Sonntag, 28. August 2011

Dido und Aeneas in Der Waldbühne

Schon wieder Kunstbesuch an deutscher historischer Stätte. Der Architekt Werner March leitete den Bau der Dietrich-Eckart-Freilichtbühne für die Olympiade 1936 in Berlin. Doch wer war Dietrich Eckart?
Dietrich Eckart, Morphinist, Literatur- und Theaterkritiker, erfolgloser Dramatiker und Werbetexter, prägte 1919 als Mitbegründer der NSDAP den Begriff „Drittes Reich“, womit eine Verbindung von chileatischer Esoterik und politischer Absicht gemeint war. Schönes Reimzitat: „Im deutschen Wesen ist Christ zu Gast – drum ist es dem Antichristen verhaßt." Er hat wohl auch 1921 das erstemal A.H. als "Führer" bezeichnet. A.H. widmete dem 1923 Verstorbenen dann sein Buch "Mein Kampf".
Seit Kriegsende heißt das als Thingbühne nach dem Vorbild von Ephesus gebaute Amphitheater und ursprünglich für 100 000, in der Realität für 22 000 Zuschauer gedachte Amphitheater "Waldbühne"

27. August Berlin - abends, starker Regen. Wir und tausende Andere entströmen der S-Bahn an der Station Pichelsberg, waten durch einigen Schlamm und wollen getanzte Oper sehen. Ist das nicht schön und erstaunlich, dass so viele Menschen, die Zuschauerränge waren nahezu voll, und bei solchem Wetter, Barockoper und modernen Tanz sehen wollen?
Der Regen legt sich, es ist kalt, und, was mich nicht so gestört hat, aber doch zu mittleren Pfeifkonzerten führte, die Oper beginnt erst um 21.30 Uhr, die ersten anderthalb Stunden sind eine Geburtstagsfeier für das "Radialsystem".  Egal, Brezel gekauft, mit den Sitznachbarn geschwatzt, es bleibt vergnüglich.
"Dido und Aeneas" von Henry Purcell war eine meiner ersten Schallplatten. Ich habe keine Ahnung wieso, da ich ansonsten nahezu keine klassische Musik gehört habe, aber dass ich Barockmusik liebe, wurzelt sicher in dieser unter nicht mehr erinnerten Umständen in meinen jugendlichen Besitz gekommenen Vinylscheibe.
Kurz die Geschichte: Aeneas aus dem zerstörten Karthago entflohen, erreicht nach Irrfahrten Karthago, trifft dessen Gründerin Dido, die beiden verlieben sich, Intrige folgt, Dido fühlt sich von Aeneas verraten, Dido begeht Selbstmord. Aeneas reist ab.
Dido, Aeneas, Ascanius, Anna, Römisches Mosaik 4.Jht in Britannien
Man sitzt an diesem Abend in der Waldbühne weit weg vom Geschehen, verpasst sicher eine Menge Details und die Wechselkonzentration auf Bühne und Videoleinwände ist auch anstrengend - ABER ich hatte einen wunderbaren Abend.
Einerseits hatte ich Draufsicht, was ungewöhnlich, aber in diesem Fall manchmal auch berauschend schön war. Andererseits, wie Frau Waltz Chor, Tänzer und Sänger verschmilzt, sie endlich einmal nicht "spartengerecht" agieren läßt, sondern aus ihnen ein Ensemble schafft, ist phänomenal! Und die Musik ist lieblich. Manchmal fast Barock-Pop, manchmal tief berührend. Dafür hat sich das Frieren gelohnt. Und Humor hat die Inszenierung auch und auch Ruhe, sehr schön. Gucke ich mir nochmal, für die Details, auf DVD an.


Guido Reni 1630 Abschied von Aeneas

Für Opern-Interessierte:
Anatomie eines Selbstmords; Henry Purcells „Dido and Aeneas“

2 Kommentare:

  1. "...die beiden verlieben sich, Intrige folgt, Dido fühlt sich von Aeneas verraten, Dido begeht Selbstmord. Aeneas reist ab."
    Das ist köstlich. Manchmal baust Du Sprachpralinen, die einen, inmitten von was anderem, so zum kichern bringen... danke. :)

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  2. Ja!
    Erinnert mich wieder mal an die hier mehrfach bedachte Dramaturgin Ilse Galfert, die die lakonischsten Inhaltsangaben für jedwede noch so verwickelten Stücke auf Presseterminen den Journalisten hinwarf. Zum Wegschmeißen.

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