer wiederkehrt,
wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert,
da sie sich enden will, zusammenfasst.
Da hebt noch einer ihre ganze Last
und wirft sie in den Abgrund seiner Brust.
Die vor ihm hatten Leid und Lust;
er aber fühlt nur noch des Lebens Masse
und dass er Alles wie ein Ding umfasse, -
nur Gott bleibt über seinem Willen weit:
da liebt er ihn mit seinem hohen Hasse
für diese Unerreichbarkeit.
Rainer Maria Rilke
Aus: Das Stundenbuch/ Buch vom Mönchischen Leben (1899)

 

Mittwoch, 25. Januar 2012

Pygmalion - Die ideale Frau selbstgemacht, oder der ideale Mann


Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. (Genesis)

Pygmalion schuf sich eine Frau nach seinem Bilde. Eine Frau, wie sich ein Mann eine Frau vorstellt, wünscht. Was mag das für eine "Frau" gewesen sein?
Wie sähe sie aus, die PERFEKTE Frau, geboren aus dem Kopf eines Mannes? Die Mutterhurefreundinkumpelfrau? Die ohne Fragen? Die, die wie ein Mann denkt, nur ohne Schwanz? Geht das überhaupt? Denn wie meine Großmutter, die sonst nie ordinäre Wörter benutzte, einmal gesagt hat: "Wenn der Schwanz steht, ist der Verstand im Arsch."? 

Wie sähe ein Mann nach meinem Bilde aus?

"Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt es, von Gott. Es dürfte auch in diesem Sinne gelten: Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfaßbar ist. Es ist eine Versündigung, die wir, so wie sie an uns begangen wird, fast ohne Unterlaß wieder begehen – Ausgenommen wenn wir lieben." und "Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis." Max Frisch

Wenn wir uns also unablässig, lieblos, ein Bild vom anderen machen. Ihn in dieses Bild  einschweißen, dann geschieht uns selbst genau dies auch, ständig. Bild begegnet Bild, "so lässt Kunst nicht sehen die Kunst", heißt es bei Ovid im Pygmalion - Kapitel. 

Ich lese momentan überall von der fortschreitenden Entfremdung der Menschen in der digitalisierte Welt, Facebook, Twitter, was auch immer, als zwar nicht greifbare, aber benennbare Feindbilder. Aber wie nah sind wir uns in der analogen Welt? 
Wie anstrengend, beängstigend ist es, einem anderen "bildlos" zu begegnen? Aber was würden wir gewinnen, wenn wir es wagten?
In alten Hollywoodfilmen gibt es manchmal Geburtstagsszenen, in denen eine Frau aus der auf dem riesigen Tisch stehenden Torte springt: Surprise! Überraschung!


Ramon Lago "Pygmalion"
 
Kleine Horrorgeschichte zum Thema:

Wenn Herr K. einen Menschen liebte
"Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "Der Mensch."


Pygmalion
Nun steht vor mir das Werk vollendet,
Dran ich, beseelt von heilger Glut,
Des Busens Götterkraft verschwendet,
Es sinkt die Hand, der Meißel ruht;
Ich schwelg’ in selges Schaun versunken,
Mich faßt der Freude Überschwang,
Und meine Augen hängen trunken
Am Bilde, das mir selbst gelang.

Der Leib, der süße, sonder Hülle
Wie ragt er auf in stolzer Pracht!
Der edlen Glieder strenge Fülle
Bannt jedes Herz mit Zaubermacht:
Es träumt ein wundersüßes Sehnen
Im Aug’, das feucht in Liebe thaut,
Und nie im Lande der Hellenen
Ward noch ein Weib wie dies geschaut.

Seit meiner Jugend frühsten Zeiten
Hat heiße Sehnsucht, ungestillt,
Als Muster der Vollkommenheiten
Gesucht ein holdes Frauenbild;
Ich jagt’ ihm nach auf irdschen Fluren,
Ich sucht’ es hier und sucht’ es dort,
Doch immer nur zerstreute Spuren
Fand ich von höchster Schönheit Hort.

Nie schmückt, drum meine Wünsche warben,
Vollendung, was im Staube weilt,
Der Reiz der Formen ward und Farben
An viele Leiber rings vertheilt;
Von höchster Schönheit heilgem Glanze
Schaun wir nur stets verirrten Strahl,
Doch nie die reine, volle, ganze,
Niemals des Busens Ideal.

