Freitag, 2. Dezember 2011

Französische Freiheit und die Weihnachts-Marseillaise

Ferdinand-Victor-Eugène Delacroix 1830 Die Freiheit führt das Volk. 

Die Freiheit heisst hier Marianne und ist eines der National-Symbole Frankreichs, neben Hahn und Trikolore. Seit der Zeit nach der Grossen Revolution gilt sie als Allegorie auf Freiheit und Vernunft. Man stelle sich die deutsche Freiheit als Frau mit nackter Brust und wehendem Gewand vor. Die Christel oder die Erna. (Nichts gegen die Träger dieser Namen!) Ob das ginge? Vielleicht mit Iris Berben als Vorbild für die Büste? Die Büste der Marianne wird nämlich von Zeit zu Zeit nach dem Vorbild wechselnder prominenter Französinnen neu gefertigt und dann in den örtlichen Rathäusern ausgestellt:
 1970: Brigitte Bardot
 1978: Mireille Mathieu
 1985: Catherine Deneuve
 1989: Ines de la Fressange
 2000: Laetitia Casta
 2004: Evelyne Thomas (Fernsehmoderatorin)
 2009: Florence Foresti
 
Die Marseillaise: was für ein wildes Lied, angeblich wurde es in einer Nacht geschrieben und war ursprünglich für die Rheinarmee bestimmt und dann ist es 1795 zur Nationalhymne erhoben worden. Der Autor heisst: Claude Joseph Rouget de Lisle.

DIE MARSEILLAISE 1

Auf, Kinder des Vaterlands!
Der Tag des Ruhms ist da.
Gegen uns wurde der Tyrannei
Blutiges Banner erhoben.
Blutiges Banner erhoben.
Hört Ihr im Land
Das Brüllen der grausamen Krieger?
Sie rücken uns auf den Leib,
Eure Söhne, Eure Frauen zu köpfen!

Refrain:
Zu den Waffen, Bürger!
Schließt die Reihen,
Vorwärts, marschieren wir!
Das unreine Blut
Tränke unserer Äcker Furchen!

Was will diese Horde von Sklaven,
Von Verrätern, von verschwörerischen Königen?
Für wen diese gemeinen Fesseln,
Diese seit langem vorbereiteten Eisen?
Diese seit langem vorbereiteten Eisen?
Franzosen, für uns, ach! welche Schmach,
Welchen Zorn muß dies hervorrufen!
Man wagt es, daran zu denken,
Uns in die alte Knechtschaft zu führen!

Refrain

Was! Ausländisches Gesindel
Würde über unsere Heime gebieten!
Was! Diese Söldnerscharen würden
Unsere stolzen Krieger niedermachen!
Unsere stolzen Krieger niedermachen!
Großer Gott! Mit Ketten an den Händen
Würden sich unsere Häupter dem Joch beugen.
Niederträchtige Despoten würden
Über unser Schicksal bestimmen!

Refrain

Zittert, Tyrannen und Ihr Niederträchtigen
Schande aller Parteien,
Zittert! Eure verruchten Pläne
Werden Euch endlich heimgezahlt!
Werden Euch endlich heimgezahlt!
Jeder ist Soldat, um Euch zu bekämpfen,
Wenn Sie fallen, unsere jungen Helden,
Zeugt die Erde neue,
Die bereit sind, gegen Euch zu kämpfen!

Refrain

Franzosen, Ihr edlen Krieger,
Versetzt Eure Schläge oder haltet sie zurück!
Verschont diese traurigen Opfer,
Die sich widerwillig gegen uns bewaffnen.
Die sich widerwillig gegen uns bewaffnen.
Aber diese blutrünstigen Despoten,
Aber diese Komplizen von Bouillé,
Alle diese Tiger, die erbarmungslos
Die Brust ihrer Mutter zerfleischen!

Refrain

Heilige Liebe zum Vaterland,
Führe, stütze unsere rächenden Arme.
Freiheit, geliebte Freiheit,
Kämpfe mit Deinen Verteidigern!
Kämpfe mit Deinen Verteidigern!
Damit der Sieg unter unseren Flaggen
Den Klängen der kräftigen Männer zu Hilfe eilt,
Damit Deine sterbenden Feinde
Deinen Sieg und unseren Ruhm sehen!

Refrain

Wir werden des Lebens Weg weiter beschreiten,
Wenn die Älteren nicht mehr da sein werden,
Wir werden dort ihren Staub
Und ihrer Tugenden Spur finden.
Und ihrer Tugenden Spur finden.
Eher ihren Sarg teilen
Als sie überleben wollend,
Werden wir mit erhabenem Stolz
Sie rächen oder ihnen folgen.

Refrain


http://www.youtube.com/watch?v=NxTGwAtxwzs 


Ha, und es gibt auch eine Weihnachts-Marseillaise!  

MARSEILLAISE 2 - Verstummt Ihr Engel und Ihr Hirten 


Verstummt Ihr Engel und Ihr Hirten
verstummt, ihr trägen Litanei´n
Eh nicht gelöst der Völker Bürden
kann Frieden nicht auf Erden sein
Wie könnten Freudenlieder schallen
wo Unterdrückung herrscht und Not
Ein solcher Sang, er wär ein Spott
den Menschen wär´s kein Wohlgefallen


Auf Proletariat
auf, rüste dich zur Tat
zur Wahl! Zur Wahl! Zum ersten Schritt
auf der Befreiungsbahn!


Laß dich in süßen Traum nicht wiegen
mit Orgelton und Glockenklang
sieh doch die roten Banner fliegen
sie winken zum Befreiungsgang
Hat wohl ein Römer süß geschlafen
zur Zeit, da Brennus wog das Schwert?
Wer tatlos zaudert, ist es wert
daß ihn die Peitsche trifft den Sklaven


Auf Proletariat
auf, rüste dich zur Tat
zur Wahl! Zur Wahl! Zum ersten Schritt
auf der Befreiungsbahn!


