Mittwoch, 31. Dezember 2014

2014 - hätte besser sein können, aber auch viel schlimmer


       2014 - so und so und so

       Shakespeares Königsdramen, König Lear, Hamlet, Antigone - 

       ich habe viel gemordet in diesem Jahr. Tief innen bin ich
       leichtfertig und heiter, aber auf der Bühne geht die Blutrünstigkeit mit 
       mir durch. Eigenartig. The killer in me, is the killer in you? 

© Theater Heilbronn
Ein durchwachsenes Jahr. Zu viel Krankheiten bei Menschen, die ich liebe,  zu viel Hochmut bei jungen Spielern, 
und ich meine Hochmut, nicht Streitlust  
& gewaltig zu viel Hass in aller Welt. 
Welch irrwitzige Gründe Menschen 
finden, einander zu hassen, zu  
demütigen, zu verfolgen, zu töten. 
ISIS, ein Name, oder ISIL oder Da'ish 
oder noch ganz anders.
Viele, zum Teil ganz junge Leute, die 
einem blutigen Traum folgen. Ist es der Traum einer vergangenen Zeit, einer Zeit, in der die Verhältnisse einfacher schienen? Mann oben, Frau unten? Dies ist
       recht, dies ist falsch? Demütigung wird in rachsüchtige Selbstgerechtigkeit  
       umgeformt, ein imaginiertes, retouschiertes Mittelalter als Vision von Ordnung 
       heraufbeschworen. Und alles, was in uns dunkel und grausam ist, zur notwendigen
       Überlebensstrategie erklärt. Das macht mir Angst.
       Wenn ihnen kein Weg möglich erscheint, als der hasserfüllter mordender Verachtung,
       was muß ihnen angetan worden sein, was ihnen verweigert worden sein?
       Und die fühllose Verachtung vieler deutscher PEGIDA-Demonstranten für Fliehende, 
       die nicht wirklich aus eigener tiefer Not geboren ist, sondern in Vorsorge für 
       die eigene vermeintlich gefährdete Zukunft, aggressiv und laut behauptet wird.
       Die macht mich auch traurig.  
       Warum wird, von meinen Mitbürgern so nachlässig, so harsch und banal über
       die Furcht, Sehnsucht, Hoffnung anderer, unbekannter, fremder Menschen geurteilt?

Foto: Pres­se­ser­vice Rathenow
       Wir sind das Volk.
       Wir sind ein Volk.
       Was ist ein Volk?
       Was ist Volk?
       Was für ein Volk sind  
       wir?

       Transparent einer
       Demonstration
       für eine 
       angemessene 
       Asylpolitik
       in Oranienburg/Havel   
       im Dezember 2014 
       Ich habe wundervolle 
       Menschen getroffen und 
       liebgewonnen, andere sind
       schon lang das liebevoll-strenge
       Rückgrat, das mich aufrecht hält. Ein Hoch auf die Freundschaft! Die große, tiefe, 
       verläßliche, aber auch auf die kleinere, partielle.

       Es ist ein weit verbreiteter Unfug, dass die Liebe über die Freundschaft gestellt wird 
       und außerdem als etwas völlig anderes betrachtet. Die Liebe ist aber nur soviel wert, 
       als sie Freundschaft enthält, aus der allein sie sich immer wieder herstellen kann. 
       Mit der Liebe der üblichen Art wird man nur abgespeist, wenn es zur Freundschaft 
       nicht reicht.Bertolt Brecht
       
       Ich bin Freundlichkeit begegnet, wo ich sie nicht erwartet habe,
       und habe Feigheit, Verrat, Kleingeist erlebt. Das Übliche also?

       Ich glaube nicht, dass die Welt heute schlechter ist als früher, sie bleibt sich gleich.
       Nur haben wir halt nur dieses eine Leben und nehmen es wichtiger, als das derer,
       die vor uns waren. Der mittlere Wert der Gemeinheit bleibt konstant, denke ich.
       Das ist nicht optimistsch, nur realistisch. Die Mittel mögen sich entwickeln, die
       Absichten tun es nicht.

       Als Kind habe ich Achterbahnfahrten geliebt. Dieses Jahr hätten es ein paar Fahrten 
       weniger sein können. Man ist ja nicht mehr die Jüngste. 
       Mannomann. Durchatmen. Nachdenken. Ausatmen.
       Laßt uns 2015 ausprobieren!     
       Ich wünsche ... ich wünsche... ich wünsche...
     


