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Freitag, 23. März 2018

Exotische Berliner Dörfer

Ich bin Berliner. Mit Leib und Kopf und Seele. 
Natürlich spreche ich auf der Bühne Hochdeutsch, doch dem rigorosen Rat einer älteren, bewunderten Kollegin, mein Berlinerisch gänzlich auszumerzen, konnte und wollte ich nie folgen. Der raue Dialekt meiner Heimatstadt liegt mir gut im Mund und entspricht meiner Haltung zur Welt, unsentimental, direkt, manchmal auch unhöflich. 

In den letzten Tagen habe ich Orte in Berlin besucht, an denen ich vorher noch nie war. 

Jeder Berliner Kiez ist ein Dorf, das der Einwohner nur verläßt, wenn zwingende Umstände vorliegen. In Rudow bin ich nie wissentlich gewesen, auch nicht in Frohnau, Wilhelmsstadt oder Blankenfelde. Durch andere Ortsteile bin ich nur durchgefahren. Blankenburg und Rosenthal kenne ich nur, weil Kindheitsfreunde dort in Kleingartenanlagen Datschen hatten. 
Aber sonst. Warum soll ich dahin, wenn keiner da wohnt, kein Theater oder Kino lockt oder ein besonderes Restaurant? 
Auf die Heerstrasse brachte mich die Terminzwangslage der Berliner Ämter, vorher gab es die nur als Abfahrt auf der Stadtautobahn. Mitte ist mein Intimfreund, im Prenzlauer Berg und in Lichtenberg und Friedrichshain habe ich viele Jahre gewohnt. Aber Weißensee? Da fahre ich durch, wie auch durch Hellersdorf und Marzahn, wenn ich Richtung Strausberg reise. 
Aber nun suchte ich jemanden der alte Schirme repariert. Und wahrlich es gibt nur noch EINEN solchen Handwerker in der Stadt. Gesucht habe ich ihn in Neu-Kölln im Afrikanischen Viertel, wo die Straßennamen einem unsere widerliche Kolonialvergangenheit laut ins Gesicht brüllen. Aber von da war er weggezogen nach Steglitz. In eine niedliche kleine Straße mit einem tollen Gewürz-Laden. Sein Laden war ganz klein, ganz ungeschmückt, Schirme allüberall, und meine, von meiner Mutter geerbten, Teile nannte er mit sanfter Stimme von allerfeinster Art. Und in der Kantstrasse in Charlottenburg reparieren sie alte Feuerzeuge. Und in einer Seitenstrasse der Schönhauser Allee flicken zwei mittelalte Vietnamesinen zerrissene Kleidung. Irgendwie war ich also  unterwegs, um Altes nicht wegschmeissen zu müssen. Aber den uralten Kürschner auf der Kantstraße gibt es nicht mehr und der Buchladen vor dem S-Bahnhof Hackescher Markt ist einem Steak-House gewichen. Vielleicht bin ich doch sentimental.

Zum Abschluß Bratkartoffeln bei ROGACKI in der Wilmersdorfer. Mehr Berlin geht nicht. Wenn auch in edelteuer. Blutwurst und Erbsensuppe neben Schnecken und Austern, alle stehen, alle fressen.
  
Ich bin Berliner. Die Stadt ist toll. Weil sie, wie alle wahrhaften Großstädte, immer wieder Überraschungen bietet. Es gibt in ihr unzählige Welten, nebeneinander existierend. Junge Leute kennen Clubs, von denen ich noch nie gehört habe und über die ich auch nichts wissen muß. Alte Berliner gehen zu ihrem bevorzugten Tanztee. Manche Strassen sind grottenhäßlich und andere nicht. Alles das existiert gleichzeitig und tut sich nicht weh. Wenn man von schwäbischen und anderen Zugezogenen absieht, die auf idiotische Sperrstunden und Lärmschutzregelungen bestehen. Der gemeine Berliner schläft nämlich bei jeder Lautstärke.


Hier habe ich gewohnt von 1962 bis 1975
Die steinerne Bank an der Monbijoubrücke ist mein schönster Ort in Berlin. Keine Currywurst ist besser, als die von Konoppke, im Tiergarten kann man Boot fahren, im Saal hinter der Nofretete steht eine schönere Nofretete oder ist es doch Echnaton? Mein Kinder-Berlin ist weg. Aber meine alte Stadt lebt und es geht ihr gut. Trotz Chris Dercon, trotz Gentrifikation und schnellsterbenden Startup-Läden. 
Aber was mir Sorgen macht, das Haus mir gegenüber wird für zwei Jahre generalsaniert. Edeka und DM kommen vielleicht wieder. Aber wird sich das Seniorenheim dann die neue, und sicher viel höhere Miete noch leisten können? Ich mochte die Idee, dass man, wenn man alt ist und nicht mehr fähig allein zurecht zu kommen, doch in der Mitte der Stadt bleibt, draußen aber nicht ausgeschlossen.

