Samstag, 30. Juni 2012

Pergamon


„… Es existiert vom Schwert nur noch der Stoß der Rest ist Lücke, Zwischenraum, Fragment …“
Gerhard Falkner Pergamon Gedichte

129 v.Chr., 4 Jahre nach dem Tod Attalos III. von Pergamon und nach der Niederschlagung des Aufstandes seines unehelichen Sohnes, fiel Pergamon 129 v. Chr. endgültig an Rom, dessen Verbündeter es bisher gewesen war. Die Stadt wurde zur freien Stadt erklärt und ihr ehemaliges Herrschaftsgebiet zur römischen Provinz Asia.
Yadegar Asisi, deutsch-persischer Maler und Architekt ist Panoramen-Maler oder, wie er es nennt Erschaffer von Panometern, das heißt er baut gasometerähnliche Gebäude und füllt sie mt Panoramen. In Dresden sieht das eher klassizistisch aus, hier in Berlin wie ein Emaille-Kochtopf. 
Und dann bezahlt man 13 Euro und steigt drei Treppen hoch und blickt auf, ja auf was? Ein 360°- Panorama der Stadt Pergamon kurz vor dem Beginn einer Theatervorstellung, denn man sieht Unmassen von Pergamonesen Richtung Amphitheater strömen. Das ist sicher gut gemalt, aber die Menschen! Photos von Statisten in farbenfrohen Togen bei alltäglichen Verrichtungen vernichten jeden möglichen Eindruck von Realität. Erstens sehen sie alle aus, als kämen sie aus Sachsen Anhalt und zweitens müssen die Kostüme wohl aus einem Holywood-Fundus stammen, der als Endlager zweitklassiger Schwert- und Sandalenfilme der sechziger Jahre dient. Man ist das häßlich! Und dazu Wabermusik von Eric Babak aufgefüllt mit Hundegebell, Zikadengesang und Murmeln.
Manchmal wirds dunkel, dann ist Nacht in Pergamon und die Bewohner stehen im Dunkeln auf Plätzen vor Tempeln mit buntbemalten Reliefs (Pergamonaltar!). Und dann wird es wieder hell.
Kitsch und Klitterung von Historie. Lustig ist das Leben in der Antike!!!


Artemis 
Nie wieder ist ein Körper so ans Licht getreten wie der,
den Artemis, von rechts ins Kampfgetümmel steigend aus sich herausholt.
Er entspringt, er bejubelt sich und seinen Schwung.
Das Kleid ist außer sich vor Falten.
Der Wulst, mit dem es unter ihrer Brust gehalten,
macht den Marmor weich und lässt ihn fließen,
kein Blutvergießen, nur der Sieg,
es geht um alles.
Ihr Knie berührt den Hund, der um sie kämpft, in delikater Weise.
Ein Knie, das jedes Knie der Welt in den Schatten stellt.
Ein Knie das sich vollendet fortsetzt, in der Wade.
Alles wie gemeißelt.
Die Sandale, mit der sie ihren Fuß
auf einen überwundenen Gegner setzt,
ihn niedertritt,
Kill Bill, gespielt von Himmlischen,
Götterkino.
Die Torsi torkeln vor der Wucht des Schönen
und jeder Lücke stockt der Atmen.
Wie Schönheit so und Schock sich hier versöhnen!

Gerhard Falkner Pergamon Gedichte



Donnerstag, 28. Juni 2012

Wien - Sag' zum Abschied leise Servus



Wiener Kaffee und Mehlspeisen! Ach, wenn mein Rücken doch auch noch Bauch wäre! Bowiddeldatschgern, Marillenknödel, Pallatschinken... Schon die Namen machen dick. Herrlich! Meine Oma kam aus Wien und ich glaube zum Teil hatte sie mich deshalb so gern, weil ich in jungen Jahren bis zu 12 (in Worten: zwölf) faustgroße Marillenknödel mit zerlaufener Butter - Semmelbrösel - Zimt & Zucker - Sauce essen konnte, ohne auch nur ein bisschen Bauchschmerzen zu bekommen. Und das war nur die Nachspeise!