Und mahnend fühlt’ ich in mir tönen,
Der mich beseelt, des Geistes Ruf:
»Wohlan, den Inbegriff des Schönen
Schaff selbst, den nie Natur erschuf!«
Ich gieng an’s Werk; was vor der Seele
Mir stand, vermählt hab’ ich’s dem Stein;
Ich formt’ ein Weib mir sonder Fehle,
Umstrahlt von höchster Schönheit Schein.

Und auf zum Zeus nun meine Hände
Erhebend möcht’ ich brünstig fleh’n:
»O in dies Bild herniedersende
Des Lebens Hauch, des Geistes Weh’n!
Den ros’gen Lippen laß entquellen
Liebreicher Worte süße Fluth,
Laß athmend mir entgegenschwellen
Die Brust, daß Herz an Herzen ruht!«

Er thut es nicht; was ich gestaltet,
Stets bleibt es seelenlos und kalt;
Nie wird, ob’s auch das Herz mir spaltet,
Dies Bild von Leben warm durchwallt;
Ich seh’s: was lebt, wird niemals prangen
Von Mängeln frei im Thal der Noth;
Und Bilder, die dem Stein entsprangen,
Sie sind vollendet, aber todt.

aus: Albert Möser, Schauen und Schaffen, Neue Gedichte, Verlag von Levy & Müller, Stuttgart, 1881

Dienstag, 24. Januar 2012

Mike Nichols - Angels in Amerika - Eine schwule Phantasia über nationale Themen


Engel in Amerika
Eine schwule Phantasia über nationale Themen
Angels in America
A gay fantasia on national themes
Geschrieben von Tony Kushner

Ich habe das Stück in zwei verschiedenen Inszenierungen am Theater gesehen und war beide Male nicht wirklich froh mit dem, was ich da gesehen hatte, zu angestrengt, zu gut gemeint, zu rational, zu beabsichtigt. Ich spürte, das da noch eine barocke, überbordende, spirituelle Ebene in dem Stück steckte, vor der sich die Macher gedrückt hatten. Und beide Abende hatten einen tiefen, ungebrochenen Ernst, der mir ungemütlich war.
Dann bekam ich die DVDs mit Mike Nichols Fernseh-Verfilmung, 6 Stunden Spieldauer - ja vielleicht ein Stündchen zu lang - aber die restlichen fünf Stunden sind prall voll mit Komik und Absurdität, grandiosen Schauspielern, die sich an die Grenzen des Lächerlichen wagen, politisch konkretem Zorn und wagemutiger Tragik. Eine Fantasia - jetzt hatte ich den Untertitel verstanden.


Ich zitiere die Seite Serien-Junkies, mit dem Versuch einer Inhaltsangabe:
Amerika, in den 80er Jahren. Ronald Reagan ist Präsident. Der 30-jährige New Yorker Homosexuelle Prior erkrankt an Aids, worauf ihn sein jüdischer Freund Louis verlässt. Louis, von Schuldgefühlen geplagt, fängt eine Affäre mit dem streng gläubigen Mormonen Joe an. Der wiederum ist ein Schützling des berühmten, erzkonservativen Anwalts Roy Cohn – auch er ein heimlicher Homosexueller, der sich mit Aids infiziert hat, dies jedoch vor der Öffentlichkeit geheim zu halten versucht. Derweil wird Prior von Visionen eines weiblichen Engels heimgesucht, der ihn als modernen Propheten auserkoren hat.

Roy Cohn gab es wirklich. Eines seiner Bücher heißt: Only a Miracle Can Save America From the Red Conspiracy. Nur ein Wunder kann Amerika vor der Roten Verschwörung retten. Er war ein enger Mitarbeiter des Senators McCarthy, der mit den antikommunistischen Anhörungen, Charlie Chaplin wurde des Landes verwiesen, Brecht rettete sich durch schweyk-artige Antworten und reiste sofort aus, viele kamen auf die Schwarze Liste und hatten dadurch jahrelanges Arbeitsverbot, Disney denunzierte und Roy Cohn immer dabei. Er war schwul und verfolgte Schwule, er starb an AIDS und beharrte darauf, dass es Leberkrebs sei. Ein schizophrener Charakter durch und durch.


