Sonntag, 24. März 2019

Ein guter Tag

Mein Sonntag. 
Viel zu früh aufgewacht, am Computer Patience gespielt und im Fernseher Law & Order geguckt, dann Eier mit Speck gegessen und erstmal weitergeschlafen. Später auf dem Weg zu einer Verabredung schenkt mir eine Fremde auf meine Bitte um Feuer ihr Feuerzeug. Im Cafe mit einer Freundin ein schweres Thema besprochen und keine Lösung gefunden. In der Nationalgalerie Bilder von Caspar David Friedrich angeguckt, wunderschön der Mönch am Meer, befreit vom Schutzschmutz aus 150 Jahren. Zitat der Saalaufsicht: "Die Restauratorin hat acht Schichten mit einem Wattetupfer entfernt, die vier Jahre waren nicht vergeudet." In einem kleinen Restaurant lese ich mich in einem ebenfalls kleinen Buch fest, will es dem Wirt abkaufen und bekomme es ebenfalls geschenkt, Antoine de Saint-Exupérys Beschreibung seiner Reise nach den USA im Kriegsjahr 1940, eine notwendige Atempause zwischen seinen Einsätzen als Pilot der französischen Luftwaffe. 
Abends in den völlig ausverkauften Kammerspielen "Black Maria" von René Pollesch. Ohne je gekokst zu haben, stelle ich mir vor, dass das sich ähnlich anfühlen könnte, nur das man sich hier Worte einhilft, statt weißem Puder. Viele Themen, viele Behauptungen, die immer wieder in Frage gestellt und dann wiederholt werden. Widersprüche, Heftigkeiten, Verwirrungen. Selten Bon Mots, wenig Ironie, Gott sei Dank, Nachdenken, Gedanken werden gedacht und verworfen oder aus gänzlich anderer Position verteidigt.
Die Unsichtbarkeit des weißen heterosexuellen Mannes ist ein verstörendes Bild, er ist so sehr allgegenwärtig, das man seine ständige Anwesenheit als Hauptakteur nicht befragt, er wird nicht mehr als das gesehen, was er ist, eine von vielen Möglichkeiten. Repräsentation: Vertretung einer Gesamtheit von Personen durch eine einzelne Person oder eine Gruppe von Personen, nennt das Wiki.

Der Anteil von Frauen und Männern an der Weltbevölkerung ist ungefähr gleich. Derzeit leben etwa 3,82 Milliarden Frauen und 3,89 Milliarden Männer auf der Erde. 
(Fünf Fragen - fünf Antworten)

Black Maria. So nannte man das 1893 gebaute erste Filmstudio der Welt. Das Schwarz der Dachpappe, aus der es gebaut war, und seine Enge erinnerte an die schwarz lackierten Gefangenentransporter, lahme Pferdekutschen, die man "Black Maria" nannte nach dem damals berühmtesten Rennpferd. Das Haus stand auf Rollen, denn sein Dach, das man öffnen und schließen konnte, folgte der Sonne.

Ein freudiger, rasend schneller und verspielter Theater-Diskurs. Es sprechen: ein Goldgräber in Alaska, der amerikanische Träumer, Filmemacher, Abbilder und Abgebildete, die, die man sieht und die, die im Dunklen bleiben, sie reden frenetisch über Vergessen und Erinnern, auch sich an den Text erinnern, Über Anschussfehler und den KNACKS. Der Knacks, die Verletzung, die verändert, aber kein Drama erzeugt, nur alles verändert, ohne dramentauglich zu sein. Sie reden über eigentlich Alles. Mein Kopf raucht. 
Eine hochkonzentrierte Souffleuse begleitet schützend den prall sprachgefüllten Abend. Wie lernt man solchen Text?
Astrid Meyerfeldt, die ich eigentlich nicht mag, war großartig. Die anderen in unterschiedlicher Weise auch. Franz Beil ist meine Neuentdeckung.
Zweimal hinreißende Bilder, das Bühnenbildhaus aus Teerpappe mit Lämpchen als Bolzen dreht sich zur Sonne hin, die Sonne ist ein Scheinwerfer. Später, in einer runden Trommel mit Sehschlitzen sieht man die Phasen der Bewegung eines gallopierenden Pferdes, Es sieht aus wie Film, ist aber noch Photographie, diese Bilder werden dann auf das sich drehende Bühnenhaus projeziert, fliegende Pferde!
War das ein guter Abend? Für mich war es so. Aber viele Kritiken beschreiben Ermüdung durch Wiederholung. Vielleicht ist es gut, wenn man nicht zu oft ins Theater geht?

