Dienstag, 13. Dezember 2011

Stuttgart - Nichts Schöneres von Oliver Bukowski

Ein wenig Bühne, einige wenige Lichtwechsel, ein paar "Mucken" (Musikeinspielungen, in der Formulierung der Schauspielerin), Kostüme aus der Geschmacklosigkeits-Hölle des nichtnaturalistischen Realismus und ein blondes Haarteil - das wär's schon mit den äußerlichen Zutaten. 
Ein Regisseur, Hasko Weber, und eine Schauspielerin, und was für eine, Rahel Ohm, treffen auf einen Text und 70 Minuten später, habe ich das erste Mal seit langem wieder im Theater geweint, sehr gelacht und mich auch an einigen Stellen über die rabiate Ehrlichkeit mit der hier gearbeitet wird, erschrocken. Ich weiß, daß Ehrlichkeit auf der Bühne ein mindestens zwie-, wenn nicht driespältiger Begriff ist, aber wie soll ich es nennen? 

Die Geschichte der Mechthild Huschke, einer Frau undefinierten Alters, Mörderin ihres prügelnden Ehemannes, kinderlose Mutter mit Gebärmutterkrebs, ungefickte Liebende, sprachlose Wortakrobatin, ist so prall vor Sehnsucht, so voll von zerstörten Möglichkeiten, so weit weg von meinem eigenen Leben und so nah an meiner eigenen Not, dass, wenn sie so zärtlich und unerbittlich erzählt wird wie hier, für Augenblicke ein klarer Blick auf mich selbst möglich wird. Mitleidlos, aber nicht lieblos.

Rahel Ohm als Mechthild Huschke

Montag, 12. Dezember 2011

Kalt, Kälte, erkalten - Wintermärchen


Im "Wintermärchen" von Shakespeare heißt es: "A sad tale's best for winter." - 
"Eine traurige Geschichte paßt am besten zum Winter." Stimmt das?
Das Glasmännlein tauscht das kalte Herz Peter Munks gegen die Erfüllung 
seiner weltlichen Wünsche, die Schneekönigin läßt Kais Herz erkalten 
und verspricht ihm dafür die Welt (und ein paar Schlittschuhe), 
das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern erfriert, von keinem beachtet, 
auf der Strasse, aber das nackte frierende großzügige Waisenkind 
erhält Sterntaler für seine Freundlichkeit, Frau Holle verschenkt 
für gute Dienste Gold und im russischen Zauberwald rettet 
Väterchen Frost Nastjenka vor dem sicheren Kältetod. 
Märchen und Winter, Wintermärchen.

 Nastja im Zauberwald


Die drei Männlein im Walde
Ein Volksmärchen von den Brüdern Grimm (überarbeitete Version)

Es war eine Frau, die neidisch war, weil ihre Stieftochter schön und fleißig, 
ihre richtige Tochter aber hässlich und faul war. Einmal im Winter, als der Boden steinhart gefroren und alles zugeschneit war, nähte die Frau ein Kleid aus Papier. 
Sie sprach zu ihrer Stieftochter: „Da, zieh das Kleid an, geh in den Wald und hol mir Erdbeeren!“ Dann gab sie ihr noch ein Stückchen hartes Brot und dachte sich: 
„Draußen wird sie erfrieren und verhungern und mir nie mehr vor die 
Augen kommen!“Das gehorsame Mädchen ging in den Wald und kam bis zu einem Häuschen, aus dem drei kleine Männchen herausschauten. Es grüßte sie 
und fragte sie, ob sie sich bei ihnen wärmen und ihr Brot essen könne. Die Männchen sprachen: „Gib uns auch etwas davon!“ Das Mädchen teilte gerne. 
Dann erzählte sie ihnen, dass sie nur mit einem Körbchen voll mit Erdbeeren 
nach Hause dürfe. Die Männlein gaben ihr einen Besen und sprachen: 
„Kehre damit hinter unserem Haus den Schnee weg! “Als sie draußen war, 
sprachen die drei Männchen: „Was sollen wir ihr schenken?“Da sagte das erste: 
„Ich schenk ihm, dass es jeden Tag schöner wird.“Das zweite sprach: 
„Ich schenk ihm, dass Goldstücke ihm aus dem Mund fallen, so oft es ein Wort spricht.“ 
Das dritte sprach: „Ich schenk ihm, dass ein König kommt und sie zur Frau nimmt.“
Inzwischen kehrte das Mädchen den Schnee hinter dem Häuschen weg. 
Dabei fand sie lauter reife Erdbeeren, die ganz dunkelrot aus dem Schnee leuchteten. 
Sie bedankte sich bei den kleinen Männern und lief nach Haus. Da erzählte sie alles, 
was sie im Wald erlebt hatte, aber bei jedem Wort, das es sprach, 
fielen ihm die Goldstücke aus dem Mund.
Jetzt wollte natürlich die andere Tochter auch hinaus in den Wald um Erdbeeren zu suchen. Ihre Mutter nähte ihr einen prächtigen Pelzmantel und gab ihr Butterbrot und Kuchen mit auf den Weg. Das Mädchen kam auch zu dem Häuschen. 
Es grüßte die drei kleinen Männer aber nicht, rannte einfach in ihre Stube, 
setzte sich zum Ofen und aß sein Butterbrot und seinen Kuchen.
„Gib uns etwas davon!“, riefen die Männlein, doch sie wollte nicht mit ihnen 