Diese Achterbahn, mit dem schönen Namen "Die Lächelnde" mußte für einige Monate geschlossen werden, weil sie dazu neigte Plastikteile während der Fahrt, zu verlieren. 
Staffordshire Theme Park
  

Sonntag, 28. Dezember 2014

Ein Baby wird gefüttert - 28. Dezember 1895


Kino, Film, Dokumentation, gewohnter Teil meiner, unserer heutigen Welt. Bewegte, bewegliche, im besten Fall bewegende Bilder, die ich, sooft ich mag, ansehen kann. Etwas, das einmal war, lebte, handelte, wird belegbar, beweisbar, wiederholbar und zwar nicht "nur" in der erstarrten Version der Photographie, sondern als Ablauf, Dynamik, in seiner Lebendigkeit. Der Beweis, dass die Welt ohne mich, vor mir und also auch nach mir existiert, ist erbracht.

Am 28. Dezember 1895 wurden im Pariser Salon Indien du Grand Café zehn Kurzfilme der Brüder Lumière vor geladenem Publikum gezeigt. Das Kino wurde geboren.
Einer davon ist Le repas de bébé verdeutscht Babys Frühstück. Dieses Baby, zum Zeitpunkt der Aufnahme vielleicht ein halbes Jahr alt, wäre, wenn es noch lebte, heute 116 Jahre alt. Man bemerke: die Mama trinkt Kaffee, der Papa füttert sehr gekonnt.

https://www.youtube.com/watch?v=Wqy-EU2D8M0 

Noch mehr dieser ersten öffentlich gezeigten Filme!
https://www.youtube.com/watch?v=4nj0vEO4Q6s 



Auguste Marie Louis Nicolas Lumière geboren am 19. Oktober 1862 in Besançon, am 10. April 1954 in Lyon gestorben und Louis Jean Lumière, der am 5. Oktober 1864 in Besançon geboren wurde und am 6. Juni 1948 in Bandol, Var verstarb.

Freitag, 26. Dezember 2014

Über die Merkwürdigkeit sehr begabte Vorfahren zu haben - Biberpelz & Rother Hahn




ÜBER DIE MERKWÜRDIGKEIT SEHR BEGABTE VORFAHREN ZU HABEN


oder

DER BIBERPELZ - Eine Diebeskomödie von 1893 
&  
DER ROTE HAHN - Eine Tragikomödie von 1901 
geschrieben von Gerhart Hauptmann,
in einer Bearbeitung von Jan Liedtke und Philippe Besson,
mit Katharina Thalbach, Pierre Besson, Anna Thalbach, Nellie Thalbach & Julian Mehne, Roland Kuchenbuch, Jörg Seyer, Ronny Miersch.

Die Familie ist es, die unsren Zeiten nottut. Adalbert Stifter
 
Vor vielleicht neun Jahren besuchte der bereits weit überachtzigjährige Benno Besson eine Vorstellung seiner Tochter Katharina am Volkstheater Rostock: so viel Charme, Grazie und erfreuliches Flirten ist mir noch selten begegnet und noch nie bei einem Mann in diesem Alter. Hinreißend. Immer wieder begegne ich auf Premieren, die der eine oder die andere dieses zahlreichen Clans hat, anderen Familienmitgliedern, die kommen, um zu unterstützen, nicht als Claque, sondern als persönlichste Fangruppe. In einem doch recht einsamen Job, wie freischaffende Theaterleute ihn ausüben, ist das eine nicht zu unterschätzende Rückendeckung oder Herzwärmung.

Die Komödie am Kudamm heute Abend, fünf Mitglieder einer Familie unter der Regie eines Sechsten spielen zusammen mit noch ein paar nichtverwandten Spielern Gerhart Hauptmann.
In einem meiner ersten Szenenstudien hat mich Pauline Piperkarcka aus den Ratten mit ihrem greinenden Schlesisch Schweiß, Tränen und Zungenkrämpfe gekostet und mir eine lebenslange Abneigung gegen schlecht imitierte Dialekte auf deutschen Bühnen eingepflanzt. 
Westphalinnen, die mit dem "et jrünt so jrün" verzweifelte Sprachringkämpfe aufführen, Strieses, die den feinen Unterschied zwischen Leipzig und Dresden, proletarisch und residenzstädtisch, nicht hören und also auch nicht sprechen können. So irre lustik gedachtes Bayrisch, wenn es volkstümelnd klingen soll. Ärghhhh! 
Heue Abend wurde berlinert und meist großartig, ich mußte mich inner Pause janz schön zusammnreissen, det ick nich tief in kindheitliche Töne verfalle. Knorke.

