Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe
den ersten Stein auf sie. Johannes 877 Luther 1912
Meine Schwester nannte mich früher des öfteren "Harmonieschnittchen", und
hatte wohl Recht damit, ich hätte nahezu alles getan, um nicht in Konflikte zu
geraten. Heute, viele Jahre später, kann ich weit besser streiten, weiß mehr
um die Notwendigkeit einer eigenen Haltung und kann sie selbstbewußter
und unangestrengter vertreten und, gelegentlich, sogar ändern oder
aufgeben.
ABER, immer wieder, dieses ABER, wie vermeide ich den eingebauten
Schutzreflex in meiner Arbeit? Wie umgehe ich, den, unbewußten, Versuch
meine wirklichen Ängste, Feigheiten, Schwächen elegant zu umschiffen, sie
eitel zu verkleiden oder ironisierend klein und gefällig zu machen?
In den Arbeiten Anderer sehe ich das sofort. Da wird sich gedrückt, es
werden Figuren, ihre Reaktionen und Nöte lächerlich gemacht, Hoffnungen
als von vornherein idiotisch dargestellt und existentielle Verluste in
lächerliche und vorhersehbare Niederlagen umgewandelt. Besserwisserei
statt riskantem offenen Austausch. Urteile werden gefällt, Schubladen sauber
geöffnet, geordnet und geschlossen, und ich, in diesem Fall Zuschauer,
werde mit leichter Hand belehrt, verurteilt, abgewatscht und gänzlich unter
Wert behandelt. Überhaupt, die trendige Allzweckwaffe Ironie, sie schützt vor
jedweder Eigenbeteiligung. "Ich bin raus, es ist nicht wirklich so gemeint und
wenn doch, dann kann ich es jederzeit mit einem bösen Kichern widerrufen."
Genannt wird es postdramatisch, eines der blödesten Wortschöpfungen
überhaupt, als würde die Erschöpfung einzelner Philosophen, die Verzweiflung
real existierender Menschen außer Kraft setzen.
Wenn ich mich mit mir fremden Menschen über meine Fassungslosigkeit
im Angesicht der Welt verständigen will, darf ich mich nicht raushalten, und
so schwanke ich zwischen eifrigem Selbstschutz und voyeristischer
Entäußerung und gefährde mich und bin froh, dass ich es noch kann und
Spieler finde, die bereit sind mit mir zu springen.
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