Montag, 22. August 2011

Der Barberinische Faun oder Der Trunkene Satyr

Der Barberinische Faun oder Der Betrunkene Satyr, was hier die griechische Entsprechung wäre, wurde 1627 in Rom bei der Engelsburg, dem vormaligen Mausoleum des Hadrian, gefunden. Er ist aus Marmor und 180 oder 215 cm, je nachdem ob man vor oder nach der Restauration misst. Dem Fund fehlte das rechte Bein, Teile beider Hände und des Kopfes. Es handelt sich möglicherweise nicht um eine der häufigen römischen Kopien griechischer Werke, sondern um ein hellenistisches Original aus der Zeit um 220 vor Christi Geburt, vielleicht von einem Künstler aus Pergamon. Manchmal wird diese Phase der griechischen Kunst hellnistisches Rokoko genannt, ich verstehe warum.

Das Pantherfell auf dem er liegt, das Weinlaub in seinem Haar, der kurze tierische Schwanz (hinten) und die Panflöte hinter dem Felsen weisen ihn als einen aus der Gefolgschaft des Dionysos aus.

Maffeo Barberini, seit 1623 Papst Urban VIII. und zu diesem Zeitpunkt noch ein guter Freund von Galileo Galilei, beauftragte Bernini und Pacetti mit der Restaurierung, wobei die fehlenden Teile ergänzt wurden. (Vielleicht hat auch ein Schüler Berninis die Figur bearbeitet.) Die Ergänzungen wurden allerdings, bis auf das Bein, später wieder entfernt. Anschließend war die Skulptur Teil der Sammlung der Barberini in deren Palast und wurde nach dem Haus Barberini benannt. 1810 kaufte Ludwig I., König von Bayern, die Skulptur und ließ sie seit 1830 in der Münchner Glyptothek ausstellen. 

Er schläft, wobei der angewinkelte rechte Arm im Nacken und die gefurchte Stirn vielleicht eher auf ein Wachwerden deuten. Zu viel getrunken? Schlimme Träume?
Fast im Kontrast zum Gesicht, das angespannt und unfroh wirkt, entsteht die fast aggressive Wirkung auf mich als Betrachter aus der Schamlosigkeit der Haltung des Körpers, im Sinne von ohne Scham sein, ganz bei sich, keinen Angriff oder lüsternen Blick fürchtend, aber auch nicht einladend.
 
Carravaggio 1699 Porträt Urban VIII.



Urban VIII. ernannte praktisch seine halbe Familie und ein Anzahl naher Freunde zu Kardinälen.
Er baute, bzw. ließ bauen.  Halb Rom wurde umgebaut. "„Quod non fecerunt Barbari, fecerunt Barberini“ - "Was die Barbaren nicht geschafft haben, schaffen die Barberini" war ein sicher nicht laut geäußerter Witz. Z.B. gab er das Forum Romanum als Steinbruch frei und für das Dach von Berninis "Petrus Grab" im Petersdom , ließ er die restlichen Bronzeverkleidungen des Pantheon einschmelzen. Andere Zeiten, andere Sitten.
Urbans Neffe, Kardinal Francesco Barberini, war einer von drei Kardinälen des zehnköpfigen Gerichtskollegiums, der die Verurteilung Galileos zu lebenslanger Haft, nicht unterschrieb.






Jens Peter Jakobsen aus "Ein Kaktus erblüht"

Irrtest du in dunklen Wäldern?
Kennst du Pan?
Ich fühlte ihn,
Nicht in den dunklen Wäldern,
Wo alles Schweigende sprach,
Nein! Den Pan hab ich nie gekannt.
Doch der Liebe Pan hab ich gefühlt,
Da schwieg alles Redende.

In sonnenwarmen Strichen
Wächst ein seltsames Kraut;
Nur in tiefstem Schweigen,
Unter tausend heißer Strahlen Brand,
öffnet es die Blüte
In flüchtiger Sekunde.
Die sieht aus wie eines Irren Auge,
Wie einer Leiche rote Wangen:
Sie hab ich gesehen
In meiner Liebe.

Mein Lieb war wie des Jasmines süß duftender Schnee,
Mohnblut rann in ihren Adern,
Die kalten, marmorweißen Hände
Ruhten in ihrem Schoß
Wie Wasserlilien in dem tiefen See.
Ihr Wort fiel weich
Wie der Apfelblüte Blätter
Auf das taufeuchte Gras;
Doch gab es Stunden,
Wo es kalt und klar sich wand
Wie des Wassers steigender Strahl.
Seufzen klang in ihrem Lachen,
Jubel in ihrem Weinen;
Vor ihr mußte alles sich beugen –
Nur zwei wagten ihr zu trotzen:
Ihre eigenen Augen.

Aus der giftigen Lilie
Blendendem Kelch
Trank sie mir zu,
Ihm, der tot ist,
Und ihm, der jetzt zu ihren Füßen kniet.
Mit uns allen trank sie
– Und dann war der Blick ihr gehorsam –
Den Gelöbnisbecher nie wankender Treue
Aus der giftigen Lilie
Blendendem Kelch.

Alles ist vorbei!
Auf der schneegedeckten Fläche
In dem braunen Walde
Wächst ein einsamer Dornbusch,
Den Winden gehört sein Laub.
Eine nach der andern,
Eine nach der andern,
Tropft er die blutroten Beeren
In den weißen Schnee,
Die glühenden Beeren
In den kalten Schnee –

Kennst du Pan?
 
Übersetzt von Erich von Mendesohn 
(Rilke hat wegen eines Gedichtes von Jakobsen Dänisch gelernt.)

Der Franzose Edme Bouchardon schuf 1726 auf der Vorlage des Fauns eine Statue, die sich seit 1892 im Louvre befindet; etwas weicher, nicht so viel Muskulatur, weniger unverschämt.


 Und hier noch eine Photogravur von Leni Riefenstahl "Der Barberinische Faun" aus dem Jahr 1937.

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Leni Riefenstahl Produktion


3 Kommentare:

  1. Unglaublich. Dass soviel Leben, Bewegung, Puls, Atmen, heimliche Gedanken, irritierende Träume aus dem Stein gearbeitet werden können!
    Aber: sicher war auch diese Plastik ursprünglich bemalt. Ich bin im Zweifel, ob wir sie so bewundern könnten, wenn die Distanz durch den rohen Stein entfiele.

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  2. Das Gedicht von Jakobsen, den ich nicht kannte: von den traurigen eins der schönsten und von den schönen eins der traurigsten.

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  3. Der von E. Bouchardon müsste gesprengt oder ganz tief
    in den Katakomben des Louvre versteckt werden. Einen
    solchen Schlabberschwanz (vorne) hat der prächtigste
    Nackte der Antike nicht verdient. Damit kann der Amateur
    aller Animateure nicht animieren. Schade eigentlich.

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