Josef Maria Eder, Professor an der Technischen Hochschule in Wien, schreibt 1884:“Die Muybridge’schen Aufnahmen der Pferde werfen alle bisherigen Theorien über den Kopf. So erhebt sich beispielsweise ein galoppierendes Pferd nicht zuerst mit den Vorder−, sondern mit den Hinterbeinen vom Erdboden. Ebenso sind in einem Moment seine Beine alle nach allen Richtungen gegen den Erdboden gestemmt, wie wenn es störrig wäre, und gleich darauf schwebt es in der Luft und hat alle Beine unter den Bauch gezogen. Mit einem Worte, alle unsere Vorstellungen und Darstellungen von der Bewegung des Pferdes waren von Anfang bis zu Ende falsch.”



Bildfolge eines galoppierenden Rennpferds. Serienfotografie von Eadweard Muybridge, erstmals veröffentlicht 1887 in Philadelphia.

Wiki:
Die Black Maria (englisch für Schwarze Maria) war das erste kommerzielle Filmstudio der Welt. Es wurde im Jahr 1892 von dem Filmpionier William K. L. Dickson auf dem Gelände von Thomas Alva Edisons Laboratorien in West Orange, New Jersey, erbaut und diente von 1893 bis 1901 als Produktionsstätte für die Filme der Edison Manufacturing Company.

Freitag, 15. März 2019

Pappplakat & Regisseuse

Vorausgeschickt: ich liebe das Wort Pappplakat und einstmals wurde Flußschiffahrt mit zwei f geschrieben, nur zwei f, weil halt ein Vokal auf den Konsonanten folgte, aber jetzt müssen wir Flussschifffahrt schreiben, weil es diese alte Rechtschreibregel nicht mehr gibt. 
Ich mag die Idiotien unserer Sprache, und ich bin hin- und hergerissen, natürlich muß und wird sich diese Sprache verändern. Aber sollte sie sich nicht natürlich verändern?

Der Sprachpurismus des 17. und 18. Jahrhunderts versuchte, aus damals durchaus ehrenwerter nationaler Gesinnung heraus, die deutsche Sprache vor Überfremdung zu retten. Das brachte uns großartige Worterfindungen aber auch alberne Ersatzlösungen. Der Gesichtserker für die Nase ist darunter wohl nur eine satirische Überhöhung.

Ich teutscher Michel
Versteh schier nichel,
In meinem Vatterland
Es ist ein schand.
Man thuet jetz reden
Als wie die Schweden
In meinem Vatterland
Es ist ein schand.

Ein jeder Schneyder
Will jetzund leyder
Der Sprach erfahren sein
Vnd redt Latein:
Welsch vnd Frantzösisch
Halb Japonesisch
Wann er ist voll und doll
Der grobe Knoll.
...
Ihr fromme Teutschen
Man solt euch beutschen
Daß jhr die Muettersprach
So wenig acht.
Ihr liebe Herren
Das heißt nit mehren
Die Sprach verkehren
Zerstöhren. 


https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Sprachpurismus 

1901 entschied die Orthographischen Konferenz Thür und Thal künftig ohne dem h nach dem t zu schreiben, aber Theater und Thron behielten ihr h, weil sie Fremdwörter waren, oder weil, wie es eine Anekdote berichtet, der Kaiser auf dem h in seinem Thron bestand. 
Die letzte Rechtschreibreform 1996 brachte uns Stängel von Stange stammend, anstatt dem bis dahin üblichen Stengel, aber Eltern blieben Eltern, obwohl sie von den Älteren hergeleitet eigentlich Ältern sein müßten.
Die Zeit und die Entwicklung der Gesellschaft und der Technologie tuen unaufgeregt auch ihr Ding, einige Wörter sterben aus, neue entstehen, Fremdwörter sind irgendwann nicht mehr als solche erkennbar, Anglizismen stehlen sich ein.

