Montag, 30. September 2024

Wochenende mit Kunst

Freitagabend Wiederaufnahmeprobe für "Das große Heft" von Agota Kristof in Stendal, meine Truppe ist wirklich stark, trotz oder wegen der Katastrophe bei unserer Premiere. Aber ernste Stücke haben es in nicht so großen Städten gerade sehr schwer, ihr Publkum zu finden. Viele kommen gar nicht erst, die anderen wollen lieber erleichternden Spaß, die Zeiten sind ihnen schon ernst genug. Was heißt das für uns? 

Samstagfrüh die Trauerfeier für Alexander Lang im Deutschen Theater, ein guter Vormittag. 

Er machte viele seiner Arbeiten in Zeiten, wo seine Zuschauer nach Ernsthaftigkeit, Widersprüchlichkeit, Wahrheitssuche lechzten. Diktaturen sind zumindest gut für Kunst. Stimmt das? Es gibt einen Feind und man darf ihn nicht beim Namen nennen, also muss man kunstvoll sagen, was man nicht sagen darf. 

Samstag tagsüber versuche ich aus Satres "Der Aufschub" eine Lesefassung zu destillieren. Das braucht viel Zeit. 

23. – 30. September 1938, die acht Tage vor dem Münchner Abkommen, das den Krieg verhindern sollte und ihn doch nur aufschob. Man hoffte noch. Ein schwieriger Text, Herr Satre ist sehr bemüht, es einem schwer zu machen herauszufinden, wo eine Geschichte aufhört und die nächste beginnt, allerdings entsteht dadurch auch ein akutes Gefühl von Gleichzeitigkeit. Eine Fleißarbeit. Am Sonntag verbringe ich damit auch vier Stunden. Es werden noch viele mehr werden.

Am Samstagabend sehe ich: Ein Volksbürger - Eine politische Farce im Haus der Bundespressekonferenz mit Fabian Hinrichs als Ministerpräsident. Eine wirklich clevere Grundidee, aber es bleibt leider wenig übrig außer der Cleverness. Hinrichs erster Theaterabend nach René Polleschs Tod. Ich vermisse ihn sehr, aber wie sehr wird er ihn vermissen?

Heute, am Sonntagabend, Nick Cave in der Uber-Arena. Mein erstes Mal in einer solchem gigantischen Arena. Ich hasse große Konzerte, ich habe Platzangst, es sind zu viele Menschen und dann die Erinnerung an ein Bob Dylan Konzert  in Treptow kurz nach dem Mauerfall. Ich bin während der Show der Vortruppe gegangen aus den oben genannten Gründen und dann habe ich Dylan-Platten zuhause gehört. Meine ultimate Blamage.

Heute war es gut.

Heute habe ich einem Künstler, der eine Gruppe von Mitgestaltern gefunden hat, Nick Cave AND The Bad Seeds, dabei zuschauen dürfen, wie er sein Leben in Kunst umformt. Der Mann ist nur ein Jahr älter als ich, 67, was für eine Kraft, was für Mitteilungswilen. Ein Gottesdienst ohne Gott.


 Nicht ganz aktuell © Frans Schellekens/Redferns/Getty



Sonntag, 29. September 2024

Alexander Lang ist gestorben

Als ich Alexander Lang 1978 kennenlernte hatte er noch rote Haare und hieß nicht nur so, er war wirklich sehr lang. Mit vorgebeugten Schultern, den Blick nach unten oder innen gerichtet, eine Zigarette im Anschlag schob er sich jeden Morgen mit weiten Schritten die Reinhardtstraße entlang in Richtung DT.

"Philoktet" und "Die Insel" habe ich mindestens zehnmal gesehen. 100 Pfennig oder eine DDR-Mark für die Eintrittskarte, wenn Du am Theater engagiert warst. 

Nach dem ersten Erleben von Grashof & Lang in der "Insel" konnte ich den Rest des Abends nicht sprechen, so sehr ist mir ihr Dialog in die Magengrube gehauen, die Musik, elektronischer Bach, die Intensität, die Zärtlichkeit zwischen den beiden gegen die Härte des Textes. Archaischer, körperlicher Widerstand getragen von der Nähe der beiden Spieler. 

In einem Land ohne öffentlich sichtbarem Widerstand, erfuhr ich etwas über die Kraft des NEIN, mit all den erwartbaren schrecklichen Folgen, die solch ein Nein haben würde. Auch "Philoktets" Thema war das NEIN. In diesem Staat, der DDR, war NEIN ein gefährliches Wort, Zustimmung wurde erwünscht, gefordert, erpresst. 

Das NEIN war sein Grundthema.

Er war mein Mentor. Ich, 20, verklemmt, verkopft und verkantet sprach ihm einen Antigone-Monolog vor und er reagierte mit der Frage: "Aber du weißt schon, dass sie sterben wird?" Wir rauchten gemeinsam eine Zigarette und er hat mich danach mit einem Stock durch die Probebühne gejagt, um mich aus meinem Kopf zu befreien. (Es war wildes Spiel, ohne echte Gewaltandrohung!) Er hat mich auch gefragt, ob ich mir, mit meinem Nachnamen, sicher bin, dass ich Schauspielerin werden will. Ich habe, ohne Kenntnis aller künftigen Kränkungen, aus voller Seele "JA" gesagt. Zu dem "JA" stehe ich heute noch.

