Freitag, 31. Oktober 2014

Paul Strand

 PAUL STRAND 
1890 - 1976
 
"Deine Bilder sind ein Beleg deines Lebens -
für jeden der wirklich sehen kann. Du wirst die Sicht anderer Leute sehen und sie wird dich beeinflussen, du wirst sie sogar benutzen, um deine eigenen zu finden, aber du letztendlich mußt du dich von ihr befreien. Dass ist, was Nietzsche meinte, wenn er sagte, 'Ich habe gerade Schopenhauer gelesen, jetzt muß ich ihn loswerden.' Er wußte, wie heimtückisch
die Sicht anderer Leute sein kann, besonders eine, die die Kraft wahrer Erfahrung hat, wenn du ihr gestattest zwischen dich und deine eigene, persönliche zu kommen."
P.S.

Wall Street, 1915
 
Der Besuch der New Yorker Kunst Gallerie 219 in den Zehner Jahren des 20. Jahrhunderts, in der er dokumentarische Arbeiten von Alfred Stieglitz und Edward Steichen sah, muß Paul Strand heftig erschüttert haben, er veränderte seine Arbeitsweise, seine Motive und seine ästhetischen Regeln.
 
"Schau auf die Dinge um Dich herum, die unmittelbare Welt um dich herum. Wenn du lebendig bist, wird sie dir etwas bedeuten, und wenn dich Photographie genug interessiert, und wenn du weißt, wie man sie einsetzt, wirst du das Wesen photographieren wollen. Wenn du der Vorstellung anderer Leute erlaubst, sich zwischen dich und die Welt zu stellen, wirst du etwas sehr Gewöhnliches und Wertloses erreichen, eine illustrierende Photographie.
P.S.     
 
 New York 1917

Blinde Frau, New York 1917
 
Manhatta - New York die Großartige 1921
Ein Dokumentarfilm von Paul Strand und Charles Sheeler
 
 Double Akeley, 1922

Er befestigte oft eine falsche Blechlinse an der Seite seiner Kamera während er photographierte, während er eine zweite Linse, die unter seinem Arm versteckt war, benutzte. Das heißt, dass Strands Subjekte wahrscheinlich keine Ahnung hatten, dass er sie photographierte.

Richard Conway

Archina McRury, South Uist Hebrides, 1954

Die Worte des Glaubens

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltsschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur giebt davon Kunde,
Dem Menschen ist aller Werth geraubt,
Wenn er nicht an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd' er in Ketten geboren;
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Missbrauch rasender Thoren.
Vor dem Sclaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben;
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Beständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke;
Und ob Alles im ewigen Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte behaltet euch, inhaltsschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde;
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
Euer Inneres giebt davon Kunde.
Dem Menschen ist nimmer sein Werth geraubt,
So lang' er noch an die drei Worte glaubt.

Friedrich Schiller


Mittwoch, 29. Oktober 2014

Theaterwohnung 6 - Das Deutsche Fernsehen gebiert Monster


Vor nunmehr zwölf Jahren habe ich, im Zuge der Bekämpfung der hypnotischen Wirkung, die völlig undifferenzierte Fernsehbilder auf mich auszuüben in der Lage sind, den entsprechenden Apparat erst aus meinem Schlafzimmer und dann aus meinem Alltag verbannt. Ich hatte es satt, am frühen Morgen mit dem Soundtrack schreiender Werbewahnsinniger wachzuwerden. Noch jetzt erinnere ich mich mit Schrecken daran, wie ich eines Tages gegen 3 Uhr früh, durch das schrille Geschrei eines 90-jährigen muskelbepackten Zwerges geweckt wurde, der mir und einer begeisterten Kollegin mit manischem Enthusiasmus, die Wunderwirkung seines dubiosen Wunderentsafters anpries. Der Mann war 90 Jahre alt und hätte wahrscheinlich ohne jede Gewissensbisse jedes seiner Enkelkinder getötet, um das einundneunzigste Jahr zu erreichen.
Von da an gab es für mich nur noch Filme, die ich wirklich sehen wollte und Staffeln ausgewählter Serien auf DVD. Keine Werbung mehr für karies- und paradontosebesiegende Zahnreinigungspasten, für weißer als weiß waschende Waschmittel, für unerschwingliche rasende Automobile, für superhygienische Reinigungsmittel, die mein Badezimmer in bakterienbefreite Zonen verwandeln würden oder für widerlich schmeckende links- oder rechts- oder  rundherumdrehende Jogurthgetränke, die meine Darmflora, in ein endloses Leben versprechendes Koma, versetzen würden.