„Die zahlreichen Mehlspeisen, die heute mit der Wiener Küche verbunden werden, verdanken ihre Entstehung den rigorosen Fastengeboten der katholischen Kirche. An rund 150 Tagen im Jahr durften die Gläubigen kein Fleisch essen. Da Fisch oft sehr teuer war, entwickelten sich zahlreiche Gemüse-, Eier- und Mehlspeisgerichte …“.
Ingrid Haslinger: Die Wiener Mehlspeisküche



A Mehlspeis', so ein Kaiserschmarrn,
ist das schönste weit und breit,
er kitzelt so beim Runterfahr‘n,
das ist doch die einzige, übriggebliebene, letzte Wiener Freud’?
A Mehlspeis'! Ach, mir fehl'n die Worte,
ist die beste Medizin.
Palatschinken oder Zwetschgenknödel
Germknödel oder gar a Sachertorte,
das gibt's halt nur in Wien.

Ralph Benatzky


KAISERSCHMARREN

Etymologie:
Das Wort „Schmarren“ ist seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich. Herkunft von hochdeutsch bzw. oberdeutsch „Schmer“ = Schmalz, rohes Schweine-Fett, bzw. „schmieren“. Im Wiener Dialekt bezeichnet Schmarren etwas Minderwertiges oder Unsinn: "An Schmarrn!" = nicht im geringsten, so nicht!", "Red kan Schmarrn" = Sprich keinen Unsinn.

Es gibt auch noch die Kaisersemmel, das Kaiserfleisch, das Kaiserschöberl, das Kaisergerstl, den Kaisergsprizten, das Kaisergulasch und die Kaisermelange.

Obwohl im Fall des Kaiserschmarren vermutet wird, dass es sich um eine phonetische Verzerrung des italienischen "a la casa" handeln könnte, da der Schmarren ursprünglich eine Arme-Leute-Speise war.

Für vier Portionen

Zutaten für den Schmarren:

250 ml Milch
6 Eiklar
6 Eidotter
130 g Mehl (glatt)
2 EL Kristallzucker
Schuss Rum
1 EL Vanillezucker
etwas Zitronensaft
2 EL Rosinen
Prise Salz
Kristallzucker (zum Bestreuen)
Staubzucker (zum Bestreuen)
Butter (zum Backen)
Zubereitung des Schmarren:

In einer Schüssel Eiklar mit Kristallzucker zu Schnee schlagen. In einer anderen Schüssel Milch, Mehl, Eidotter, Zitronensaft, Rum, Vanillezucker und eine Prise Salz glatt rühren. Schnee unter den Teig heben. In einer großen feuerfesten Pfanne etwas Butter erhitzen und den Teig eingießen. Zuerst am Herd anbacken, wenden und dann beidseitig im vorgeheizten Backrohr bei 180 °C braun backen. Pfanne aus dem Rohr nehmen und Teig mit zwei Gabeln in kleine Stücke reißen. Rosinen einmengen, mit Kristallzucker bestreuen und nochmals kurz im Rohr karamellisieren. Mit Staubzucker bestreuen und auftragen.
Zutaten für den Zwetschkenröster:
500 g Zwetschken (Pflaumen) (klein und nicht zu weich)
100 g Zucker
100 ml Rotwein
Prise Zimt
1/2 Orange (Schale, in größere Streifen geschnitten)
1 Zitrone (Saft)

Zubereitung:

Die Zwetschken halbieren und entkernen. Den Zucker hell karamellisieren, mit Rotwein ablöschen und auf die Hälfte einkochen lassen. Zwetschken, Prise Zimt, Orangenschalenstücke zugeben und ca. 8-10 Minuten köcheln lassen. Mit Zitronensaft abschmecken und Orangenschale wieder entfernen. Kalt stellen.

