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Montag, 16. Oktober 2023

Es ist Krieg und ich gehe ins Kino und in die Oper

Vor wenigen Tagen hat Israel der Hamas, nach einem schweren Angriff auf seine Bürger, den Krieg erklärt. Grauenhaft, bedrohlich. Wer ist schuldig? Ich wünschte es gäbe eine einzige richtige Antwort. Das schlechte Gewissen Europas ermöglichte die Gründung des Staates der Juden, die nach der Verwüstung des Holocausts, jedes Recht hatten, einen sicheren Ort zu suchen. Die Palästinenser bezahlten eine Schuld, die sie nicht zu verantworten hatten und einige, nicht wenige wurden durch erfahrenes Leid, aber auch religiösen, nationalistischen rückwärtsgewandten Starrsinn und die Korruptheit ihrer Anführer zu Terroristen. Gibt es eine Lösung? Wenn ja, kenne ich sie nicht. Der Iran jubiliert. Das Regime, das Frauen hasst und Abweichler und wer weiß wen noch. Israel ist ein demokratischer Staat, der von einem korrupten Mann regiert wird und es hat verzweifelt versucht, sich gegen ihn zu wehren. Jetzt müssen alle Israelis notwendigerweise zusammenstehen. Und nun? Ich wünsche die Sicherheit aller Juden überall. Aber ich wünsche auch, dass die Palästinenser würdig leben dürfen. Ich wünsche mir einander ausschließende Dinge, kann nichts tun und gehe Kunst gucken.

DOGMAN von Luc Besson im Babylon Kreuzberg, dass nicht zu verwechseln ist mit dem anderen Kino Babylon, wie eine unglückliche junge Frau feststellen musste. Luc Besson - Im Rausch der Tiefe, Nikita, Leon der Profi, Das Fünfte Element und dann der gänzlich grässliche Valerian. Ich wusste also nicht, was mich erwartete. Die Freundin, mit der ich im Kino war, hat es auf den Punkt gebracht: krasser Scheiß! Caleb Landry Jones ist ein schauspielerisches Ereignis. Ehrlich gesagt, ist mir auch egal, ob der Film gut oder nur halbgut ist. Da hat einer was gewagt. Einen großer Wurf. Und da ist Geschmack nur eine, nicht die wichtigste Kategorie. Überzeugung, Konsequenz und Mut sind Kategorien, die in der Kunst, gerade jetzt, wichtig, manchmal entscheidend sind. Krasser Scheiß!

Hauptprobe zum Intendanten Vorsprechen Hochschule Ernst-Busch in Berlin. Fünf und eine halbe Stunde lang, aber ein Vergnügen. So viel Energie, Hoffnung und Talent.

Anselm Kiefer beschrieben von Wim Wenders. 20 Prozent des Films besteht aus nachgestellten Szenen aus Kiefers Leben, Kiefer als Kind (Wenders Enkel?). Kiefer als junger Mann (Kiefers Sohn oder Enkel?). Das ist Kitsch, und zu vernachlässigen. Merkwürdig, dass Humorlosigkeit und Kitsch einander so oft anverwandt sind. Aber die anderen 80 Prozent sieht man Anselm Kiefer bei der Arbeit zu und das ist eine große Freude. Ein Besessener muss arbeiten, will arbeiten, will hart arbeiten. Baut eine Stadt aus leeren schiefen Türmen bewohnt von Frauenkleidern belastet von Büchern, Stacheldraht, Gewucher, Globen. Er redet wenig, bedacht, genau. Die westdeutsche Kunstkritik hat es ihm erstmal sehr übel genommen, dass er sie nicht in Ruhe ließ mit dem verdammten Faschismus-Thema, ihn als Neo-Nazi abgestempelt und erst sein Erfolg in der USA hat sie gezwungen doch hinzuschauen. Und er sieht auch noch verflixt gut aus, weil er so viel arbeitet und es liebt. Sexy mit 78, das will ich auch. Ich hoffe, ich bekomme die Chance eine große Kiefer-Retrospektive zu sehen, irgendwo, irgendwann. Erinnerung. Vor Jahren im Hamburger Bahnhof mein erster Kiefer, haptisch, grobe Struktur und ein paar Kinderkleider. Es schlug mir in den Magen. 

Und zum letzten Akt meines überfüllten Kulturwochenendes: Parsival in Hannover. "Immer wenn ich Wagner höre, habe ich das Gefühl, ich muß in Polen einmarschieren." sagt Woody Allen, und ich stimme ihm, nach diesem 5 1/2 stündigem Opernelebnis aus vollem Herzen zu. Nach einem interessanten ersten Aufzug, zusammengeschweißt von einem tollen Bühnenbild, haben die Sänger, den Rest der vielen Stunden nur noch herumgestanden, sich mal hingesetzt, um dann aufzustehen, langsam irgendwo anders hinzugehen, um sich dann wieder hinzusetzen. Ich kann mir nicht erklären, warum man so ein Frauenbild zwischen wildem Weib und inzestiöser Mutterliebe, Hure und Mami und diese bibbernde Verherrlichung von Retterphantasien durch den "Reinen Toren", heute noch so unwidersprochen auf die Bühne bringen kann. Wenn im ersten Aufzug noch Andeutungen von Klimanot und Verfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu erahnen waren, verfällt das Ding danach zusehends in kammerspielartiges Psycho - Geraune. Die Qualität der Musik war sicher hoch, davon verstehe ich nicht genug, komme halt vom Schauspiel. Beim Essen in der Pause, schlug meine Dramaturgen-Freundin vor, man könnte doch wenigstens Striche machen, woraufhin ein sehr liebenswürdiger Herr, der an unserem Tisch saß, sagte: "Sicher könnte man, aber dann werden sie gelyncht." "Erlösung für den Erlöser", was für ein protofaschistisches, frauenverachtendes, pseudochristliches Geschwurbel. Man sollte mal den Text ohne Musik aufführen, so ganz nackt, das wäre mir ein Fest, und bitte mit den Regieanweisungen! Zur gleichen Zeit hat übrigens auch Büchner geschrieben und zwar soetwas: "Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte."