teilen. Dann sprachen sie: „Kehr uns vor der Haustür mit dem Besen!“
„Kehrt euch doch selber“, antwortete es und ging bei der Tür hinaus.
Da sprachen die drei Männchen: „Was sollen wir ihr schenken?“
Da sagte das erste: „Ich schenk ihm, dass es jeden Tag hässlicher wird.“
Das zweite sprach: „Ich schenk ihm, dass ihm bei jedem Wort, das es spricht, 

eine Kröte aus dem Mund springt.“ Das dritte sprach: „Ich schenk ihm, dass es eines fürchterlichen Todes stirbt. “Inzwischen suchte das Mädchen draußen 
nach Erdbeeren. Als es aber keine fand, ging es zornig nach Hause. 
Und wie es ihrer Mutter alles erzählen wollte, da sprang ihr bei jedem Wort 
eine Kröte aus dem Mund. Die Stiefmutter ärgerte sich fürchterlich und 
überlegte, wie sie ihrer Stieftochter, die jeden Tag noch schöner wurde, 
noch mehr Leid antun könnte. Also hing sie dem armen Mädchen Garn auf die Schulter 
und gab ihr eine Axt dazu. Damit soll es auf den gefrorenen Fluss gehen, 
ein Eisloch hauen und das Garn spülen. Gehorsam hackte es ein Loch in das Eis, 
da kam der Wagen des Königs vorbeigefahren. Der König bekam Mitleid 
mit dem Mädchen, das sich so plagen musste, und fragte: „Willst du mit mir fahren?“
„Ach ja, von Herzen gern“, antwortete es, denn es war froh, 

dass es nicht mehr zu ihrer bösen Stiefmutter und Schwester musste.
Bald wurde auf dem Schloss eine prächtige Hochzeit gefeiert, 
wie es die kleinen Männlein dem Mädchen geschenkt hatten. 
Ein Jahr später bekam die junge Königin einen Sohn.
Als die Stiefmutter und ihre Tochter davon hörten, besuchten die zwei sie im Schloss. Dort packten sie die Königin, hoben sie aus dem Bett und warfen sie aus dem Fenster 

in den Fluss. Darauf legte sich die hässliche Tochter ins Bett. 
Als der König kam und mit seiner Frau sprechen wollte, rief die Alte: 
„Still, still, sie ist krank. “Der König kam am nächsten Morgen wieder. 
Er sprach mit seiner Frau und als sie ihm antwortete, sprang ihr bei jedem Wort 
eine Kröte aus dem Mund. Die Alte beruhigte den König und meinte, 
dass diese Krankheit bald vergehen werde.In der Nacht aber sah der Küchenbursche 
eine Ente. Die schwamm auf dem Fluss vor dem Schloss und sprach:
„König, was machst du? Schläfst du oder wachst du?“
Und als er nicht antwortete, sprach sie: 