 Jack & Dianne LaLanne, beide über Neunzig werben für ihren Entsafter.
Eine Zitrone und etwas Spinat, Sellerie, Gurke, einige Mohrrüben und was immer an Gemüse noch bei der Hand ist, einwerfen und sie werden garantiert ein biblisches und energiegefülltes Alter erleben. Egal, wie eklig, die Pampe schmeckt.

Theaterwohnungen haben ihre eigenen Gesetze und sie haben Fernseher.
22.00 Uhr, ich komme von der Probe, zu müde, um zu lesen, zu wach um zu schlafen - das Fernsehgerät ruft.
Ungefähr 30 Programme flimmern - ich zappe. Dass heißt ich gucke nichts, ich wische durch die Kanäle. Eine Frau streichelt ihre Brüste, unser Universum durchläuft eine frühe Phase seiner Entstehung, ein beschlipster Finanzexperte erläutert die Feinheiten der momentanen Wirtschaftssituation, die fränkischen Stauffer erklimmen den Gipfel ihrer Macht, Figuren einer Serie, die anderswo bereits die sechste Staffel erreicht haben, fallen plötzlich in die Zeit ihrer ersten Staffel zurück, eine Frau masturbiert auf auffällig unglaubwürdige Art, ein Monster erschreckt schlecht Angst darstellende Japaner, Zombies werden abgeschlachtet, ein Detektiv löst den hundertsten Mordfall. Alles ist eins, eins ist nichts. Ich könnte ausschalten, ich schalte nicht aus.



Jack LaLanne

Sonntag, 26. Oktober 2014

Theaterwohnung 5 - Freundschaft aus der digitalen Ferne


Ich bin gerade jetzt wirklich mehr als gut dran. Habe spannende Arbeit, leidenschaftlich interessierte und obendrauf noch freundliche Mitarbeiter und gerade hier eine mehr als gute Unterkunft - eine Wohngemeinschaft für zwei mit zusätzlichem Wohnzimmer, funktionstüchtigem Fernseher, den die Requisite vor Jahren bereit gestellt hat und - und einer Waschmaschine! Keine nächtlichen Wanderungen vom Wohnort ins Theater zu verlassenen Kostümabteilungen für Waschgänge und Trockner. Ich wasche, wann ich will. Bügle, wann ich muß. Und einmal in der Woche kommen auch noch die gründlichen Putzkräfte des Theaters vorbei und säubern.
Luxus!
Alles ist gut. Nur eines fehlt, Augenkontakt.

 
Freischaffend und meiner Arbeit hinterherwandernd, heißt, dass ich ein Dreiviertel eines jeden Jahres in Theaterwohnungen deutscher Stadttheater verbringe. Manche sind grässlich, manche, wie die jetzige, warm und wohnlich, aber, was immer fehlt, sind die Augen, Hände, Münder ... meiner Freunde.
Skype, Facetime, Facebook, Mail und das altmodische Telefonieren sind unzulängliche Krücken, insbesondere in deutschen Landen, die, trotz hohem Stand in der Weltwirtschaft, den Ausbau des Internetzes betreiben, wie ein Schweizer Almbauer die Veränderung seiner jahrhundertealten bewährten Käserezeptur. Jeder Fischladen in Island bietet Wlan, in Heilbronn muß ich Beziehungen nutzen, um den Zugangscode für eins der hiesigen Cafes zu ergattern. 
Aber so oder so kann selbst die perfekteste Internetverbindung keinen mittelguten Kaffee an einem wackelnden Plastiktisch samt armseliger Blumengarnitur und echtem, undigitalisierten Gesicht gegenüber ersetzen. 
A wird gesagt, B wird geguckt. Die Schultern ziehen nach oben oder unten. Hände sind weich und entspannt oder tippeln nervös an der Tasse. Meine Nase reagiert. 
Und am Telefon kann man nicht durcheinander sprechen. Eine Unterbrechung geht verloren oder verliert, das, was sie unterbrochen hat, kein wahrer Dialog, eher zwei Monologe in Synchronisation.
Ich vermisse meine Freunde, den unterdrückten Raucherhusten, die kleinen geliebten Augenfalten, Hände, die mit mir altern und ich vermisse, die ungeordneten beglückenden Duette, die wir singen.
 

