Samstag, 8. Oktober 2011

Mascha Kaleko - Sozusagen grundlos vergnügt



Sozusagen grundlos vergnügt

Ich freu mich, dass am Himmel Wolken ziehen
und dass es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
- Dass Amseln flöten und das Immen summen,
Dass Mücken stechen und dass Brummer brummen.
Dass rote Luftballons ins Blaue steigen.
Dass Spatzen schwatzen. Und dass Fische schweigen.

Ich freu mich, dass der Mond am Himmel steht
und dass die Sonne täglich neu aufgeht.
Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freu mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem. Dass ich bin.

In mir ist alles aufgeräumt und heiter;
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
- weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne
und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freue mich, dass ich… Dass ich mich freu.

Mascha Kaléko ("in meinen Träumen läuft es Sturm", dtv)


Das Mohnfeld bei Vetheuil von Claude Monet um 1880

Manchmal ist man fröhlich, auch wenn vieles dagegen spricht. Manchmal geht es einem einfach ungehörig gut. Ist das nicht herrlich? Wie öde wäre das Leben, wenn alles immer einen Sinn ergäbe. Demnächst bin ich wieder traurig ohne Anlaß.

Schwächen
Du hattest keine
Ich hatte eine:
Ich liebte.
Bertolt Brecht

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