Nicht hoffe mehr nach alter Sitte
daß dir ein Wunderstern erscheint
dich führend zu des Heilands Hütte
so ist die Sage nicht gemeint
Blick auf, ein Stern in hellem Scheine
der Sozialismus winkt dir zu
und der Erlöser der bist du
und jene Hütte ist die deine


Auf Proletariat
auf, rüste dich zur Tat
zur Wahl! Zur Wahl! Zum ersten Schritt
auf der Befreiungsbahn!


Wohlauf, zum Kampfe, auf zum Siege
damit es Fried´auf Erden wird
damit der Menschheit Feind erliege
der freie Volksgeist triumphiert
und wenn vertilgt die letzten Reste
des Elends und der Sklaverei
wenn alle Menschen froh und frei
dann feiern wir Erlösungsfeste


Auf Proletariat
auf, rüste dich zur Tat
zur Wahl! Zur Wahl! Zum ersten Schritt
auf der Befreiungsbahn!



Film von 1938!


Das französische Original


Allons enfants de la Patrie,
Le jour de gloire est arrivé!
Contre nous de la tyrannie,
L’étendard sanglant est levé,
L’étendard sanglant est levé,
Entendez-vous dans les campagnes
Mugir ces féroces soldats?
Ils viennent jusque dans vos bras
Égorger vos fils, vos compagnes!

Refrain:
Aux armes, citoyens,
Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur
Abreuve nos sillons!

Que veut cette horde d’esclaves,
De traîtres, de rois conjurés?
Pour qui ces ignobles entraves,
Ces fers dès longtemps préparés?
Ces fers dès longtemps préparés?
Français, pour nous, ah! quel outrage
Quels transports il doit exciter!
C’est nous qu’on ose méditer
De rendre à l’antique esclavage!

Refrain

Quoi! des cohortes étrangères
Feraient la loi dans nos foyers!
Quoi! Ces phalanges mercenaires
Terrasseraient nos fiers guerriers!
Terrasseraient nos fiers guerriers!
Grand Dieu! par des mains enchaînées
Nos fronts sous le joug se ploieraient
De vils despotes deviendraient
Les maîtres de nos destinées!

Refrain

Tremblez, tyrans et vous perfides
L’opprobe de tous les partis,
Tremblez! vos projets parricides
Vont enfin recevoir leur prix!
Vont enfin recevoir leur prix!
Tout est soldat pour vous combattre,
S’ils tombent, nos jeunes héros,
La terre en produit de nouveaux,
Contre vous tous prêts à se battre!

Refrain

Français, en guerriers magnanimes,
Portez ou retenez vos coups!
Épargnez ces tristes victimes,
A regret s’armant contre nous.
A regret s’armant contre nous.
Mais ces despotes sanguinaires,
Mais ces complices de Bouillé,
Tous ces tigres qui, sans pitié,
Déchirent le sein de leur mère!

Refrain

Amour Sacré de la Patrie,
Conduis, soutiens nos bras vengeurs
Liberté, Liberté chérie,
Combats avec tes défenseurs!
Combats avec tes défenseurs!
Sous nos drapeaux que la victoire
Accoure à tes mâles accents,
Que tes ennemis expirants
Voient ton triomphe et notre gloire!

Refrain

Nous entrerons dans la carrière
Quand nos aînés n’y seront plus,
Nous y trouverons leur poussière
Et la trace de leur vertus
Et la trace de leur vertus
Bien moins jaloux de leur survivre
Que de partager leur cercueil,
Nous aurons le sublime orgueil
De les venger ou de les suivre

Refrain

Demokratie? Freiheit? Des Anderen?


Zwei Diskussionen, die ich gerade in den Medien verfolge und auch selber führe, und die mir inhaltlich verbunden zu seien scheinen, beschäftigen und verwirren mich zutiefst.

Zum einen wird, im Zusammenhang mit den erschreckenden Fakten, die über mindestens 9 Morde an Mitbürgern mit "Migrationshintergrund" durch Personen, die der Neo-Nazi Szene zuzurechnen sind, ans Tageslicht kommen, wieder über ein NPD-Verbot gesprochen. Bis vor kurzem wurden diese Tötungen noch, ignoranterweise, sogar offiziell, als "Dönermorde" oder "Bosporusmorde" bezeichnet.
Enver Şimşek
Abdurrahim Özüdoğru
Süleyman Taşköprü
Habil Kılıç
Yunus Turgut
İsmail Yaşar
Theodoros Boulgarides
Mehmet Kubaşık
Halit Yozgat
Das sind die Namen der Ermordeten, und die Täter, und auch die Helfer der Täter, müssen verurteilt und bestraft werden.

Aber dies denkend, bin ich immer noch gegen ein Verbot der NPD. Wir sind ein demokratischer Staat, so sagen wir. Ein Teil unserer Bürger vertritt rechte und rechtsextreme Ansichten und tritt darum der NPD bei. Gräßlich, bestürzend, widerlich, aber es ist ihr Recht, solange sie ihre Auffassungen mit den Mitteln und im abgesteckten Rahmen des Rechtsstaates vertreten. Oder? Oder nicht?

Auf der anderen Seite, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Schüler innerhalb seiner Schule nicht beten darf. Er ist Muslim und in den Nachrichten wird sein Beten, als demonstrativ beschrieben. Ich lese, dass andersdenkende Mitschüler von ihm gemobbt und verängstigt wurden. Das darf nicht geschehen, also muß dagegen eingeschritten werden, um die anderen Schüler zu schützen.  

Aber, ja wieder ein aber, aber das Gebet verbieten? 

Wenn es nach mir ginge, gäbe es gar keine religiösen Unterrichte oder Veranstaltungen oder Rituale an staatlichen Schulen. Geschichte, ja, auch Religionsgeschichte, aber dann die Geschichte verschiedener Religionen. Doch Sonderentscheidungen für eine Religion scheinen mir ungut und ausgrenzend. Oder? Oder nicht?

Darf ein Christ innerhalb einer Schule eigentlich öffentlich oder "demonstrativ" beten? Ein Sikh? Ein Jude? Ein Hindu? Ein Buddhist? Ich weiss es nicht.

