Sonntag, 1. Mai 2011

1. Mai - Wie heisst das denn jetzt?


Tag der Arbeit, Maifeiertag, Kampftag der Arbeiterklasse oder -bewegung?

Wenn die Hexen genug getanzt hatten, gingen sie nach Hause, stellten den Besen in die Ecke, zogen sich bequeme Schuhe und einen Mantel an und gingen zur 1. Mai Demonstration.

Im Nachhinein wirkt der 1. Mai auf mich, wie eines der absurdesten Elemente, der an Absurditäten nicht armen Geschichte der DDR.
Am Morgen versammelten sich die Berliner Theater am 'Sammelplatz', Fahnen wurden ausgegeben, es wurde viel gequatscht, denn manche Kollegen anderer Theater sah man ja sonst nicht so oft. Dann wurde losgelatscht, anders kann man das nicht bezeichnen. Obwohl sehr genau bemerkt wurde, wenn jemand nicht anwesend war.
Die Militärparade kam zuerst, dann Kinder in Pionierkleidung, dann Bürger und Bürgerinnen nach Betriebszugehörigkeiten sortiert. Am Marx-Engels Platz stand die Tribüne, uralte Männer winkten beseligt oder mechanisch den Vorbeimarschierenden zu. Sie waren der Machtfülle nach sortiert und fast alle in Blass-Beige gekleidet, viele mit Hüten. Einmal standen drei strengblickende Chinesen mit auf der Haupttribüne, da müssen wir gerade mal kurzzeitig nicht verfeindet gewesen sein. Etwas tiefer und links saßen die niederen Chargen, auch Hans-Peter Minetti, Kandidat des ZK der SED und Direktor der Schauspielschule, der manisch grinste und mit den Armen wackelte. Er hatte so eine Überkämmfrisur und einmal hat der Wind seine Mütze weggeweht und die sorgfältig gelegte Haarsträhne wehte, einer Fahne gleich, von seinem halbkahlen Kopf. Dazu kam immer Beschallung aus den Lautsprechern, wer gerade an der Tribüne war, wurde begrüsst, dazwischen Lieder. In einem eine Zeile: "Du brauchst keine Brille, um Deinen Weg zu finden!" Eine Veranstaltung ohne Herz, ohne Leidenschaft, mit dem einzigen Zweck, nach außen Stärke und nach innen Einigkeit zu behaupten. und trotzdem war es oft ein gutgelaunter Tag, denn anschließend war Betriebsfest mit Eisbein und Erbspüree und Kinderbespassung und sehr viel Bier.

1949

1973

Wenn man bedenkt, wie dieser Feiertag entstanden ist! Es lebe der 1. Mai!

August Spies -  „Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!“

Im Oktober 1884 rief die Federation of Organized Trades and Labor Unions of the United States and Canada zu einem landesweiten Streik für den 1. Mai 1886 auf. Ziel war die Arbeitszeitbegrenzung durch Einführung des Achtstundentages.
Am 1. Mai streikten in den USA insgesamt nach verschiedenen Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen. Der größte Streik fand in Chicago statt und umfasste rund 90.000 Teilnehmer. Die Situation war angespannt, die Miliz wurde in Bereitschaft versetzt. Die mit diesem und den darauf folgenden Tagen verbundenen Ereignisse werden als Haymarket Riot, Haymarket Affair und Haymarket Massacre bezeichnet und begründeten die Tradition den 1. Mai zum Kampftag der Arbeiterklasse zu erklären.

Als am 3. Mai die Polizei einschritt, um eine Versammlung von Streikenden nahe dem Erntemaschinen-Betrieb McCormick aufzulösen, wurden sechs Arbeiter getötet und einige weitere verletzt. In der folgenden Nacht versammelte sich eine Menge von mehreren tausend Streikenden und marschierte zum Haymarket Square. Wiederum versuchte die Polizei, die Versammlung aufzulösen. Der Protestmarsch wurde aber fortgesetzt und verlief friedlich. Auch der Bürgermeister der Stadt, Carter Harrison Sr., ging, nachdem er die Lage überprüft hatte, früh nach Hause.
Die Lage eskalierte am nächsten Tag, dem 4. Mai, als jemand eine Bombe in die Menge warf, die sich wieder am Haymarket-Square versammelt hatte. Zwölf Menschen starben, darunter der Polizist Mathias J. Degan noch am Ort des Geschehens, sowie sechs weitere Polizisten, die später ihren Verletzungen erlagen. Die Polizei eröffnete daraufhin das Feuer und tötete und verletzte eine unbekannte Zahl von Protestierenden. Da einige der Redner dieses Tages Anarchisten gewesen waren, ging man davon aus, dass ein Anarchist die Bombe geworfen hatte. Ein Beweis für eine solche Verbindung konnte allerdings nicht erbracht werden. Bis heute ist unklar, wer die Bombe geworfen hat.
Obgleich niemand überhaupt den Bombenwerfer erkannt hatte, wurden acht Männer, welche den Streik mitorganisiert hatten, angeklagt und für schuldig befunden. Vier von ihnen, darunter August Spies - Chefredakteur und Herausgeber der anarchistischen Arbeiter-Zeitung, wurden durch den Strang hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Suizid. Die noch lebenden drei wurden sechs Jahre später begnadigt. Es gab keine Beweise für eine Verbindung der Angeklagten zu dem Bombenanschlag. Vielmehr argumentierte Richter Joseph Gary, dass der Bombenwerfer auf Grund der Ideen der Männer gehandelt hätte und diese damit ebenso schuldig wären, als hätten sie selbst den Anschlag verübt.


1 Kommentar:

  1. Ötti schrieb:
    Immer noch Scham darüber, mitgelaufen zu sein, an der Tribüne ein gestenreich vertieftes Gespräch mit der Freundin gespielt zu haben, um nicht den Mächtigen zuwinken zu müssen, oder am Tag danach das Schwänzen mit Zahnweh oder Rohrbrüchen verschwiemelt zu haben. Ausreden sind auch eine verlogene Form des Mitmachens. Scham über die damit selbst unterstützte Massendemütigung.

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