Samstag, 1. April 2017

Adlershof, berlinisches Ausland

Adlershof [-ˈhoːf] (Aussprache: endbetont, damit ungleich zum nahegelegenen Adlergestell) ist ein Berliner Ortsteil im Bezirk Treptow-Köpenick. Bis zur Verwaltungsreform 2001 war es ein Ortsteil des ehemaligen Bezirks Treptow. 
...
Nach Gründung der DDR wurde in Adlershof die Akademie der Wissenschaften der DDR angesiedelt, die viele Institute der angewandten Forschung (Chemie, Elektronik, Kosmosforschung) beherbergte. Ein Radioteleskop mit 36 Meter Durchmesser fand hier ebenfalls einen Standort.
Auch das Fernsehen wurde am Standort platziert – von 1950 bis 1952 entstand das Fernsehzentrum Adlershof nach Plänen von Wolfgang Wunsch. In den neuen Studios ging am 21. Dezember 1952 erstmals der Deutsche Fernsehfunk (DFF) auf Sendung. Bis Anfang 1990 war in Adlershof auch ein Teil des Wachregiments Feliks Dzierzynski der DDR-Staatssicherheit (Gesamtstärke 12.000 Mann) stationiert. Das Regiment nutzte den ehemaligen Flugplatz als Munitionslagerplatz, für die „militärische Körperertüchtigung“ und als Paradeübungsstrecke. Auch das Akademie- und das Fernsehgelände waren in dieser Zeit eingezäunt, sodass diese Flächen faktisch losgelöst von den Wohngebieten auf der nordöstlichen Seite des Bahndamms existierten.
Wiki

Für uns Schauspieler war Adlershof, endbetont, die S-Bahn-Station, an der man ausstieg, um dann beim Fernsehen der DDR zu arbeiten. Aufnahmestudios, Redaktionen, Einlass nur mit Personalausweis der DDR.

Heute klingt das viel schicker:
Am wichtigsten Wissenschafts-, Wirtschafts- und Medienstandort Berlins erwarten Sie zehn außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, sechs Institute der Humboldt-Universität und rund 1.000 technologieorientierte Firmen.
http://www.adlershof.de/

Ich, Bewohner der Berliner Mitte, nehme die U-Bahn Nummer 8 zur Hermannstrasse, steige irrtümlich am Herrmannplatz aus, korrigiere meinen Fehler, und nehme dann die Ringbahn in Richtung Schönefeld, in die Richtung unseres gefürchteten, geradezu mythisch-gehassten Flughafens, von niemandem hier erwünscht, ewig im Bau, unfassbar teuer, wahrscheinlich nie vollendet, Gott schütze Tegel! 
Adlershof, uneinladend, die Gebäude sind DDR-typisch, nur ist die Mauer, die das alte Fernsehgelände umgab, mit der anderen schrecklicheren Mauer weggegefallen. Neubauten, eigenschaftslos, die Strassen sind breiter, als es das Verkehrsaufkommen verlangt, Fußgänger gibt es nur im Rhythmus der ankommenden S-Bahnen.
Und hier, in der Moriz Seeler Strasse befindet sich ein kleines Theater. 

Moriz Seeler (geboren als Moritz Seeler; * 1. März 1896 in Greifenberg in Pommern; am 15. August 1942 in das Ghetto Riga deportiert) war ein deutscher Theaterregisseur, Schriftsteller, Filmproduzent und Opfer des Holocaust. Wiki

Was für eine Berufsliste. Als wäre Opfer des Holocaust nur ein weiterer Schritt auf seiner Karriereleiter gewesen. Er wurde von Else Lasker-Schüler geehrt, arbeitete mit Hollaender, Bronnen und Brecht zusammen, uraufführte Marie-Louise Fleisser, produzierte "Menschen am Sonntag", einen halbdokumentarischen Film, den man gesehen haben sollte.