PARSIVAL:
Erlöser! Heiland! Herr der Huld!
Wie büss ich Sünder meine Schuld?

KUNDRY:
(deren Erstaunen in leidenschaftliche
Bewunderung übergeht, sucht
schüchtern sich Parsifal zu nähern)

Gelobter Held! Entflieh dem Wahn!
Blick' auf, sei hold der Huldin Nahn!

PARSIFAL:
(immer in gebeugter Stellung, starr
zu Kundry aufblickend, während diese
sich zu ihm neigt und die liebkosenden
Bewegungen ausführt, die er mit dem
Folgenden bezeichnet)

Ja, diese Stimme! So rief sie ihm;
und diesen Blick, - deutlich erkenn' ich ihn,
auch diesen, der ihm so friedlos lachte;
die Lippe, ja... So zuckte sie ihm;
so neigte sich der Nacken,
so hob sich kühn das Haupt;
so flatterten lachend die Locken,
so schlang um den Hals sich der Arm;
so schmeichelte weich die Wange;
mit aller Schmerzen Qual im Bunde,
das Heil der Seele
entküsste ihm der Mund!
Ha! Dieser Kuss!
  

Freitag, 31. März 2017

Barrie Kosky a la Russe - Der Jahrmarkt von Sorotschinzi

Eine heftig grüne Schräge, eine erhöhte Brücke, fährt gelegentlich aus der Bühnentiefe bis an das Portal, die Kostüme zitieren in zitierter Annäherung erinnerte russische Klischees. Die Handlung, das Libretto, es wird russisch gesungen, ist zu vernachlässigen. Trunkene Visionen, poetische Klagechöre, burleske Duette, melancholische Chansons in loser Reihenfolge. Fragmentarisch, aber, weiß Gott, nicht im Musikalischen. 
Ist das schöne Musik! Sehr, sehr lange chorale Gesänge, die mit der russischen Volksmusik leichtfüßig Federball spielen, und die der Chor der Komischen Oper so filigran und durchscheinend singt, dass man vor Freude heulen könnte. Ist das ein Opernchor, spielfreudig und -fähig, von hoher kunstvoller Disziplin. 
Und die Spielersänger! Agnes Zwierko, Alexander Lewis, Jens Larsen, wie schafft Kosky es nur, dass sie so entspannt und miteinander und hochkonzentriert spielen? 
Schweine auf Stelzen, Schweineohren, Schweinemasken. 
Viele Sprünge,  Arme und Finger in Choreographie, harte Brüche, plötzliche Abgänge, lange Ruhe gefüllt mit Gesang.
Lohnt sich, wenn man schwelgen mag.



Trinklieder, Tänze, Volksgesänge und ein wilder Hexensabbat – das Volk als überschäumende Quelle der Energie steht im Mittelpunkt von Mussorgskis temporeicher und in der Sprung-haftigkeit ihrer Handlung überaus eigenwilliger Oper. Vom Komponisten unvollendet hinterlassen, konnte dieses komisch-groteske Meisterstück erst viele Jahre nach Mussorgskis Tod uraufgeführt werden. An der Komischen Oper und damit in Berlin zum letzten Mal im Jahre 1948 zu erleben, erscheint es jetzt in einer Neuinszenierung von Chefregisseur Barrie Kosky.
»Schlichte Geschehnisse« in loser, auf kausale Zusammenhänge verzichtender Folge sind es, die Mussorgski in seiner als Torso hinterlassenen Oper mit prallem, volkstümlichem Leben füllt. Dazu zitiert er nicht nur Volkslieder und -tänze, sondern breitet deren musikalische Faktur über die gesamte Komposition aus und fügt obendrein seine zum Chorstück erweiterte Orchesterfantasie Eine Nacht auf dem kahlen Berge von 1867 als Traum des Bauernburschen Grizko ein. Mehrere Komponisten versuchten, aus dem von Mussorgski hinterlassenen Material ein aufführbares Werk zu machen. Die zuletzt veröffentlichte Fassung von Lamm/Schebalin aus dem Jahre 1932 scheint den Absichten des Komponisten am nächsten zu kommen. Sie glättet nicht, sondern zollt dem »ungehobelten« Duktus des Werkes Rechnung.