Nebenbei: vor Jahren, bei einer anderen Inszenierung des "Roten Hahnes" mit einer berühmten Kollegin, deren Namen ich hier aus Pietätsgründen weglasse und deren Stimme eine gewisse Ohrenfreundlichkeit vermissen ließ, brach das Publikum nach dem Tod der Mutter Wolffen und dem dies kommentierenden Satz: "Nun spricht se nich mehr!" in Jubel und rasenden Applaus aus. Die Kollegin ließ sich noch in derselben Nacht umbesetzen.

Ist schon was Tolles, so eine Theaterdynastie, wenn einige davon so sehr gut sind. In England gibt es eine Menge solcher Theaterfamilien, in anderen Ländern auch, hier in Deutschland wird das eher schnell & mißtrauisch als plumpe Bevorteilung abgeurteilt, dabei werden doch viele Kinder von Klempnern, Wirten, Ärzten oder Pferdetrainern auch Klempner, Wirt, Arzt oder Pferdetrainer? Na, was solls, es hat Vor- und Nachteile wenn man in die Fußstapfen der Meschpoke tritt. Man kennt dich eher, und man verurteilt dich eher. Mal so, mal so. Und nach ein paar Jahren ist es eh egal. Jedenfalls meistens. Nur manchmal, in Interviews oder auch ganz plötzlich in einem Gespräch, schiebt sich ein Bild vor dich, eine Art mystische Vision von Verwandtschaft, und dann verschwindet für kurze Zeit deine dreissigjährige Berufserfahrung und du spürst, da sieht jemand nicht dich, bzw. nicht die aktuelle Arbeit, sondern sowas wie genealogische Schuld oder auch Verdienst aus Familienzugehörigkeitsgründen. Dann inszeniere du plötzlich episches Theater, weil ein Verwandter den Begriff geprägt hat oder aber deine Arbeit läßt Einfühlung vermissen, weil derselbe Verwandte angeblich ein Feind derselben war. Ich habe diesen Verwandten, meinen Großvater übrigens nie getroffen, da er die Ungeschicklichkeit hatte, zwei Jahre vor meiner Geburt zu sterben. Eigenartig.

Familien-Glosse: Eine Bearbeitung des von Bertolt Brecht geleiteten Berliner Ensembles, die die beiden Hauptmann-Dramen Der Biberpelz und Der rote Hahn zu einem Sechsakter "Biberpelz und Roter Hahn" zusammenzog, hatte am 24. März 1951 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin Premiere. Am 15. April 1951 untersagte Hauptmanns Witwe Margarete weitere Aufführungen dieser Fassung. Teile wurden 1952 veröffentlicht; ein vollständiger Druck erfolgte 1992 in der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe der Werke Brechts schreibt Wiki.
Familienglosse 2: 1951 spielte Katharina Mutter Sabine Thalbach Adelheid, die jüngere Tochter der Wolffen. Jetzt spielt sie Nellie Thalbach, ihre Urenkelin. Und Emanuel Hauptmann, der die Musik für die heutige Inszenierung komponierte, ist der Urenkel Gerhart Hauptmanns. 

---------------------------------------------------------------
 
MITTELDORF. Juten Morjen!
 

FRAU WOLFF. Wo bleibt'n der Vorsteher aso lange? 

MITTELDORF. Schreibt janze Boochen voll, Mutter Wolffen. 's sin wichtche Sachen, det kann ich Ihn sachen. Vertraulich. Und wissen Se: 't liejt wat in de Luft. Wat, weeß ich noch nich. Aber det wat liejt, det weeß ick so sicher... Wenn Se bloß man acht jeben, denn werns Se's erleben. Et kracht, und wenn et kracht, Mutter Wolffen, denn hat et jekracht. Nee, wie jesacht, ick versteh ja nischt von. Det is allens de Neuheit. De Neuheit is allens. Und von de Neuheit versteh ick nischt. Et muß wat jeschehn. Det jeht nich so weiter. Der janze Ort mufl jesäubert wern. Ick finde mich ja nu nich mehr so rin. Wat der Vorsteher war, der jestorben is, det war jejen den blofl 'n Eckensteher. Ick könnte Ihn'n all noch ville erzähl'n. Ick hab man nich Zeit. Der Baron vermißt mir. Geht, in der Tür wendet er sich noch einmal und sagt: Et kracht, Mutter Wolffen, det können Se mir jlooben. Ab.