In der von Seeler gegründeten und geführten Produktionsfirma „Filmstudio 1929“ wurde 1929 der halbdokumentarische Stummfilm "Menschen am Sonntag" hergestellt, das Filmplakat wies Moritz Seeler Leiter, Robert Siodmak Regisseur, Billie Wilder Manuskript, Eugen Schüfftan Kamera aus, weitere, auf dem Plakat ungenannte Mitarbeiter waren Curt Siodmak, Edgar G. Ulmer und Fred Zinnemann. Die Schauspieler waren außer Valeska Gert und Kurt Gerron Amateure. Wiki


Jüdische Flüchtlinge und spätere Hollywood-Größen in erstaunlich großer Zahl für nur einen Film. 
Wo wären wir heute, wenn all diese Leute nicht ermordet worden wären, oder in glaubhafter Furcht unser Land verlassen hätten müssen?
Und nun endet sein Name, Moritz Seeler, als Nebenstrasse in Adlershof, wo Kathrin Schülein und ihr Team ein kleines Theater am Leben halten. Gegen große Widerstände. Fürs erste scheinen sie gerettet und eine Freundin hat dort ein ganz überraschendes und beglückendes Konzert gegeben. In Love and Grave with Cash and Cave. Ich habe sie als gradlinige, unruhige und erfreulich ehrgeizige Spielerin vor vielen Jahren kennengelernt, jetzt hat sie ihre Stimme gefunden.

Freitag, 31. März 2017

Ein kleiner Italiener und Berlin-Mitte liebevoll gemischt

Giannis Pasta Bar in der Schönhauser Allee 186 A, 
nur zwanzig Meter weg vom Rosa-Luxemburg-Platz

Ganz klein, ganz fein. 
Eine Theke überfüllt mit verführerischen Antipasti, dahinter und drumherum Regale mit verkäuflichen Delikatessen und Weinflaschen, einige Tische, bei gutem Wetter auch draußen, alles ein bisschen eng und sehr heimelig. Es ist hier immer voll. 
Die Mahlzeiten kosten um die 10 Euro, werden frisch zubereitet und haben ohne Zweifel ihre Ursprünge in der Küche einer rundlichen Italienerin mit mehreren Kindern, wenn auch der Koch hier ein Mann ist. Das ist kein Sexismus, sondern eine Aussage meiner Geschmacksnerven. 
Nix besonderes, einfach nur gut. 
Meine Reinigung ist nebenan, die ist auch prima - Cleanteam Berlin - blödsinniger Name, aber guter Service zu halbwegs guten Preisen.
Meine Gegend, die Mitte von Berlin-Mitte hat einen dubiosen & schlechten Ruf als Touristenspielplatz, ist sie auch, aber sie ist auch sehr lebendig. 
Mein zauberhafter DHL-Postbote spricht perfektes Berlinerisch, mitlerweile eine Rarität und kennt die Namen aller seiner Kunden. Wohingegen überforderte Amazon-Zusteller ihre Pakete einfach irgendwo fallen lassen und ich lerne unfreiwillig beim Auffinden ihrer für mich bestimmten "Verluste" recht viele Leute kennen. 
In der Sophienstrasse führt ein junges Paar, die meines Wissens nach, beste Bäckerei der Stadtmitte, im Kaufvertrag mit der vorherigen uralten Bäckerin haben sie sich verpflichtet, deren Backrezepte beizubehalten. Ostbrötchen, ganz ohne Treibstoffe, wie die Werbung in den Neunzigern sagte. In der gleichen Strasse ein Musikinstrumentenreperateur, der da scheinbar schon immer ist. 
 
© gettyimages

Vor dem Haupteingang der Hackeschen Höfe steht immer der gleiche Bettler, ein freundlicher & gesprächiger Mann mit Hund, der seine Gipsbein nun endlich los ist und gerne seine Operationsnarbe zeigt. 
In der Torstrasse, Ecke Friedrichstrasse stopfen hilfreiche Frauen Löcher in Pullovern für einen Euro pro Loch. 
Mein Nachbar, ein Laden für die Produkte Berliner Manufakturen, kennt alle Anwohner der Höfe und nennt seine praktische Hilfsbereitschaft einfach Nachbarschaftlichkeit.
Und, ja, es gibt auch eine Menge überteuerter Chichi- und Tineffläden, mit Verkäuferinnen, die unglaubwürdig dünn und bemüht schick gekleidet, ihre überteuerten Waren nur widerwillig und herablassend in die Hände eifriger Kunden übergeben.  Oder sie verramschen das DDR-Ampelmännchen, was für ein Quatsch.
Dafür hat mein REWE die zwei nettesten Kassierer aller Supermärkte in der mir bekannten Welt. Die witzeln noch um 10 vor 9 mit Dir, also kurz vor Dienstschluß. 
Die rauchenden Bewohner des Altenheimes Pro Seniore nebenan, "Visavis der Hackeschen Höfe", qualmen in Rollstühlen und unter Benutzung verschiedenster Gehhilfen mitten im Gewimmel der meist jugendlichen Stadtbesucher. 
Die Sexarbeiter der Oranienburger, Obdachlose, hart arbeitende Leute aus aller Herren Länder, kindlich staunende Kinder aus den gleichen Ländern, Reisegruppen mit ihren Bildungsvortrag glühend erfüllendenden Reiseleitern, Rentner, Schulkinder, einfach alle laufen hier herum. Ich mag es sehr. 
Und dann sind da noch zwei tolle Kinos in nicht mehr als fünfzig Meter Entfernung.
Und der Eisladen im ersten Hof macht exzellentes Eis und wird demnächst auch Rumrosine, bzw. Malaga anbieten.
Glückseligkeit.
Und an meinem Fenster, das auf den Garnisonsfriedhof schaut, drängeln sich die Vögel, alles leicht räudige Stadtflieger, um mein stets wohlgefülltes Vogelhäuschen. 