Programm der Komischen Oper 
https://www.komische-oper-berlin.de/programm/spielplan/der-jahrmarkt-von-sorotschinzi/242/

Dienstag, 28. Februar 2017

BALL IM SAVOY - Eine Jazzoper

Der Ball im Savoy eine Operette in zwei Akten von Paul Abraham habe ich heute Abend in der Komischen Oper gesehen, drei und eine halbe Stunde, von denen ich vielleicht eine halbe Stunde hätte missen können. Der Regisseur liebt seine Tänzer, was ihn ehrt, aber das harte "kill your darlings" gilt auch für sie.

Drei Frauen, wilde Weiber, tragen den Abend auf ihren schönen Schultern, Dagmar Manzel, die Grand Dame wider Willen, ganz leicht, ganz klug, ganz Frau, wunderbar. Katharine Mehrling, klein und zart mit Riesenstimme und scharfem Witz, und Agnes Zwierko eine polnische Spiel-Bombe. Und ein Mann, Helmut Baumann, Jahrgang 39, man fasst es nicht, leichtfüssig und charmant und auf den Punkt. Einmal dreht er unzählige Pirouetten und nur wenn er später seine Jacke ein wenig mühsam aufhebt, bemerkt man überrascht, dies ist ein älterer Mann.



Fritzy Massary, Oscar Strauss, Ernst Busch, Paul Dessau, Hanns Eisler, Paul Hindemith, Friedrich Hollaender, Otto Klemperer, Georg Kreissler, Joseph Schmidt, Arnold Schönberg, Kurt Stolz, Kurt Weill, eine völlig unvollständige Liste von Musikern, die unser Land wider Willen verlassen mußten, um der sicheren Vernichtung zu entgehen.


Paul Abraham, auch Ábrahám Pál geboren am 2. November 1892 in Sombor, Königreich Ungarn, Österreich-Ungarn; gestorben am 6. Mai 1960 in Hamburg, war ein ungarisch-deutscher Komponist jüdischer Abstammung. Er schrieb vornehmlich Operetten.  
So beginnt sein Wiki-Eintrag, knapp und kurz.

Vor der Machtübernahme der NSDAP hieß das Haus in dem sich heute die Komische Oper befindet "Metropol-Theater", es gehörte den Brüdern Rotter, die eigentlich Schaie hießen und Juden waren. Ihr Chefdirigent war Paul Abraham, die Uraufführung seines "Ball im Savoy" fand am 23. Dezember 1932 im gemieteten Großen Schauspielhaus statt, weil im Mutterhaus eine Spoliansky-Revue lief.
1933 war Schluß, Aus, Ende für ihn und viele, sehr viele andere, Abraham floh erst zurück nach Ungarn, dann nach Paris, später über Kuba in die USA. Dort verlor er durch eine zu spät erkannte Syphillis-Erkrankung den Verstand und starb, verarmt und fast vergessen, nach jahrzehntelanger Unterbringung in psychiatrischen Kliniken, erst in New York, dann durch die Bemühung von Freunden mit gutem Gedächtnis, in Hamburg, im Jahr 1960. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. 
1946 wurde Abraham auf dem Broadway aufgegriffen, als er ein unsichtbares Orchester, das kaiserlich ungarische Sinfonie Orchester, dirigierte.
Barry Koski nannte den fliehenden, kranken Mann einen Dibbuk, einen Untoten. 
"Die Annahme, das ein Verbleiben in Deutschland den Antragsteller früher der ärztlichen Begutachtung zugeführt hätte, ist nach Ausführungen in dem fachärztlichen Gutachten nicht wahrscheinlich."
37.000 Mark Entschädigung durch die BRD wurden Abraham nach einigem Rechtsstreit zugesprochen. 

Sonntag, 4. Dezember 2016

Phantastische Tiere

Mein kulturgefülltes Adventswochenende.

Die Perlen der Cleopatra ist eine Operette in drei Akten von Oscar Straus nach einem Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald. In der Uraufführung am 17. November 1923 am Theater an der Wien in Wien spielten Fritzi Massary, Richard Tauber und Max Pallenberg die Hauptrollen.
Es gäbe sicher über Vieles viel zu sagen, werde ich aber nicht, sondern nur über Eine: Dagmar Manzel kann zaubern. Singen, na klar! Übrigens drei Oktaven! Spielen, und wie! Berlinern, und zwar echt. Sie ist schnell wie der Blitz und zart wie Seide und grell wie eine geile Neonwerbung und locker, selbst wenn sie aufgeregt ist. Sie hat Charme und Chuzpe. Sie ist cool. Dieses Genre war tot und Kowski und Dagmar haben ihm neues Leben eingehaucht. Das macht ihr keiner nach! Ihr merkt schon, ich bin ein Fan.

 Leider gab es keine Copyright Angabe zu diesem Photo.

Canova & der Tanz - Antonio Canova (1757 in Possagno – 1822 in Venedig), der bedeutendste Bildhauer des italienischen Neoklassizismus, hatte eine jahrzehntelange Passion für den Tanz. Die Ausstellung widmet sich seinem Lieblingsthema.




Die Dame ist allerdings nicht von Canova, sondern heißt "Berliner Tänzerin" und ist römisch, eine Kopie aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. nach einem griechischen Original. Nach Meinung von Dierks-Kiehl handelt es sich um eine Tänzerin mit einer Doppelflöte in beiden Händen, gegen diese Meinung Raeder, der eine Thyrsos-schwingende Mänade für wahrscheinlicher hält; Haltung: tänzelnd. (Arachne)
Und wenn man um sie herumgeht, weht ds leichte Kleid nach oben und enthüllt ihren hinreißenden klleinen Hintern, ganz keusch. 