FRAU WOLFF. Na, wenn's ock bei dem nich etwa geschnappt hat. Pause.


Donnerstag, 25. Dezember 2014

Die Heilige Familie



Am kommenden Sonntag begehne Katholiken den Tag der
Verehrung der Heiligen Familie.

DIE HEILIGE FAMILIE

Markus 6
 
 Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria 
und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? 
Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?
 
 Ein Tischler, der sich schon vor der Ehe betrogen fühlt und gerade noch
so davon abgehalten werden kann, seine Verlobte heimlich zu verlassen. 
Eine junge Frau, die durch die Ausschüttung von Geist schwanger wird
und erst nach der Geburt erfährt, dass sie Gottes Sohn ausgetragen haben soll.
Ein Sohn, der später, seine Mutter öffentlich demütigen wird.
Manche sagen, Maria & Joseph hatten noch andere Kinder, ergo Jesus 
hatte Geschwister, gänzlich ungöttliche. Maria wäre demnach nicht als
Jungfrau gestorben.Andere, fundamentalistischer gesinnte, behaupten, 
die Mutter der Maria, Anna, hätte in drei Ehen, je eine Tochter 
geboren und sie der Einfachheit halber alle Maria genannt, deshalb
die verwirrenden Sätze in der Heiligen Schrift und somit wären
es nicht seine Geschwister, sonder seine Nichten und Neffen gewesen. 
Haben die ihn Onkel Jesus genannt? 
Es ist merkwürdig, zumindest für mich, ein Kind wird geboren, lebt und
stirbt letztendlich auf grausame Art und dies, wie behauptet wird, für uns alle.
Aber, viele derer, die ihn verehren, können das nicht ertragen, was
ihn "menschlich" macht, dass seine Mutter geblutet hat, dass er
eins von mehreren Kindern war, dass er geliebt hat, nicht nur die 
Menschen, sondern einen Menschen. So machen sie ihn zu einem
unmenschlichen Menschen, oder?
  
Egon Schiele Die Heilige Familie 1913
Das Kreuz ist schon zu ahnen.

Markus 3

Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben vor dem Haus stehen 
und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man 
sagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir.
Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?
Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: 
Das hier sind meine Mutter und meine Brüder.
Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

 Martin Schongauer Die Heilige Familie 1475-80
Der Vater, der Esel und der Ochse sind draussen.
Martin Schongauer: Die Heilige Familie, 1475 - 80, Kunsthistorisches Museum in Wien

Pietà

So seh ich, Jesus, deine Füße wieder,
die damals eines Jünglings Füße waren,
da ich sie bang entkleidete und wusch;
wie standen sie verwirrt in meinen Haaren
und wie ein weißes Wild im Dornenbusch.

So seh ich deine niegeliebten Glieder
zum erstenmal in dieser Liebesnacht.
Wir legten uns noch nie zusammen nieder,
und nun wird nur bewundert und gewacht.

Doch, siehe, deine Hände sind zerrissen:
Geliebter, nicht von mir, von meinen Bissen.
Dein Herz steht offen und man kann hinein:
das hätte dürfen nur mein Eingang sein.

Nun bist du müde, und dein müder Mund
hat keine Lust zu meinem wehen Munde - .
O Jesus, Jesus, wann war unsre Stunde?
Wie gehn wir beide wunderlich zugrund.

 

Rainer Maria Rilke
Aus: Neue Gedichte (Paris, Mai/ Juni 1906)


In der katholischen Kirche durfte die Verehrung der Heiligen Familie ab 1893 auf Antrag als Fest am 3. Sonntag nach Epiphanias gefeiert werden; Papst Benedikt XV. führte 1920 das Fest für die ganze katholische Kirche am 1. Sonntag nach Epiphanias ein. Seit 1969 wird es am Sonntag nach Weihnachten gefeiert; falls kein Sonntag in die Weihnachtsoktav fällt, wird es am 30. Dezember begangen.