Sonntag, 12. Juli 2015

Friedhöfe in Berlin - Liesenstrasse - Berlin Mitte


Die Friedhöfe an der Liesenstraße entstanden in den 1830er und 1840er Jahren, zu einem Zeitpunkt, als das Gelände am nördlichen Stadtrand Berlins lag. Als ältester Friedhof wurde ab 1830 der Domfriedhof I der Oberpfarr- und Domkirche genutzt. 1834 folgte der alte Domfriedhof der St.-Hedwigs-Gemeinde und ein Jahr später wurde der Friedhof der Französisch-Reformierten Gemeinde eingeweiht. Diese drei Friedhöfe liegen nebeneinander an der Südseite der Liesenstraße im Bezirk Mitte. WIKI

Ich bin in Berlin-Mitte aufgewachsen und habe nichts von diesem Ort gewusst. 
Man geht die Chausseestrasse Richtung Schwartzkopfstrasse entlang am monströsen BND Gelände vorbei, in die Wöhlertstrasse rechts abbiegen und durch einen balkonbehangenen Wohnblock mit Gartenanlagen gelangt man zum Hintereingang des Geländes - der ist nach 16.00 Uhr verschlossen, weil die Anwohner angeblich nächtens Parties zwischen den Gräbern gefeiert haben.

Drei Friedhöfe, ein evangelischer, ein katholischer und einer für Hugenotten, ineinander übergehend, auf einem riesigen parkähnlichen Gelände, durch das 1961 schnell und hart ein Teil der Mauer gebaut wurde, auf alten Gräbern, neue Gräber schaffend. Zwischen Mauerbau und Mauerfall kein neues Grab, der Friedhof durfte, da Grenzgebiet, nur mit Passierschein besucht werden.

Grabkarte für Angehörige zum Besuch vo Gräbern auf Friedhöfen im Grenzgebiet
Dieses Dokument wurde nur für Bewohner der DDR ausgestellt, die Verstorbene auf einem entsprechenden Friedhof hatten. Der Besuch eines Friedhofs im sowjetsektoralen Grenzgebiet (Ostberlin), aus touristischen, historischen oder sonstigen Gründen war untersagt.
 
Berlin im Jahre 1962 an der Berliner Mauer im Wedding
Friedhof Liesenstraße, auch er wurde einfach mit Planierraupen
platt gemacht. Neben dem Lichtmast ist die Hundelaufanlage. Dort wurden Hunde zum Überwachen angebunden. Sie konnten dann 150 Meter weit laufen.
 ©  Gerd Henschel  

Eine blassrote Stoffrose in der Hand, ein gläsernes Herz an der Brust, 
Kopf und Flügel aufgerissen, das Kleid grünspanfarben 
könnte Dali sie da hingestellt haben.


Viele französische Namen natürlich, auf dem katholischen Teil der Friedhofsanlage schlesische, russische (niederschlesische wie Barthel oder Hahnel und oberschlesische wie Grzeszkiewicz, Wosnik oder Kolodziejski) und hier und da ein einsamer Italiener. Der Domfriedhof bietet viele Krauses, und auch Anna Bier, ein schöner Name. 

 Fontanes Grab - ich wusste gar nicht, dass der Hugenotte war.