EGON 1910

  
EGON SCHIELE   


 1910     

 

EIN SELBSTBILD


Ich bin für mich und die, denen
Die durstige Trunksucht nach
Freisein bei mir alles schenkt,
und auch für alle, weil alle
ich auch Liebe, - Liebe.

Ich bin von vornehmsten
Der Vornehmste
Und von Rückgebern
Der Rückgebigste

Ich bin Mensch, ich liebe
Den Tod und Liebe
Das Leben.

 

1910


 
Selbstbildnis 1910 

Selbstbildnis 1910

Aber auch dies:

Selbstbildnis 1910

Mittwoch, 27. Juni 2012

Wien - Kuss und Kuss


BILD UND GEGENBILD

Der Mentor und Förderer: Gustav Klimt

Gustav Klimt 46 Jahre alt, gestorben 1918 in Wien an Lungenentzündung geschwächt durch die spanische Grippe. Das Bild: Der Kuss - die goldene Perfektion. Das arme Ding von Bild, tausendfach kopiert, gedruckt, verramscht, veralbert, fast verdorben.

1907/08


Der Geförderte: Egon Schiele

Egon Schiele 22 Jahre alt, gestorben 1918 in Wien an der spanischen Grippe, drei Tage nach dem Tod seiner schwangeren Frau an der nämlichen Seuche. Das Bild: Die Nonne und der Kardinal oder Die Liebkosung, die kräftigen Beine als Kreuzbalken, der ängstliche Blick der Nonne zum Betrachter, die Gier des Kardinals, die betenden Hände.


1912

Die Freunde: Klimt und Schiele

Die Eremiten 1912

Montag, 25. Juni 2012

Jandl - Wien Heldenplatz


Katholikentag: Veranstaltung am 4. Oktober 1933 am Wiener Heldenplatz

Wien Heldenplatz

Heldder glanze heldenplatz zirka
versaggerte in maschenhaftem männchenmeere
drunter auch frauen die ans maskelknie
zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick
und brüllzten wesentlich.

verwogener stirnscheitelunterschwang
nach nöten nördlich, kechelte
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer, stimme
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.

pirsch!
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz
mit hünig sprenkem stimmstummel
balzerig würmelte es im männchensee
und den weibern: ward so pfingstig ums heil
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.

Mit freundlicher Genehmigung des Luchterhand-Verlags
(Aus: Ernst Jandl, Gesammelte Werke in drei Bänden,
München 1985, 1990, Bd. 1, S. 126)


Samstag, 23. Juni 2012

Berlin ist auch Theater


Heute Abend in Berlin. 
Nach dem Kino, "Snow White and the Huntsman" (für Trash-Liebhaber unbedingt zu empfehlen), nochmal zum Araber von gestern, weil es so lecker war, der Besitzer ist übrigens berlinernder Syrer. Mehr als satt setze ich mich draußen für eine Zigarette auf eine Bank, zu meinen Füssen ein ein Quadratmeter umfassender, liebevoll gepflegter Kleingarten, sorgsam eingezäunt. Aus dem französischen Restaurant nebenan stürzt ein weinendes Mädchen, eine Minute später kommt gesetzten Schrittes ein hochroter Mann aus derselben Tür und geht, ohne sich nach ihr umzublicken, in die entgegengesetzte Richtung davon. Eine hungersüchtige Japanerin in bärchengemustertem Supermini-Kleidchen und pinkem Blumenjäckchen stöckelt mit einem Sechserpack unterm dünnen Arm vorbei, derweil turteln an der Laterne nebenan ein schmaler hellbrauner und ein großer weißer Mann in tiefstem Sächsisch. Die erschöpften Reste der CSD-Parade wanken, schlendern und kichern die Torstrasse entlang: eine blondgelockte Pharaonin mit riesiger blauer Pharaonenkrone aus Pappe in Begleitung zweier lacklederner Flugbegleiterinnen, vermutlich eine Dame und ein Herr, es folgen drei sehr coole dickliche Mädchen aus der Provinz bauchfrei in Shorts, mit Stofftieren im Gürtel und LOVE auf dem Oberschenkel, zwei noch viel dickere Mädchen mit bunten riesigen Eisbechern stampfen schwatzend hinterher. Ein Motorradfahrer hat sein fahrbares Phallussymbol rührend per Hand ganz und gar in Leopard angemalt und als er an den drei hübschen Halbkindern vorbeifährt fährt er das Gas hoch.
Kurz noch zum Hauptbahnhof, Rückfahrkarte für Wien kaufen, Reisende en masse, noch mehr Paradereste und die bahnhofsübliche Mischung von Trinkern und Junkies. Auf der riesigen Videoleinwand der Metaxa-Strandbar gegenüber singen schwarze französische Fussballer mit ehernen Gesichtern die Marseillaise. Auf dem Heimweg sehe ich, dass im Hamburger Bahnhof eine Ausstellung Cy Twombly & The School of Fontainebleau läuft und begegne noch einmal dem gefleckten Motorrad, der Fahrer wohl immer noch auf der Suche nach einer ansprechbaren Leopardin.
Ich liebe diese Stadt.