Ob wir das fragwürdige Wort multikulturell nun mögen, oder nicht, wir leben es, nicht in seiner idealisierten Variante, aber als oft verstörenden Alltag. Wie aber leben wir damit? 

Mir wurde gesagt, in einem muslimischen Land dürfte ein Christ auch nicht in der Schule öffentlich beten, aber wollen/sollten wir nicht anders entscheiden? Eben demokratisch, also alle Teile des Volkes zu ihrem Recht kommen lassend? 

Oder ist das sentimentaler Mist? Und öffnet demokratiefeindlichen Bestrebungen Tür und Tor?

„Freiheit ist immer Freiheit der anders Denkenden, sich zu äußern.“ sagte Rosa Luxemburg. Stimmt das? Geht das? Wie ist das mit der Freiheit des Andersdenkenden sich zu äußern, wenn wir, bzw. einige von uns, sich von dem anders Gedachten bedroht fühlen? Führen Einschränkungen der Freiheit sich zu äußern nicht zu Demokratieverlust? Oder? Oder nicht?

Es ist gesagt worden, dass Demokratie die schlechteste Form der Regierung ist, mit Ausnahme aller anderen, die ausprobiert wurden.
It has been said that democracy is the worst form of government exept all the others that have been tried. Winston Churchill 

Jene, die unentbehrliche Freiheit aufgeben, um ein wenig vorübergehende Sicherheit zu gewinnen, verdienen weder Freiheit, noch Sicherheit.   
They that can give up essential liberty to obtain a little temporay safety deserve neither liberty nor safety. Benjamin Franklin


Mittwoch, 30. November 2011

Walter von der Vogelweide - „Magdeburger Weihnacht“ ein Ausschnitt


Der Dom Sankt Mauritius und Katharinen in Magdeburg
 
Der Magdeburger Dom ist wunderschön. Die Stadt in Schutt und Asche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, hat, zumindest im Zentrum, den Charme der DDR-Architektur der 70er und 80er Jahre, aber der Dom und das Kloster Unserer Lieben Frauen, hinreißend.
Wenn mich mein Vater, geborener und begeisterter Magdeburger, durch die Stadt führte, war das ein ganz seltsamer Vorgang. Er sah vor seinen erinnernden Augen, die geliebte barocke Stadt des Vorkrieges, ich sah die häßliche Gegenwart.

Der Innenhof © Hans-Joachim Hellgert

Am Weihnachtstag 1199 war im ottonischen Kaiserdom zu Magdeburg Philipp von Schwaben, der Konkurrent Ottos IV., zum deutschen König gekrönt worden – Otto selbst hatte in der Krönungskirche in Aachen dieselbe Prozedur durchlaufen. Walther von der Vogelweide, der auch Otto IV. in einem Lied, dem Ottenton, feierte, hatte mit seinem Sangspruch zur Magdeburger Weihnacht dem Konkurrenten Philipp gehuldigt.
Es war das letzte glanzvolle Fest im ottonischen Bau. Am Palmsonntag 1207 zieht der neue Erzbischof Albrecht glanzvoll hier ein – wenige Tage später, am Karfreitag, wird der gewaltige Bau ein Opfer der Flammen. 

Der II. Spruch aus dem 1. Philippston Walthers von der Vogelweide: „Magdeburger Weihnacht“
Walther von der Vogelweide, damals Parteigänger der Staufer, schildert Vorgänge von der Magdeburger Weihnacht 1199 , einem „unglaublich großartig“, wie Zeitgenossen überliefern, verlaufenen Fest, das Philipps Kanzler Konrad zur Herrschaftsdarstellung Philipps im Thronstreit in Szene gesetzt hatte.
Ez gienc eines tages, als unser hêrre wart geborn
von einer maget, die er im ze muoter hât erkorn,
ze Megdeburc der künic Philippes schône.

da gienc eins keisers bruoder und eins keisers kint
in einer wât, swie doch die namen drîge sint,
er truoc des rîches zepter und die krône.
Er trât vil lîse, im was niht gâch,

im sleich ein hôhgeborne küniginne nâch,
rôse âne dorn, ein tûbe sunder gallen.
diu zuht was niener anderswâ,
die Düringe und die Sahsen dienten alsô dâ,
daz ez den wîsen müeste wol gevallen.
Textvorlage: Walther von der Vogelweide. Leich, Lieder, Sangsprüche. 14. völlig neubearbeitete Auf- lage der Ausgabe Karl Lachmanns, hrsg. v. Christoph Cormeau. Walter de Gruyter Berlin, New York 1996, S.37
Die Düringe und die Sahsen dienten im Rahmen der Magdeburger Prozession Philipp von Schwaben. Der Grund der Erwähnung des Dienstes im Spruch zur Magdeburger Weihnacht und seine Art unterscheiden sich. Walther von der Vogelweide meinte mit dem Dienst der Sahsen vermutlich den Dienst Bernhard von Sachsen. Dieser führte im Rahmen der Prozession den Schwertträgerdienst aus. Im Bericht in der Halberstädter Bischofschronik über die Magdeburger Weihnacht fand dies Erwähnung, was ein Indiz für die Wichtigkeit des Schwertträgerdienstes war. Mit dem Dienst der Düringe bezeichnete Walther vermutlich den Dienst des Landgrafen Hermann von Thüringen im Rahmen der Magdeburger Prozession. Der Dienst Hermanns von Thüringen fand nicht an exponierter Stelle statt. Es liegen auch keine Quellen vor, die die Form des Dienstes des Hermanns von Thüringen beschreiben. Nellmann geht davon aus, dass der Dienst darin bestanden habe, dass „der Landgraf (und sein Gefolge) sich an der ihm zukommenden Stelle in der Prozession einreihte“.
Philippes ist die abgeschwächte lateinische Namensform von Phillip.
Drei Personen waren in Philipp vereinigt: der König, eines Kaisers Sohn und eines Kaisers
Bruder: kürzer konnte sein Anspruch auf die königliche Würde nicht 
dargethan werden. 
Irene hieß in Deutschland Maria, deren Beinamen hier auf sie übertragen werden. 