Freitag, 24. Oktober 2014

Antigone 5 - Wer ohne Sünde ist...



Den Hochverräter Polyneikes,

Werft unbestattet vor die Mauern dieser Stadt!

Und wer es wagt, wer heimlich diesen Leichnam schmückt
Und deckt mit frischer Erde, wird gesteinigt!
Die Steinigung ist eine jahrtausendealte Art der Hinrichtung. Ein Mensch wird bis zur Hüfte oder unter die Brust eingegraben und durch Steinwürfe auf Kopf und Oberkörper getötet. Wiki


In Syrien wurde vor wenigen Tagen eine junge Frau wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt. Ihr Vater verweigerte ihr die Verzeihung vor dem Tod. Er sprach, so hat man es mir erzählt, ganz kühl, entschieden und hat dann endgültig Nein gesagt, die junge Frau zeigte dabei keine erkennbare Reaktion. Diese Szene und die anschließende Steinigung kann sich man als Video ansehen. Wenn man kann oder will. Ich konnte es nicht und will es nicht.

Unser altes Stück ist also nicht einmal in den Details so alt. Schrecklich. Unbegreiflich. Unerträglich.




Wer ohne Sünde ist
werfe den ersten Stein
hatte Jesus gesagt
und alles blickte zu Boden

Nur eine kleine zähe
Frau in den besten Jahren
bückte sich wütend
und nahm einen Stein und warf ihn

Nach der Steinigung
als alles zurück in die Stadt ging
sagte Jesus zu ihr:
Mutter du kotzt mich an

Erich Fried

Hämon, der Sohn des Kreon, versucht mit fast übervorsichtigen Worten seinen Vater davon abzubringen, seine Verlobte Antigone hinrichten zu lassen. Der Vater wird zornig, fühlt sich vom Sohn verraten, verläßt die Bühne und kommt mit einem Eimer voller Steine zurück, den er schweigend ausschüttet, einen Stein aufhebt und dem Sohn in die Hand drückt. 


KREON: 
Holt die Verworfene! Dass sie ihm gleich

Vor Augen stirbt, in Gegenwart des Bräutigams!



HAIMON: 
Vor meinen Augen sterben wird sie nicht,

Und niemals wirst du mich mit deinen Augen wiedersehen!

Später wird er die Strafe auf Einmauern und Verhungern "reduzieren".

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Und plötzlich bricht der Herbst herein - Van Gogh malt Regen


Noch am vorigen Sonntag wanderte ich bei wunderbaren fünfundzwanzig Grad Celsius, mein vorsorglich angezogenes wärmendes Unterhemd murmelnd verfluchend, schwitzend durch sonnenüberflutete Heilbronner Strassen. 
Gestern und heute waren dieselben Gehwege kalt, nass, bleigrau und johanna - unfreundlich. Das es unterschiedliche Jahreszeiten gibt, ist mir bekannt, aber der Plötzlichkeit des Wechsels fühle ich mich nicht gewachsen. Auf der Bühne liebe ich harte Brüche, nur beim Wetter hätte ich es lieber weicher, vorhersehbarer. So, dass ich mich vorbereiten kann. Regen, kalter Wind. Feuchtigkeit, die sich langsam aber unaufhaltbar durch auftragende und unkleidsame Schutzschichten in Richtung meiner nicht mehr taufrischen Knochen vorarbeiten, empfinde ich als Aggressoren. Herbst muß sein und er hat seine eigene gloriose Schönheit, aber vielleicht könnte er sich etwas mehr meinem Tempo anpassen?