YAROK - hmmmm!


    YAROK

    Klein, unaufwendig, frisch, freundlich, schnell, nicht teuer und schmeckt,  
    schmeckt, schmeckt!


   Falafel Takeaway und Schnellrestaurant

   Torstraße 193, 10115 Berlin


   Falafel - arabisch ‏فلافل‎, sind frittierte Bällchen aus pürierten Kichererbsen, Kräutern und
   Gewürzen.

   Hummus - arabisch ‏,حمص‎ ist eine orientalische Spezialität, die aus pürierten  
   Kichererbsen, Tahina, Olivenöl, Zitronensaft, Salz, Knoblauch, Petersilie, Chili, 
   Kreuzkümmel hergestellt wird.

   Baba Ganoush - Auberginenmus

   Schawarma - ein schönerer Name für Döner, in verschiedenen Fleischsorten im Angebot

   Tahini - Eine arabische Mayonnaise

   2 Bund Petersilie; 1 Tasse Sesamöl; 1 Tasse frischer Zitronensaft; 1Teelöffel Salz; 3 
   Knoblauchzehen; 1/2 Tasse Wasser

   Knoblauch mit Salz zerdrücken und mit etwas Zitronensaft zu einer sämigen Paste 
   zerdrücken. Das Sesamöl, den restlichen Zitronensaft und das Wasser cremig 
   rühren/schlagen. Gehackte Petersilie dazu. Knoblauch mit Salz zerdrücken und mit 
   etwas Zitronensaft zu einer sämigen Paste verrühren.


Tahini mit Hummus

Freitag, 22. Juni 2012

Diane Arbus - Selbstportaits 1945


Diane Arbus

1945 - Geburt der ersten Tochter Doon

 Selbstportrait 1945 © Diane Arbus

Diane Arbus, Selbstportrait im Spiegel 1945. 
Courtesy The Audrey and Sydney Irmas Collection


Mit ihrer Tochter Doon 1945 © Diane Arbus 

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Diane Arbus - Ausstellung
Martin Gropius Bau
22. Juni 2012 - 23. September 2012

Veranstalter: Berliner Festspiele. 
Eine Ausstellung des Jeu de Paume, Paris. In Zusammenarbeit mit dem Estate of Diane Arbus LLC, New York und mit Beteiligung von Martin-Gropius-Bau Berlin, Fotomuseum Winterthur und Foam_Fotografiemuseum Amsterdam

Der Zahnwurm

DER ZAHNWURM
Verursacher der Zahnschmerzen

Der Zahnwurm würgt einen Menschen, auf der Rückseite Seelen im Höllenfeuer
Anonymer französischer Künstler 18. Jahrhundert , geschnitztes elfenbeinernes Bild eines menschlichen Zahnes. Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt, Germany.

