Freitag, 14. Februar 2020

Im Rausch

Der Nibelungen Wut - Furor Teutonicus

Etwas Neues. Bisher eine Menge Strichfassungen, einige Adaptionen, ein Stück nach Bibeltexten und nun unser erstes ganz und gar eigenes. 
Was für ein Abenteuer.
Ohne Grit wäre das alles gar nicht möglich.
Und - die Edda, das Nibelungenlied, ein Meter Sekundärliteratur, alle Filme, die ich je gesehen, Bücher, die ich gelesen, Musik, die ich gehört habe, der gesamte Wildwuchs im Hirn, Gespräche, Nachrichten, Zufälligkeiten - alles fließt ein, fliegt raus, wird integriert.
Ich danke meinem Vater, der mir während gemeinsamer Frühstücke und Abendessen mit Duden und Meyers Lexikon, die Liebe zur deutschen Sprache eingefüttert hat. Meiner Mutter weil sie mich alles durcheinander lesen ließ, und meine faule Neigung zum Kitsch gebändigt hat. Meinen Freunden, weil sie mich herausgeforden, weiter zu denken, als ich es allein könnte oder vielleicht wollte. 

Was für ein wahnwitziges Abenteuer.
Langsam beginnen die Figuren ihre persönliche Sprache zu sprechen, widersprüchliche Meinungen zu haben, ihre eigenen Witze zu machen.

Die Nibelungen - Kriemhild, Brunhild und Hagen sitzen, verbannt in die untere Hölle, bei Hel, der Jenseitsgöttin und giften sich seit hunderten von Jahren an. Treue, Verrat, Rache, Mord, Hort, Blut, Gut, Gold - ein endloser mißtönender Gesang - eine deutsche Horrorstory - ein Mord hinterrücks wird zur Dolchstoßlegende und ein blutiges Massenschlachten zum Symbol der Nibelungentreue. Im Zentrum, wenn auch nicht anwesend, der Held - SIEGFRIED. 
Das soll ein Held sein?
Aber auch das Jenseits braucht Digitalisierung der Archivbestände, eine junge Frau wird angeheuert. Sie sieht Möglichkeiten der Vermarktung und mit dem Hort als Anschubfinanzierung wäre Einiges möglich. Wird Hagen ihr die Lage des Verstecks verraten?


Politische Bewegungen verschiedenster Art haben sich diese Geschichte unter den Nagel gerissen, für ihre Zwecke gebraucht, mißbraucht. Die Blut & Boden Rethorik der Neuen Rechten und die unserer "gemäßigten" Faschisten mit ihrer Beschwörung der tausendjährigen europäischen Kulturgeschichte bedienen sich hier, wie bei der heißen Schlacht am kalten Buffet.
Mein momentaner Browserverlauf ist ein Mix aus deutscher Geschichte, Mittelalter, Mythologie und jeder Menge rechter Propagandaseiten. 

Sonntag, 2. Februar 2020

Die Wütenden – Les Misérables

Die Wütenden – Les Misérables

Ins Kino gehen, Karte kaufen, zuschauen. 

Ladj Ly ist ein junger französischer Filmregisseur, der in Montfermeil, einem Vorort von Paris, aufgewachsen ist. Sein erster Spielfilm ist für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert und das, denke ich, zu Recht.

Montfermeil ist einer der Vororte, die unter der Bezeichnung Banlieues in unsern Wortschatz geraten sind. 

Wiki sagt: Der französische Ausdruck Banlieue, von lateinisch bannum leucae, wörtlich: „Bannmeile“ bezeichnet die verstädterten Bereiche außerhalb eines Stadtzentrums bzw. die Randzone einer Großstadt, die sich im 19. Jahrhundert im Zuge von Industrialisierung wie Urbanisierung herausbildeten.

https://www.bpb.de/internationales/europa/frankreich/152511/problemgebiet-banlieue 

Ly erzählt über Dinge, die er kennt, er erzählt sie mit Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Wut und unter Mitwirkung von Schauspielern und vieler Einwohner von Montfermeil.

2018, ganz Frankreih bejubelt den Sieg der französischen Mannschaft in der Fußball-Weltmeisterschaft. Ganz Frankreich, ganz Paris, die jugendlichen Bewohner der Vorstädte sind ins Zentrum gefahren, um mitzujubeln. Sie sind Franzosen, hier geboren und aufgewachsen. 

Dann gehen sie zurück nach Montfermeil, ins Abseits.

Ein Löwenbaby wird aus einem Zigeuner-Zirkus gestohlen. Eine Harmlosigkeit hat schreckliche Folgen, scheint gelöst und eskaliert ins Entsetzliche. Auch gute Absichten erweisen sich als hilflos, verständliche Verhärtungen verhindern Verständigung. Der Umgangston ist roh. Niemand ist wirklich böse, Unschuld ist ein Risikofaktor.

Der Film findet das perfekte Ende. Er entläßt mich in verzweifelte Hoffnung oder ins resignierende Aufgeben, je nach Gemütslage. Ich habe geweint und hoffe.

Ich lebe ein sehr privilegiertes Leben. Die meisten von uns tun es. Das sollten wir bedenken. Nicht wegen des trendigen "white privilege" Labels, sondern, weil wir oft wirklich keine Ahnung haben, wie andere Menschen leben und um wieviel härter ihre Ausgangsposition, um wieviel geringer ihre Chancen und um wieviel größer die Hürden sind, die sie zu überwinden haben.

Merkt Euch, Freunde! Es gibt weder Unkraut noch schlechte Menschen. Es gibt bloß schlechte Gärtner. Victor Hugo in Les Misérables

Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. 


Ladj Ly