 

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind ist ein Film von David Yates, der Elemente aus dem gleichnamigen Buch enthält, das von Joanne K. Rowling, als Begleitwerk zu den Harry Potter Romanen geschrieben wurde und zu dem sie auch das Drehbuch verfaßt hat.
Das magische Zoologiebuch Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind (im Original: Fantastic Beasts and Where to Find Them) von Newt Scamander benutzt Harry Potter seit der ersten Klasse in Hogwarts. 
http://de.harry-potter.wikia.com

Tolle Tricks, wirklich phantastische Tiere, Eddie Redmayne ist zu ehrgeizig, aber drumherum spielen gute Leute, da fällt es nicht so doll auf, die Schlußpointe ist überraschend und es soll noch vier weitere Filme in dieser Reihe geben. 

Montag, 11. Mai 2015

Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin


Vorrede auf dem Theater:

Estragon: 
Wir finden doch immer was, um uns einzureden, dass wir existieren, nicht wahr, Didi? 
Wladimir: 
Ja, ja. Wir sind Zauberer.
 Samuel Beckett "Warten auf Godot"


Arnold Schönberg
Moses und Aron 
Oper in drei Akten
1923 – 1937

Vorausgeschickt: obwohl ich wenig von moderner klassischer Musik verstehe, ihr sogar eher ängstlich begegne, habe ich heute in der Komischen Oper fast zwei Stunden fasziniert zugehört und -gesehen. Das hatte ich nicht erwartet und macht mich ziemlich froh. Es war anstrengend, weil meine Aufmerksamkeit zwischen Textmitlesen und dem Bühnengeschehen zu folgen, hin und her springen mußte. Aber es war aufregend. Nicht, dass ich mit allen assoziativen Bildern glücklich war, aber ich hatte immerzu interessante Reibungspunkte. 
Mit mir waren fünf Studenten, vier Kanadier und eine Türkin, und wir haben im Anschluß fast zwei Stunden gestritten und haben dabei sogar unsere sehr unterschiedlichen Eindrücke einander verständlich mache können. Selten und großartig. 
Und der Chor ist unglaublich! Einhundert Sänger die, während sie diese komplizierte Musik singen, in jedem Augenblick die Spannung halten und offensichtlich immer genau wissen, was sie gerade denken, welche Haltung sie warum einnehmen. Intelligent choreographiert und intensiv gespielt. Bis zur ersten Stückprobe hatten sie bereits 100 musikalische Proben! 100!

Der Riß zwischen der Idee und ihrer Realisation, der Einbruch der Propaganda in die Utopie, der unüberbrückbare Graben zwischen dem Gedanken und seiner Wirklichwerdung - die Geschichte des letzten Jahrhunderts, und des jetzigen, als Fundus des Schreckens. 
Die Tödlichkeit der Ismusse. Faschismus, Stalinismus, Fundamentalismus - ein Reigen des Tötens.

MOSES 
Unvorstellbarer Gott! Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke! Lässt du diese Auslegung zu? Darf Aron, mein Mund, dieses Bild machen? So habe ich mir ein Bild gemacht, falsch, wie ein Bild nur sein kann! So bin ich geschlagen! So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht gesagt werden! O Wort, du Wort, das mir fehlt!

Die letzten Worte die Moses in der Aufführung singspricht. 

Schönberg hat die Oper in Berlin geschrieben. Es ist ein Berlinstück, obwohl er ein jüdischer Österreicher durch und durch war. Er hat den letzten Takt von "Moses und Aron" in Berlin komponiert, kurz danach ging er 1933 ins Exil. Er hat die Oper im hereinbrechenden Schatten des Dritten Reichs geschrieben.
Barrie Kosky

Schönberg am 20. April 1923 in einem Brief an Kandinsky:

Was ich im letzten Jahr zu lernen erzwungen wurde, habe ich nun endlich kapiert, und werde es nicht wieder vergessen. Dass ich nämlich kein Deutscher, kein Europäer, ja vielleicht kaum ein Mensch bin (wenigsten ziehen die Europäer die schlechtesten ihrer Rasse mir vor), sondern, dass ich Jude bin. Ich habe gehört, dass auch ein Kandinsky in den Handlungen der Juden nur Schlechtes und in ihren schlechten Handlungen nur das Jüdische sieht, und da gebe ich die Hoffnung auf Verständigung auf. Es war ein Traum. Wir sind zweierlei Menschen. Definitiv!"
Zwei Wochen später schrieb er abermals an Kandinsky:  


"Und da tun Sie mit und lehnen mich als Juden ab. Habe ich mich Ihnen denn angetragen ... Wie kann ein Kandinsky ... es unterlassen eine Weltanschauung zu bekämpfen, deren Ziel Bartholomäusnächte sind!" 
http://www.zeit.de/1964/44/die-erde-ist-kein-vergnuegungslokal 