Theodor Fontane 

Prolog zur Feier des zweihundertjährigen Bestehens der Französischen Kolonie
 
Zweihundert Jahre, daß wir hier zu Land
Ein Obdach fanden, Freistatt für den Glauben,
Und Zuflucht vor Bedrängnis der Gewissen.
Ein hochmuther Fürst, so frei wie fromm,
Empfing uns hier, und wie der Fürst des Landes
Empfing uns auch sein Volk. Kein Neid ward wach,
Nicht Eifersucht, - man öffnete die Thür
Und hieß als Glaubensbrüder uns willkommen.
Land-Fremde waren wir, nicht Herzens-Fremde.
So ward die Freistatt bald zur Heimathstätte,
Drin schlugen Wurzel wir und was seitdem
Durch Gottes Rathschluß dieses Land erfahren,
Wir lebten's mit, sein Leid war unser Leid
Und was es freute war auch unsre Freude.
Wohl pflegten wir das Eigne, der Gemeinde
Gedeihn und Wachsthum blieb uns Herzenssache,
Doch nie vergaßen wir der Pflicht und Sorge,
Daß, was nur Theil war auch dem Ganzen diene.
Mit fleiß'ger Hand, in Allem wohlerfahren,
Was älterer Kultur und wärmrer Sonne
Daheim entsproß und einem reichren Lande -
So wirken wir. Und Gottes Segen krönte
Der Hugenotten redlich Mühn, daß reich
Und glücklich manch Geschlecht dahier erblühte
Als eine Zierde unsrer neuen Heimath.
Sy, Godet, Humbert, Mathieu, Bourgignon,
Roux, Jordan, Erman, Rousset, Michelet,
Sarre, Révir, Reclam, Naudé, Cabanis,
d'Heureuse, Plantier, Charton, Lancizolle -
Und hundert Andre, die ich nennen könnte
Gleich guten Klanges, ja berühmtere noch.
Verschieden all, in Einem aber einig:
Von Herzen treu dem Land, dem Fürstenhause,
Das, treu des Ahnherrn edelstem Vermächtnis,
Von Fürst zu Fürst uns gnädiglich beschütze -
Dem hocherhabenen Haus der Hohenzollern.
Doch nicht zu rühmen ist, was heut uns ziehmt,
Heut ziemt uns nur zu huldigen, zu danken,
Und dieser Dank, was lieh' ihm größ're Kraft
Und Inbrunst, als ein Rückblick auf das Leid, 
das unsre Väter aus der Heimath trieb. -
Erklinge denn Musik und führ' herauf,
Im Widerspiel zu dieser Stunde Glück,
Uns Bilder aus der Zeit der Hugenotten.


Spiegelartikel zum Thema Preussen und seine Hugenotten
Unsere lieben Hugenotten

 Der Kurt von Paris

Die Adlons

Die Familie Hacks



Dienstag, 23. Juni 2015

Parks in Berlin - Der Schillerpark


Laufen soll Rauchern helfen, nicht gleich, sondern erst etwas später unter den Folgen ihrer Sucht zu leiden, bzw. an ihr zu versterben. Das habe ich im Internet gelesen und es geglaubt. Also laufen eine rauchende Freundin und ich, Kettenraucher aus Leidenschaft, neuerdings durch Berliner Parks und verschaffen uns dadurch das gute Gefühl, wenn schon nicht gesund, so doch wenigstens gesünder als andernfalls zu sein. 
Parks sind gut, sie vermitteln mitten in der Stadt einen trügerischen Eindruck von sauberer Luft, Natürlichkeit, Chlorophyll - altgriechisch χλωρός chlōrós „hellgrün, frisch" und φύλλον phýllon „Blatt" - und überhaupt etwas, das irgendwie gut für einen ist. Man schlendert, der Blick greift weiter, Wege führen nirgendwo hin. Für mich überzeugten Stadtbewohner ist dies gerade die Menge Natur, die ich ertrage, ohne agoraphobisch zu reagieren, und für meine Freundin ist es, wenn auch ärmlicher Ersatz für geliebte brandenburgische Landschaften, Oderwiesen, Rapsfelder.
Grunewald, Rehberge, Tiergarten, den Friedrichshain kenne ich aus Kindertagen, den lassen wir weg, und letztlich der Schillerpark im Wedding, ein Park, der meinen  Großstadtverwartungen entspricht. Kahl, Abfall allüberall, das Gras mickert, die winzigen Kinderspielplätze laden nicht zum Spiel ein, mehrere afrikanische Mannschaften bolzen um die Wette und über allem thront, fremd und zusammenhangslos ein Schillerdenkmal.


 Das Wort Park (von mlat. parricus „Gehege“; Mehrzahl Parks in Deutschland und Österreich, Pärke in der Schweiz) bezeichnet nach den Regeln der Gartenkunst gestaltete größere Grünflächen, die der Verschönerung und der Erholung dienen.