In der katholischen Kirche durfte die Verehrung der Heiligen Familie ab 1893 auf Antrag als Fest am 3. Sonntag nach Epiphanias gefeiert werden; Papst Benedikt XV. führte 1920 das Fest für die ganze katholische Kirche am 1. Sonntag nach Epiphanias ein. Seit 1969 wird es am Sonntag nach Weihnachten gefeiert; falls kein Sonntag in die Weihnachtsoktav fällt, wird es am 30. Dezember begangen.

Montag, 22. Dezember 2014

Kein Platz in der Herberge - Die Weihnachtsgeschichte



Als kleiner Beitrag zur augenblicklichen Asyldebatte, hier, in Auswahl, eine der grundsätzlichsten Geschichten des christlich geprägten Teils dieser Welt in der Fassung der Lutherbibel in der Fassung von 1912:

Jesaja - Kapitel 9,6
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; er heißt Wunderbar, Rat, Held, Ewig-Vater, Friedefürst


Micha - Kapitel 5,1 
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.


Lukas - Kapitel 2
Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger von Syrien war. Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.
Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum daß er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf daß er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die ward schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und siehe, des HERRN Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des HERRN leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Andre Übersetzung nach besser bezeugter Lesart: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens." Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der HERR kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. 

 
Matthäus - Kapitel 2 

Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. 
Da das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm das ganze Jerusalem. Und ließ versammeln alle Hohenpriester und Schriftgelehrten unter dem Volk und erforschte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem im jüdischen Lande; denn also steht geschrieben durch den Propheten: "Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Juda's; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein HERR sei." 
Da berief Herodes die Weisen heimlich und erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und wies sie gen Bethlehem und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein; wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, daß ich auch komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis daß er kam und stand oben über, da das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im Traum, daß sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken; und sie zogen durch einen anderen Weg wieder in ihr Land.



Die Anbetung der Drei Heiligen Könige
Andrea Mantegna 1431-1506
Die Äthiopier schwören darauf, dass einer der drei heiligen Könige aus ihrem Land kam. Gemäß der Legende, die sich um die heiligen drei Könige gebildet hat, kann es sich nur um Caspar handeln, der auf Bildern als Afrikaner dargestellt ist, er überbringt Myrrhe. Der zweite ist Melchior, der europäische Gesichtszüge trägt, er schenkt Gold. Balthasar ist asiatischer Herkunft und bringt Weihrauch.

Die heiligen drei Könige

Bettelsingen



Wir sind die drei Weisen aus dem Morgenland,
die Sonne, die hat uns so schwarz gebrannt.
Unsere Haut ist schwarz, unsere Seel ist klar,
doch unser Hemd ist besch . . . ganz und gar.
Kyrieeleis.

Der erste, der trägt eine lederne Hos',
der zweite ist gar am A... bloß,
der dritte hat einen spitzigen Hut,
auf dem ein Stern sich drehen tut.
Kyrieeleis.

Der erste, der hat den Kopf voll Grind,
der zweite ist ein unehlich' Kind.
Der dritte nicht Vater, nicht Mutter preist,
ihn zeugte höchstselbst der heilige Geist.
Kyrieeleis.

Der erste hat einen Pfennig gespart,
der zweite hat Läuse in seinem Bart,
der dritte hat noch weniger als nichts,
er steht im Strahl des göttlichen Lichts.
Kyrieeleis.

Wir sind die heiligen drei Könige,
wir haben Wünsche nicht wenige.
Den ersten hungert, den zweiten dürst',
der dritte wünscht sich gebratene Würst.
Kyrieeleis.

Ach, schenkt den armen drei Königen was.
Ein Schöpflöffel aus dem Heringsfaß -
verschimmelt Brot, verfaulter Fisch,
da setzen sie sich noch fröhlich zu Tisch.
Kyrieeleis.

Wir singen einen süßen Gesang
den Weibern auf der Ofenbank.
Wir lassen an einem jeglichen Ort
einen kleinen heiligen König zum Andenken dort.
Kyrieeleis.