„Was machen meine Gäste?“
Da antwortete der Küchenbursche:
„Sie schlafen feste.“
Jetzt fragte sie weiter:
„Was macht mein Kindelein?“
Der Küchenbursche antwortete:
„Es schläft in der Wiege fein.“
Da ging sie in Gestalt der Königin ins Zimmer ihres Kindes, gab ihm zu trinken, 

deckte es zu und schwamm als Ente wieder fort. So kam sie zwei Nächte. 
In der dritten sprach sie zu dem Küchenburschen: „Sag dem König, 
dass er sein Schwert nehmen und dreimal über mir schwingen soll.
“So machte es der König und beim dritten Mal stand seine erlöste Frau vor ihm. 
Das alles bemerkten die Stiefmutter und ihre Tochter aber nicht.
So fragte der König das böse Weib um Rat: „Was soll man mit einem Menschen tun, 

der einen anderen aus dem Bett trägt und ins Wasser wirft?“ Die Alte sprach: 
„So einen Bösewicht soll man in ein Fass stecken und den Berg hinunter 
in den Fluss rollen.“ Da sagte der König: „Du hast dein Urteil für dich 
und deine Tochter gesprochen. “Und als das Urteil vollstreckt war, 
beherrschten der König und seine Frau ihr Reich in Frieden und Seligkeit.


 Märchenhafte gefrorene Wellen in der Antarktis
Deutschland. Ein Wintermährchen.


Caput I.

Im traurigen Monat November war’s,
Die Tage wurden trüber,
Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
Da reist’ ich nach Deutschland hinüber.

Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen.

Und als ich die deutsche Sprache vernahm,

Da ward mir seltsam zu Muthe;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.

Ein kleines Harfenmädchen sang.

Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
Gerühret von ihrem Spiele.

Sie sang von Liebe und Liebesgram,

Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Wo alle Leiden schwinden.

Sie sang vom irdischen Jammerthal,

Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew’gen Wonnen.

Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eyapopeya vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,

Ich kenn’ auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.

Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich Euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Wir wollen auf Erden glücklich seyn,

Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.

Es wächst hienieden Brod genug

Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrthen, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder. 

Ja, Zuckererbsen für Jedermann,
Sobald die Schooten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.

Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,

So wollen wir Euch besuchen
Dort oben, und wir wir essen mit Euch
Die seligsten Torten und Kuchen.

Ein neues Lied, ein besseres Lied,

Es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbey,
Die Sterbeglocken schweigen...
Heinrich Heine
Geschrieben im Januar 1844.
kalt Adj. ‘von niedriger Temperatur, erstarrt, gefühlsarm’, ahd. (9. Jh.), mhd. kalt, asächs. kald, mnd. kōlt, mnl. cout, nl. koud, aengl. ceald, cald, engl. cold, anord. kaldr, schwed. kall, got. kalds (germ. *kalda-) geht aus einer alten Partizipialbildung (auf ie. -to-) hervor, daher eigentl. ‘gekühlt, gefroren’; es stellt sich zu den überlieferten germ. Verben aengl. calan ‘erkalten, abkühlen’ und anord. kala ‘frieren, kalt machen’. Mit den ablautenden Verwandten kühl (s. d.), lat. gelū ‘Kälte, Frost’, gelāre ‘gefrieren’, gelidus ‘eiskalt’ (s. Gelee) setzt es eine (allerdings nur aus dem Germ. und Italischen zu erschließende) Wurzel ie. *gel(ə)- ‘kalt, frieren’ voraus. Kälte f. Adjektivabstraktum, ahd. kaltī (8. Jh.), mhd. kelte. erkalten Vb. ‘kalt werden, abkühlen’, ahd. irkaltēn, -kaltōn (9. Jh.), mhd. erkalten, zum gleichbed., im Nhd. untergegangenen Simplex ahd. kaltēn, kaltōn, mhd. kalten. erkälten Vb. refl. ‘durch Kälteeinwirkung erkranken’, mhd. erkelten ‘kalt machen’, zum gleichbed. Simplex mhd. kelten, das nhd. nicht mehr gebräuchlich ist; dazu Erkältung f. (16. Jh.). kaltblütig Adj. ‘leidenschaftslos, unerschrocken, skrupellos’ (18. Jh.). Kaltschale f. ‘kalt serviertes süßes (Suppen)gericht mit Früchten’ (17. Jh.), Zusammenrückung aus kalte Schale. Kaltschmied m. ‘ohne Feuer arbeitender Schmied’ (z. B. Kupferschmied), ahd. kaltsmid (Hs. 12. Jh.), mhd. kaltsmit ‘Kessel-, Kupfer-, Messingschmied’. 
Etymologisches Wörterbuch nach Pfeiffer 
 

Sonntag, 11. Dezember 2011

Weihnachten und fremde Kinder


Ich habe sowas noch nie gemacht, aber eine kleine Erinnerung kann doch nicht schaden,   oder?