 Dieses Herrscherpaar im Magdeburger Dom wurde als Otto I und Edgitha angesehen. Möglicherweise stellen die Figuren aber auch "König der Könige und Ecclesia" dar, also Jesus, und die personifizierte Darstellung der christlichen Kirche.

Dienstag, 29. November 2011

bisschen - bißchen und die blöde neue deutsche Rechtschreibung


Ein bisschen, ein kleiner Biss, weniger als ein wenig, ein indeklinables Indefinitpronomen - was für ein Wort, und bedeutet doch nur, dass ein bisschen nicht veränderbar ist. Meist wird es in Verbindung mit »ein«, in der Funktion eines Adverbs gebraucht. Ein bisschen Liebe, ein bisschen Hoffnung zum Beispiel. Ein bisschen sieht nach der Neuen deutschen Rechtschreibung nur leider aus wie ein bischen, grob und unelegant. Ein bißchen dagegen, da sieht man den Biss, Biß. Nicht viel, nur einen kleinen Happen, Bissen, scharfe Zähne, schneller Biss/Biß, ein kurzer Schmerz und Viel bleibt übrig. Ach, du liebes bisschen! Ach, du liebes bißchen! Ein kleines bisschen Bisschen oder ein kleines bißchen Bißchen? Ich, heute, über 50 und kein bißchen weiser, bestehe auf das bißchen und schäme mich kein bißchen dafür, sollen doch die doofen Germanisten alle mal ein bißchen leise sein, schreiben zielt doch auch auf das Auge, "das Auge liest mit" sozusagen, und außerdem, solange wir Stängel, aber nicht Ältern schreiben sollen, bleibt die ganze Reform sowieso ein großer Quatsch. Wie Kaiser Wilhelm sagte, bei der vorletzen Rechtschreibereform, reformiert nur ruhig weiter und macht Tür aus Thür und Tor aus Thor, aber Thron bleibt Thron, denn der ist meiner. Ein bißchen Freiheit!!!!

Ein bisschen mehr Freude

Ein bisschen mehr  Freude und weniger Streit,
ein bisschen mehr Güte und weniger Neid,
ein bisschen mehr Liebe und weniger Haß,
ein bisschen mehr Wahrheit, das wär doch was!

Statt soviel Unrast ein bisschen Ruh,

Statt immer nur ich bisschen mehr du,
statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
und Kraft zum Handeln, das wäre gut.

Kein Trübsal und Dunkel, ein bisschen mehr Licht,

kein quälend Verlangen, ein froher Verzicht,
und viel mehr Blumen, solange es geht,
nicht erst auf Gräbern, denn da blühn sie zu spät.
Peter Rosegger

ODER:

Ein bißschen mehr Freude

Ein bißschen mehr Freude und weniger Streit,
ein bißschen mehr Güte und weniger Neid,
ein bißschen mehr Liebe und weniger Haß,
ein bißschen mehr Wahrheit, das wär doch was!

Statt soviel Unrast ein bißschen Ruh,

Statt immer nur ich bißschen mehr du,
statt Angst und Hemmung ein bißschen mehr Mut
und Kraft zum Handeln, das wäre gut.

Kein Trübsal und Dunkel, ein bißschen mehr Licht,

kein quälend Verlangen, ein froher Verzicht,
und viel mehr Blumen, solange es geht,
nicht erst auf Gräbern, denn da blühn sie zu spät.
Peter Rosegger


Blogeintrag von anama vom 12.12.2010 
Nach der „Neuen deutschen Rechtschreibung“ heißt es „ein bisschen“. In der alten Rechtschreibung wurde dieser Ausdruck noch „ein bißchen“ geschrieben.
Nun gibt es aber eine Faustregel, über die man sich ganz gut merken kann, wann das Doppel-S und wann das SZ (also ß) richtig ist:
Ist der Vokal davor ein kurzer, wie bei Kuss, Küsse, Nuss, müssen, Biss, Klasse – dann folgt das Doppel-S.
Ist es ein langer Vokal oder ein Doppel-Vokal wie eu, äu oder ei, wie bei Muße, in Maßen, Kloß, beißen, folgt das SZ, also ß.

Mir fällt da eine Geschichte ein, an der man sich das vielleicht merken kann. In der Grundschule fuhren wir mal auf Klassenfahrt, und die Lehrerin diktierte uns, was mir mitnehmen sollen. „Süßigkeiten in Maßen“ war auch dabei. Ich altkluges kleines Ding zeigte auf und sagte, alle sollten doch darauf achten, dass sie das wirklich mit ß schreiben, damit die Eltern nicht denken, sie müssten Süßigkeiten in Massen einpacken.
 
 

Weihnachtshorror mit selbstmordenden Häschen

Warnung! Nichts für zarte Gemüter!

Bunny Suicides, oder Häschen Selbstmorde, ist eine der gemeinsten Cartoonserien, die ich je gesehen habe. Auf jeder Seite, der mittlerweile drei Bücher, eine neue Variante, wie sich ein Hase zu Tode bringt. Warum er das will, wird nicht erklärt. Der Zeichner heisst Andy Riley, und der Titel des ersten Buches war: The Book of Bunny Suicides: Little Fluffy Rabbits Who Just Don't Want to Live Any More = Das Buch der Häschen Selbstmorde: Kleine Fluffige Hasen, Die Einfach Nicht Mehr Leben Wollen.
 






Montag, 28. November 2011

Mamas Rotkohlrezept


 
Mamas Rotkohlrezept

2 Gläser Kühne Rotkohl!
ca. 200 g Gänseschmalz
4 – 5 Nelken
1 Handvoll Rosinen

Lange, lange schmoren lassen
ab und zu nachsehen, ob noch Flüssigkeit im Topf ist.
 