A Public Garden with People Walking in the Rain 1886


Im Regen 1882
 
Sämann im Regen 1888

alle Bilder © Vincent van Gogh

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Die Distel - schön stachelig


Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Barbara Regina Dietzsch 
1706-1783
Malerin und Zeichnerin 
aus Nürnberg


 Stachel-Eselsdistel mit Insekten  

DIE DISTEL

Du bist als wie ein Distelkraut,
Das sticht den, der es bricht,
Und wer da Blumen pflücken geht,
Die Distel nimmt er nicht.

Was hilft die schönste Blume mir,
Kann sie nicht werden mein,
Was hilft das schönste Mädchen mir,
Schlaf ich des Nachts allein.

Ein Mädchen, das nicht lieben will,
Kein einer nach ihr sieht,
Es steht da wie ein Distelkraut,
Das ungepflückt verblüht.

Ein Mädchen, das kein Lieben kennt,
Das bleibt die Nacht allein,
Die eine Nacht, die andre Nacht,
Im dustren Kämmerlein.

Hermann Löns  
1866-1914

Nach nur knapp einem Monat Kriegsdienst fiel Hermann Löns im September 1914, 
vermutlich durch Herz- oder Kopfschuss, bei seinem ersten Sturmangriff 
gegen französische Truppen.
Wiki 

Kurzer interessanter Artikel über den umstrittenen "Heimatdichter":

Mariendistel

DISTELN


Gegen die Gummizungen der Kühe und die hackenden Hände der Menschen
Zerspießen Disteln die Sommerluft
Oder öffnen sich berstend unter blauschwarzem Druck.
Jede ein rachsüchtiger Ausbruch
Von Auferstehung, eine Hand, im Griff
Zersplitterte Waffen und isländischen Frost, empor getrieben
Aus dem unterirdischen Schmutzfleck eines verfaulenden Wikingers.
Sie sind wie blasses Haar und mundartliche Kehllaute.
Jede erzeugt eine Fahne von Blut.
Dann wachsen sie wie Männer.
Niedergemäht, es ist ein Krieg. Ihre Söhne erscheinen,
Waffengepanzert, weiterkämpfend um den selben Grund.

 
THISTLES

Against the rubber tongues of cows and the hoeing hands of men


Thistles spike the summer air

Or crackle open under a blue-black pressure.
Every one a revengeful burst


Of resurrection, a grasped fistful

Of splintered weapons and Icelandic frost thrust up
From the underground stain of a decayed Viking.


They are like pale hair and the gutturals of dialects.

Every one manages a plume of blood.
Then they grow grey like men.


Mown down, it is a feud. Their sons appear,

Stiff with weapons, fighting back over the same ground.



Ted Hughes Wodwo 1967
Linearübersetzung: ich

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 Und zu Adam sprach er: Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes 
und hast gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst 
nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst 
du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, 
und sollst das Kraut auf dem Felde essen.
Moses 3/17
 

Montag, 20. Oktober 2014

Herbst - Äpfel - Geruch - Wohligkeit


DAS WUNDERBARSTE HERBSTESSEN:
APFELBEIGNETS

2-3 Äpfel, am besten Granny Smith oder Cox, 
schälen, entkernen und in Scheiben schneiden

Und für den Backteig:
1 Tasse Milch
1 1/3 Tassen Mehl
2 Eier
1 TLZucker
1 TL Rum
 Prise Salz
verrühren, bis der Teig glatt ist,
dann die Apfelscheiben eintauchen und
in heißes, schwimmendes Fett geben. 
Servieren mit

Sabayon Sauce.
Dafür 4 Eigelb,
eine ¾ Tasse Zucker
mit einer ¾Tasse Apfelschnaps und einer ¾Tasse Apfelsaft mischen,
in einem Topf über heißem Wasser schlagen, bis die Masse dick wird,
vom Herd nehmen und weiterschlagen, bis die Sauce abgekühlt ist.