Lange Zeit glaubten die Menschen, dass der Zahnschmerz durch den Zahnwurm entstünde, der ein Zwischending zwschen echtem Wurm und Dämon war und durch gräßliche Schmerzen die Seele der Befallenen zerrüttete.
Die Wurmtheorie, existierte bereits in der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends und kann als Erfindung der mesopotamischen Heilkunde gelten. Erst im 18. Jahrhundert machten sich mehr und mehr Zweifel an der Existenz des Zahnwurmes breit.
 
Nachdem Anu den Himmel geschaffen hatte,
Der Himmel hatte die Erde geschaffen,
Die erde hatte die Flüsse geschaffen,
Und die Flüsse hatten die Sümpfe geschaffen,
Und die Sümpfe hatten den Wurm geschaffen---
Der Wurm ging, weinend vor Shamash,
Seine Tränen fließend vor Ea:
"Was wirst du mir zu Essen geben?
Was wirst du mir geben daran zu saugen?"
"Ich werde dir die reife Feige und die Aprikose geben."
"Was bringt mir die reife Feige und die Aprikose?
Hebe mich hoch und übergebe mir die Zähne und Gaumen!
Ich werde das Blut aus den Zähnen,
Und ich werde ihre Wurzeln am Gaumen benagen!" 
Weil Du dies gesagt hast, O Wurm,
Soll Ea dich mit der Macht ihrer Faust schlagen!

After Anu had created heaven,
Heaven had created the earth,
The earth had created the rivers,
The rivers had created the marsh,
And the marsh had created the worm
---
The worm went, weeping, before Shamash,
His tears flowing before Ea:
"What will you give me for food?
What will you give me to suck on?"
"I will give you the ripe fig and the apricot."
"What good is the ripe fig and the apricot?
Lift me up, and assign me to the teeth and the gums!
I will suck the blood of the tooth,
and I will gnaw its roots at the gum!"

Because you have said this, O worm,
May Ea strike you with the might of his hand!

Translated by E. A. Speiser, Ancient Near Eastern Texts Related to the Old Testament, edited by J. B. Pritchard (Princeton: Princeton University Press, 1969), 100-101.

Das chinesische Wort für einen kariösen Zahn ist „Chung Choo“, das heisst Wurmzahn. 

Mitunter sitzt die ganze Seele
In eines Zahnes dunkler Höhle.
Wilhelm Busch 

Mittwoch, 20. Juni 2012

e.e. cummings - wenn du nicht essen kannst musst du - If you can't eat you got to


wenn du nicht essen kannst musst du

rauchen und wir haben halt
nichts zu rauchen:komm kleines

lass uns schlafen gehn
wenn du nicht rauchen kannst musst du

 singen und wir haben halt

nichts zu singen;komm kleines
lass uns schlafen gehn

wenn du nicht singen kannst musst du
sterben und wir haben halt

nichts zu sterben,komm kleines
 
lass uns schlafen gehn
wenn du nicht sterben kannst musst du

träumen und wir haben halt
nichts zu träumen(komm kleines

lass uns schlafen gehn)



If you can't eat you got to

smoke and we aint got
nothing to smoke:come on kid

let's go to sleep
if you can't smoke you got to

Sing and we aint got

nothing to sing;come on kid
let's go to sleep

if you can't sing you got to
die and we aint got

Nothing to die,come on kid

let's go to sleep
if you can't die you got to

dream and we aint got
nothing to dream(come on kid

Let's go to sleep) 

 e.e. cummings

Pianobegleitung zum Gedicht:

Dienstag, 19. Juni 2012

Hänschen Klein oder einfach abhauen


Vor Jahren erzählte ein Kollege folgende Kindheitserinnerung, womöglich seine früheste:
Er war drei Jahre alt und fühlte er sich, wieder einmal, von seinen Eltern ungerecht behandelt, wusste nicht wie sich wehren und beschloß, seine Eltern zu verlassen.
Sein Kinderkoffer war schnell gepackt, zur theatralischen Verstärkung suchte er sich noch ein Stöckchen, verabschiedete sich dann und begann, die sehr gerade und lange Dorfstrasse hinfort zu wandern, unter Absingen des "Hänschen Klein"!
Er hat es, mit seinen drei Jahren, immerhin auf eine halbe Stunde Abwesenheit gebracht.
 Was für eine grandiose Szene!


