Der Sage erzählt, dass im 8. Jahrhundert v.Chr., nach dem Tod des Romulus, unter den römischen Patriziern, Streit über die Herrschaftsnachfolge ausbrach. Und da sie zu keiner Einigung finden konnten, schickten sie nach Außen um Hilfe - die nächsten zwei Jahrhunderte wurde Rom dann von etruskischen Königen regiert.
Zeitsprung in das Jahr 510 v. Chr.:
"Da geschah ein furchtbares Vorzeichen: Eine Schlange, die aus einer Holzsäule hervor glitt, führte zu Panik und Verwirrung im Palast. Der König war weniger erschreckt als voll von dunklen Vorahnungen. ... also entschied er, zu dem weltberühmten Orakel nach Delphi zu senden. Weil er fürchtete, die Antwort des Orakels irgendjemand sonst anzuvertrauen, sandte er zwei seiner Söhne nach Griechenland, durch damals noch unbekannte Länder und über noch unbekanntere Meere. Titus und Arruns brachen auf. Als Reisegefährten hatten sie Lucius Iunius Brutus, den Sohn der Tarquinia, der Schwester des Königs, einen jungen Mann, der ganz anders war als allgemein angenommen. Als er von dem Mord der besten Männer des Staates, darunter sein Bruder, auf Befehl seines Onkels hörte, beschloß er, dass seine Intelligenz dem König keinen Grund zur Beunruhigung geben, noch sein Reichtum seine Gier anstacheln sollten, und da die Gesetze keinen Schutz boten, wollte er Schutz suchen in Verwirrtheit und Vernachlässigung. Dementsprechend benahm er sich wie ein Idiot, gab dem König, was dieser in seiner Umgebung wollte, und protestierte nicht einmal gegen seinen Spitznamen Brutus [Stumpfsinniger]." Titus Livius
Hamlet in Toga, es gibt nichts Neues unter der Sonne.
Der König, Lucius Tarquinius Superbus, belagerte dann mit seiner Armee die reiche Stadt Ardea und seine Söhne vertrieben sich die Wartezeit während der Belagerung mit Festen und Gelagen - "und bei einem Weinfest, das Sextus Tarquinius gab, und bei dem Lucius Tarquinius Collatinus, der Sohn des Egerius anwesend war, kam die Sprache auf ihre Frauen, und jeder sprach von der seinen in den höchsten Tönen. Als der Disput sich erhitzte, sagte Collatiuns, es gebe keinen Grund zum Streit, es könne in den nächsten Stunden bewiesen werden, wie überlegen seine Lucretia den anderen sei." Titus Livius
Die Namen sind leicht verwirrend, alle heissen irgendwie auch Tarquinius, deshalb zur Vereinfachung:
Lucius Tarquinius Superbus = wie wir sehen werden, letzter König Roms
Titus und Arruns Tarquinius = Söhne des Königs, reisen zum Orakel
Sextus Tarquinius = der dritte und jüngste Sohn des Königs, Vergewaltiger Lucretias
Lucius Tarquinius Collatinus = Gouverneur von Collatia und Neffe des Königs, Sohn des Egerius, Ehemann der Lucretia
Lucius Iunius Brutus = auch ein Neffe, Sohn der Tarquinia
Es sind also alles Etrusker, nur Lucretia nicht, sie ist Römerin.
Also reiten alle jüngeren Männer gen Collatia zum Frauentest, finden Lucretia beim tugendhaften Spinnen vor, und Sextus Tarquinius, einer der Prinzen, "entflammt von der Schönheit und der beispielhaften Reinheit der Lucretia, plante sie mit Gewalt zu entehren".
Einige Tage später reitet Sextus Tarquinius nochmals nach Collatia und wird gastfreundlich aufgenommen, obwohl der Hausherr abwesend ist. In der Nacht schleicht er sich in Lucretias Zimmer: "Still, Lucretia! Ich bin Sextus Tarquinius, und ich habe ein Schwert in der Hand. Wenn Du nur ein Wort sprichst, wirst Du sterben!" Sie wehrt sich tapfer. Er droht, werde den Leichnam ihres Sklaven neben sie legen, so dass man glauben würde, sie sei beim Ehebruch überrascht worden. Sie gibt auf. Er vergewaltigt sie und haut ab. Lucretia sendet Boten an Vater und Ehemann, die sofort kommen und auch, welch ein Zufall, Lucius Iunius Brutus mitbringen. Sie berichtet, fordert Rache und, und hier hier wird es grauenhaft, ersticht sich, damit sich keine andere geschändete Frau auf ihr Schicksal berufen könne. Wie schrecklich traurig, sich selbst und dem eigenen Geschlecht im Tod noch Feind, oder?
Die Vergeltung soll vollzogen werden und Brutus wird zum Anführer der Rächer. Mit Hilfe der Leiche der Lucretia wird der Volkszorn angestachelt. Und, obwohl Sextus irgendwann dann auch noch, fast nebenbei, getötet wird, geht es jetzt um viel mehr. Der König selbst wird tyrannischer Herrschaft angeklagt, eine Volksarmee gebildet, Rom übernommen und schließlich der König verbannt. Dann werden zwei Konsuln in den Volks- und Heeresversammlung gewählt, sie hießen Lucius Iunius Brutus und Lucius Tarquinius Collatinus. Rom ist nun Republik, für die Patrizier zumindest.
Nur kurze Zeit später muss Collatinus zurücktreten, da er durch seinen Familiennamen Tarquinius, zu eng mit der verhassten ehemaligen Königsfamilie verbunden ist. Iunius Brutus, gehört zwar zur gleichen Sippe, aber er hat "Glück", sein Name ist Iunius, er darf Konsul bleiben.
O was“, so fällt sie in die Schwüre ein,
„Was wäscht mich von erzwungnen Flecken rein?
Von welcher Art ist mein Verbrechen! Hat
Verein des Schrecklichsten es nicht erzwungen?
Kann je mein reiner Sinn die schmutz’ge That
Verzeih’n, die Ehre heben, die gesunken?
Bleibt meinem Missgeschick ein Hoffnungsfunken? –
Befreit doch selbst vom Schmutze sich der Bach,
Warum nicht ich von aufgedrungner Schmach?“
Einstimmig hier aus Aller Munde bricht:
„Des Leibes Flecken rein’ge ihr Gemüth“;
Doch freudlos lächelnd dreht sie das Gesicht,
Darin man tief von Thränen eingeglüht,
Des harten Missgeschickes Spuren sieht.
„Nein“, ruft sie, „nicht soll Frau’n, die nach mir leben,
Was mich entschuldigt, Recht auf Nachsicht geben!
“Und seufzend jetzt, als wollt’ das Herz ihr brechen,
Stößt sie Tarquinens Namen aus; er, er,
Und nichts als er kann ihre Zunge sprechen;
Bis sie nach langem Müh’n, aufathmend schwer,
In unklar krankem Ton, zuletzt nichts mehr,
Als dies noch spricht: „Er ist’s, ihr Edlen, er,
Der diese Hand zum Stoße führt – hieher.“
Und so durchbohrt sie mit der scharfen Schneide
Die treue Brust, empor die Seele fährt;
Geheilt hat sie der Stoß von tiefem Leide,
Das im entehrten Kerker sich genährt.
Der Geist, befreit von müden Seufzern, kehrt
Zum Himmel heim, und durch die Wund’ entschwebt
Dem Erdenschicksal das, was ewig lebt.
William Shakespeare "Die geschändete Lukretia"
„Nein“, ruft sie, „nicht soll Frau’n, die nach mir leben, / Was mich entschuldigt, Recht auf Nachsicht geben!