Roter Wedding

Links, links, links, links!
Die Trommeln werden gerührt.
Links, links, links, links!
Die Arbeiterklasse marschiert.
Wir fragen euch nicht nach Verband und Partei
Seid ihr nur ehrlich im Kampf mit dabei
Gegen Unrecht und Reaktion.
Wir sind durch die Not, durch den Hunger vereint,
Uns binden die Opfer im Kampf vor dem Feind,
Unsre Lieder der Revolution!
    Roter Wedding grüßt euch, Genossen,
    Haltet die Fäuste bereit!
    Haltet die roten Reihen geschlossen,
    Dann ist der Tag nicht mehr weit!
    Kämpfen wir als Sozialisten
    Endlich in einer Front!
    Arbeitsbrüder, Kommunisten,
    Rot Front! Rot Front!
Links, links, links, links!
Der Kampf wird weiter geführt.
Links, links, links, links!
Ein Lump, wer kapituliert!
Wir tragen die Wahrheit von Haus zu Haus
Und jagen die Lüge zum Schornstein hinaus.
Wie Karl Marx es und Lenin gelehrt.
Und schlug auch der Feind unsre Besten tot,
Der Wedding kommt wieder; Berlin bleibt rot,
Damit Deutschland den Deutschen gehört.
    Roter Wedding grüßt euch, Genossen,
    Haltet die Fäuste bereit!
    Haltet die roten Reihen geschlossen,
    Dann ist der Tag nicht mehr weit!
    Kämpfen wir als Sozialisten
    Endlich in einer Front!
    Arbeitsbrüder, Kommunisten,
    Rot Front! Rot Front!
  
Text: Ernst Busch nach Erich Weinert
Musik: Hanns Eisler



Schillerdenkmal geschaffen von Reinhold Begas
Das Original wurde 1871 auf dem Gendarmenmarkt enthüllt und steht dort jetzt wieder
 
Friedrich Schiller denkt auf einem Brunnensockel, der aber nicht als Brunnen funktioniert und unten sitzen vier allegorische Frauenfiguren (Philosphie, Lyrik, Tragödie & Geschichte)

Eine Kopie aus Bronze steht im südlichen Teil des Schillerparks im Ortsteil Wedding des heutigen Stadtbezirks Berlin-Mitte. Dafür fand das Material des Rathenaubrunnens Verwendung, eines Denkmals für Emil und Walther Rathenau, das seit 1930 im Volkspark Rehberge stand, von den Nationalsozialisten 1934 aus „weltanschaulichen“ Gründen von seinem Standort entfernt und 1941 eingeschmolzen wurde. Wiki
 
Allegorie der Tragödie

Frei empfängt mich die Wiese mit weithin verbreitetem Teppich,
Durch ihr freundliches Grün schlingt sich der ländliche Pfad,
Um mich summt die geschäftige Bien’, mit zweifelndem Flügel
Wiegt der Schmetterling sich über dem röthlichten Klee,
Glühend trifft mich der Sonne Pfeil, still liegen die Weste,
Nur der Lerche Gesang wirbelt in heiterer Luft.
 
Aus: Friedrich Schiller "Der Spaziergang"

Allegorie der lyrischen Dichtkunst
 

Sonntag, 26. April 2015

Tiergarten - Frühsommer in Berlin 3




Der dritte unter "Sport" sortierte Ausflug in Berliner Parks führte
in den Tiergarten, und der war, da es ein Freitagvormittag war, mit nur
wenigen anderen Menschen angefüllt, aber dafür mit Unmengen Botanik. 
Ich habe gelernt, dass Bäume mit frühlingshaft weichen Nadeln Eiben
heißen, die gelben Sträucher, die keine Forsythien sind, Mahonien, und dass
es mehr Arten Grün gibt, als Sterne am Himmel oder Sandkörner am Strand.
12500 Schritte laut Schrittzähler, in der Natur, zu Fuß, mit Frischluft,
was soll nur noch aus mir werden, eine Wandersfrau?

Schöner Anblick: aufrechte schreitende, nackte, weiße Männer auf 
lichtgrüner Wiese, mit dem dichten Autoverkehr des 17. Juni im Hintergrund. 

Der Park ist auch noch mit ganz viel Kunst angereichert.
Alle möglichen Könige, Königinnen, Dichter, etc., Rousseau hat eine Säule ohne
Statue auf einer winzigen Insel, aber auch ganz grässliche Jagdszenen -
vier an der Zahl, je zwei zu beiden Enden einer breiten, aber kurzen Allee.
Deutsches Tiermorden durch die Jahrhunderte, hallali!

"Hasenhatz der Rokokozeit" von Max Baumbach 1903-04







“Fuchsjagd um 1900″ von Wilhelm Haverkamp 1904
Er hat auch die "Ringergruppe" in Rehberge gestaltet.