Die SOS-Kinderdörfer haben einen Online-Laden, nur kauft man hier nichts für sich, sondern für Fremde, fremde Kinder genauer gesagt. Eine Geburtstagsfeier, eine Winterausstattung, eine Impfung, Schulsachen, Nähkurse oder ein Moskitonetz, man kann Geschenkpakete im Wert zwischen 3,60€ und 2500,00€ auswählen, online bezahlen und diese werden dann verschickt.
SOS-Kinderdörfer hat momentan das Spendensiegel des DZI (Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen e.V.), und obwohl auch hier immer wieder Kritik laut wird, scheint es mir doch eine seriöse Institution zu sein.
Man erhält sogar eine Spendenquittung für die liebe Steuer.


Oder Ärzte ohne Grenzen!


Mark Rothko Rot und Orange


John Lennon (& Yoko Ono) - So this is Christmas (War is over)


1969, der Krieg der USA in Vietnam ist in seinem 5. Jahr, Yoko Ono und John Lennon mieten in 11 Großstädten große Werbeflächen.
WAR IS OVER! (If You Want It) Happy Christmas from John and Yoko
1971 entsteht das Lied. 
1973 im Januar unterzeichnen die Amerikaner das Pariser Friedensabkommen. 
 
Glückliche Weihnachten (Krieg ist vorbei)

Glückliche Weihnachten, Kyoko
Glückliche Weihnachten, Julian

So dies ist Weihnachten
und was hast du getan,
ein Jahr ist vorbei gegangen
ein neues fängt jetzt an
So dies ist Weihnachten,
ich hoffe du hast Spaß,
die Nächsten und die Liebsten
die Alten und die Jungen.

Ein sehr schönes Weihnachten
und ein gutes neues Jahr,
lass uns hoffen es ist ein gutes
ohne jede Angst.

Uns so dies ist Weihnachten, (Krieg ist vorbei)
für die Schwachen und Starken, (Wenn Du es willst)
Die Reichen und Armen, (Krieg ist vorbei)
der Weg ist so lang. (Jetzt)
Und so fröhliche Weihnachten, (Krieg ist vorbei)
für Schwarz und für Weiß, (Wenn Du es willst)
für die Gelbe und Rote, (Krieg ist vorbei)
lass uns das Kämpfen beenden. (Jetzt)

Ein sehr schönes Weihnachten
und ein frohes neues Jahr
lass uns hoffen es ist ein gutes
ohne jede Angst.

Uns so dies ist Weihnachten, (Krieg ist vorbei)
und was haben wir getan. (Wenn du es willst)
ein Jahr ist vorbei gegangen (Krieg ist vorbei)
ein neues fängt jetzt an. (Jetzt)
Und so frohe Weihnachten (Krieg ist vorbei)
wir hoffen du hast Spaß (Wenn du es willst)
die Nächsten und die Liebsten (Krieg ist vorbei)
die Alten und die Jungen. (Jetzt)

Ein sehr schönes Weihnachten
und ein frohes neues Jahr
lass uns hoffen es ist ein gutes
ohne jede Angst.

De Krieg ist vorbei,
wenn du es willst.
Der Krieg ist jetzt vorbei.