Wir geben euch unseren Segen drein,
gemischt aus Kuhdreck und Rosmarein.
Wir danken für Schnaps, wir danken für Bier.
Anders Jahr um die Zeit sind wir wieder hier.
Kyrieeleis.
Klabund
Eine Anbetung von Hieronimus Bosch 

------------------------------------------------------------------------------

Und als Nachspeise speziell für Frau Ö:

Epiphanias


Die heilgen drei König' mit ihrem Stern,
Sie essen, sie trinken, und bezahlen nicht gern:
Sie essen gern, sie trinken gern,
Sie essen, trinken, und bezahlen nicht gern.

Die heilgen drei König' sind kommen allhier,
Es sind ihrer drei und sind nicht ihrer vier;
Und wenn zu dreien der vierte wär',
So wär' ein heilger drei König mehr.

Ich erster bin der weiß' und auch der schön',
Bei Tage solltet ihr erst mich sehn!
Doch ach! mit allen Specerein
Werd' ich sein Tag kein Mädchen mehr erfreun.

Ich aber bin der braun' und bin der lang',
Bekannt bei Weibern wohl und bei Gesang.
Ich bringe Gold statt Specerein,
Da werd' ich überall willkommen seyn.

Ich endlich bin der schwarz' und bin der klein',
Und mag auch wohl einmal recht lustig seyn.
Ich esse gern, ich trinke gern,
Ich esse, trinke und bedanke mich gern.

Die heilgen drei König' sind wohl gesinnt,
Sie suchen die Mutter und das Kind;
Der Joseph fromm sitzt auch dabei,
Der Ochs und Esel liegen auf der Streu.

Wir bringen Myrrhen, wir bringen Gold,
Dem Weihrauch sind die Damen hold;
Und haben wir Wein von gutem Gewächs,
So trinken wir drei so gut als ihrer sechs.

Da wir nun hier schöne Herrn und Fraun,
Aber keine Ochsen und Esel schaun;
So sind wir nicht am rechten Ort,
Und ziehen unseres Weges weiter fort.

Johann Wolfgang von Goethe


Sie sind ein Plattkopf! und so Gedichte, die nicht zum Fest passen.



Aus dem
Lesebuch für Städtebewohner

1
Verwisch die Spuren

Trenne dich von deinen Kameraden auf dem Bahnhof
Gehe am Morgen in die Stadt mit zugeknöpfter Jacke
Suche dir Quartier und wenn dein Kamerad anklopft:
Öffne, o öffne die Tür nicht
Sondern
Verwisch die Spuren!

Wenn du deinen Eltern begegnest in der Stadt Hamburg oder sonstwo
Gehe an ihnen fremd vorbei, biege um die Ecke, erkenne sie nicht
Zieh den Hut ins Gesicht, den sie dir schenkten
Zeige, o zeige dein Gesicht nicht
Sondern
Verwisch die Spuren!

Iß das Fleische, das da ist! Spare nicht!
Gehe in jedes Haus, wenn es regnet, und setze dich auf jeden Stuhl, der da
ist
Aber bleibe nicht sitzen! Und vergiß deinen Hut nicht!
Ich sage dir:
Verwisch die Spuren!

Was immer du sagst, sag es nicht zweimal
Findest du deinen Gedanken bei einem andern: verleugne ihn.
Wer seine Unterschrift nicht gegeben hat, wer kein Bild hinterließ
Wer nicht dabei war, wer nichts gesagt hat
Wie soll der zu fassen sein!
Verwisch die Spuren!

Sorge, wenn du zu sterben gedenkst
Daß kein Grabmal steht und verrät, wo du liegst
Mit einer deutlichen Schrift, die dich anzeigt
Und dem Jahr deines Todes, das dich überführt!
Noch einmal:
Verwisch die Spuren!

(Das wurde mir gesagt.)

2
Vom Fünften Rad

Wir sind bei Dir in der Stunde, wo du erkennst
Dass du das fünfte Rad bist
Und deine Hoffnung von dir geht.
Wir aber
Erkennen es noch nicht.

Wir merken
Dass du die Gespräche rascher treibst
Du suchst ein Wort, mit dem
Du fortgehen kannst
Denn es liegt dir daran
Kein Aufsehen zu machen.

Du erhebst dich mitten im Satz
Du sagst böse: du willst gehen
Wir sagen: Bleibe! Und erkennen
Dass du das fünfte Rad bist.
Du aber setztest dich.