"Eberjagd um 1500" von Carl Begas 1904









 Altgermanische Wisentjagd von Fritz Schaper 1903-04






Und dann noch:
 Bison, liegend von Rudolf Siemering 1902
Es ist sehr klein, etwas melancholisch und steht ganz hinten
an einer Mauer, wo man es kaum finden kann.





Sonntag, 19. April 2015

Grunewald - Frühsommer in Berlin 2



Im Zuge meines, durch eine Freundin sanft-nachdrücklich verstärkten, Vorhabens,
wenigstens einmal wöchentlich an die "frische Luft" zu gehen und darin herumzulaufen, 
waren wir heute im Grunewald. So lerne ich einig emir bisher unbekannte Gegenden Berlins 
doch noch kennen. Das Publikum war reicher als in Rehberge, die Hunde schicker und unglaublich zahlreich. Man konnte an mehreren Ständen Bio-Hundekekse erwerben.

Eine Dame in rosa T-Shirt mit "Yeah Friday"-Aufdruck, rosa Hose und rosa Schuhen,
etwa Mitte 60, sehr bauchlastig, der Mann dazu ebenfalls sehr jugendlich-sportlich gekleidet, 
aber mit dem kahlen Kopf und Schnurrbart eines Pickelhaubenträgers,
ihr Hund, ein verängstigter Terrier, hieß Alberto. 

Im Jagdschloß eine Ausstellung mit vielen Renaissanceporträts, einige davon geradzu 
überraschend schlecht gemalt, wobei es sicher auch nicht einfach gewesen sein kann,
die meist außerordentlich häßlichen Mitglieder der Famile derer zu Brandenburg
mit Farbe auf Leinwand zu bringen. Die meisten flabberig fett, mit bösen kleinen 
dicklichen Mündern und dummen, weit auseinanderstehenden Augen. Die Männer
oft auch noch eingeklemmt in zu enge Rüstungen. Da haben wohl ein paar Cousinen
zuviel ihre Cousins geheiratet. Und auch bei einigen, der zahlreichen Cranachs, 
besonders des Älteren, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie in großer 
Eile, unter dem Einfluß von Alkohol oder schlechtgelaunt gemalt worden sein müssen.
Zitat Freundin: "Zweitklassige Kunst ist viel unterhaltsamer."
Das Brücke-Museum kommt ein andermal dran.

In den Grunewald, 
seit fünf Uhr früh, 
spie Berlin seine Extrazüge.
Ueber die Brücke von Halensee, 
über Spandau, Schmargendorf, über den Pichelsberg, 
von allen Seiten,
zwischen trommelnden Turnerzügen, zwischen Kremsern mit Musik,
entlang die schimmernde Havel,
kilometerten sich die Chausseeflöhe.
»Pankow, Pankow, Pankow, Kille, Kille« »Rixdorfer« »Schunkelwalzer« »Holzauktion«
Jetzt ist es Nacht.
Noch immer 
aus der Hundequäle 
quietscht und empört sich der Leierkasten. 
Hinter den Bahndamm, zwischen die dunklen Kuscheln, 
verschwindet 
eine brennende Cigarre, ein Pfingstkleid. 
Luna: lächelt. 
Zwischen weggeworfnem
Stullenpapier und Eierschalen 
suchen sie die blaue Blume
Arno Holz: Phantasus. Stuttgart 1978



Das Jagdschloss Grunewald 


Johann Friedrich Nagel
1788
Eigentlich wie heute, nur jetzt mit viel, sehr viel mehr Hunden


Heinrich Bollandt 
Erdmann August, Kronprinz zu Brandenburg-Bayreuth im Alter von drei Jahren
Erste Hälfte des 17. Jahrhunderts
Früher Punk

 Lucas Cranach der Ältere
Judith mit dem Kopf des Holofernes
1530
Selbst der Tote guckt noch provozierend auf den Betrachter


Meister der Aachener Schranktüren  
Geißelung Christi 
  um 1480
Vier Volkstänzer geißeln Jesus,
man beachte bei der Figur vorne rechts 
die ungewöhnliche Anbringung des linken Knies!


 Herrlich grässlich!
Im Hof des Jagdsclosses Grunewald
Johannes Brixe
Wildsau wird von drei Jagdhunden gerissen.
In der Jagdausstellung steht auf der Liste der von einem der preussischen Könige
erlegten Tieren übrigens auch ein Wal!