Rotkraut bleibt Rotkraut und Blaukraut bleibt Blaukraut!
Wiki: Das Rotkraut besitzt eine Farbe, die genau zwischen rot und blau liegt. Im Mittelalter existierte noch kein Begriff für diesen Zwischenton. „Lila“ – ein Wort arabischen Ursprungs – kennt die deutsche Sprache erst seit dem 18. Jahrhundert, es gab nur die Volltonadjektive „blau“ und „rot“. In den deutschen Regionen fielen die Entscheidungen für den Rotkohl unterschiedlich aus. Das deutsche Sprachgebiet kannte im Süden vornehmlich das Kraut, im Norden eher den Kohl.
 
Die Engländer nennen es übrigens Red oder Blue Kraut und deren Kosename für uns Deutsche ist: Krauts! Weil deutsche Seeleute immer Sauerkraut auf ihren Schiffen mitführten gegen die Skorbut. Die Engländer nutzten anstattdessen Zitronensaft - lemons or limes - und wurden von Amerikanern darum ihrerseits Limeys genannt. Der Spitzname der Briten für Franzosen ist übrigens Frogs, Frösche.

Ein Weihnachtsengel


 
"Die Fähigkeit sich zu freuen, ist das Talent aufmerksam zu sein."
"The capacity for delight is the gift of paying attention." 


Julia Margaret Cameron, viktorianische Photographin, 1815 in Kalkutta/Indien geboren, 1879 in Ceylon gestorben., Großtante von Virginia Woolf.



Sonntag, 27. November 2011

Coca Cola und der Weihnachtsmann

Coca Cola hat den Weihnachtsmann erfunden! Nein, natürlich nicht, aber das Bild des fetten, lustigen Mannes mit weissem Bart, rotem Mantel und fellumrandeter Zipfelmütze, das wir im kollektiven Kitschbildergedächtnis mit uns herumtragen, das als Vorlage für all die schlechtschmeckenden Hohlkörper-Schokoladenfiguren dient und als Kostümentwurf für weihnachtliches Kindererschrecken genutzt wird, hat sich ein schwedischer Werbegraphiker namens Haddon Sundblom 1931 für Coca Cola einfallen lassen.


1822 schrieb Clement Clarke Moore, Professor an der Columbia Universität von New York, zum Entzücken seiner sechs Kinder "A Visit from St. Nicholas." Hier ist St. Nikolaus noch ein Zwerg und raucht Pfeife. heute kennt man dieses Gedicht übrigens unter dem Titel "The Night before Christmas", fast jedes amerikanische Kind kann es auswendig.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnet dann der Cartoonist Thomas Nast für Harper's Illustrated Weekly  seine Version des Weihnachtsmannes erst in schwarz-weiss, dann später auch bunt. Rot ist der Mantel schon, wenn auch noch nicht knallrot, aber das Bild formt sich.
1931, die Umsätze für Kaltgetränke lassen in den Wintermonaten zu wünschen übrig. Was tun? Eine Werbe-Kampagne! Und was für eine. Das Bild des dicken Mannes überschwemmte das amerikanische Land als Anzeige in Magazinen, man bedenke, das dies noch vor der Herrschaft der Fernsehwerbung stattfindet, und als Werbesammlerstück. Coca Cola läßt sich das Rot des Mantels patentieren und für 35 Jahre ist der Dicke Werbegesicht für Zuckerbrause.

Das Gedicht von Clement Clarke Moore übersetzt von Erich Kästner (1947)

Als der Nikolaus kam

In der Nacht vor dem Christfest, da regte im Haus
sich niemand und nichts, nicht mal eine Maus.
Die Strümpfe, die hingen paarweis am Kamin
und warteten drauf, daß Sankt Niklas erschien.
Die Kinder lagen gekuschelt im Bett
und träumten vom Apfel- und Nüsseballett.

Die Mutter schlief tief, und auch ich schlief brav,
wie die Murmeltiere im Winterschlaf,
als draußen vorm Hause ein Lärm losbrach,
daß ich aufsprang und dachte: Siehst rasch einmal nach!
Ich rannte zum Fenster, und fast noch im Lauf
stieß ich die knarrenden Läden auf.

Es hatte geschneit, und der Mondschein lag
so silbern auf allem, als sei's heller Tag.
Acht winzige Rentierchen kamen gerannt,
vor einen ganz, ganz kleinen Schlitten gespannt!
Auf dem Bock saß ein Kutscher, so alt und so klein,
daß ich wußte, das kann nur der Nikolaus sein!

Die Rentiere kamen daher wie der Wind,
und der Alte, der pfiff, und er rief: "Geschwind!
Renn, Renner! Tanz, Tänzer! Flieg, fliegende Hitz'!
Hui, Sternschnupp'! Hui, Liebling! Hui, Donner und Blitz!
Die Veranda hinauf, und die Hauswand hinan!
Immer fort mit euch! Fort mit euch! Hui, mein Gespann!"

Wie das Laub, das der Herbststurm die Straßen lang fegt
und, steht was im Weg, in den Himmel hoch trägt,
so trug es den Schlitten auf unser Haus
samt dem Spielzeug und samt dem Sankt Nikolaus!
Kaum war das geschehen, vernahm ich schon schwach
das Stampfen der zierlichen Hufe vom Dach.

Dann wollt' ich die Fensterläden zuzieh'n,
da plumpste der Nikolaus in den Kamin!
Sein Rock war aus Pelzwerk, vom Kopf bis zum Fuß.
Jetzt klebte er freilich voll Asche und Ruß.
Sein Bündel trug Nikolaus huckepack,
so wie die Hausierer bei uns ihren Sack.

Zwei Grübchen, wie lustig! Wie blitzte sein Blick!
Die Bäckchen zartrosa, die Nas' rot und dick!
Der Bart war schneeweiß, und der drollige Mund
sah aus wie gemalt, so klein und halbrund.
Im Munde, da qualmte ein Pfeifenkopf,
und der Rauch, der umwand wie ein Kranz seinen Schopf.