"Miss Sara Sampson", "Ein Sommernachtstraum", "Danton's Tod", "Stella", "Karate Billi kehrt zurück" und "Die Dreigroschenoper" - viele, viele Proben, viele Krisen, viele Tränen, viel Gelächter, viel gelernt. 

"Miss Sara Sampson" - Arabella, ein Kind, ich wurde in den Proben wegen meines lauten Hustens Bello genannt. Fred Düren, unvergleichlich, wunderbar, außerhalb der Proben schien es seine Hauptaufgabe zu sein, mich zum Lachen zu bringen. Es ist ihm immer gelungen, was Alex nicht mochte. Die Lachszene von Paryla und Ritter, Lachen geht extrem auf die Stimme, ein Ereignis. Zur Premiere drehte Chris ab, ins Universum. 

"Stella", immer weinte einer. Gudrun Ritter meine persönliche Theatermama, keine konnte zarter wüten und besser rülpsen als sie. Margit Bendokat als Stella in der ersten Szene - "Er ist wieder da", Alex hatte uns nicht verraten, dass wir das Satyrspiel zur "Medea" sein würden. In der Premiere schockierte uns das Gelächter des Publikums, denn in den Proben gab es keine Zuschauer und so auch kein Gelächter.

"Ein Sommernachtstraum" - Hippolyta, ich musste lernen in Stöckelschuhen zu laufen, ein Vierteljahr Qual, aber dann konnte ich es, auch auf Schrägen. Die Aufführung wurde zur Generalprobe von der "Feuerwehr" verboten, wegen "Brandgefahr", denn unser wunderbarer Bühnenbildner Hans Brosch war im Westen geblieben. Dann ein neues Bühnenbild, Gero Troike erfand es, in der zweiten Generalprobe baute die Bühnentechnik, was wir, die Spieler vorher nicht wussten, das Bühnenbild ab, während wir noch spielten. Puck sprach:

Wenn wir Schatten nicht gefielen,
O! so denkt bey unsern Spielen,
Daß ein Schlummer euch befiel,
Daß ihr träumtet unser Spiel.
Eitel Blendwerk, leerer Schaum
War der Inhalt, wie ein Traum.
Und verzeiht ihr, was versehn:
So solls künftig besser gehn.
Ja! So wahr ich ehrlich bin!
Wenn wir bitterm Spott entfliehn,
Und der tadelnden Gewalt,
Wollen wir uns bessern bald.
Puck will sonst ein Lügner seyn.
Gute Nacht nun insgeheim!
Klatscht mir Beyfall! Ihr sollt sehn,
Künftig wirds schon besser gehen.

"Dantons Tod" - mein vibrierendes Grunderlebnis - Dialektik als sinnlich politisches Ereignis, im Osten war Robbespierre üblicherweise der Gute, im Westen war es Danton, und nun? Ein grandioser Schauspieler, Grashof kämpfte mit den so lieblich genannten zwei Seelen in seiner Brust, ganz akut, mit diametral entgegengesetzten Schlußfolgerungen und den daraus folgenden Aktionen. Roman Kaminski, Camille, wunderschön und wunderbar, auch am Klavier - das Kölner Konzert von Keith Jarrett - und Saint Justs mörderische Wut. Vor der Vorstellung hat er mich aber oft mit 'Anneliese' geärgert. 

Zehn Jahre haben wir das Stück gespielt und geliebt. Die letzte Vorstellung, der nicht enden wollende Applaus und alle heulten. 

Ich war Lucille, sie taucht zu Beginn zweimal auf und dann erst wieder am Ende. Zwischendurch saß ich mehr als eine Stunde in der Garderobe und hörte zu. Noch immer kann ich die meisten Texte auswendig. Wenn mein Finale begann, hörte ich jeden Abend wie die bereits "guillotinierten" Kollegen ihre Sehnsucht nach einem kühlen Bier äußerten. Roman Kaminski, mein Camille, hatte über viele Jahre einen Ausreiseantrag laufen, auf Gastspielen hielt man seine Familie als Geiseln, Er bekam die Ausreiseerlaubnis erst am 4. November 1989. 

Dann ging Alex in den Westen, wo er als Thüringer und die Reibung brauchender Ostler, meiner Meinung nach, nie wirklich heimisch wurde, auch wenn er erfolgreich war und ich die trommelnden "Räuber" am Schillertheater sehr mochte.

Dann Alex Rückkehr ans Deutsche Theater 1991 mit dem Stück eines Wessis über den Osten, "Karate Billy kehrt zurück". Alex war verändert, mißtrauischer. Wenn wir lachten, war er nicht sicher, ob über ihn oder mit ihm. Rauchend und Kamillentee trinkend, machte er nie Pause, ich erfand schließlich Blasenentzündungen, um uns Rauchpausen zu erschleichen.

So klug, so belesen, so leidenschaftlich, ein Clown, ein Schauspielzauberer und ein manchmal Mistkerl. 

"Die Dreigroschenoper" - Frage in einer Zuschauerdiskussion: Haben sie absichtlich nur Schauspieler besetzt, die nicht singen können? Uff. 120 ausverkaufte Vorstellungen und er hat mich wirklich gequält, mehr als nötig. Die Premiere am Bodensee, Gudrun Ritter, unsere Mrs. Peachum hatte eine allergische Reaktion auf eine Ischiasspritze und wir, halbgeschminkt und halbverkleidet, haben das Stück erzählt und die Lieder gesungen, so entspannt war wir nie wieder.