Vollkommenheit

Rezept © meine persönliche Mutter


Vollkommenheit

O lieblicher Apfel!
herrlich und völlig
verfault,
kaum versehrte Gestalt –

höchstens am Stiel
ein wenig geschrumpft doch sonst
bis ins Kleinste
vollkommen! O lieblicher

Apfel! wie satt
und feucht der Mantel aus Braun
auf jenem un-
angetasteten Fleisch! Niemand

hat dich geholt
seit ich dich auf das Geländer setzte
vor einem Monat, damit
du reif werdest.
Niemand. Niemand!

 

William Carlos Williams 

Übersetzung: Hans Magnus Enzensberger



AIDS - eine Geschichte in Photographien - David Kirby & Peta



Wir vergessen. Und das ist gut so, geradezu eine Gnade, es ist aber auch unsere größte Gefährdung. Wir vergessen.

1990 veröffentlichte das amerikanische LIFE Magazin eine ungewöhnliche Photographie.
Eltern nehmen Abschied von ihrem sterbenden Kind.
Peta, der Pfleger des AIDS-Erkrankten David Kirby bat Therese Frere, eine Photographie-Studentin, diesen Moment festzuhalten.
David Kirby stammte aus Ohio und starb 1990 im Kreis seiner Familie als Patient des Pater Noster Hauses in Columbus, Ohio, an AIDS. Peta war sein Pfleger, selbst HIV infiziert, und sollte nur zwei Jahre später derselben Krankheit zum Opfer fallen.
1991 nutzte die Firma Benetton dieses Photo in einer Werbekampagne. Die eine Seite hasste sie, weil sie die Opfer der Seuche verherrlichte, die andere, weil sie diese zu mißbrauchen schien, Davids Eltern waren froh, weil die Werbeplakate an David erinnern würden, und an die Krankheit, die ihn tötete.
Als ich meiner Tochter, so um 1992 herum, auf ihre neugierigen Fragen hin, die Schönheiten der Sexualität erklären wollte, mußte ich den Tod in dieses Gespräch einbringen.
Ein schrecklicher Moment.
Genuß und Tod, plötzlich ein untrennbares, doch auch unvereinbares Paar.


1990 & 1992


1 David Kirbys Totenbett. 1990


2 Bill Kirby versucht, seinen sterbenden Sohn David zu trösten, 1990.


3 David Kirbys Mutter, Kay, hält ein Photo ihres Sohnes, bevor AIDS ihn überwältigte.



4 Peta in der Pine Ridge Indian Reservation, Juli 1991


5 Peta im Pater Noster House, 1992.

1, 2, 4 & 5 © Therese Frare
3 ©  Art Smith


Sonntag, 19. Oktober 2014

Franz Werfel - Ballade von Wahn & Tod






      bALLADE vON wAHN uND tOD

          Im großen Raum des Tags, -
          Die Stadt ging hohl, Novembermeer, und schallte schwer,
          Wie Sinai schallt. Vom Turm geballt
          Die Wolke fiel. — Erstickten Schlags
          Mein Ohr die Stunde traf,
          Als ich gebeugt saß über mich zu sehr.
          Und ich entfiel mir, rollte hin, und schwankte da auf einem Schlaf.

          Wie deut’ ich diesen Schlaf, -
          Wie noch kein Schlaf mich je trat an, da ich verrann
          In Dunkelheit, als mich eine Zeit
          In mein Herz traf?
          Und als ich kam empor,
          In Traum auftauchend Atemgang begann.
          Trat ich in mein vergangnes Haus, in schwarzen Flur durchs winterliche Tor.
          Nun höret, Freunde, es!
          Als ich im schwarzen Tage stand, schlug mich eine leichte Hand.
          Ich stand gebannt an kalter Wand.
          O schwarzes, schreckliches
          Gedenken, da ich ihn nicht fand,
          Den Leichten, der mich so ging an
          Und mich im schwarzen Tag des Tors geschlagen leicht mit seiner leichten Hand.