Kurze Zusammenfassung der in der Oper zitierten biblischen Moses & Aaron Geschichte:
Nachdem Mose von Gott am brennenden Dornbusch zum Führer und Befreier Israels berufen worden war, kehrt er nach Ägypten zurück und trifft dort auf seinen Bruder. Gott macht Aaron zu Moses Sprecher und gemeinsam treten die Brüder vor den Pharao, um von ihm die Freiheit der Hebräer zu fordern. Anfangs wirkt er durch seinen Stab einige Wunder : Als er den Stab zu Boden wirft, wird dieser zur Schlange und verschlingt die Stab-Schlangen der ägyptischen Magier, er macht durch den Stab das Wasser des Nils zu Blut und läst die Frosch- und Stechmückenplage aus. Später ist nur noch berichtet, dass Moses so einen Stab hat, mit dem er Wunder vollbringt. Verglichen mit seinem dynamischen Bruder ist Aaron keine Führerpersönlichkeit. Nur an einer Stelle wird sein Name zuerst genannt, obwohl er der ältere Sohn ist, und nur zweimal spricht Gott direkt zu ihm. Zwar handelt Aaron zweimal auch unabhängig von Mose - doch beide Male geht es gründlich schief: Als Mose sehr lange auf dem Berg Sinai bleibt, wo er die 10 Gebote erhält, gibt Aaron dem Drängen des Volkes nach und errichtet ein goldenes Stierbild, das von den Hebräern als Götze angebetet wird. Von seinem Bruder zur Rede gestellt, schiebt Aaron alle Schuld dem Volk zu ....
Aus: In 18 Monaten durch die Bibel
http://www.its-gospel-time.de/index.php?option=com_glossary&func=view&Itemid=433&catid=124&term=Aaron 

Interview mit dem Intendanten der Komischen Oper Barrie Kosky.
http://www.zeit.de/2014/40/komische-oper-berlin-barrie-kosky 

Moses und Aron Chorprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=cFYvIYkDECE 

Montag, 4. Mai 2015

Don Giovanni an der Komischen Oper


Morgen hingehen, Karten vorbestellen, (unbedingt darauf achten, dass Papendell singt!) hinsetzen, verzaubert sein.

Günter Papendell als Don Giovanni - ein glückliches Ereignis!

Mannoman ist der großartig! Ein zarter Mann, bei dem man sich fragt, wo er überhaupt diese Riesenstimme herholt, ein Clown, ein Sprachkomiker, ein Tänzer, ein wildes Kind.

Giovanni ähnelt hier ein wenig dem Joker von Heath Ledger, vibrierend, auf der Suche nach dem nächsten Kick, er weiß was er tut, kann nicht anders, lädt uns ein, sein Vergnügen mitzugenießen und für eine kurze Zeit unsere biederen moralischen Einwände beiseite zu lassen. Ihr wollt es doch auch, oder? Keine Zeit. Keine Zeit. Genuß muß gefunden & genommen werden, selbst der Tod ist dafür am Ende kein zu hoher Preis. Er tut was wir alle wünschen und nicht wagen, weil er mehr riskiert, mehr giert, mehr Spaß hat, mehr Lust, mehr, einfach mehr. Und dies auf fast kindliche Art. Eingestreut und perfekt gesetzt - Sprachwitze der albernsten Art - die Namen der Mitspieler bieten sich ja auch wirklich an.

Während der Champagnerarie spielt er Pferd & Reiter, die Füße hüpfen während die Stimme leicht und weich klingt. Das ist sowohl kunstvoll und witzig aber auch technisch beeindruckend. Frag mal einen Sänger, ob er eine Arie lang hüpfen würde!


Auf denn zum Feste,
Froh soll es werden,
Bis meine Gäste
Glühen von Wein!
Siehst du ein Mädchen
Nahen dem Garten,
Lass' sie nicht warten,
Führ' sie herein.
Tanzen lass' alle sie
Wirr durcheinander;
Hier Menuette,
Da rasche Walzer,
Dort Allemanden
Spiel' ihnen auf.
Ich aber leise,
Nach meiner Weise,
Führe das Liebchen
Ins Kämmerlein.
Drum ohne Sorgen
Deinem Register
Schreibst du schon morgen
Zehne noch ein.


Finale des ersten Teiles:

Mutlos soll mich niemand sehen.
Mag die Welt in Trümmer gehen,
Niemand soll mich zagen sehn
Nein, ich bleib' fest und trotz' dem All.





Günter Papendell, Bariton
"Es ist eine sehr spezielle, sehr körperliche Dauerspannungsspielweise, die auf Dauer wahnsinnig anstrengend ist und wo man gucken muss, wie man das in den Körper reinkriegt, ohne nach zehn Minuten schon total ausgepowert zu sein."
Giovanni singt ein Mädchen an, er singt eine lyrische Kanzonette mit den Bewegungszitaten des Gitarristen einer zweitklassigen Rockband - genial.
Horch auf den Klang der Zither,
Mach auf das Gitter,
O lindre meine Pein
Und lass mich glücklich sein!
Lässt du mich trostlos flehn,
So macht ein rascher Tod,
Du Falsche, sollst es sehn,
Ein Ende meiner Not.
Mir lacht dein süßes Mündchen
Voller Wonne,
Und dein liebliches Auge strahlt
Wie die Sonne;
Magst du auch grausam sein,
Was gilt's, du hast mich lieb:
Lasse mich nicht allein,
du loser Herzensdieb.