Nebenbemerkung. Ich bin keine gute Sängerin, aber sobald ich das besagte Lied erwähnte, das ich einmal "in einer kleine Kneipe in Soho" gehört hatte, war der Saal bereit und willig.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182640.nachruf-alexander-lang-gestorben-zwischen-distanz-und-aberwitz.html

Er war Thüringer mit einem sehr speziellen Humor, aber wenn nicht thüringisch, gelegentlich auch gänzlich humorlos. 

In "Solo Sunny" gibt es eine Szene, in der Sunny von sich erzählt und ihr Philosoph sie anschaut, sie sagt: "Du siehst mich an, wie durch ein Fenster".

Heute habe wir uns an ihn erinnert, im Deutschen Theater, seinem Spielplatz, nicht voll, aber auch nicht leer, wir leben in einer geschichtsvergessenen Zeit, oder? Es war ein guter Vornittag, Simone von Zglinicki brachte es, bezogen auf das Theater, auf den Punkt: "Ich wusste nicht, dass ich glücklich war, damals".

Ein normaler, sehr trauriger Vorgang, wir treffen uns zu Beerdigungen und um der Gestorbenen zu gedenken - Wer wird noch kommen? Wer ist inzwischen gesorben? Der Dorotheenstädtische Friedhof ist übersät mit Menschen, die ich bewundert habe, mit denen ich gespielt habe, die ich lieb hatte.

"Dantons Tod": Es ist doch was wie Ernst darin. Ich will einmal nachdenken. Ich fange an, so was zu begreifen. Sterben – Sterben –! – Es darf ja alles leben, alles, die kleine Mücke da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte stocken, wenn nur der eine Tropfen verschüttet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekommen von dem Streich. Es regt sich alles, die Uhren gehen, die Glocken schlagen, die Leute laufen, das Wasser rinnt, und so alles weiter bis da, dahin – nein, es darf nicht geschehen, nein, ich will mich auf den Boden setzen und schreien, dass erschrocken alles stehn bleibt, alles stockt, sich nichts mehr regt. (Sie setzt sich nieder, verhüllt sich die Augen und stößt einen Schrei aus. Nach einer Pause erhebt sie sich:) Das hilft nichts, da ist noch alles wie sonst; die Häuser, die Gasse, der Wind geht, die Wolken ziehen. Wir müssen's wohl leiden.

NEIN!

Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung schreibt in seinem Nachruf:

Seinen schwärzlichen, aber doch herzlichen Humor hat er nie verloren. Auf die Frage, ob er verbittert sei, da in seiner Pankower Bude: „Was? Um Gottes willen! Nein, ich bin äußerst dankbar. Ich hatte eine tolle Zeit. Ich konnte noch richtig leben, mich auseinandersetzen, kämpfen. Ich musste mich nicht nur mit mir selbst beschäftigen, sondern mit den Umständen. Da wuchs man dran, das war toll und spannend und schlichtweg erfüllend.“Wenn man so etwas hört, bleibt man nun nachdenklich in der Gegenwart zurück, fühlt sich alleingelassen mit den irren Kriegen, dem Gesundheitswahn, der politischen Korrektheit, den ganzen selbstgebastelten Scherereien, die einen vom Eigentlichen abhalten. Und mit dem ganzen Theater. Er fehlt schon jetzt, aber sein Gemecker, das immer wieder ins Lachen und das wiederum ins Husten kippte, bleibt im Ohr.

 


Sonntag, 30. Juni 2024

Münster & Leopoldstadt

Münster, Universitätsstadt, hübsch anzusehen, angenehm geschäftig, munter, gutbürgerlich. Die Cafes sind gut gefüllt, die Läden gut besucht, das sehr lebendige Theater übrigens auch.

Ich wohne hier hinterm Bahnhof, wo sich Elende aus aller Herren Länder, im Rollstuhl, ohne Schuhe, ohne Hoffnung, fast ohne Scham, out of their heads, mit denen, die an ihnen verdienen, in einem schick sanierten Park treffen. Tagsüber geht es zu, wie auf einem kleinen runtergekommenen Marktplatz. Nachts wird viel gebrüllt. Viel geweint.

Es gibt auch eine Kneipe für ernsthafte Trinker. Neulich habe ich einen Rollstuhlfahrer sturzbetrunken und sabbernd zu seiner Busstation gefahren. Der Bus bringt ihn ins Altenheim. 

Vor demselben Bahnhof eine pro-palästinensische Demonstration, die die Gewalt in Gaza benennt und alle andere Gewalt ausblendet. Jüdische weiße brutale Kolonisatoren gegen leidende nicht-weiße Opfer. Die kleine Menge ruft: "Es lebe die internationale Solidarität!" Den Spruch habe ich noch aus der DDR im Ohr. Es wurden auch Gebete aus dem Koran verlesen und man sprach sich mit "Genosse" an.

Derweil probieren wir unser Stück über eine Wiener jüdische Familie zwischen 1899 und 1955. 

1899 sagt eine Figur: "Bei den Wassern von Babylon saßen und  weinten wir, aber das ist vorbei, und alles danach, Vertreibungen, Massaker, Scheiterhaufen, Blutfehden, vorbei wie das Mittelalter – Pogrome, Ghettos, gelbe Flicken ... alles zusammengerollt und weggeschmissen wie ein alter Teppich, weil Europa es überwunden hat. Vorurteile sterben etwas schwerer."  Tom Stoppard "Leopoldstadt"

Mir tut das Herz weh.