Ich lachte hell, wie er so vor mir stand,
ein rundlicher Zwerg aus dem Elfenland.
Er schaute mich an und schnitt ein Gesicht,
als wollte er sagen: "Nun, fürchte dich nicht!"
Das Spielzeug stopfte er, eifrig und stumm,
in die Strümpfe, war fertig, drehte sich um,
hob den Finger zur Nase, nickte mir zu,
kroch in den Kamin und war fort im Nu!

In den Schlitten sprang er und pfiff dem Gespann,
da flogen sie schon über Tal und Tann.
Doch ich hört' ihn noch rufen, von fern klang es sacht:
"Frohe Weihnachten allen, und allen gut' Nacht!"

 

Für Interessierte:

"Für Gott, Vaterland und Coca-Cola: Die unautorisierte Geschichte der Coca-Cola Company" Marc Pendergast

http://www.angelfire.com/trek/hillmans/xmascoke.html

Dieser Artikel von Bill Hillman lieferte viele der obigen Informationen.

Samstag, 26. November 2011

Zum Advent: Michael Faraday 1860 - Die Kerze

Der Text einer Vorlesung für Kinder, die Michael Faraday, der bedeutende englische Experimentalphysiker, eben der mit dem Käfig, an der Königlichen Institution London gehalten hat. Er gründete diese Veranstaltungen für Kinder 1826, eine Tradition, die noch heute weitergeführt wird. 


Die Kerze


Ihre Flamme. Schmelzen des Brennstoffs. Kapillarität des Dochtes. Die Flamme ein brennender Dampf. Gestalt und Theile der Flamme. Deraufsteigende Luftstrom. Andere Flammen

Schon bei einer früheren Gelegenheit wählte ich die Naturgeschichte einer Kerze zum Thema meines Vortrags, und stände die Wahl nur in meinem Belieben, so möchte ich dieses Thema wohl jedes Jahr zum Ausgang meiner Vorlesungen nehmen, so viel Interessantes, so mannigfache Wege zur Naturbetrachtung im Allgemeinen bietet dasselbe dar. Alle im Weltall wirkenden Gesetze treten darin zu Tage, und schwerlich möchte sich ein bequemeres Thor zum Eingang in das Studium der Natur finden lassen.

Vorweg möchte ich mir die Bitte an meine Zuhörer erlauben, bei aller Bedeutung unseres Gegenstandes und allem Ernst der wissenschaftlichen Behandlung desselben doch von den Älteren unter uns absehen zu dürfen und das Vorrecht zu beanspruchen, als junger Mann zu jungen Leuten zu sprechen, wie ich es früher bei ähnlicher Veranlassung gethan, und wenn ich mir auch bewußt bin, daß meine hier gesprochenen Worte in weitere Kreise hinausdringen, so soll mich dies doch nicht abhalten, den früher gewohnten Familienton gegen die mir Nächststehenden auch in den gegenwärtigen Vorlesungen anzuschlagen.

Zuerst muß ich Euch, meine lieben Knaben und Mädchen, wohl erzählen, woraus Kerzen verfertigt werden. Da lernen wir denn ganz sonderbare Dinge kennen.
Hier habe ich etwas Holz, Baumzweige, deren leichte Brennbarkeit Euch ja bekannt ist - und hier seht Ihr ein Stückchen von einem sehr merkwürdigen Stoffe, der in einigen Moor-Sümpfen Irlands gefunden wird, sogenanntes "Kerzenholz" es ist dies ein vorzüglich hartes, festes Holz, als Nutzholz vortrefflich verwendbar, da es sich sehr dauerhaft zeigt, bei alledem aber so leicht brennend, daß man an seinen Fundorten Späne und Fackeln daraus schneidet, die wie Kerzen brennen und wirklich ausgezeichnetes Licht geben, so daß wir hierin die natürlichste Kerze, eigentlich eine Naturkerze vor uns sehen.
Wir haben hier indeß besonders von Kerzen zu sprechen, wie sie im Handel vorkommen. Hier sind zunächst etliche sogenannte gezogene Lichte. Dieselben werden auf folgende Weise verfertigt: Baumwollene Schnüre werden mit einer Schlinge an einem Stab aufgehängt, in geschmolzenen Talg eingetaucht, herausgezogen und abgekühlt dann wieder eingetaucht, und dieses Verfahren so lange fortgesetzt, bis eine genügende Menge Talg rings um den baumwollenen Docht hängen geblieben ist, und so die Kerze die gewünschte Dicke erhalten hat.
Die große Verschiedenartigkeit der Kerzen könnt Ihr recht deutlich an denen sehen, welche ich hier in der Hand halte, diese sind auffällig dünn, sie wurden ehedem von den Bergleuten in den Kohlenbergwerken gebraucht. In früheren Zeiten mußte sich der Bergmann seine Kerzen selbst verfertigen aus Sparsamkeit nun, besonders aber wohl, weil man der Meinung war, die Grubengase würden von einer kleinen Flamme nicht so rasch entzündet wie von einer großen, machte man die Kerzen so dünn, daß 20, 30, 40, ja 60 auf das Pfund gingen. Statt ihrer kamen die Davy'sche und verschiedene andere Sicherheitslampen in Gebrauch.
Hier seht Ihr dagegen eine Kerze, welche Oberst Pasley aus dem untergegangenen Schiff Royal George entnommen hat. Viele Jahre lang auf dem Meeresgrund der Einwirkung des Seewassers ausgesetzt, überdies geschunden und zerknickt, zeigt sie uns, wie gut sich eine Kerze conserviren kann: denn angezündet brennt sie ganz gleichmäßig fort, und der schmelzende Talg bewährt sich völlig in seinen ursprünglichen Eigenschaften.
Herr Field in Lambeth hat mir viele sehr gute Zeichnungen und Materialien aus der Kerzenfabrikation zugestellt, mit denen ich Euch bekannt machen werde.
Hier zunächst ist Nierenfett, Rindertalg, ich glaube russischer Talg, aus dem die gezogenen Lichte gemacht werden. Der Talg wird zuerst mit gelöschtem Kalk gekocht, wodurch eine Art Seife gebildet wird diese Seife wird dann durch Schwefelsäure zersetzt, welche den Kalk fortnimmt und das veränderte Fett als Stearinsäure zurückläßt. Zugleich wird etwas Glycerin, eine syrupartige Flüssigkeit, gebildet.
Durch Auspressen wird sodann alles Oelige entfernt, und Ihr seht hier einige Preßkuchen, an denen sich zeigt, daß die Unreinigkeiten je nach der Stärke des Druckes allmählich mehr und mehr entfernt werden, die zurückgebliebene Masse wird nun geschmolzen und zu Kerzen gegossen, wie sie hier vor uns liegen. Die Kerze, welche ich hier in der Hand habe, ist eine auf dem beschriebenen Wege hergestellte Stearinkerze.
Daneben habe ich eine Wallrathkerze, aus dem gereinigten Fett des Pottfisches verfertigt ferner seht Ihr hier gelbes und weißes Wachs, woraus Kerzen gemacht werden hier eine merkwürdige Substanz, das aus irischen Sümpfen gewonnene Paraffin, so wie einige Paraffinkerzen.
Seht, wie wunderschön diese Kerzen hier gefärbt sind! Malvenblau, Magenta und alle die neu erfundenen prächtigen Farben sind zur Verschönerung verwendet.
In dieser Kerze hier zeigt sich in wundervoller Form eine gekehlte Säule, und hier habe ich mit bunten Blumen schön bemalte Kerzen, die angezündet eine strahlende Sonne und darunter einen blühenden Garten darstellen. Indeß, nicht alles Schöne ist nützlich, und diese gekehlten Kerzen sind bei ihrem schönen Ansehen doch schlechte Kerzen, und zwar gerade infolge ihrer Form durch dergleichen Verfeinerungen wird meistens die Brauchbarkeit beeinträchtigt.