Ich verstehe den Wunsch nach gendergerechter (geschlechtsgerechter) Sprache zutiefst, aber Student*innen läßt sich schwer sprechen und Mensch*innen zerstört ein Wort um das uns englischsprechende Mensch*innen beneiden, weil sie nur das ungelenke human being haben. Der Mensch, das Mensch - Büchners Woyzeck benutzt beides. Andererseits haben es die englischsprechenden Menschen respektive Menschinnen leicht, sie haben mit ihrem "the" einen genderunbelasteten Artikel.

In unserem Sprachbereich wütet jetzt ein wahrhaft böser Streit um das generische Masculinum.

Das generische Maskulinum ist eine Gruppe von Substantiven maskulini generis, die benutzt werden, wenn man keinen Bezug auf das natürliche Geschlecht haben möchte.

Der Bäcker, die Person, der Mensch, die Sonne, der Mord, die Rettung, der Frieden, das Kind, die Liebe, der Tod, die Krankheit, die Heilung, die Gerechtigkeit, der Hass. 

Beim Schreiben geht es ja noch irgendwie, aber wie spreche ich gendergerecht? Student - Synkope - * - innen? Das klingt wie Schluckauf.
Ich selbst bin Regisseur, Regisseurin, Regisseuse? Wer, was, bin ich? 

https://www.zeit.de/2018/23/gendergerechte-sprache-rechtschreibung-duden-binnen-i-sternchen/seite-3 

Dienstag, 12. März 2019

Hissa Hilal - eine Stimme hinter dem Schleier

«Das Böse sehe ich funkeln in den Augen der Fatwas / Wenn ich die Wahrheit enthülle, kriecht das Monster aus seinem Versteck.» 

Gestern beim Rumzappen auf diese faszinierende Dokumentation gestossen. Ihr findet sie in der 3 Sat Mediathek. 
Fesselnd, bestürzend, Augen öffnend.
Das Portrait einer saudi-arabischen Dichterin, Portrait einer Frau von der wir nur die Augen sehen dürfen, selbst ihre Augenbrauen müssen bedeckt bleiben. 
Sie hat bei einer großen Poesie-Talentshow in Abu Dhabi, "Poet der Millionen", in der arabische Länder den dichtenden Superstar suchen, als einzige Frau teilgenommen und den dritten Platz belegt. Das Publikum saß übrigens, getrennt nach Geschlecht, in zwei verschiedenen Sälen.
Bitte unbedingt ansehen.

Hissa Hilal - eine Stimme hinter dem Schleier

Sonntag, 3. März 2019

Jetzt gleich, sofort, nicht erst morgen.

1972 in einem Ruderboot auf einem See im Brandenburgischen, meine erste Liebe hatte mir eine Kassette geschenkt, "Thick As A Brick" von Jethro Tull, erst Jahre später erfuhr ich mehr über Ian Anderson und seine Angewohnheit auf einem Bein stehend Querflöte zu spielen. Den Kassettenrekorder hatte ich kurz zu vor zur Jugendweihe geschenkt bekommen, er war aus dem Westen. 
Geduld mußte ich haben. 
Ein Film lief im Fernsehen oder im Kino, nur dann wenn er lief. Nicht meine Lust zählte, sondern das Programm des Ost oder West Fernsehsenders, bzw. des Kinobetreibers, Angebot und Nachfrage wurden zusätzlich ungemein verschärft und eingeschränkt durch die gnadenlosen, geschmacksfreien Zensurbehörden der DDR. Ich konnte eine Musik hören, wenn sie im Radio lief, oder ich die Platte im Besitz hatte oder einen Mitschnitt. Ich konnte einen Film sehen, wenn er im Fernsehen lief oder, eher selten, in einem Kino der DDR.
Ende der 70er kaufte meine Mutter einen VHS-Player und brachte Kassetten mit, wenn sie zu ihrem Bruder in die USA fuhr. Meine erste Erinnerung ist "Der Pate" Teil 1, ich verliebe mich in Al Pacino. Ein wenig später in Donald Sutherland's "Casanova". Diese dicken schwarzen Video-Kassetten waren mein Schatz und meine Einstiegsdroge in die Gewohnheit der Ungeduld. 
Noch 2003 in Rostock mußte ich, man mag es kaum glauben, bis zu 5 Minuten warten, bis ein Lied heruntergeladen war und der nächste Teil einer geliebten Serie lief wirklich nur einmal in der Woche.
Geduld. 
Oder sollte ich es Vorfreude nennen? Instant gratification, sofortige Befriedigung ist jetzt angesagt. Und ich bin ein Ungedulds-Junkie. Will alles jetzt und sofort sehen und hören.
Das "Game of Thrones" so lange braucht, um die letzte Staffel zu produzieren, finde ich darum großartig. Ich muß warten. Ein guter Entzug.
Ich benötige Geduld.
Gut für mich. 
Auf etwas warten zu müssen, etwas zu erwarten, erhöht mein Interesse. Gibt ihm einen Wert.


