Samstag, 23. Juni 2012

Berlin ist auch Theater


Heute Abend in Berlin. 
Nach dem Kino, "Snow White and the Huntsman" (für Trash-Liebhaber unbedingt zu empfehlen), nochmal zum Araber von gestern, weil es so lecker war, der Besitzer ist übrigens berlinernder Syrer. Mehr als satt setze ich mich draußen für eine Zigarette auf eine Bank, zu meinen Füssen ein ein Quadratmeter umfassender, liebevoll gepflegter Kleingarten, sorgsam eingezäunt. Aus dem französischen Restaurant nebenan stürzt ein weinendes Mädchen, eine Minute später kommt gesetzten Schrittes ein hochroter Mann aus derselben Tür und geht, ohne sich nach ihr umzublicken, in die entgegengesetzte Richtung davon. Eine hungersüchtige Japanerin in bärchengemustertem Supermini-Kleidchen und pinkem Blumenjäckchen stöckelt mit einem Sechserpack unterm dünnen Arm vorbei, derweil turteln an der Laterne nebenan ein schmaler hellbrauner und ein großer weißer Mann in tiefstem Sächsisch. Die erschöpften Reste der CSD-Parade wanken, schlendern und kichern die Torstrasse entlang: eine blondgelockte Pharaonin mit riesiger blauer Pharaonenkrone aus Pappe in Begleitung zweier lacklederner Flugbegleiterinnen, vermutlich eine Dame und ein Herr, es folgen drei sehr coole dickliche Mädchen aus der Provinz bauchfrei in Shorts, mit Stofftieren im Gürtel und LOVE auf dem Oberschenkel, zwei noch viel dickere Mädchen mit bunten riesigen Eisbechern stampfen schwatzend hinterher. Ein Motorradfahrer hat sein fahrbares Phallussymbol rührend per Hand ganz und gar in Leopard angemalt und als er an den drei hübschen Halbkindern vorbeifährt fährt er das Gas hoch.
Kurz noch zum Hauptbahnhof, Rückfahrkarte für Wien kaufen, Reisende en masse, noch mehr Paradereste und die bahnhofsübliche Mischung von Trinkern und Junkies. Auf der riesigen Videoleinwand der Metaxa-Strandbar gegenüber singen schwarze französische Fussballer mit ehernen Gesichtern die Marseillaise. Auf dem Heimweg sehe ich, dass im Hamburger Bahnhof eine Ausstellung Cy Twombly & The School of Fontainebleau läuft und begegne noch einmal dem gefleckten Motorrad, der Fahrer wohl immer noch auf der Suche nach einer ansprechbaren Leopardin.
Ich liebe diese Stadt.

2 Kommentare:

  1. Katharina Persönlich
    Das klingt nach einem schönen Abend in der schönsten Stadt dieses Landes.

    Johanna Schall
    Ja. Wrklich. Oft merkt man es gar nicht mehr und dann plötzlich...

    Ibon Regen
    also, mir wär das ja alles zu unmoralisch. bauchfrei! ich fasse es nicht!

    Katharina Persönlich
    Ich merke es immer wenn ich den Fernsehturm sehe, ganz plötzlich taucht er auf, mir stockt kurz der Atem und ich denke: Ja, ja, hier bin ich richtig, hier gehöre ich hin. Vielleicht muss man lange genug weg gewesen sein um das wieder schätzen zu können.

    Ibon Regen
    katharina, man muss lange genug hier gewesen sein, um das schätzen zu können ;)

    Katharina Persönlich
    Ibon, ich war lange genug hier und auch lange genug weg, vielleicht tut Beides gut.

    Johanna Schall Streitet euch doch nicht, Kinder!

    Ibon Regen ich hab doch bei katharina schon auf gefällt mir geklickt! vollherzig!

    Johanna Schall
    Ok. Ich brauche heute Harmonie um mich herum, habe zu viel gegessen.

    Ibon Regen
    ooooommmmmmmm...

    Katharina Persönlich
    Zu dem syrischen Berliner gehen wir aber nächste Woche unbedingt auch.

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  2. Stefanie Speer
    Lebhafte Beschreibung dessen, warum ich Berlin u.a. auch so liebe.... Danke! ( Ich esse beim Araber auch immer zuviel ;-) )


    Martin Baucks
    Und ich saß den ganzen Tag in Friedrichshagen auf´n Boot und hab auf den See geschaut. Forelle gegessen. Ein schlechtes Blaskonzert gehört. Keine dicken Tiger gesehen und auch keine hauchdünnen Japaner. Wäre ich doch in Mitte geblieben.

    Johanna Schall
    Dafür hast Du Forelle gegessen und Wellen beguckt. Auch schön.

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