Apropos: 

Wiki schreibt: Schon im 12. Jahrhundert war in Münster eine Jüdische Gemeinde mit eigenem Bethaus ansässig, die jedoch 1350 durch Pogrome vernichtet wurde. Ab 1536 siedelten sich erneut Juden an, die unter der Protektion des Bischofs standen, aber nach dessen Tod 1553 nicht der Ausweisung entgehen konnten. Bis zum 19. Jahrhundert existierte in Münster keine jüdische Gemeinde. ... Erst 1810 begann die Wiederansiedlung jüdischer Bürger, die während des 19. Jahrhunderts um ihre gesetzliche Emanzipation in Preußen kämpften. 

1553 bis 1810 war Münster bis auf Gastauftritte von nützlichen Hofjuden judenfrei. 


Die ehemalige Synagoge von Münster wurde in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von SA-Männer angezündet und die jüdische Gemeinde wurde von der Stadt aufgefordert, die Ruine auf eigene Kosten zu beseitigen. Von der Gemeinde, die 1938 430 Mitglieder zählte, blieben nur 20 am Leben. (Quelle: Wiki)

Here comes the sun, Here comes the sun, and I say
It′s alright

Little darlin', it′s been a long, cold, lonely winter
Little darlin', it feels like years since it's been here

Here comes the sun, Here comes the sun, and I say
It′s alright

Little darlin′, the smile's returning to their faces
Little darlin′, it seems like years since it's been here

Here comes the sun
Here comes the sun, and I say
It′s alright

 

 

Dienstag, 23. April 2024

Ich bin Jüdin, tja, was heißt das.

Wenn man, wie ich, in eine atheistische, kommunistische, ostdeutsche Familie geboren wurde, ist die Definition der eigenen Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, ein kompliziertes Ding.

Nach jüdischem Recht bin ich Jüdin, weil meine Mutter und Großmutter Jüdinnen waren. Das machte Sinn, in alten Zeiten, denn bevor es DNA-Überprüfung gab, war die Mutter mit großer Sicherheit, der Vater nur bei Unschuldsvermutung festzustellen. 

Meine erste Liebe, Kurt Goldstein, hat mir einen selbstgemachten silbernen Davidstern-Anhänger geschenkt. Den habe ich getragen und in der "judenlosen" DDR viele dumme Fragen beantworten müssen, aber der Stern erlaubte mir auch, mich als anders zu fühlen. Ein gutes Gefühl in der DDR. Ich habe den Anhänger noch immer.

Da ich an keinen Gott glaube, helfen mir religiöse Zuordnungen nicht. 

Wie und warum bin ich, Johanna, dann jüdisch?

Jüdisch bin ich "no matter what", auch ohne Synagoge und Befolgung der Koscher-Regeln. Warum? Weil es bei uns Juden diese eigenartige Vermischung oder Gleichsetzung von Ethnie und Religion gibt. Ich gehöre zum "auserwählten Volk", selbst wenn ich nicht an seinen Gott glaube. Ich könnte einen israelischen Pass beantragen und ihn höchstwahrscheinlich auch bekommen. Wäre aber jetzt wahrscheinlich nicht meine erste Wahl. Netanjahu und seine Leute, Siedler, Ultra-Orthodoxe etc. machen, dass es so ist.

Und dann kommt das, was Shakespeare so unvergleichlich mit "there lies the rub" beschreibt, zu Deutsch "da liegt der Hund begraben" oder "das ist des Pudels Kern", egal ob ich mich jüdisch empfinde, wenn es hart auf hart kommt, werden andere, nicht-jüdische Menschen, mich dazu bringen Jüdin zu sein. Ich bin jüdisch by default. Egal wie ich mich selbst definiere, wenn „man“ Juden noch einmal vernichten wollen würde, wäre auch ich dran.

Und darum kann ich, bei aller Wut auf Israels Vorgehen im Gaza-Krieg, nicht einfach „From the river to the sea“ schreien. Ganz abgesehen davon, dass einige der Schreienden nicht wirklich zu wissen scheinen, was für ein Fluss und welches Meer gemeint sind. 

2000 Jahre sind Leute wie ich durch die Welt gelaufen, haben ihre religiösen Regeln eingehalten und sich so gut angepasst wie möglich. Aber immer wenn es ungemütlich wurde, waren wir dran, wurden aus Städten verwiesen, durch Pogrome dezimiert, verbrannt, gehängt, für jedwedes Unglück, sei es Pest oder Überschwemmung, verantwortlich gemacht. Christliches Kinderblut im Mazze, wie unkoscher, aber als Vorwurf doch immer wieder gern verwendet.

What the fuck is Antisemitismus? Uiguren werden gemordet, kein Aufschrei, Assad killt Hunderttausende, lautes Schweigen, Tutsis, der Sudan, etc. Aber?

Um es klarzustellen, wir, die Juden, sind keinen Deut besser als ihr. Es ist eine wirklich kranke Idee, dass der Holocaust uns zu besseren Menschen gemacht hat. Man muss nicht nur die unvorstellbarste Gewalt überleben, sondern dadurch auch noch besonders empathisch und rücksichtsvoll werden?