          Es fügte sich kein Schein,
          Und selbst das kleine schnelle Licht, das sich in falsche Rosen flicht,
          Und unterm Bild vergeht und schwillt,
          Das kleine Licht ging ein.
          Es trat kein schwarzer Engel vor,
          Kein Schatten trat, kein Atem trat aus dem kalten Stein!
          Doch hinter mir in meinem Traum, aufschluchzend kaum versank das Tor.

          Und auch kein Wort erscholl.
          Doch ganz mit meiner Stimme rief ein Wort in meinem Orkus tief.
          Und wie am Eichenort ein Blatt war ich verdorrt.
          Weh, trocken, leicht und toll
          Fiel ich an mir herab und fuhr in Herbst und großem Stoß.
          Mich nahm ein Wort und Wind mit fort,
          Das Wort, das durch mich stieß, das Wort mit dreien Silben hieß,
                   das Wort hieß: rettungslos.      

          O letzte Angst und Schmerz!
          O Traum vom Flur, o Traum vom Haus, aus dem die Frau mich führte aus!
          O Bett im Dunkel aufgestellt, auf dem sie mich entließ zur Welt.
          Ich stand in schwarzem Erz,
          Und hielt mein Herz und konnte nicht schrein,
          Und sang ein — Rette mich — in mich ein.
          Der Raum von Stein baute mich ein. Ich hörte schallen den Fluss und fallen, 
                   den Fluss: Allein.
          Und da es war also.
          Tat sich mir kund mein letztes Los, und ich stieg auf aus allem Schoß.
          Im schwarzen Traum vom Flur zerriss und klang die Schnur.
          Und ich erkannte so,
          Warum da leicht und fein die Hand mich schlug,
          Die schwach an meine Stirne fuhr,
          Und meinen Gang geheim bezwang, dass ich nicht wankte mehr, 
                   und kaum mich selber trug.
          Und als ich ihn erkannt,
          Den Augenblick, der mich trat an, da war ich selbst der andre Mann,
          Und der mir hart gebot, ich selber war mein Tod.
          Und nahm mir alles unverwandt,
          Und wand es fort aus meiner Hand und hielts gepackt -
          Genuss und Liebe, Macht und Ruhm und jammernd die Dichtkunst zuletzt.
          Und stand entsetzt und ausgesetzt und ohne Wahn und aufgetan und völlig nackt.

          O Tod, o Tod, ich sah
          Zum erstenmal mich wahrhaft sein, mich ohne Willen, Wunsch und Schein,
          Wie Trinker nächtlich spät sich gegenüber steht.
          Er lacht und bleibt sich fern und nah
          Ich stand erstarrt in erster Gegen - Wart allein zu zwein.
          (Ach, was wir sagen lügt schon, weil es spricht)
          Ich fand mich, ohne Wahn mich sein, und starb in mein Erwachen ein.

          Im großen Raum des Tags
          Hob ich mein Haupt auf aus dem Traum, und sah auf meinen Fensterbaum.
          Die Stadt ging hohl, Novembermeer, und schallte schwer,
          Der Himmel glühte noch kaum.
          Ich aber ging hinab mit großem Haupt und Hut,
          Und ging durch Straßen, rötliches Gebirg und Pass . . .
          Mein Haupt vom Traum umlaubt noch. Ging mit dumpfem Blut.

          Ich ging, wie Tote gehn,
          Ein abgeschiedner Geist, verwaist und ungesehn.
          Ich schwebte fern und kühl durch Heimkehr und Gewühl,
          Sah Kinder rennen und sah Bettler stehn.
          Ein Buckliger hielt sich den Bauch, und eine Greisin schwang den Stock
                und schrie,
          Leicht eine Dame lächelte. Ein Mädchen küsste sich die Hand . . .
          Und ich verstand, was sie verband, und schritt in großer Alchimie.

          fRANZ wERFEL 
          um 1911


Franz Werfel Prag 1891

The Little Shop of Horrors - Der Kleine Horrorladen


Eines der schlimmsten Dinge, die du tun kannst, ist, mit einem kleinen Budget einen Film machen zu wollen, der irgendwie groß aussieht. Auf die Art endest du mit sehr schlechter Arbeit.