Justin Kirk


USA 2003
circa 352 Minuten
Fernseh-Serie in 6 Teilen
Regie: Mike Nichols, gebürtig Michael Igor Peschkowsky, geboren in Berlin

Eine Auswahl seiner Filme:
1966: Wer hat Angst vor Virginia Woolf?(Who’s Afraid of Virginia Woolf?), nach dem Bühnenstück von Edward Albee
1967: Die Reifeprüfung (The Graduate), nach dem Roman von Charles Webb
1970: Catch 22, nach dem Roman Der IKS-Haken von Joseph Heller
1971: Die Kunst zu lieben (Carnal Knowledge)
1983: Silkwood
1988: Biloxi Blues nach dem Bühnenstück von Neil Simon
1990: Grüße aus Hollywood (Postcards from the edge)
1995: Der Birdcage - Ein Paradies für schräge Vögel (The Birdcage), nach dem Bühnenstück La Cage aux folles von Jean Poiret
2001: Wit - nach dem Bühnenstück von Margaret Edson
2003: Angels in Amerika TV-Miniserie
2007 Hautnah (Closer) nach dem Bühnenstück von Patrick Marber

Besetzung "Engel in Amerika"

Roy Marcus Cohn - Al Pacino
Rabbi Isidor Chemelwitz - Meryl Streep
Hannah Porter Pitt - Meryl Streep
Ethel Greenglass Rosenberg - Meryl Streep
Engel Australien - Meryl Streep
Engel Amerika - Emma Thompson
Schwester Emily - Emma Thompson
Prior Walter - Justin Kirk
Engel Ozeanien - Ben Shenkman
Louis Ironson - Ben Shenkman
Harper Amaty Pitt - Mary-Louise Parker
Norman Arriaga - Jeffrey Wright
Mr. Lies - Jeffrey Wright
Engel Europa - Jeffrey Wright


Bevor Mike Nichols begann Filme zu machen, war er ein berühmter Radio- und, später, Fernsehkomiker und dann ein erfolgreicher Broadwayregisseur.


Montag, 23. Januar 2012

Ozymandias - Schaut auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt.


Ozymandias ist die gräzisierte Version des Thronnamens User-maat-Re, 
des ägyptischen Pharaos Ramses des II., der auch der Große genannt wurde. 
Er regierte von 1279 bis 1213 v. Chr.


OZYMANDIAS

Versuch einer Übertragung

Ein Reisender aus einem alten Land berichtet:
Zwei Beine, riesig, rumpflos und aus Stein
Auf Dünen in der Wüste stehn sie, halbvernichtet,
Dicht nebenan sinkt eine angebrochne Fratze ein.

Der Mund verhöhnt, der Blick ist starr gerichtet
So hat's der Bildhauer in diesen Stein gefasst,
Der tot, doch da, von Zügellosigkeiten zeugt,
von harter Hand und einem Herz das prasst.

Und auf dem Sockel liest man: 
Mein Name: Ozymandias, König der Könige! 
Schaut auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt.

Nichts anderes hat überlebt als das.
 Rings um den Trümmerbruch
der Riesenstele dehnt sich ohne Maß
die Ebene voller Sand als weites Tuch. 


I met a traveller from an antique land
Who said: "Two vast and trunkless legs of stone
Stand in the desert... Near them, on the sand,
Half sunk, a shattered visage lies, whose frown,

And wrinkled lip, and sneer of cold command,
Tell that its sculptor well those passions read
Which yet survive, stamped on these lifeless things,
The hand that mocked them, and the heart that fed:

And on the pedestal these words appear:
'My name is Ozymandias, king of kings:
Look on my works, ye Mighty, and despair!'

Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away."

Percy Bysshe Shelley 1817



Die deutsche Übertragung entstand mit Hilfe von "Sneaky"



Sonntag, 22. Januar 2012

J. Edgar Hoover - Der Zweck heiligt die Mittel

"J. Edgar", ein Film von Clint Eastwood, 82. 

1 Kennen wir so etwas in Deutschland überhaupt, einen echten konservativen Liberalen, wenn wir liberal als  "frei" und einen jener Werte, den die Franzöische Revolution erkämpft hat, definieren?  "Liberal" geht auf das lateinische "liberalis", "eines freien Mannes würdig; edel, vornehm, anständig", zurück.
2 Leonardo Dicaprio, der Mann mit dem alternden Kindergesicht, ist ein großartiger Schauspieler. 
3 Wenn der Maskenbildner keinen Oscar bekommt, dann liege ich, wieder mal, falsch.
4 Ich mag langsame Filme, wenn ich durch das mehr an Zeit auch mehr sehen und verstehen kann.
5 Dass der Zweck die Mittel heiligt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit eines der grauenhaftesten Sätze der menschlichen Geschichte. Der Zweck, der mit geheiligten Mitteln erreicht wird, und mag er noch so wunderbar und hehr sein, ist als solcher, einmal erreicht, nicht mehr als solcher erkennbar, weil die angewandten Mittel ihn in sein schreckliches Gegenteil verkehrt haben.
6 Eine Liebe ist eine Liebe ist eine Liebe. Aber, das heißt noch gar nichts. Liebe entschuldigt nichts. Es gibt sie, die lieblose Liebe.