Also bleibst du sitzen bei uns in der Stunde
Wo wir erkennen, dass du das fünfte Rad bist.
Du aber
erkennst es nicht mehr.

Laß es dir sagen: du bist
Das fünfte Rad
Denke nicht, ich, der ich's dir sage
Bin ein Schurke
Greife nicht nach einem Beil, sondern greife
Nach einem Glas Wasser.

Ich weiß, du hörst nicht mehr
Aber 
Sage nicht laut, die Welt sei schlecht,
Sag es leis.



Denn nicht die vier sind zu viel
Sondern das fünfte Rad
Und nicht schlecht ist die Welt
Sondern
Voll.


(Das hast du schon sagen hören.) 


8

Laßt eure Träume fahren, daß man mit euch
Eine Ausnahme machen wird.
Was eure Mutter euch sagte
Das war unverbindlich.

Laßt euren Kontrakt in der Tasche
Er wird hier nicht eingehalten.

Laßt nur eure Hoffnungen fahren
Daß ihr zu Präsidenten ausersehen seid.
Aber legt euch ordentlich ins Zeug
Ihr müßt euch ganz anders zusammennehmen
Daß man euch in der Küche duldet.

Ihr müßt das ABC noch lernen.
Das ABC heißt:
Man wird mit euch fertig werden.

Denkt nur nicht nach, was ihr zu sagen habt:
Ihr werdet nicht gefragt.
Die Esser sind vollzählig
Was hier gebraucht wird, ist Hackfleisch.

Aber das soll euch
Nicht entmutigen!


Zum Lesebuch für Städtebewohner gehörig 

9

...

Sie sind ein Plattkopf

Hören Sie auch wirklich?

Es besteht doch hoffentlich kein Zweifel darüber, daß Sie mich klar und deutlich hören? 

Also:

Ich wiederhole: Sie sind ein Plattkopf.

Ein Plattkopf.

P wie Paul, L wie Ludwig, A wie Anna, zwo mal T wie Theodor

Kopf wie Kopf.

Plattkopf.

Bitte unterbrechen Sie mich nicht.
Sie sollen mich nicht unterbrechen!

Sie sind ein Plattkopf.

Reden Sie nicht. Machen Sie keine Ausflüchte!

Sie sind ein Plattkopf.

Punkt.


Ich sage es doch nicht allein.

Ihre Frau Mutter sagt das doch schon lang.

Fragen Sie doch Ihre Angehörigen

Ob Sie kein P sind.

Ihnen sagt man das natürlich nicht

Denn da werden Sie doch wieder rachsüchtig wie alle Plattköpfe.

Aber

Ihre ganze Umgebung weiß seit Jahr und Tag, daß Sie ein P sind.


Das ist ja typisch, daß Sie leugnen.

Das ist doch die Sache: es ist typisch für den P daß er es ableugnet.

Ach ist das schwer, einem Plattkopf beizubringen, daß er ein P ist.

Es ist direkt anstrengend.


Sehen Sie, daß muß doch einmal gesagt werden.

Daß Sie ein P sind

Das ist doch nicht uninteressant für Sie zu wissen, was Sie sind.
das ist doch ein Nachteil für Sie, wenn Sie nicht wissen, was alle wissen.
Ach, Sie meinen, Sie haben auch keine anderen Ansichten als Ihr Kompagnon
Aber der ist ja auch ein Plattkopf.
Biie, trösten Sie sich nicht damit, dass es noch mehr P e gibt.
Sie sind ein P.

Ist ja auch gar nicht schlimm

Damit können Sie achtzig werden

Geschäftlich ist es direkt ein Vorteil.

Und politisch erst!

Nicht mit Geld zu bezahlen!

Als P brauchen Sie sich um nichts zu kümmern.

Und Sie sind ein P.
(Das ist doch angenehm?)

Sind Sie immer noch nicht im Bilde?

Ja, wer soll’s Ihnen denn noch sagen

Der Brecht sagt’s ja auch, daß Sie ein P sind.

Also bitte, Brecht, sagen Sie ihm doch als Fachmann ihre Ansicht.


Der Mann ist ein P.

Na also.

(Einmaliges Abspielen der Platte genügt nicht.)


Bertolt Brecht Werke: Gedichte 1. Vol. 11. Berlin: Aufbau-Verlag, 1988