Happy Christmas (War is over)

Happy Christmas Kyoko
Happy Christmas Julian

So this is Christmas
And what have you done
Another year over
And a new one just begun
And so this is Christmas
I hope you have fun
The near and the dear ones
The old and the young

A very merry Christmas
And a happy New Year
Let's hope it's a good one
Without any fear

And so this is Christmas (War is over)
For weak and for strong (If you want it)
For rich and the poor ones (War is over)
The road is so long (Now)
And so Happy Christmas (War is over)
For black and for white (If you want it)
For yellow and red ones (War is over)
Let's stop all the fight (Now)

A very merry Christmas
And a happy New Year
Let's hope it's a good one
Without any fear

So this is Christmas (War is over)
And what have we done (If you want it)
Another year over (War is over)
And a new one just begun (Now)
And so Happy Christmas (War is over)
We hope you have fun (If you want it)
The near and the dear one (War is over)
The old and the young (Now)

A very merry Christmas
And a happy New Year
Let's hope it's a good one
Without any fear

War is over if you want it
War is over now

John Lennon/Yoko Ono

Meine allererste West-Platte war "Abbey Road", ein Mitbringsel meiner Eltern von einer West-Tournee. Ich hatte einen Freund, der, mitten in der Nacht geweckt, die vollständigen Texte der Beatles-Songs aufsagen konnte, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. 
Da man sich zu dieser Zeit für ein Lager entscheiden musste, (Rolling) Stones oder Beatles, schlug ich mich, durch Plattenbesitz, notwendigerweise, auf die Beatles-, die Softie-Seite. Sie sind, bis heute, die einzige Band, deren Liedexte ich mindestens zur Hälfte auswendig kann. Gedichte habe ich mir schon immer leicht merken können. Zum Kreischen und in Ohnmachtfallen war es zu spät, aber einige der Lieder haben mich begleitet, wie geliebte und verläßliche Freunde. 

Jahre später, 1980, ich sitze im Büro von Ilse Galfert, der Wunder-Dramaturgin, Alex Lang stürmt in das Zimmer: "Er ist tot." Wir, unisono: "Wer?", Alex: "John, John Lennon."

Erschossen, in New York, vor seinem Wohnhaus dem Dakota Building von Mark David Chapman.

Das letzte Lied auf Abbey Road (Her Majesty ist ein angehängter Schnipsel), der letzten Platte, die die Beatles gemeinsam produziert haben (Let it be war vorher aufgenommen worden und wurde nur später veröffentlicht), heisst: The end.

And in the end
The love you take
Is equal to the love you make

.



Radio 1, Berlin, mein Lieblingsradiosender, obwohl der Wortanteil auch dort stetig schrumpft, und wo ist überhaupt "Der kleine Tierliebhaber"?, stellen gelegentlich ein Album in voller Länge vor. so, letztes Jahr irgendwann "Abbey Road" - WOW, WOW, WOW!

Mark David Chapman, er hatte John Lennon noch wenige Stunden vor dem Mord um ein Autogramm gebeten und es auch erhalten.

Samstag, 10. Dezember 2011

Mascha Kaleko - Advent



Advent

Der Frost haucht zarte Häkelspitzen
Perlmuttergrau ans Scheibenglas.
Da blühn bis an die Fensterritzen
Eisblumen, Sterne, Farn und Gras.

Kristalle schaukeln von den Bäumen,
Die letzen Vögel sind entflohn.
Leis fällt der Schnee ... In unsern Träumen
Weihnachtet es seit gestern schon.

Mascha Kaléko






Freitag, 9. Dezember 2011

e.e. cummings - ein weihnachtsgedicht


ein weihnachtsgedicht
aus ekstatischer spirale lässt dies
stolze nirgendwo des wunderbarsten erdentages
ein neugeborenes kind erblühn: um ihn, augen
--beschenkt mit jedem heftigeren appetit
als ihn bloßes unwunder ganz stillen könnte—
demütig knieend in ihren imaginierten körpern
(durch zeit raum unheil traum während das ganze

vielleichtlose mysterium des paradieses vorübergleitet)

geist ohne seele kann ein universum sprengen
ins hätte seien können, und zehn tausend sterne enden
aber nicht einen herzschlag dieses kindes; noch werden
eine millionen befragungen standhalten
der stille des lächelns seiner mutter

-dessen einziges geheimnis die ganze schöpfung singt
a christmas poem
from spiralling ecstatically this

proud nowhere of earth's most prodigious night
blossoms a newborn babe: around him, eyes
--gifted with every keener appetite
than mere unmiracle can quite appease--
humbly in their imagined bodies kneel
(over time space doom dream while floats the whole

perhapsless mystery of paradise)

mind without soul may blast some universe
to might have been, and stop ten thousand stars
but not one heartbeat of this child; nor shall
even prevail a million questionings
against the silence of his mother's smile