Welcher Künstler hat die Wildschweinplastik im Hof erschaffen?
Im Innenhof befindet sich eine aus Metall (aus Gußeisen, laut Fontane 1894 und Berdrow 1902) hergestellte Wildschweinjagdplastik aus dem Jahre 1862, welche sich ursprünglich vor dem Schlosseingang befand, später dann aber vor den Jagdzeugschuppen verlegt wurde, wo sie auch heute noch steht. Auf dem Sockel steht der Name (des Künstlers?): “Johannes Brix – Berlin”. Leider konnte ich über diesen Künstler bisher nichts in Erfahrung bringen. Dafür, dass es sich um eine sehr “lebensechte” Plastik handelt, ist es sehr verwunderlich, dass von ihm nicht weitere Werke bekannt oder benannt sind.
Börsch-Suphan schrieb 1981/97, Seite 9: “An die Jagdromantik des 19. Jahrhunderts erinnert noch heute die in Zink gegossene Wildschweingruppe von Wilhelm Wolf, die 1862 im Hof aufgestellt wurde.”
Die naheliegende Frage ist nunmehr, weshalb der Name “Johannes Brix” auf dem Sockel der Plastik geschrieben steht und nich jener von Friedrich Wilhelm Wolf?
Anlässlich einer Schlossführung am 27.01.2013 wurde mir dazu die Auskunft gegeben, dass Wilhelm Wolf der Künstler, aber Johannes Brix der Gießer der Plastik ist. Zur damaligen Zeit stellte ich die Fertigkeit des Gießens für sich selbst schon eine herausragende Leistung dar.
 
Forst Grunewald website "Der GruneWald im Spiegel der Zeit"


Samstag, 11. April 2015

Rehberge - Frühsommer in Berlin 1





Volkspark Rehberge Mitte April, zwanzig Grad, blauer Himmel,
siehe Hintergrundsfarbe, die Knospen, die im wunderschönen Monat knallen 
werden, sind schon ganz prall, lauter ganz unterschiedliche kleine Blumen liegen, wie zufällig verstreut auf den Wiesen herum. Die Rinde der Buchen hat, 
das habe ich erst heute bemerkt, eine ganz wunderbare Farbe.
Steingrau.



Ich bin nun wahrhaft kein Spaziergänger, aber erstens hat die
Lungenärztin einer Freundin, anstatt die Nichtraucher-Moralkeule
zu schwingen, einfach angesagt, dass wer raucht dann eben 10 000
Schritte täglich laufen sollte, (Schrittzähler wurde erworben!) und 
außerdem teile ich den kindischen Überschwang, der Berliner ergreift,
wenn das Wetter auch nur andeutungsweise schön wird. Und da ich
keine Kniestrümpfe mehr trage, muß ich dann halt rausgehen, Kaffee
trinken und, konterproduktiv aber herrlich, rauchen - im Freien.

Den Volkspark kannte ich gar nicht, zu weit von meinem Kiez, aber
er ist sehr schön, weitläufig, sauber aber unordentlich und voll mit
Berlinern. Was ich heute an Berlinerisch gehört habe! Das echte,
unangestrengte, gesprochen von älteren Herrschaften, die sich sicher 
schon seit Jahrzehnten im Lokal "Schatulle" zum nachmittäglichen 
Kaffee, respektive Bier und Schnäpperken treffen, gehüllt in die
Uniform des deutschen Rentners von pastellfarbener Windjacke und
Marga Scholls Gesundheitsschuhen. In Rehberge wird nicht gejoggt,
sondern geschlendert (Zitat meiner Freundin, die viel im Tiergarten 
unterwegs ist), die Hunde sind Mischlinge und beim Picknick wird Cola
getrunken. Man ist halt im Wedding und der Plötzensee ist nicht weit
mit Freibad und JVA und ehemaligem Zuchthaus.


Wie schön du bist

Du hast ja keine Ahnung,
Wie schön Du bist, Berlin
Du hast ja keine Ahnung,
Wie schön Du bist, Berlin.

In vielen andern Städten
Zieht über uns man her.
Man sagt, dass wir zu kess sind.
Das ist nur Neid - - nichts mehr.

Ein richtiger Berliner
Der macht sich nie was vor.
Sogar wenn alles schief geht,
Behält er den Humor.

Er hat das Herz am rechten Fleck.
Das nimmt ihm keiner weg.

Wer unsere schönen Strassen
Des Nachts noch nicht gesehn,
Benzin erfüllt die Nasen,
Der bleibt bewundernd stehn.
Wer nicht die kleinen Mädchen
Sah flott vorüberziehn,
Der hat ja keine Ahnung,
Wie schön Du bist, Berlin.
Der hat ja keine Ahnung,
Wie schön Du bist, Berlin. 

Jean Gilbert Text
Alfred Schönfeld Melodie 






Ringergruppe
Bildhauer Wilhelm Haverkamp 1906

Und das gibts auch!