Hänschen klein
Ging allein
In die weite Welt hinein.
Stock und Hut
Steht ihm gut,
Ist gar wohlgemut.
Doch die Mutter weinet sehr,
Hat ja nun kein Hänschen mehr!
„Wünsch dir Glück!"
Sagt ihr Blick,
„Kehr’ nur bald zurück!"
Sieben Jahr
Trüb und klar
Hänschen in der Fremde war.
Da besinnt
Sich das Kind,
Eilt nach Haus geschwind.
Doch nun ist’s kein Hänschen mehr.
Nein, ein großer Hans ist er.
Braun gebrannt
Stirn und Hand.
Wird er wohl erkannt?

Eins, zwei, drei
Geh’n vorbei,
Wissen nicht, wer das wohl sei.
Schwester spricht:
„Welch Gesicht?“
Kennt den Bruder nicht.
Kommt daher sein Mütterlein,
Schaut ihm kaum ins Aug hinein,
Ruft sie schon:
„Hans, mein Sohn!
Grüß dich Gott, mein Sohn!"

Wie oft war ich als Kind hilflos-wütend auf Erwachsene, Alte, Macht- und Rechthaber! Die durften über mich bestimmen und hatten dann auch noch diese dämliche Ausrede, es sei zu meinem Besten! Wegrennen war eine Phantasie, oder sterben, um dann die leidenden reuigen alten Leute auf dem Begräbnis zu beobachten und hämisch auszulachen, und dann gab es noch eine detaillierte und vollständige Traumwelt, in der ich und mein imaginärer Zwillingbruder mit Zauberei und Wohlwollen über andere Kinder herrschten.
 

© Zico

Das Folgende ist die Variante für Mütter und andere Erwachsene:

Das Erkennen

Ein Wanderbursch, mit dem Stab in der Hand,
Kommt wieder heim aus dem fremden Land.
Sein Haar ist bestäubt, sein Antlitz verbrannt,
Von wem wird der Bursch' wohl zuerst erkannt?

So tritt er ins Städtchen durchs alte Tor,
Am Schlagbaum lehnt just der Zöllner davor.
Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund,
Oft hatte der Becher die Beiden vereint.

Doch sieh -- Freund Zollmann erkennt ihn nicht,
Zu sehr hat die Sonn' ihm verbrannt das Gesicht;
Und weiter wandert nach kurzem Gruß 
Der Bursche, und schüttelt den Staub vom Fuß.

Da schaut aus dem Fenster sein Schätzel fromm,
"Du blühende Jungfrau, viel schönen Willkomm!"
Doch sieh' -- auch das Mägdlein erkennt ihn nicht,
Die Sonn' hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht.

Und weiter geht er die Straße entlang,
Ein Tränlein hängt ihm an der braunen Wang'.
Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her,
"Gott grüß euch!" so spricht er, und sonst nicht mehr.

Doch sieh'! das Mütterchen schluchzet voll Lust:
"Mein Sohn!" und sinkt an des  Burschen Brust.
Wie sehr auch die Sonne sein Antlitz verbrannt,
Das Mutteraug' hat ihn gleich erkannt. 
 