--whose only secret all creation sings

e.e. cummings

Bernardino Luini, 1532, Madonna das schlafenden Kind tragend mit drei Engeln

Robert Häusser - Radfahrer 1953


© Robert Häusser

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Traurige, lustige und einfach schöne Schwänze


Die Brüste letztens, haben mich aufmerksamer auf die Darstellung unserer intimsten Teile schauen lassen. 
Nackte Männer sind in der Darstellenden Kunst seltener anzutreffen, als nackte Frauen, scheint mir und, besonders in antiken Kunstwerken, stehen Körpergröße und Schwanzgröße in einem auffällig unrealistischen Verhältnis zueinander, will sagen, das Geschlechtsteil ist oft besonders klein. Vielleicht um nicht von der ästhetischen oder inhaltlichen Absicht abzulenken? Es gibt natürlich auch Gegenbeispiele.

 Hermes, wahrscheinlich aus Pompeii

Leda

Als ihn der Gott in seiner Not betrat,
erschrak er fast, den Schwan so schön zu finden;
er ließ sich ganz verwirrt in ihm verschwinden.
Schon aber trug ihn sein Betrug zur Tat,

bevor er noch des unerprobten Seins
Gefühle prüfte. Und die Aufgetane
erkannte schon den Kommenden im Schwane
und wußte schon er bat um Eins,

das sie, verwirrt in ihrem Widerstand,
nicht mehr verbergen konnte. Er kam nieder
und halsend durch die immer schwächre Hand

ließ sich der Gott in die Geliebte los.
Dann erst empfand er glücklich sein Gefieder
und wurde wirklich Schwan in ihrem Schoß.

Egon Schiele Selbstporträt 1917
Naked Man on Bed, Lucian Freud, 1989


Gedicht für Lucian Freud


Ja, der Körper ist ein scheußliches Ding, 
die Füsse und Genitalien besonders, 
das menschliche Gesicht nicht viel besser. Blaue Venen 
bilden Schlangen auf Handrücken, und verunzieren 
die marmorierte glasige Wuchtigkeit von Hüften. 
Solch klumpiges Gewicht ist's wert, dass man es nach Jahrhunderten ansieht 
(Pygmalion bis Canova) ...


Poem for Lucian Freud

Yes, the body is a hideous thing,
the feet and genitals especially,
the human face not far behind. Blue veins
make snakes on the backs of hands, and mar
the marbled glassy massiveness of thighs.
Such clotted weight’s worth seeing after centuries
(Pygmalion to Canova) ...


John Updike

Caravaggio, Amor Vincit Omnia 1601/1602


Der Titel bezieht sich auf eine Stelle in Virgils Hirtengedichten: "Die Liebe besiegt alles, so sollten wir uns alle der Liebe ergeben."

Scharrbild, Cerne Abbas Riese in Dorset in England, Alter unbekannt, 55 Meter groß, der Schwanz ist 7m lang

Salvador Dali Nackter, Studie


Salvador Dali, Gruppensex


Pablo Picasso, Angel Fernandez de Soto mit einer Frau
1902, Museu Picasso, Barcelona



Juan Valverde de Amusco aus der Anatomia del corpo Humano 1559
Der gehäutete Mensch hält seine Haut in der einen und ein Messer in der anderen Hand.





 Michelangelo, zwischen 1501 und 1504, David (Teilansicht)


Antonio Pollaiuolo,
1465, Die Schlacht der nackten Männer


Mittwoch, 7. Dezember 2011

Das Weihnachtsessen oder wie ich an einem Tag im Jahr zum erzkonservativen Traditionalisten werde.



Heiligabend, 17.00 Uhr ist Bescherung. Als mein Vater noch lebte, haben wir uns kurz davor immer noch lauthals gestritten, ob wir erst Bibel lesen oder erst Geschenke bekommen werden. Der Streit fand seit meinem dritten Lebensjahr jährlich am 24.12. um 16.45 Uhr statt und wurde, natürlich, jedes Jahr von mir, später meiner Schwester und mir, gewonnen. Aber er mußte geführt werden. Ich würde auch dieses Jahr gern wieder streiten.
Also zuerst die Bescherung, mit übrigens der immer gleichen musikalischen Untermalung aus Heintje, Ella Fitzgerald, Elvis und anderen, unter einem Weihnachtsbaum, dessen sehr bunte, wild zusammengewürfelte Dekoration das Grün fast vollständig verdeckt, dann Lesezeit, weil mein Vater meinte, wir sollten als jüdische Heiden zumindest wissen, warum wir uns an diesem Tag versammeln. Recht hat er.

