Mittwoch, 29. Oktober 2014

Theaterwohnung 6 - Das Deutsche Fernsehen gebiert Monster


Vor nunmehr zwölf Jahren habe ich, im Zuge der Bekämpfung der hypnotischen Wirkung, die völlig undifferenzierte Fernsehbilder auf mich auszuüben in der Lage sind, den entsprechenden Apparat erst aus meinem Schlafzimmer und dann aus meinem Alltag verbannt. Ich hatte es satt, am frühen Morgen mit dem Soundtrack schreiender Werbewahnsinniger wachzuwerden. Noch jetzt erinnere ich mich mit Schrecken daran, wie ich eines Tages gegen 3 Uhr früh, durch das schrille Geschrei eines 90-jährigen muskelbepackten Zwerges geweckt wurde, der mir und einer begeisterten Kollegin mit manischem Enthusiasmus, die Wunderwirkung seines dubiosen Wunderentsafters anpries. Der Mann war 90 Jahre alt und hätte wahrscheinlich ohne jede Gewissensbisse jedes seiner Enkelkinder getötet, um das einundneunzigste Jahr zu erreichen.
Von da an gab es für mich nur noch Filme, die ich wirklich sehen wollte und Staffeln ausgewählter Serien auf DVD. Keine Werbung mehr für karies- und paradontosebesiegende Zahnreinigungspasten, für weißer als weiß waschende Waschmittel, für unerschwingliche rasende Automobile, für superhygienische Reinigungsmittel, die mein Badezimmer in bakterienbefreite Zonen verwandeln würden oder für widerlich schmeckende links- oder rechts- oder  rundherumdrehende Jogurthgetränke, die meine Darmflora, in ein endloses Leben versprechendes Koma, versetzen würden.

 Jack & Dianne LaLanne, beide über Neunzig werben für ihren Entsafter.
Eine Zitrone und etwas Spinat, Sellerie, Gurke, einige Mohrrüben und was immer an Gemüse noch bei der Hand ist, einwerfen und sie werden garantiert ein biblisches und energiegefülltes Alter erleben. Egal, wie eklig, die Pampe schmeckt.

Theaterwohnungen haben ihre eigenen Gesetze und sie haben Fernseher.
22.00 Uhr, ich komme von der Probe, zu müde, um zu lesen, zu wach um zu schlafen - das Fernsehgerät ruft.
Ungefähr 30 Programme flimmern - ich zappe. Dass heißt ich gucke nichts, ich wische durch die Kanäle. Eine Frau streichelt ihre Brüste, unser Universum durchläuft eine frühe Phase seiner Entstehung, ein beschlipster Finanzexperte erläutert die Feinheiten der momentanen Wirtschaftssituation, die fränkischen Stauffer erklimmen den Gipfel ihrer Macht, Figuren einer Serie, die anderswo bereits die sechste Staffel erreicht haben, fallen plötzlich in die Zeit ihrer ersten Staffel zurück, eine Frau masturbiert auf auffällig unglaubwürdige Art, ein Monster erschreckt schlecht Angst darstellende Japaner, Zombies werden abgeschlachtet, ein Detektiv löst den hundertsten Mordfall. Alles ist eins, eins ist nichts. Ich könnte ausschalten, ich schalte nicht aus.



Jack LaLanne

3 Kommentare:

  1. Ein Regisseur erzählte, er könne nur während nächtlicher Dauerwerbung einschlafen, am besten bei Vorführungen von multifunktionalen Werkzeugen und Küchengeräten.

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  2. Burkhard Ritter schrieb:
    Ein bewusstes Fernsehen kenne ich gar nicht mehr. Wenn ich nicht einen Tipp erhalte und interessant klngt, glotze ich. Das TV Gerät ist zur Geräuschkulisse geworden.

    Ibon Regen
    das schlimme ist inzwischen nicht nur, das auf dem schirm zu sehen, sondern auch um die denke der macher dahinter zu wissen... killt jeglichen unterhaltungswert...

    Michael Dressel
    Als ich vor fast 30 Jahren nach Amerika kam war ich geschockt wie unmenschlich widerlich Fernsehen sein konnte. Ich dachte duemmer und widerlicher gehts nicht. Bis ich in letzter Zeit mal wieder in Deutschland fern sah. Es geht tatsaechlich noch duemmer und widerlicher.

    Anna Else Bärbel Goldbeck-Löwe
    DVD-Empfehlung > https://www.jpc.de/.../Die-Einsamkeit-des.../hnum/4972363

    ... Die Einsamkeit des Langstreckenläufers mit einer Parodie über verblödendes TV in den Sechzigern. Schwarzweißfilm mit Tom Courtenay. *puck*

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  3. Ötti, den muss ich kennenlernen... ich kannte lange Zeit fast die gesamte Produktpallette von HSE auswendig... aus gleichem Grund.

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