Der 7. Oktober war ein Schrecken und eine alle Sinne betreffende Erinnerung an unzählige antisemitische Attacken zuvor. Und er passierte, als Israel die schlechtest mögliche aller Regierungen hatte, zugegebenermaßen selbstgewählt, aber eben und Gott sei Dank, auch heftigst protestiert. 

Netanjahu will nicht abdanken, weil er dann in den Knast muss, seine Rechtsaußen Koalitionspartner machen Druck und die Geiseln, 130, oder seien auch nur noch 100, weil die anderen ermordet wurden, sind immer noch nicht frei und die Hamas orchestriert einen Krieg, der Krankenhäuser und Kinder und Frauen bevorzugt. 

"Israel existiert und wird weiter existieren, bis der Islam es ausgelöscht hat, so wie er schon andere Länder vorher ausgelöscht hat." Präambel der Charta der Hamas.

"Friedensinitiativen und so genannte Friedensideen oder internationale Konferenzen widersprechen dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewegung. Die Konferenzen sind nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen ... Für das Palästina-Problem gibt es keine andere Lösung als den Jihad. Friedensinitiativen sind reine Zeitverschwendung, eine sinnlose Bemühung." Artikel 13

Aber da gibt es eben auch die israelischen Siedler mit ebenfalls äußerst unangenehmen ideologischen An- und Absichten.

Alle Beteiligten bersten vor Hass.

Wohin führt das?

Die Siedler wollen siedeln und Groß-Israel ist ihr Ziel.

Hamas, Hisbolla, Hutis, Iran und andere wollen Israel auslöschen.

Kein Israel mehr? Wohin sollen die 10 Millionen Juden dann gehen? Zwei Milliarden Muslime und gerade mal 10 Millionen Israelische Juden stehen einander in einem über Generationen gehegtem und gepflegtem Hass gegenüber. 

Die Nakba führte zur Vertreibung unzähliger Palästinenser aus ihrer Heimat, aber auch viele Juden, die seit Jahrhunderten in arabischen Ländern lebten, mussten gehen, weil das funktionierende, friedliche Zusammenleben von Muslimen und Juden plötzlich nicht mehr möglich war. 

Gibt es eine friedliche Lösung? Ich befürchte nicht. 

2000 Jahre haben wir " Next year in Jerusalem" gemurmelt und gelten jetzt nach den Regeln des Postkolonialismus als weiße Kolonialherren. 

Jetzt, da Palästina unter britischem Mandat steht und Herr Balfour den Juden ein Heimatland versprochen hat ... na ja, nicht gerade versprochen, er sagte, die Regierung seiner Majestät würde das wohlwollend prüfen, sofern die Palästinenser – bezogen auf das Land ohne Volk für das Volk ohne Land – sofern also die örtlichen Einwohner nichts dagegen hätten – Tom Stoppard Leopoldstadt

Dieses Schwanken zwischen ich und wir, ich bin Jude, aber kein Israeli, ich verachte die jetzige Regierung Israels und lehne das Verhalten der ultra-orthodoxen Siedler in der Westbank heftigst ab, aber, meine Wahrheit liegt unglücklicherweise zwischendrin.

 


Freitag, 29. März 2024

Zone Of Interest - Was habe ich gesehen?

Seit Wochen drücke ich mich vor diesem Film und dann hat der Regisseur auch noch eine, um es vorsichtig zu formulieren, die grauenhafte Situation in Gaza betreffend, einseitige und vereinfachende Rede anlässlich seines Oscar-Gewinns gehalten.

„Zone of Interest“, ein Film des britischen Regisseurs Jonathan Glazer über das Leben des Kommandanten von Ausschwitz und seiner Familie um das Jahr 1944, besetzt mit deutschen Schauspielern.

Was habe ich gesehen? 

Einen äußerst gut gemachten Film mit exzellenten Schauspielern, großartig fotografiert und ausgestattet, mit einem geradezu genialen Soundtrack. Das Haus, der Garten, die Mauer zum KZ soll mit Efeu verschönt werden, der Umgang der Eheleute miteinander, mit den Kindern und mit dem kostengünstigen Personal aus dem Lager nebenan. Eine Idylle mit Kratzern und Rissen und dem ignorierten gestreiften Elefanten im Raum.

Doch dann beginnt unerwartet ein zweiter Film, Höss wird nach Oranienburg versetzt, die Familie will nicht mit und wir finden uns plötzlich in den Räumen der Macht wieder. Eine bedauerliche dramaturgische Entscheidung, als würde der Regisseur seiner starken, scheinbar privaten Erzählung nicht zutrauen, den Film bis zum Ende zu tragen, als bräuchte es noch das große Ganze. Schade.

Friedl und Hüller sind geradezu perfekt. Sie, ganz körperliche Unwucht, unstörbare Selbstzufriedenheit, die perfekte Inkarnation des Idealbildes deutscher, harter Mütterlichkeit, schon ihre komplizierte, bösartige Frisur ist ein Ereignis. Friedl, sein weicher Körper, die etwas zu hohe Stimme, der weibliche Mund und die traurigen Augen, sein Haarschnitt ein faschistoider Undercut in Perfektion. Die Maske verdient wahrlich einen Oscar.

Aber letztlich hinterlässt der Film mich irgendwie unbehaglich und kühl, trotz der packenden Abspannmusik. Warum nur?

Ist die eigentliche Geschichte dieses Film, dass Rudolf Höß ein weniger gewissenloser Mörder gewesen wäre, wenn seine Frau nicht ihr Haus, ihre Kinder, ihren Garten über alles andere gewertschätzt hätte? Mitgefühl mit dem Kerl und keines für seine Frau? Aber das ist nur ein irritierender Nebengedanke.