Johann Nepomuk Vogl 
 
 


Montag, 18. Juni 2012

Endstation Sehnsucht - A streetcar named Desire


Eine Frau, Blanche Dubois = das heisst übersetzt: weisser Wald, steigt in eine Strassenbahn namens Desire = Sehnsucht. Die Strassenbahnlinie dieses Namens fuhr in New Orleans von der Bourbon Street durch das French Quarter in Richtung Elysian Fields Avenue, benannt nach der Pariser Champs-Elysee, der Allee der Elysischen Felder = die Elysischen Felder waren in der griechischen Sage der Ruheplatz der Helden- und Tugendhaften. Sie will ihre Schwester besuchen, Stella = der Stern.
Im Deutschen wird daraus bedeutungsschwer "Endstation Sehnsucht", im englischen Original ist es konkret städtischer Wegweiser und mythologischer Bezug in einem.
Ein sehr merkwürdiges Stück.


Der Film: Marlon Brando im Unterhemd als Stanley Kowalski, Vivian Leigh im weissen Flatterkleid als Blanche, Kim Hunter und Karl Malden, der mit der dicken Nase aus "Die Strassen von San Franzisko". Irgendwann hat fast jeder meines Alters diesen Film gesehen und geblieben ist oft nur eine Erinnerung an den Mann im T-Shirt und ein ungefähres Gefühl von animalischer Bedrohung. Der Regisseur Elia Kazan, hat nur ein Jahr nach der Fertigstellung dieses Filmes, als "friendly witness" = bereitwilliger Zeuge vor dem Ausschuss für Unamerikanische Aktivitäten, ausgesagt.

Heute im BE in Berlin eben dieses Stück, in einer späten Inszenierung von Thomas Langhoff. Oh, wie beschreibe ich es?
Die Bühne ist gräßlich, eine zu große, symbolhafte Papp- und Tuch-Schraube, deutet deutlich den drohenden sozialen Niedergang der beiden Schwestern aus gutem südstaatlichen Hause, Stella und Blanche, an. O jemine! Was den Abend rettet sind, wie so oft, die Spieler. Manzel, Gallinowski, Mauer und Schubert halten das Interesse wach, trotz des vagen, akustik-tötenden Raumes um sie herum und, wenn man die dilettantische Jazzmusik überhört, ein nicht einfaches Unterfangen, sieht man eine trostlose, und doch wahrhaftige Geschichte über Menschen, die mehr schlecht als recht in Traumwelten überleben und deren Leben zerbrechen, wenn sie gezwungen werden "den Realitäten ins Auge zu schauen". 
Das Stück gehört zu einer dramatischen Gattung, die uns, europäischen Theaterguckern eher fremd ist, psychologischer Naturalismus würde ich es nennen. Was die Figuren sagen, ist was sie sind, sie sind gleichzeitig Produkte und Opfer ihrer Worte und demonstrieren mit jedem gesprochenen Wort ihre Realitätsverweigerung.
Eine Bekannte sagte, wir leben alle in solchen "Traumwelten" und wer sie zwänge diese zu verlassen, der würde ihr, die träumend in der mit wohlig warmem Badewasser gefüllten Badewanne liegt, den Stöpsel lockern und sie, frierend, in der nun leeren, kalten Wanne liegen lassen.

Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität. Alfred Hitchcock

Sonntag, 17. Juni 2012

Theater hat auch eine Zeit nach der Premiere


Nur noch ein kleines Gastspiel zum Schauspieltreffen in Wien und dann ist Urlaub! Acht pausenlose Monate gearbeitet, aufregend, lebendig, abwechslungreich, anstrengend, wunderbar, arbeitsam, durchgeplant, enthusiastisch, erschöpfend - und jetzt - Pause.

Hmmmm.
Komisch, gebt mir zwei Proben am Tag und ich stopfe die übrige Zeit voll mit Freunden, Büchern, Filmen, Musik und, ach ja, mehr Theater und bin selten müde und nicht oft griesgrämig.  Aber kaum ist der Vorhang gefallen, "der Applaus verrauscht", schon bei der Premierenfeier werde ich lahm, maulfaul und mißmutig. Die folgenden Tage, mal drei, mal sieben, auch schon mal zwölf sind grau, gräulich, ich selber immer kurz vorm Meckern oder Miespetern. So ein Blödsinn, warum nur? Endlich kann ich ausschlafen, tu es aber nicht, kann machen was immer ich will und weiss nicht, was das sein könnte. Ich gucke sogar Fernsehen, weil mir nix besseres einfällt! Und da kann man ja nun wirklich depressiv werden. Für Arte bin ich gerade jetzt zu uninteressiert, die Öffentlich-Rechtlichen schaukeln mich ins Koma und RTLSATPROSIEBEN haben immer noch dasselbe Programm wie voriges Jahr. 