Die Inszenierung ist von Herbert Fritsch und dementsprechend lustvoll, auch wenn sich der zweite Teil ein wenig gegen die Methodik sträubt. Die Dramaturgie des Librettos häuft hier eine Menge großer Arien an und letztendlich stehen dann da doch Sänger und Sängerinnen und singen einfach. Papendell nicht, er spielt, er verweigert das Genre, die Tradition und spielt somit auch an gegen die Erstarrung und das Zufriedengeben. Ich kenne den Mann nicht und würde ihm trotzdem heute Abend gern meine Liebe erklären.


Alle Photos © Monika Rittershaus


Montag, 10. März 2014

Theater und das nervende ABER


Emil Nolde 1921
Nach dem Sündenfall

Eine Theaterliebhaberin in penetranter Sinnkrise, aber voller liebhaberischer Hoffnung beschreibt ein Theater- und Kino-gefülltes Wochenende: unfair, ja, ungerecht, geschmäcklerisch, persönlich, all das in offenster Weise, jetzt und hier!

Am Freitag in der Komischen Oper "Die Zauberflöte": die Karten zu bekommen, war ein privilegiertes Glück, wir haben uns mächtig aufgebrezelt und wurden wunderbar behandelt.
19.30 Uhr: Videocartoons als Bühnenbild, viktorianische Kinderbücher, Disneys frühe Filme und Monty Python geben sich die Ehre. Die Regie führte Barrie Kosky und für die Animation war die Gruppe "1927" verantwortlich. Die Vorstellung ist ausverkauft bis zum Sanktnimmerleinstag, das Publikum eine glückliche Mischung aus illustren Opernliebhabern, Kindergruppen und beseelten Touristen. Ich erlebte Begeisterungsstürme. Hinreißend, unterhaltsam, lustig, niedlich, endlich kann man seine Kinder in die Oper mitnehmen!
aber,
es war zuviel des Guten. Nur wenige Sänger waren in der Lage, gleichzeitig zu singen und die  Interaktion mit den bewegten Bildern und die Stummfilmspielweise zu erfüllen, und, alles in allem, bleiben, wenn man die Illustration der alten Bühnenbildanweisungen und die unzähligen spaßigen kleinen Einfälle subtrahiert, nur wenige Szenen länger im Gedächtnis. Und, welch konservativer Gedankengang, lenkt so viel Film nicht die Aufmerksamkeit  mit unbarmherziger Verführung fort von der Musik? Ein MTV-Video der Magic Flute?
Es bleibt mir eine von Beate Ritter wundervoll gesungene Königin der Nacht, der flirrende Papageno des Dominik Köninger und ein paar tolle Szenen, wo Spieler und Video zusammen agierten und etwas Neues entstand.


Samstag im Maxim Gorki Theater "Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen",
vier Spielerinnen, stark, locker, anwesend, frech. Die vier sprechen vorangig chorisch, und das sehr gut. Der Text vibriert zwischen Kabarett und dem Ton, der von mir oft geliebten Kolumnen Sybille Bergs. Das Tempo ist hoch, es wird viel und wild getanzt. Der Saal fühlt sich angesprochen.
aber,
ich nicht. Bin ich zu alt oder ist niemand jemals wirklich derart jung, wie hier behauptet wird?

Einige Zeit habe ich düster darüber sinniert, dass ich vor ... Jahren den sportlichen Herausforderungen eines solchen Abends noch locker gewachsen gewesen wäre. Ach.


Am Sonntag dann "August Osange County" im Kino. Große Schauspielkunst! Meryl Streep & Julia Roberts & Chris Cooper & die mir bisher unbekannte Margo Martindale & der ganze Rest, sind wunderbar. Überhaupt, sollte sich Frau Streep je dazu entschließen, das Telephonbuch von Los Angeles zu verlesen, ich werde dabei sein und ihr atemlos zuhören und staunen.

aber, 
die Geschichte ist dünn, die Autorin Tracy Letts Tennessee Williams armer Cousin in dritter Generation, der durch jahrelange Behandlung mit Nachmittagsserien die Schärfe verloren gegangen ist. Und in der zweiten Hälfte wird so viel geweint, dass man, schon aus Höflichkeit, nicht selber zum Weinen kommt, wobei der behäbige Symbolismus, für den die indianische, First Nation Haushälterin herhalten muß, meine Distanziertheit noch verschärft hat.


Ach, Mensch, ich bin eine alte Meckertante!
 

Sonntag, 10. Juni 2012

Einstein On The Beach - Godot kommt eh nicht, oder doch?



Einstein On The Beach, eine Oper in vier Akten und fünf Gelenkstücken von Philipp Glass, Robert Wilson und Lucinda Childs.
Erstaufführung 1976 in New York, gesehen in Toronto vorgestern.

Vier und eine halbe Stunde lang ohne Pause. Man kann zwischendurch ruhig mal rausgehen, rauchen, etwas trinken, kurz keine Musik hören. Aber oft wollte ich das gar nicht.
Man sieht: Bob Wilson, bevor er wußte, dass er einmal DER Bob Wilson werden würde, Philipp Glass bevor er der Hohepriester der modernen Musik geworden war.
Wunderbar. Fast altmodisch schon. Wo man Technologie vermuten könnte, sind es ganz einfache Theatermittel, nur phantasievoll und hochpräzise eingesetzt. Teilweise wunderbare Musik und Bilder, Bilder.
Bilder, die man aus dem dritten oder vierten Aufguss kennt, hier in ihrer Urform, noch unschuldig. Hätte ich es damals bei der Premiere gesehen, hätte ich das Theater wahrscheinlich im Schockzustand verlassen. Heute ist es ein glorioses Relikt, die Rückschau auf den Beginn von etwas.

