Donnerstag, 20. Oktober 2011

Diane Arbus zum Dritten - Gesichter

Puertoricanische Frau mit Schönheitsfleck N.Y.C. 1965 © D.A.



Kind, weinend N.J. 1973 © D.A.



Ohne Titel © D.A.



Mädchen mit Mütze 1965 © D.A.



Junge mit Strohhut wartend in einer Pro-Kriegs- Demonstration N.Y.C. 1967 © D.A.



Mrs. T. Charlton Henry in ihrem Haus in Chesnut Hill in Philadelphia 1965 © D.A.



Frau mit Turban N.Y.C. 1965 © D.A.

 
   
Mexikanischer Zwerg im Hotel in N.Y.C. 1970 © D.A.

Augen in der Großstadt


Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück ...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hasts gefunden,
nur für Sekunden ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück ...
Vorbei, verweht, nie wieder.

Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.


Theobald Tiger
Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1930, Nr. 11, S. 217,
in: Lerne Lachen.



Diane Arbus bei der Arbeit 

7 Kommentare:

  1. Es gibt nur paar Künstler, der ich so lange verehre und immer wieder die Arbeit anschauen muss. Seitdem ich 10 jahre alt war, und fotograf werden wollte, hat ihr Blick mich fasziniert. Und mit ihre Bilder werde ich auch nie fertig, Geschichten wie ich sie wirklich kenne, springen aus ihre Gesichter immer mehr hervor. Mittlerweile habe ich Arbus so lange geschaut, ich denke manche Bilder gehören meiner Geschichte.

    AntwortenLöschen
  2. "Gehören meiner Geschichte", besser kann man es nicht sagen. Das ist es, wenn Kunst ins Leben eindringt, osmotisch oder als Explosion.

    AntwortenLöschen
  3. Gerade erst bei Eggleston, jetzt wieder bei Arbus: Menschen, die allein auf einem Bett oder Sofa sitzen, wirken so unglaublich verloren.

    AntwortenLöschen
  4. Manchmal, wenn bei Arbus Paare frontal sitzen und blicken, sieht es noch trauriger aus.

    AntwortenLöschen
  5. Alexander Höchst22. Oktober 2011 um 11:28

    Einzeln, einsam, allein, für sich, isoliert, ignoriert, mikroskopisch, idiotisch, halluzinatorisch, notorisch, unharmonisch, melodisch, unmethodisch... geboren, verloren, geboren, gefroren, geboren, gesogen, geboren, gelogen, geboren, gestoßen, geboren, gehoben, geboren.

    AntwortenLöschen
  6. Das weinende Kind,der Junge mit den großen Ohren, das Mädchen mit dem Hut - vielleicht sitzen sie mittlerweile auch auf so einem Sofa und gucken geradeaus ins Leere. Arbus fotografierte sie so, dass das mitzudenken ist.

    AntwortenLöschen