Erst die Prophezeiungen:
Matthäus 1.22-23/22 Das ist aber alles geschehen, auf daß erfüllt würde, was der HERR durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: "Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Immanuel heißen", das ist verdolmetscht: Gott mit uns. 
Matthäus 2:6  "Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Juda's; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein HERR sei." und
Jesaja 7.14/15 "Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel. Butter und Honig wird er essen, wann er weiß, Böses zu verwerfen und Gutes zu erwählen."

Und dann die Weihnachtsgeschichte selbst.

Achtung! Ich habe meinem Kind in Vorbereitung auf Heiligabend, die Weihnachtsgeschichte mit eigenen Worten erzählt und in belehrender Begeisterung gleich noch den "Rest" bis Ostern mit drangehängt, mit dem Ergebnis, dass ich einer schluchzenden Siebenjährigen beinahe das ganze Fest verdorben habe, Denunziation, Auspeitschung und Kreuzigung eignen sich wohl nicht zum Erwecken von Vorfreude auf Kerzenschein und Glockenklang.

 Hieronymus Bosch  Die Hochzeit von Kana

Später, als ich manchmal das Vorlesen übernahm, habe ich die Text-Auswahl, je nach pubertärer Laune oder  innerfamiliärem Auseinandersetzungsstand, willkürlich verändert. 

Zum Beispiel als aufmunternden Beitrag zum Fest: Prediger: "Die Worte Kohelets, Sohn Davids, König in Jerusalem (Nichtigkeit der Nichtigkeiten) Nichtig und flüchtig, sprach Kohelet, (Nichtigkeit der Nichtigkeiten) nichtig und flüchtig, das alles ist nichtig.Welchen Gewinn hat der Mensch von aller seiner Mühe, mit dem er sich abmüht unter der Sonne? Eine Generation geht und eine Generation kommt und die Erde bleibt stehen in Ewigkeit. Und die Sonne geht auf und die Sonne geht unter und zu ihrem Ort strebt sie, wo sie wieder aufgeht. Und er geht nach Süden und er dreht sich nach Norden und er dreht, er dreht, er geht, der Wind und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück. Alle Flüsse gehen in das Meer und das Meer wird nicht voll. An den Ort, an den die Flüsse gehen, dorthin kehren sie wieder, um zu gehen. Alle Wörter mühen sich ab. Nichts kann der Mensch sagen. Nicht satt wird ein Augezu sehen und nicht voll ein Ohr vom Hören. Das, was war, es ist das, was sein wird. Und das, was getan wurde, ist das, was getan wird. Und es gibt nichts völlig Neues unter der Sonne. Gibt es ein Ding, von dem einer spricht: "Siehe, das ist neu"? Es war längst in den Zeiten, die vor uns waren. Es ist kein Andenken an die Früheren und an die Folgenden, die sein werden, kein Andenken gibt es für sie bei denen, die die Nachfolgenden sind."

Und dann das Essen; in gänzlich patriachalischer Tradition konnte meine Mutter beim Vorlesen nicht anwesend sein, weil sie zu der Zeit in der Küche tätig seien mußte.
Pute, Braunkohl, Rotkohl, Reis gekocht mit Hühnerklein. Nichts anderes seit 53 Jahren. Naja, das erste Jahr mag es Milch gewesen sein. "Ach, wenn mein Rücken auch noch Magen wäre!" Ich liebe dieses Essen und würde es an den 364 anderen Tagen des Jahres nie, niemals essen. Ich bin ein Dinosaurier. Ich bin, zu Weihnachten, am 24.12. von 17.00 Uhr bis 24.00 Uhr, ein eiserner Verfechter von Kontinuität und Tradition, Verweigerer jeder Neuerung, Bewahrer der einzigen wahren Weihnacht!

 Pirosmani Das Festmahl der fünf Prinzen