 Der wirkliche Einstein an einem wirklichen Strand


 Ein Stein on the beach

Dienstag, 5. Juni 2012

La Traviata - Natalie Dessay - In Hochachtung


Dies sind die Anmerkungen eines Nicht-Opern-Kenners.

Vor langer Zeit habe ich spätnachts einen Mitschnitt von Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" aus der Oper Lyon gesehen, ganz zufällig und demzufolge unvorbereitet. Eine kleine Frau im kurzen schwarzen Unterrock mit einem flatternden roten Seiden-Dingelchen darüber trat auf und überfüllte die Bühne. Sie sang wunderbar, aber sie keifte auch und lachte und juchzte und schrillte, kurz sie tat lauter Dinge, die Opernsängerinnen eher nicht tun, zumindestens nicht auf der Bühne. Und sie spielte, tanzte und spielte noch ein bisschen mehr. Laurent Naouri (wie ich nachher feststellte ihr Ehemann) war Jupiter und spielte auch, kein Standbein - Spielbein weit und breit. An einem Punkt hing er zum Beispiel kopfüber als Fliege von der Decke und sang, und zwar schön, oder soll ich besser sagen gut. Ein toller Abend. Mark Minkowsky war übrigens der Dirigent, Laurent Pelly der Regisseur.

 Crédits photo : Gérard Amsellem

Heute nun: "La Traviata", Verdi, inszeniert hat Willy Decker, die Bühne ist von Wolfgang Gussmann. 
Der erste Akt war spannend. Anstatt des üblichen Festes mit Scherzen und Flirten, gab es hier einen reinen Männerchor, d.h. auch die Choristinnen waren als Männer verkleidet, Violetta, die Hure, das begehrte Ziel, die potentiellen Kunden um sie herum und sie muß sich bestmöglich verkaufen. Überhaupt waren die Chorszenen ganz stark, sehr streng choreographiert, fast karg und völlig durchsichtig in dem, was erzählt werden sollte. Akt 2 und 3 waren leider nicht so aufregend, und die Frau, stirbt ja stundenlang, und da liefen dann halt alle sehr langsam herum und guckten bedrückt und die Kratzigkeit des ersten Aktes verlief sich in sehr breitgetretenem Leiden. Wie stirbt man interessant über 45 Minuten?
Aber die Dessay. Irrsinn. Man hört und sieht, was sie denkt, immer. 
Und jetzt zum eigentlich Erstaunlichsten des Abends, man stelle sich vor: live aus der Metropolitan Opera (1500 Zuschauer) in ganz, ganz viele Kinos, und mit dem Wissen im Kopf tritt sie auf, offensichtlich (offenhörlich) nicht in stimmlicher Hochform und über den Abend verliert sie ganze Töne und singt doch weiter und nutzt sogar die stimmlichen Aussetzer für ihr Spiel und dadurch wird das Ganze groß, menschlich und greift einen. Was muß das für eine Anstrengung, was für ein Kampf gewesen sein. Hochachtung und Mitgefühl.

Marty Sohl/Metropolitan Opera
 

Interview mit Natalie Dessay:

Mittwoch, 23. Mai 2012

Semele - eine Händeloper


Semele, griechische Sagengestalt, trifft auf deutschen Komponisten, Georg Friedrich Händel, der in England lebte und Barockopern schrieb, obwohl dieses Werk, 1744 komponiert, wohl eher als Oratorium gedacht war, und wird dann von einem chinesischen Regisseur, Zhang Huan, auf die Bühne gezaubert, 2012, in Toronto in Kanada, japanische Sumo-Ringer treten auch auf.

Bis auf die dämlichen Pappsteine, die in dieser Szene herumlagen, ist es wirklich ein tolles Bühnenbild.

Das Bühnen-Bild und es ist wirklich bildhaft, besteht aus einem 450 Jahre alten chinesischen Tempel, der während der Kulturrevolution als Getreidelager diente und später einer armen Familie von Aal-Verkäufern als Wohnung. Der Ehemann erschoß den Liebhaber der Frau und wurde dafür hingerichtet. Die Frau verkauft das hölzerne Gebäude, um ihrem Sohn ein Haus bauen zu können, dass anziehender für eine künftige Ehefrau ist. Die Holzstruktur steht jetzt in der Oper auf der Bühne. Drama Nº 1.

Semele liebt Jupiter, soll aber, nach dem Willen ihres Vaters Kadmos, Prinz Athamas heiraten, den wiederum ihre Schwester Ino liebt. Jupiter schreitet ein: Blitz, Adler greift Semele, alle sind verwirrt. Juno ist, natürlich, eifersüchtig, wie jedesmal, und plant Rache. Semele liebelt mit Jupiter, ihre Schwester kommt zu Besuch. Juno weckt derweil den Gott des Schlafes, Somnu, gibt ihm komplizierte Anweisungen und bietet ihm im Gegenzug eine junge Frau, in die er vernarrt ist, an. Somnus stimmt zu, macht Jupiter durch einen Traum, liebeswahnsinnig nach Semele, so dass er ihr jeden Wunsch erfüllen wird. Juno, in der Gestalt der Schwester Ino, erscheint bei Semele und reicht ihr einen Spiegel:

"Ich werde mich selbst anbeten,
Wenn ich darauf bestehe zu schauen.