Die Negativbilder des Äpfel verteilendes Kindes mochte ich.

Anderes war wiederholend und überdeutlich. (Für den Fall, dass ich es sonst nicht verstehe?) Immer nochmal der schwarze Hund und KZ-Insassen in dienender Funktion, das hässliche Haus, die spießbürgerliche Einrichtung, der blühende Garten und die kilometerlange Mauer zum Lager nebenan.

Warum hat es mich gestört, dass der Film alles „richtig“ macht? Oder habe ich einfach schon zu viel über diese Zeit gelesen, zu viele Filme und Dokumentationen gesehen?

Es ist ein übles Dilemma: mir vorzustellen, dass ich KZ-Kommandant oder Aufseher seien könnte, funktioniert nicht. Aber andererseits weiß ich genug über meine eigenen dunklen Bereiche, dass ich ahne, nur glückliche Umstände haben mich bewahrt. Aber die partielle völlige Gewissenslosigkeit, wie sie hier Höss und Hedwig leben, ist nicht einfach nachzuvollziehen und so hatte ich dann irgendwann das Gefühl, exotischen Exemplaren der menschlichen Rasse zuzusehen.

Mein Vater, Jahrgang 1930, in Magdeburg aufgewachsen, hat mir erzählt, wie der kleine Cohen aus seiner Klasse eines Tages verschwand, das hat mich (und ihn) sehr lang beschäftigt. Ein Kind mit dem du jeden Tag in der Schule sitzt, ist da und dann plötzlich nicht mehr. Du weißt, unbewusst, dass da etwas Schlimmes geschehen ist, doch du ignorierst den Gedanken. Dieses kleine Detail hat mich mehr erschüttert, als dieser wirklich gute Film.

Der Holocaust, das Wort kommt aus dem Griechischen und heißt „Brandopfer“ oder „vollständig verbrannt“, die Shoa, der Untergang, die Katastrophe, Wolfgang Benz befasste sich in Dimension des Völkermords mit allen seit 1990 zugänglichen Quellen, Auswertungs- und Berechnungsmethoden der Opferzahlen. Burkhard Asmuss veröffentlichte 2002 eine Aufstellung mit teilweise gröberen Schätzungen. Insgesamt erhärtete sich dabei eine Gesamtopferzahl von mindestens 5,6 bis zu 6,3 Millionen ermordeten jüdischen Menschen. Dazu kommen Zahlen für Verletzte und Vertriebene. Im von ihm herausgegebenen Handbuch des Antisemitismus bezifferte Benz die Gesamtzahl der Holocaust-Opfer auf „mindestens sechs Millionen“.

Sechs Millionen Menschen, die als Juden identifiziert wurden. Tot. Ermordet. Weil sie Juden waren. Heute leben ungefähr 15 Millionen Juden auf der Welt, bei einer Weltbevölkerung von ungefähr 7,888 Milliarden, also 0,19 % dieser großen Menge von Menschen. Circa 10 Millionen davon sind Israelis. Und sie sind jetzt die ultimaten Bösen. Weiße Kolonialherren, obwohl sie aus dieser Gegend stammen und viele seit der Diaspora in, heute arabischen, Gebieten und Pakistan und Afghanistan lebten. Bis 2002 machten Juden aus arabischen Ländern und ihre Nachkommen immerhin fast die Hälfte der Bevölkerung Israels aus. Nahezu niemand glaubt nunmehr an eine Zwei-Staaten-Lösung, also was wäre die Alternative? From The River To The Sea, heißt in reale Politik übersetzt : Israel wird ausgelöscht. Diaspora Point Two. Wo sollen sie hin? Niemand will sie. Oder aber Gaza wird ausgelöscht? Wo sollen die Palästinenser hin? Niemand will sie. Weder die Israelis haben eine Wahl, noch die Palästinenser.

 

In den jüdischen Familien Israels wird über Generationen der Schrecken des Holocaust vererbt, bei den Palästinensern, der Schock der Nakba.

Nakba =„Unglück“, „Katastrophe“. Mit diesem Begriff bezeichnet die arabische Welt die Vertreibung von hunderttausenden Palästinensern vor 75 Jahren.

Holocaust. Nakba. Unglück. 



Ein letzter Einwand. In Israel haben bis zum 7. Oktober, dem Tag des Massakers Hunderttausende gegen die Regierung Nethanjahus demonstriert. Ist jemand in Gaza gegen Hamas auf die Strasse gegangen? Und Queers for Palastine würden einen Besuch in Gaza vielleicht nicht überleben.

Samstag, 2. März 2024

DUNE 2

Vorweg, ich habe alle Bücher von Frank Herbert gelesen und auch die Verfilmung von David Lynch gesehen. Abgesehen von Isaak Asimov und Arthur C. Clarke, war er der bevorzugte Sci-Fi-Autor meiner Jugend. 

Im Flur vor dem Bad unserer Wohnung stand ein Regal mit der Schundliteratur meiner Mutter, Krimis, Georgette Heyers Empire-Liebesgeschichten und eben auch Science Fiction Romane - aber alle in Englisch. Also bin ich zu Englisch-Kursen in der Volkshochschule Berlin-Mitte gelaufen und habe mein Schulenglisch verbessert, nur damit ich diese Bücher lesen konnte, und auch wenn ich die erste Zeit nur die Hälfte der Wörter kannte, im Groben wusste ich, worum es ging.