Ich wende mich nunmehr zu unserem eigentlichen Thema, zunächst zur Flamme der Kerze. Wir wollen eine oder zwei anzünden und so in Ausübung ihrer eigenthümlichen Functionen setzen. Ihr bemerkt, wie ganz verschieden eine Kerze von einer Lampe ist. Bei einer Lampe hat man den mit Oel gefüllten Behälter, in welchen der aus Moos oder Baumwolle bereitete Docht gebracht wird das Dochtende zündet man an, und wenn die Flamme bis zum Oel hinabgekommen, verlöscht sie dort, brennt aber in dem höher gelegenen Theile des Dochtes fort. 

Nun werdet Ihr unzweifelhaft fragen, wie es kommt, daß das Oel, welches für sich nicht brennen will, zur Spitze des Dochtes gelangt, wo es brennt, wir werden das sogleich untersuchen. Aber bei dem Brennen einer Kerze geschieht noch etwas weit Merkwürdigeres. Hier haben wir eine feste Masse, die keinen Behälter braucht - wie kann wohl diese Masse da hinaufgelangen, wo wir die Flamme sehen, da sie doch nicht flüssig ist? Oder, wenn sie in eine Flüssigkeit verwandelt ist, wie kann sie dabei doch in festem Zusammenhalt bleiben?

Wahrlich ein merkwürdig Ding, so eine Kerze!

Da bemerken wir denn zunächst, wie die oberste Schicht der Kerze gleich unter der Flamme sich einsenkt zu einer hübschen Schale. Die zur Kerze gelangende Luft nämlich steigt infolge der Strömung, welche die Flammenhitze bewirkt, nach oben und kühlt dadurch den Mantel der Kerze ab, also daß der Rand des Schälchens kühler bleibt und weniger einschmilzt als die Mitte, während auf diese die Flamme am meisten einwirkt, da sie so weit als möglich am Docht herabzulaufen strebt.
So lange die Luft von allen Seiten gleichmäßig zuströmt, bleibt unser Schälchen vollkommen wagrecht, sodaß die darin schwimmende geschmolzene Kerzenmasse ebenfalls wagrecht darin stehen bleiben muß stelle ich aber einen seitlichen Luftstrom her, so wird alsbald das Schälchen schief und läuft die flüssige Masse an der Seite herab - jenes wie dieses nach demselben Gesetz der Schwere, welches die Welten treibt und zusammenhält. Ihr seht also, daß die Schale durch den gleichmäßig aufsteigenden Luftstrom gebildet wird, welcher das Aeußere der Kerze von allen Seiten umspielt und es dadurch kalt hält. Nur solche Stoffe können zu Kerzen verwendet werden, welche die Eigenschaft besitzen, beim Brennen ein derartiges Schälchen zu bilden.

Wie gelangt der Brennstoff der Kerze aus dem Schälchen den Docht hinauf an den Verbrennungsort? Ihr wißt, daß bei Wachs-, Stearin-, Wallrathkerzen die Flamme am brennenden Docht nicht herunterläuft zum Brennstoff und diesen ganz fortschmilzt, sondern daß sie an ihrem Platze oben bleibt, getrennt von dem Flüssigen darunter und ohne sich an dem Rand der Schale zu vergreifen. Ich kann mir kein schöneres Beispiel von Anpassung denken: Um die beste Wirkung hervorzubringen, ist in der Kerze jeder Theil dem andern dienstbar. Es ist mir ein wundervoller Anblick, diesen brennbaren Stoff so allmählich abbrennen zu sehen, ohne je von der Flamme ergriffen zu werden, zumal wenn man dabei erwägt, welche Kraft der Flamme innewohnt, das Wachs zu zerstören, wenn sie ihm zu nahe kommt.

Wie aber erfaßt nun die Flamme den Brennstoff? Durch kapillare Anziehung!

