StillLeben
Francisco de Zurbarán
1633
1636
Stilleben
Wenn alles abgeblättert daliegt
Gedanken, Stimmungen, Duette
abgeschilfert – hautlos daliegt,
kein Stanniol- und das Abgehäutete
− alle Felle fortgeschwommen −
blutiger Bindehaut ins Stumme äugt −:
was ist das?
Die Frage der Fragen! Aber kein
Besinnlicher
fragt sie mehr −
Renaissancereminiszenzen,
Barocküberladungen,
Schloßmuseen −
nur keine weiteren Bohrungen,
doch kein Grundwasser,
die Brunnen dunkel,
die Stile erschöpft −
die Zeit hat etwas Stilles bekommen,
die Stunde atmet,
über einem Krug,
es ist spät, die Schläge verteilt
noch ein wenig Clinch und Halten,
Gong – ich verschenke die Welt
wem sie genügt, soll sich erfreun:
der Spieler soll nicht ernst werden
der Trinker nicht in die Gobi gehn,
auch eine Dame mit Augenglas
erhebt Anspruch auf ihr Glück:
sie soll es haben −
still ruht der See,
vergißmeinnichtumsäumt,
und die Ottern lachen.
Gottfried Benn
Stilleben
Wenn alles abgeblättert daliegt
Gedanken, Stimmungen, Duette
abgeschilfert – hautlos daliegt,
kein Stanniol- und das Abgehäutete
− alle Felle fortgeschwommen −
blutiger Bindehaut ins Stumme äugt −:
was ist das?
Die Frage der Fragen! Aber kein
Besinnlicher
fragt sie mehr −
Renaissancereminiszenzen,
Barocküberladungen,
Schloßmuseen −
nur keine weiteren Bohrungen,
doch kein Grundwasser,
die Brunnen dunkel,
die Stile erschöpft −
die Zeit hat etwas Stilles bekommen,
die Stunde atmet,
über einem Krug,
es ist spät, die Schläge verteilt
noch ein wenig Clinch und Halten,
Gong – ich verschenke die Welt
wem sie genügt, soll sich erfreun:
der Spieler soll nicht ernst werden
der Trinker nicht in die Gobi gehn,
auch eine Dame mit Augenglas
erhebt Anspruch auf ihr Glück:
sie soll es haben −
still ruht der See,
vergißmeinnichtumsäumt,
und die Ottern lachen.
Gottfried Benn
1640