Meine Mutter war, weil die Nazis sie umbringen wollten, in der USA aufgewachsen, sprach Englisch besser als Deutsch und las zeitlebens lieber Englisch.

Ich nehme Denis Villeneuve sehr übel, dass er mich mit einer wahrhaft schlechten Fortsetzung von BLADE RUNNER geärgert hat. Der beste Film aller Zeiten hat das nicht verdient. Selbst Harrison Fords Auftritt konnte dieses selbstgefällig depressive und gänzlich humorlose Werk nicht retten und Ryan Gosling hat mit dieser Rolle begonnen, sich selbst zu ernst zu nehmen und von hier an zuförderst sein Genie zu zelebrieren.

Aber Denis Villeneuve hat uns auch SICARIO und ARRIVAL geschenkt, beides sehr gute Geschichten mit starken weiblichen Heldinnen, spannenden, erschreckenden Vorgängen und einer ganz eigenen und verblüffenden Bildsprache.

DUNE war ok. Timothy Chalamet, sehr jung, sehr schlacksig, schien mir überfordert. Aber ich mochte, die vielfältigen Flugmaschinen und ihre Landungsmanöver und die Art, wie der Regisseur Sand auf einem Wüstenplaneten photographierte. Aber natürlich musste viel Vorgeschichte erzählt werden und die Spannung hielt sich schon darum in Grenzen.

Heute, bei Dune 2, konnte er sich Zeit nehmen, ganze 206 Minuten inclusive Pause. Dune 3 folgt.

Was mochte ich? 

Die Fliegenden. Wer will nicht fliegen können? So sehr schöne Bilder immer wieder. Sehr gute Schauspieler in jeder noch so kleinen Rolle. Javier Bardem ist, wie immer großartig, Josh Brolin schafft es sogar einer aufgebrauchten Rolle, der des treuen Freundes, Struktur zu geben.

Chalamet ist erwachsen geworden, aber immer noch hart an der Kante, weil er halt so sehr zart und so sehr jung wirkt. Zendaya kann wirklich gut zornig sein und das meine ich als Kompliment.

Aber warum ist der Messias weiß? Und die Freeman sprechen eine künstliche Variante des Arabischen? Was soll ich damit anfangen?


Die Hoffnung auf einen Messias gebärt Gewalt. Niemand rettet uns, wenn wir uns nicht selber retten.


Dienstag, 27. Februar 2024

René Pollesch ist tot.

René Pollesch ist tot. Das ist furchtbar traurig. Und ungerecht. Und gäbe es einen Gott, dann sollte er sich schämen.

In dieser Zeit, in der man sich seiner eigenen Meinung nicht mehr sicher sein kann, von den täglichen Nachrichten zu Tod, Gewalt, Dummheit und abgrundtiefer Verlogenheit geschüttelt wird, wie ein Halm im Wind, stirbt, plötzlich und viel zu früh einer von den Guten, einer der versucht hat, diese irrsinnige Welt zu verstehen und sich darüber mit uns auf einer Bühne zu verständigen.

Wir kannten uns nur flüchtig, durch vier oder fünf längere Gespräche, in denen er für mich völlig überraschend, ganz ungewöhnlich zutraulich, offen und herzlich war. Nett ist ein blödes Wort, aber liebenswürdig trifft es.

Ein Abend im Friedrichstadtpalast, er und sein Mitkämpfender Fabian Hinrichs  erzählen die Geschichte einer Kindheit, einer harten Kindheit, Hinrichs im güldenen Ganzkörperanzug agiert meist allein vor und mit 2000 Zuschauern. Meine Freundin hat am Ende glücklich geweint.

Er war Kettenraucher, wie ich. Liebgard Schwarz, die Rauch nicht mochte, hat ihn nach zwei rauchfreien Probentagen gebeten, wieder zu rauchen.

Vor zwei Tagen haben wir noch via Messenger gequatscht, ich habe ihm im Tausch für Theaterkarten Kaffee versprochen und er hat geantwortet: "hihihi es dauert ja noch ein Monat bist du kommst".

Ich bin traurig und zornig. Das macht doch überhaupt keinen Sinn, wie so Vieles in letzter Zeit.

Irgendwo hinter all dem lauert der "gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang".


 

Sonntag, 25. Februar 2024

Die Welt dreht durch und wir machen Komödie

Wir, acht, ganz unterschiedlich wundervolle Schauspieler, eine perfekte Regieassistentin und ich probieren gerade eine Komödie. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Welt um uns herum dreht durch und unsere Figuren tuen es auch. Aber wir wollen mit unserer Arbeit anderen für einen Abend gute Laune machen.

Michael und Ray Cooney, Vater und Sohn, schreiben Komödien. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie haben das Genre studiert, es "von der Pieke auf" erlernt. Timing, d.h. wie lang eine Pointe aufgebaut werden muss, wieviel Repetitionen nötig sind, welches Tempo es braucht, wo Pausen erlaubt sind, wo unbedingt nicht und die heilige Regel der Drei, weil bestimmte Dinge müssen genau dreimal wiederholt werden, um komisch zu werden. All das ist in eine Mischung aus Psychologiekenntnis und Musikempfinden und mathematischer Logik. Michael Frayn, auch so ein Komödienspezialist, hatte eine Stoppuhr auf seinem Schreibtisch, um das Timing, wie nennen wir das in Deutsch, die Terminierung, die Dauer, das Maß der Zeit, zu messen. Das Zeittiming.