One of the worst things you can do is have a limited budget and try to do some big looking film. That's when you end up with very bad work.

Roger Corman
Das gilt auch für Musicals!
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Heute Abend habe ich "Der Kleine Horrorladen" im Theater Heilbronn besucht, sorgsam in Szene gesetzt von Jasper Brandis & mit Begeisterung und unterschiedlichst ausgebildeten Stimmen dargeboten von den Schauspielern des Heilbronner Ensembles, ein gutes Musical ohne trainierte Musical Darsteller, vielleicht nicht perfekt gesungen, aber dafür ernsthaft und lustvoll angeboten, genau so, wie ich es mag.
 
 Die außerirdische Pflanze - Feed me!

Ein Musical ist ein Musical ist ein Musical ist ein Musical, um Gertrud Steins Gedichtszeile grob falsch zu zitieren & genau das ist, was ich heute Abend gesehen, gehört und genossen habe. 
Musicals mag man, oder mag sie eben nicht. Meine Mutter, die von Herrn Hitler & friends gezwungen wurde, einen Großteil ihrer Kindheit & Jugend in Los Angeles aka Hollywood zuzubringen, hat mich früh & voll Liebe mit Musicals genährt. Ich kannte schon mit zwölf die unterschiedlichen Stile von Gene Kelly & Fred Astaire & und auch den Einfluss, den ihre verschiedenenen Tanzpartnerinnen auf sie hatten. Cyd Charisse macht Astaire angestrengt kunstvoll, während er sich mit Ginger Rogers, der ewigen Jungfrau, zu leichtsinniger Erotik verführen ließ.  "42nd Street", "Kiss me Kate", "Chicago" & "West Side Story" habe ich mehr als einmal gesehen. Später habe ich dann im Eigenstudium weitergemacht, "Jesus Christ", "Godspell", Stephen Sondheims Meisterwerke &, allerdings nie wirklich begeistert, Andrew Lloyd Webbers Großproduktionen. Auch "Wicked" in New York, "Frühlingserwachen" als Musical ebenda , "Bloodbrothers" in London & "König der Löwen in Hamburg. 
Ich mag gut gemachte Musicals! Gut, es ist gesagt. 
Musik verkürzt den Reaktionsweg, denke ich, ohne den Umweg über das Gehirn, trifft sie, wenn es funktioniert, direkt den Bauch & erzeugt Gefühle. Im schlechten Fall, die allgemeinen, wabberigen, im besten wache und wachmachende.
Heute Abend wurde ich amüsiert. Kein existentielles Erlebnis, aber ich & 600 Schwaben hatten für heute Abend gute Laune.

Das Lied Skid Row aus der Verfilmung des Musicals von 1986
http://www.youtube.com/watch?v=1xPq6W1EoIc

Die Vorlage: "Der Kleine Horrorladen" 1960 mit dem Arbeitstitel "Der Leidenschaftliche Menschenesser" von Roger Corman wurde
in einer Nacht geschrieben, in zwei Tagen & einer Nacht gedreht & ist eine der erfolgreichsten Billigproduktionen überhaupt. DerFilm, ursprünglich in Schwarz/Weiß gedreht, wurde später koloriert.
http://www.youtube.com/watch?v=UhSP0ldQnuk

Roger Corman: ein leidenschaftlicher B-Picture Produzent & Regisseur, hat verblüffend vielen jungen & später enorm erfolgreichen Regisseuren & Schauspielern ihre ersten Arbeitschancen geboten, zum Beispiel: Ron Howard, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Peter Bogdanovich, Jonathan Demme, Curtis Hanson, James Cameron Peter Fonda, Bruce Dern, Dennis Hopper, Rober De Niro & Jack Nicholson.


Die Augen! Die Augen! Es ist alles schon da und in völliger Unschuld!

Die mit Abstand beste Szene aus dem Film: ein blutjunger Jack Nicholson als masochistischer Zahnarztpatient.
http://www.youtube.com/watch?v=RAli9a8bbys