Sonntag, 4. März 2012

Zbigniew Herbert - 2 Gedichte


Kiesel

Der kiesel ist als geschöpf
vollkommen

sich selber gleich
auf seine grenzen bedacht

genau erfüllt
vom steinernen sinn

mit einem geruch der an nichts erinnert
nichts verscheucht keinen wunsch erweckt

sein eifer und seine kühle
sind richtig und voller würde

ich spüre einen schweren vorwurf
halt ich ihn in der hand
weil dann seinen noblen leib
falsche wärme durchdringt

– kiesel lassen sich nicht zähmen
sie betrachten uns bis zum schluß
mit ruhigem sehr klarem auge



Bericht aus dem Paradies
 
Im paradies dauert die arbeitswoche dreißig stunden
die löhne sind höher die preise fallen ständig
die physische arbeit quält nicht (infolge kleinerer zugkraft)
das holzhacken macht so viel aus wie das maschinenschreiben
die staatsform ist haltbar und die regierung vernünftig
wahrhaftig im paradies ist es besser als irgendwo sonst

am anfang sollte es anders sein –
strahlende kreise chöre und stufen der abstraktion
aber den körper genau von der seele zu trennen
mißlang und sie kam hier an
mit einem tropfen fett mit einem faden muskel
man mußte beschlüsse fassen
das körnchen des absoluten mit dem körnchen lehm vermischen
noch eine abweichung mehr vom dogma die letzte
Johannes nur hat es vorausgesagt: ihr werdet wiederauferstehen im fleisch

Gott bekommen nur wenige zu gesicht
er existiert nur für die aus reinem pneuma
der rest hört nachrichten von den wundern und sintfluten
mit der zeit werden alle den Gott zu sehen bekommen
wann dieses wahr wird weiß niemand

vorerst am samstag zwölf uhr mittag
heult die sirene süß
und blaue proletarier kommen aus den fabriken
sie tragen unter dem arm ihre flügel linkisch wie geigen

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