Tür auf, Tür zu. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schnelles Sprechen verlangt schnelles Denken und größte Aufmerksamkeit gegenüber den Mitspielern. Nur sehr große Ernsthaftigkeit erzeugt Komik, es geht den Figuren immer ums Ganze, ums Überleben.

Wenn wir lachen, mitlachen, nicht verhöhnen, wenn wir begreifen, mitfühlen und deshalb lachen, dann sind wir unserer Menschlichkeit am nächsten. Lachen ist dann Glück, Einverständnis und auch ein wunderbarer Luxus. 

In unserem Stück geht es nicht um die großen, schrecklichen Probleme unserer Welt, es erzählt nur von der Liebe und die unglaubliche Vitalität, den Erfindungsreichtum und der Kraft, die wir Menschen ihretwegen aufbringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

Wir sollten mehr miteinander lachen. Anstatt übereinander zu urteilen. Hass ist Abgrenzung, Lachen verlangt Empathie, Verständnis. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wenn Babies lachen, erklären sie ihr Einverständnis mit unserer Einfältigkeit und verführen uns, sie zu beschützen.

In der Bibel kommt das Lachen nur einmal vor, wenn die neunzigjährige Sarah erfährt, dass sie einen Sohn gebären wird. Nur einmal. Schade. Denn Lachen ist gefährlich, das worüber man lachen kann, kann man vielleicht auch verändern.

Juden und Palästinenser scheinen heute Erzfeinde zu sein. Semiten gegen Semiten. Und vielen, meist nicht semitischen, jungen Menschen geht das Wort vom jüdischen Kolonisatoren ganz locker über die Lippen. Sie begreifen vielleicht nicht, das "From the river to the sea", die Auslöschung einer der beiden Parteien einschließt. Netanjahu und seine Regierungskoalition sind nicht Israel, die Hamas ist nicht das palästinensische Volk. Beide werden, aus unterschiedlichsten Interessen,  weltweit auf ihre Opferrolle reduziert und ihre Regierenden mißbrauchen diese Einordnung für ihre Ziele. Die Hamas will die Juden weg haben und Netanjahus Regierung will unbedingt an der Macht bleiben.

https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/barrie-kosky-juedischer-regisseur-interview-ueber-antisemtismus-in-deutschland-li.2190193?fbclid=IwAR0sZZ2h8nVfY2YvgMXKgsGHBPs7zD6g11sVARYPaMI9UmtvMwQ9MqfKC6s 

 

 

 

Sonntag, 18. Februar 2024

Navalny - Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind, und dies Leben ist ein kurzer Traum, eingebettet in einen langen Schlaf.

Alexej Nawalny ist tot, er hat sein Leben, im Alter von 47 Jahren im Straflager Polarwolf in Charp verloren. Ob er noch einmal vergiftet wurde oder an Erschöpfung starb, ist mir egal, er wurde gemordet. Ja, seine politischen Positionen waren ambivalent, und wie sehr wünschten wir uns doch alle einen reinweissen Helden. Aber die gibt es halt nicht. Aber es gibt Menschen, die alles riskieren, um das Schlimmste zu verhindern, um der Abschaffung der Demokratie etwas entgegenzusetzen. 

Würden wir das auch wagen?

Wladimir Wladimirowitsch Putin


Wladimir Wladimirowitsch Putin, verehrtes Vorbild von Donald Trump, ja, Traum aller durch störende demokratische Absicherungen behinderte Diktatoren, denn der kann wirklich machen, was er will. 

Diese charismatischen Wahnsinnigen tauchen gerade überall auf, bisher belächelt, nun gefürchtet. 

Ob ich den US Wahlkampf verfolge oder die Reden von Orban oder in Argentinien Javier Mileis Ausraster oder Netanjahus brutales Kampfgetöse oder palästinensische Hasstiraden, Hass ist das Parfum der Stunde. Gegner werden beschimpft, jeder noch so obszöne Begriff ist erlaubt. Es wird offensichtlich und entschuldigungslos gelogen, und viele der Protagonisten sind alt und weiss, so wie ich.

Was passiert mit uns?

Und hier bei uns im noch immer ziemlich gutsituierten Deutschland? Erst war Merkel an allem schuld und jetzt sind es die Grünen. So viel ungefilterte Wut auf meiner Facebook-Seite. Keine guten Gegenvorschläge, aber so viel Hass. 

Wiki sagt: Hass ist ein intensives Gefühl der Abneigung und Feindseligkeit. Hass wird als Gegenpol zur Liebe betrachtet.

Ich will nicht hassen. Manchmal überkommt es mich, aber ich kämpfe dagegen an.

Ist es der Untergang des mitteleuropäischen-nordamerikanischen Imperiums? Ist es der Aufstand alter weisser Männer gegen ihre zukünftige Bedeutungslosigkeit? Ist es der Kampf gegen die Furcht vor der Übernahme durch die verhassten kulturlosen, muslimischen Horden?

Eines Verbindet sie alle, sie verachten Frauen.

Trump grabs them by their pussy, extremistische Muslime sperren sie ein, orthodoxe Juden erlauben ihen Macht nur innerhalb des Hauses. So viel Angst vor Frauen.