Freitag, 1. März 2019

Essen in Senftenberg

Vorausgeschickt: ich inszeniere gerade ein französisches Stück in dem außerordentlich viel gegessen wird. Ich weiß nicht, ob euch schon mal aufgefallen ist, wie in Stücken und Filmen aus Frankreich wirklich und wahrhaftig gegessen wird, während Nahrungsaufnahme in deutschen Produktionen meist Mittel zu irgendeinem künstlerischen Zweck oder beiläufiges Nebenbei ist und in US-Produktionen von außerordentlich dünnen Darstellern undefinierte Salate auf Tellern hin- und hergeschoben werden und nach dem Geschiebe die Gabel im vagen Irgendwo zwischen Teller und Mund der zerbrechlichen, meist weiblichen, Darstellerin verharrt, während sie ihre Probleme besprechen.

Essen als notwendiges Übel, als Bedrohung des perfekten Körpers, als Genuss, als Bestandteil des Lebens oder sogar als Teil der menschlichen Kommunikation.

Gedankensprung nach Brandenburg.
Laut Aussage des Statistischen Bundesamtes lag die Einwohnerzahl von Senftenberg 2015  bei 24.625 Menschen. Da es jährlich weniger werden, mögen es jetzt vielleicht noch 23.000 sein. Der Braunkohlebergbau, Stolz und Ernährer dieser Gegend, ist verschwunden, die Umgestaltung zum Naherholungsgebiet noch in der Entwicklung. 

Soweit das große Ganze, nun zum kleinen Persönlichen.
Auch wenn meine Theaterwohnung ein durchaus angenehme Küche vorweisen kann, möchte ich doch hin und wieder zwischen Probe und Probe nur schnell etwas essen gehen. Aber wo? Das Angebot ist überschaubar, ich, als verwöhnter Berliner, würde sagen, mit einem kurzen & kurzsichtigen Blick.
Fast immer verfügbar: zwei Dönerläden, ein asiatischer Imbiss, ein Grieche, ein Inder, der vermischt Asiatisches anbietet und der klassisch deutsch-irische Pub, halt der übliche globalisierte Fastfoodmansch. "Geraldine" die feine Konditorei öffnet um Eins und schließt um sechs Uhr, die andere Konditorei hat fettere, aber auch sehr gute Torten und beide servieren einen guten "Strammen Max". Im Reformhaus gibt es Fischsuppe, aber nur bis halb Drei, die schicke "Drogerie" ist ok, aber recht teuer für alle Tage, der tolle von Albanern geführte Italiener auch. 
Alles hausgemacht! Heute um 13.00 beim Mittagstisch "Wild wie Sau", gibt es keine Bratkartoffeln, weil die Burger noch vorbereitet werden müssen und Eier für Schnitzel Hamburger Art sind auch keine mehr da. Aber ich könnte Sahnenudeln haben.
ABER! Aber REWE hat von 7 bis 24 Uhr geöffnet und ist gut sortiert.
Morgen bin ich wegen Schauspielerüberbeschäftigung probenfrei und also zuhause, dann gibt es selbstgemachtes Schnitzel mit Speckbohnen!