Ein gutes Neues Jahr wünsche ich euch und mir.
CARPE DIEM *
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ODE AN LEUKONOË
Frage nicht (denn eine Antwort ist unmöglich), welches Ende die Götter mir, welches sie dir,
Leukonoë, zugedacht haben, und versuche dich nicht an babylonischen Berechnungen!
Wie viel besser ist es doch, was immer kommen wird, zu ertragen!
Ganz gleich, ob Jupiter dir noch weitere Winter zugeteilt hat oder ob dieser jetzt,
der gerade das Tyrrhenische Meer an widrige Klippen branden lässt, dein letzter ist,
sei nicht dumm, filtere den Wein und verzichte auf jede weiter reichende Hoffnung!
Noch während wir hier reden, ist uns bereits die missgünstige Zeit entflohen:
Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!
Wie viel besser ist es doch, was immer kommen wird, zu ertragen!
Ganz gleich, ob Jupiter dir noch weitere Winter zugeteilt hat oder ob dieser jetzt,
der gerade das Tyrrhenische Meer an widrige Klippen branden lässt, dein letzter ist,
sei nicht dumm, filtere den Wein und verzichte auf jede weiter reichende Hoffnung!
Noch während wir hier reden, ist uns bereits die missgünstige Zeit entflohen:
Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!
Horaz 23 v. Chr. in den Gedichten Liber I *
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KOHELET - BUCH DES PREDIGERS
Also: Iss freudig dein Brot und trink vergnügt deinen Wein; denn das, was du tust, hat Gott längst so festgelegt, wie es ihm gefiel.
Trag jederzeit frische Kleider und nie fehle duftendes Öl auf deinem Haupt.
Mit einer Frau, die du liebst, genieß das Leben alle Tage deines Lebens voll Windhauch, die er dir unter der Sonne geschenkt hat, alle deine Tage voll Windhauch. Denn das ist dein Anteil am Leben und an dem Besitz, für den du dich unter der Sonne anstrengst.
Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu! Denn es gibt weder Tun noch Rechnen noch Können noch Wissen in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist. *
Kohelet 9.7 - 12.8
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ICH EMPFINDE FAST EIN GRAUEN
Ich empfinde fast ein Grauen,
dass ich, Plato, für und für
bin gesessen über dir.
Es ist Zeit hinauszuschauen
und sich bei den frischen Quellen
in dem Grünen zu ergehn.
wo die schönen Blumen stehn
und die Fischer Netze stellen!
Wozu dienet das Studieren
als zu lauter Ungemach!
Unterdessen läuft die Bach
unsers Lebens, das wir führen,
ehe wir es inne werden,
auf ihr letztes Ende hin:
dann kömmt ohne Geist und Sinn
dieses alles in die Erden.
Holla, Junger, geh und frage,
wo der beste Trunk mag sein,
nimm den Krug und fülle Wein!
Alles Trauren, Leid und Klage,
wie wir Menschen täglich haben,
eh uns Clotho fortgerafft,
will ich in den süssen Saft,
den die Traube gibt, vergraben.
Kaufe gleichfalls auch Melonen
und vergiss des Zuckers nicht,
schaue nur, dass nichts gebricht!
Jener mag der Heller schonen,
der bei seinem Gold und Schätzen
tolle sich zu kränken pflegt
und nicht satt zu Bette legt;
ich will, weil ich kann, mich letzen!
Bitte meine guten Brüder
auf die Musik und ein Glas!
Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass
als ein Trank und gute Lieder.
Lass ich gleich nicht viel zu erben,
ei, so hab ich edlen Wein!
Will mit andern lustig sein,
Wann ich gleich allein muß sterben.
dass ich, Plato, für und für
bin gesessen über dir.
Es ist Zeit hinauszuschauen
und sich bei den frischen Quellen
in dem Grünen zu ergehn.
wo die schönen Blumen stehn
und die Fischer Netze stellen!
Wozu dienet das Studieren
als zu lauter Ungemach!
Unterdessen läuft die Bach
unsers Lebens, das wir führen,
ehe wir es inne werden,
auf ihr letztes Ende hin:
dann kömmt ohne Geist und Sinn
dieses alles in die Erden.
Holla, Junger, geh und frage,
wo der beste Trunk mag sein,
nimm den Krug und fülle Wein!
Alles Trauren, Leid und Klage,
wie wir Menschen täglich haben,
eh uns Clotho fortgerafft,
will ich in den süssen Saft,
den die Traube gibt, vergraben.
Kaufe gleichfalls auch Melonen
und vergiss des Zuckers nicht,
schaue nur, dass nichts gebricht!
Jener mag der Heller schonen,
der bei seinem Gold und Schätzen
tolle sich zu kränken pflegt
und nicht satt zu Bette legt;
ich will, weil ich kann, mich letzen!
Bitte meine guten Brüder
auf die Musik und ein Glas!
Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass
als ein Trank und gute Lieder.
Lass ich gleich nicht viel zu erben,
ei, so hab ich edlen Wein!
Will mit andern lustig sein,
Wann ich gleich allein muß sterben.
Martin Opitz um 1624 *
Fleischerstand
Pieter Aertsen 1551
Im Hintergrund verteilt Maria, auf der Flucht nach Ägypten, Almosen an die Gläubigen und oben rechts sieht man den Verlorenen Sohn.
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Horatius travestitus I, 11
Laß das Fragen doch sein! Sorg dich doch nicht über den Tag hinaus!
Martha! Geh nicht mehr hin, bitte, zu der dummen Zigeunerin!
Nimm dein Los, wie es fällt! Lieber Gott, ob dies Jahr das letzte ist,
das beisammen uns sieht, oder ob wir alt wie Methusalem
werden: sieh’s doch nur ein: das, lieber Schatz, steht nicht in unsrer Macht.
Amüsier dich, und laß Wein und Konfekt schmecken dir wie bisher!
Seufzen macht mich nervös. Nun aber Schluß! All das ist Zeitverlust!
Küssen Sie mich, mon amie! Heute ist heut! Après nous le déluge! *
Martha! Geh nicht mehr hin, bitte, zu der dummen Zigeunerin!
Nimm dein Los, wie es fällt! Lieber Gott, ob dies Jahr das letzte ist,
das beisammen uns sieht, oder ob wir alt wie Methusalem
werden: sieh’s doch nur ein: das, lieber Schatz, steht nicht in unsrer Macht.
Amüsier dich, und laß Wein und Konfekt schmecken dir wie bisher!
Seufzen macht mich nervös. Nun aber Schluß! All das ist Zeitverlust!
Küssen Sie mich, mon amie! Heute ist heut! Après nous le déluge! *
Christian Morgenstern
Bernardo Strozzi Vanitas 1637
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* Carpe diem - Nutze den Tag
* Horaz: wortwörtliche Übersetzung“ von Hans Zimmermann, Görlitz
* Bibel - Kohelet 9.7 - 12.8
* Martin Opitz: Gedichte. Hg. Jan-Dirk Müller. Philipp Reclam Jun. Stuttgart 1995
Auch zu finden in "Des Knaben Wunderhorn" Band 1 unter dem Titel "Überdruß der Gelahrtheit"
* Après nous le déluge! - Nach uns die Sintflut
Wiki sagt: Der Ausspruch wird auf die Marquise de Pompadour (1721–1764), zurückgeführt. Während eines Festes, das durch die Nachricht von der Niederlage bei Roßbach (1757) gestört zu werden drohte, soll sie « Après nous le déluge ! » („Nach uns die Sintflut!“) ausgerufen haben.