Luke Chueh Unentschiedenheit 2005

Also einfach durchhalten, hoffen, dass mich die anderen aushalten und darauf warten, dass bald, sehr bald mein sonniges Gemüt wieder aus dem Urlaub zurück kommt, damit ich gutgelaunt in denselbigen fahren kann.


Freitag, 15. Juni 2012

Donnerstag, 14. Juni 2012

Theater hat auch eine Wiederaufnahmeprobe

Der Reigen
Das Stück hat länger gelegen, dass heißt, es war nicht abgesetzt, aber wurde eben nicht angesetzt. Liegen, setzen, gesetzt werden, was mit Stücken so alles passiert, wenn sie nicht gespielt werden.
Und jetzt stehen sie alle wieder da, die Spieler, haben pflichtgemäß den Text repetiert und manche gar zweimal, und nun erinnern sie sich. An was? An einen Rhythmus, an ein Gefühl, an einen Lacher, an einen Ton. Irgenwie ist alles noch da, aber halt nur irgendwie.
Die letzte Vorstellung liegt 2 Monate zurück, inzwischen ist gelebt worden. Die "junge Frau" hat einen gebrochenen Mittelfußknochen und, so vermute ich, der "junge Mann" ist frisch verliebt, die "Dichterin" quält sich mit Husten und überhaupt, die letzten Wochen haben alle an Tschechow gearbeitet.


Nebenbei, die Inszenierung hat Video und in jeder Unterbrechung projeziert die Technik die Liveübertragung vom Spiel Deutschland gegen Niederlande auf die Leinwand, ein Tor fällt, der feine "Graf", hoch und höher hüpfend, schreit ekstatisch: "Deutschland! Deutschland!", Pausenschluß, weiter.

Erster Versuch: es wird wiederholt, wieder - her - geholt, nicht gespielt, so wie ein Echo, ein Wiederklang aus der Vergangenheit, noch nicht wieder im Jetzt angekommen. Antworten werden gegeben, bevor Fragen gestellt wurden, Melodien statt Sätzen, jeder ist noch für sich, die Ohren nach hinten gerichtet. Morgen wird es anders.

Theater ist immer anders. Das ist schön und ganz schön anstrengend.

Dienstag, 12. Juni 2012

Picasso - BLAU - Goethe


BLAU 

Johann Wolfgang von Goethe

778.
  So wie Gelb immer ein Licht mit sich führt, so kann man sagen, daß Blau immer etwas Dunkles mit sich führe. 

779.
Diese Farbe macht für das Auge eine sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung. Sie ist als Farbe eine Energie; allein sie steht auf der negativen Seite und ist in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes Nichts. Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick. 

780.
   Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zurückzuweichen. 
 
781. 
Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht. 

782.
Das Blaue gibt uns ein Gefühl von Kälte, so wie es uns auch an Schatten erinnert. Wie es vom Schwarzen abgeleitet sei, ist uns bekannt. 

783.
    Zimmer, die rein blau austapeziert sind, erscheinen gewissermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt. 

784.
Blaues Glas zeigt die Gegenstände im traurigen Licht. 

785.
  Es ist nicht unangenehm, wenn das Blau einigermaßen vom Plus participirt. Das Meergrün ist vielmehr eine liebliche Farbe.


Alter Mann mit Gitarre in Barcelona 1903

Das Mahl des blinden Mannes 1903

Die Tragödie 1903