Edgar J. Hoover


Gundula Schulze Eldowy

Gestern eine Ausstellung in der C/O Berlin in der Oranienburger, die nun wohl doch in dem Gebäude bleiben darf. Im Erdgeschoß eine Sammlung der Bilder, Schnappschüsse eines berühmt, berüchtigten Papparazzo - Ron Galella. Der Mann sah früher aus wie die rechte Hand eines kleineren Mafiabosses und hat das Papparazzitum praktisch erfunden. Heute, wo nahezu jeder eine Kamera im Telefon hat, papparazzit halt auch fast jeder, wenn er die Gelegenheit findet. Merkwürdig an den Bildern ist, wie gestellt viele von ihnen wirken. Wahrscheinlich gründet sich das in der unausgesprochenen Abmachung zwischen manchen Berühmtheiten und dem Photographen, die Pose wird sekundenschnell eingenommen und dann "geschossen". Beiden Seiten ist gedient.

Im Obergeschoß, Photographien von Gundula Schulze-Eldowy, einer Dresdnerin die 1972 nach Ost-Berlin kam, dort und anschließend noch in Leipzig studierte und den Teil der ostdeutschen Realität photographierte, der nie in offiziellen Veröffentlichungen erschien. Diane Arbus der DDR nennen sie einige. Ich weiß nicht, ob ich dem zustimmen kann. Ihre Arbeiten wirken auf mich zorniger, aber auch kälter, distanzierter.
 Berlin 1980

Identische Zwillinge, Roselle, New Jersey, 1967 © Diane Arbus

Bis 1990 entstanden die Schwarz-Weiß-Zyklen Berlin in einer Hundenacht, Arbeit, Aktporträts, Tamerlan, Straßenbild, Der Wind füllt sich mit Wasser und die beiden Farbzyklen Der große und der kleine Schritt und Die letzten beißen die Hunde.
Der wunderbare Photograph Robert Frank, den sie 1985 kennengelernt hatte, förderte ihre Arbeit. Nach dem Fall der Mauer reiste sie viel und lebt heute in Peru und Berlin.

Der Führer, Berlin 1987
Parade des Berliner Wachregimentes, ich glaube das war immer Mittwoch nachmittags.

Fast blinde Briefträgerin

  

Berlin 1987

Dresden 1986

Ohne Titel, Polen 1980

 Andreas, der Rußkönig, Bad Blanckenburg 1985, die Maske eines todtraurigen Clowns

Röntgen/Baby 1990

Der letzte Raum der Ausstellung ist der Serie "Tamerlan" gewidmet und ist schwer zu verkraften. Nahe der Tür das vergilbte Photo ener wunderschönen Frau mit dunklem Haar und schweren Brauen über, man könnte sagen, Glutaugen. Ihr Mann nannte sie Tamerlan, nach dem Text eines alten Schlagers.
G. Schulze trifft diese Frau, nun schon sehr alt, die erschöpft auf einer Parkbank sitzt und wird sie über einen Zeitraum von 8 Jahren immer wieder photographieren. Während dieser Jahre verliert die Frau erst die Zehen und dann, jetzt im Heim lebend, Stück für Stück ihre Beine. Das vorletzte Photo, schon einbeinig, nackt, stolz, das Echo von wundervoller Schönheit im Gesicht. 
Aber ich stelle mir auch Fragen, in einem der ebenfalls ausgehängte Briefe Tamerlans, beklagt sie sich, dass sie schon so lang nichts von der "Ersatztochter" gehört habe und beschreibt, welche Sehnsucht sie nach Entenbraten hätte. Ob G. Schulze ihr den wohl gebracht hat?
Klingt vielleicht dumm, aber die Intimität der Bilder, sagt alles über das Vertrauen von Tamerlan zur Photographin, und nichts über deren Verhältnis zu Tamerlan. Mir ist schon klar, dass ein Künstler kein Sozialarbeiter ist, aber, tja aber was?

Alle Photos, bis auf die Identischen Zwillinge © Gundula Schulze Eldowy