"Myself I will adore
If I insist in gazing."

Fast acht Minuten lang nur diese zwei Zeilen, wunderbar, und was die Hauptdarstellerin, Jane Archibald, derweil auch noch spielt, ist herrlich.
Jedenfalls, Semele wünscht sich Jupiter in seiner wahren Gestalt zu sehen, er warnt sie zwar vor der Tödlichkeit dieses Anblicks, willigt aber unter der Macht des Zaubertraumes ein. Semele schaut und stirbt. Drama Nº2.

Der Regisseur ersetzt den Widergutmachungschor am Ende durch die gesummte "Internationale", verstehen tue ich es nicht, aber drei Stunden war ich fasziniert.

Barockopern sind von solcher realitätsfernen Künstlichkeit, dass sie als Folie, Einbettung oder Sprungtuch für Vieles dienen können. Hier treffen Traditionslinien aufeinander, die sich nie mischen, und sich doch stützen, komplementieren.

Ach ja, Semeles Asche wird Gott Bacchus hervorbringen.

Sonntag, 28. August 2011

Dido und Aeneas in Der Waldbühne

Schon wieder Kunstbesuch an deutscher historischer Stätte. Der Architekt Werner March leitete den Bau der Dietrich-Eckart-Freilichtbühne für die Olympiade 1936 in Berlin. Doch wer war Dietrich Eckart?
Dietrich Eckart, Morphinist, Literatur- und Theaterkritiker, erfolgloser Dramatiker und Werbetexter, prägte 1919 als Mitbegründer der NSDAP den Begriff „Drittes Reich“, womit eine Verbindung von chileatischer Esoterik und politischer Absicht gemeint war. Schönes Reimzitat: „Im deutschen Wesen ist Christ zu Gast – drum ist es dem Antichristen verhaßt." Er hat wohl auch 1921 das erstemal A.H. als "Führer" bezeichnet. A.H. widmete dem 1923 Verstorbenen dann sein Buch "Mein Kampf".
Seit Kriegsende heißt das als Thingbühne nach dem Vorbild von Ephesus gebaute Amphitheater und ursprünglich für 100 000, in der Realität für 22 000 Zuschauer gedachte Amphitheater "Waldbühne"

27. August Berlin - abends, starker Regen. Wir und tausende Andere entströmen der S-Bahn an der Station Pichelsberg, waten durch einigen Schlamm und wollen getanzte Oper sehen. Ist das nicht schön und erstaunlich, dass so viele Menschen, die Zuschauerränge waren nahezu voll, und bei solchem Wetter, Barockoper und modernen Tanz sehen wollen?
Der Regen legt sich, es ist kalt, und, was mich nicht so gestört hat, aber doch zu mittleren Pfeifkonzerten führte, die Oper beginnt erst um 21.30 Uhr, die ersten anderthalb Stunden sind eine Geburtstagsfeier für das "Radialsystem".  Egal, Brezel gekauft, mit den Sitznachbarn geschwatzt, es bleibt vergnüglich.
"Dido und Aeneas" von Henry Purcell war eine meiner ersten Schallplatten. Ich habe keine Ahnung wieso, da ich ansonsten nahezu keine klassische Musik gehört habe, aber dass ich Barockmusik liebe, wurzelt sicher in dieser unter nicht mehr erinnerten Umständen in meinen jugendlichen Besitz gekommenen Vinylscheibe.
Kurz die Geschichte: Aeneas aus dem zerstörten Karthago entflohen, erreicht nach Irrfahrten Karthago, trifft dessen Gründerin Dido, die beiden verlieben sich, Intrige folgt, Dido fühlt sich von Aeneas verraten, Dido begeht Selbstmord. Aeneas reist ab.
Dido, Aeneas, Ascanius, Anna, Römisches Mosaik 4.Jht in Britannien
Man sitzt an diesem Abend in der Waldbühne weit weg vom Geschehen, verpasst sicher eine Menge Details und die Wechselkonzentration auf Bühne und Videoleinwände ist auch anstrengend - ABER ich hatte einen wunderbaren Abend.
Einerseits hatte ich Draufsicht, was ungewöhnlich, aber in diesem Fall manchmal auch berauschend schön war. Andererseits, wie Frau Waltz Chor, Tänzer und Sänger verschmilzt, sie endlich einmal nicht "spartengerecht" agieren läßt, sondern aus ihnen ein Ensemble schafft, ist phänomenal! Und die Musik ist lieblich. Manchmal fast Barock-Pop, manchmal tief berührend. Dafür hat sich das Frieren gelohnt. Und Humor hat die Inszenierung auch und auch Ruhe, sehr schön. Gucke ich mir nochmal, für die Details, auf DVD an.


Guido Reni 1630 Abschied von Aeneas

Für Opern-Interessierte:
Anatomie eines Selbstmords; Henry Purcells „Dido and Aeneas“