"Kapillare Anziehung?" fragt Ihr. "Haarröhrchen-Anziehung?" Nun, der Name thut nichts zur Sache - man hat ihn zu Zeiten gegeben, wo man noch gar kein rechtes Verständniß von der Kraft hatte, die er bezeichnen sollte. Die Wirkung dieser sogenannten Kapillaranziehung ist, daß der Brennstoff an den Verbrennungsort hingeleitet und abgesetzt wird, und zwar nicht von ungefähr, sondern hübsch ordentlich grade in die Mitte des Herdes, auf dem der Prozeß vor sich geht.
Vermöge dieser Kraft können zwei Körper, die nicht in einander übergehen, doch an einander haften. Wie Ihr nach dem Händewaschen ein Handtuch nehmt, das die Nässe von den Händen aufsaugt, so saugt der Docht infolge derselben Attraction das Wachs, Stearin etc. in sich hinein und bis zur Flamme hinauf.
Ich kannte einige unordentliche Kinder, die nach dem Abtrocknen der Hände das Handtuch nachlässig über den Waschbeckenrand hinwarfen nach kurzer Zeit hatte das Tuch alles Wasser aus dem Becken auf die Dielen geleitet, weil es zufällig so auf den Rand zu liegen gekommen war, daß es als Heber wirken konnte. In gleicher Weise nun steigen beim Brennen die geschmolzenen Wachstheilchen im Docht empor und gelangen in die Spitze andere Theilchen wandern infolge ihrer gegenseitigen Anziehung ihnen nach, und die einen nach den andern werden, wie sie nach und nach in die Flamme eintreten, so von dieser verzehrt.
Der einzige Grund nun, weshalb eine Kerze nicht ohne Weiteres längs des Dochtes herabbrennt, liegt darin, daß geschmolzener Talg die Flamme auslöscht. Ihr wißt, daß eine Kerze sofort ausgeht, wenn man sie umdreht, so daß der geschmolzene Brennstoff im Docht zur Spitze fließen kann. Es kommt dies daher, daß die Flamme nicht Zeit genug hat, den jetzt in größerer Menge schmelzenden Brennstoff gehörig zu erhitzen, wie sie es von oben thut, wo nur kleinere Quantitäten nach und nach schmelzen, im Docht aufsteigen und die Hitze ihre volle Wirkung auf dieselben ausüben kann.

Wir gelangen jetzt zu einem sehr wichtigen Punkt in unserer Betrachtung, ohne dessen eingehende Erörterung Ihr nicht im Stande wäret, den Vorgang in der Kerzenflamme vollkommen zu verstehen ich meine den gasförmigen Zustand des Brennstoffs. Damit Ihr mich recht versteht, will ich Euch ein ebenso niedliches wie einfaches Experiment zeigen. Wenn Ihr eine Kerzenflamme vorsichtig ausblast, seht Ihr Dämpfe davon emporsteigen Ihr habt sicherlich schon oft den Dampf einer ausgeblasenen Kerze gerochen - es ist ein sehr unangenehmer Geruch. Geschieht aber, wie ich sagte, das Ausblasen recht vorsichtig, so kann man ganz deutlich den Dampf sehen, in welchen sich die feste Masse der Kerze verwandelt hat.

Ich werde jetzt eine dieser Kerzen so ausblasen, daß die Luft ringsherum dabei nicht bewegt wird, nämlich mit Hilfe beständig anhaltender Einwirkung meines Athems und wenn ich nun einen brennenden Span dem Docht auf 2 bis 3 Zoll nähere, so bemerkt Ihr einen Feuerschein, der durch den Dampf hindurchzuckt, bis er zur Kerze gelangt. Mit all dem muß ich sehr rasch fertig werden, weil sich der Dampf, wenn ich ihm Zeit zum Abkühlen lasse, in flüssiger oder fester Form verdichtet, oder der Strom entzündbarer Substanz sich zerstreut.

Wir kommen jetzt zu Umriß und Gestalt der Flamme. Ihr kennt die glänzende Schönheit des Goldes und des Silbers, das noch hellere Schimmern und Glitzern der Edelsteine, wie Rubin und Diamant - aber nichts kommt dem Glanz und der Schönheit einer Flamme gleich. Sie bildet einen unten abgerundeten Kegel, oben heller als unten, den Docht in der Mitte. Unten, in der Nähe des Dochtes, unterscheidet man deutlich einen dunkleren Theil, in welchem die Verbrennung noch nicht so vollständig ist als in den höheren Partien.
Jetzt werde ich das Sonnenlicht nachahmen, indem ich diese Volta'sche Säule mit einer electrischen Lampe in Verbindung setze. Hier steht unsere selbstgeschaffene Sonne und ihre große Lichtfülle! Wenn ich nun zwischen sie und diesen Schirm eine Kerze stelle, so erhalten wir hier den Schatten der Flamme. Ihr unterscheidet deutlich den Schatten der Kerze und des Dochtes dann hier den dunklen Theil, dann eine hellere Partie. Es ist merkwürdig, daß wir den Theil der Flamme im Schatten als den dunkelsten sehen, der in Wirklichkeit der Hellste ist. Hier endlich zeigt sich der aufsteigende Luftstrom, der die Flamme nährt, sie mit sich emporzieht und den Rand des Brennschälchens abkühlt.

Nun muß ich Eure Aufmerksamkeit auf einige andere Punkte lenken. Viele der hier brennenden Flammen weichen in ihrer Form bedeutend von einander ab, und zwar wiederum infolge der Luftströme, die sie in verschiedenen Richtungen umwehen. Andererseits aber können wir auch Flammen herstellen, die wie feste Körper stehen bleiben, sodaß wir sie bequem photographiren können - und letzteres müssen wir auch wirklich thun, um noch mancherlei daran zu untersuchen. Nehme ich eine hinlänglich große Flamme, so behält sie nicht die gleichmäßige bestimmte Gestalt, sondern sie verzweigt sich mit einer ganz wunderbaren Kraft.


Gewiß haben Viele von Euch sich schon am Snapdragon ergötzt, welches Spiel im Wesentlichen darin besteht, im Dunkeln Branntwein über Rosinen oder Pflaumen in einer Tasse abbrennen zu lassen. Ich kenne keine schönere Erläuterung zu diesem Theil unseres Gegenstandes, als jenes Spiel. Hier habe ich zunächst eine Schale und bemerke dabei, daß man, um ein recht schönes Snapdragon zu bekommen, eine vorher gut erwärmte Schale nehmen muß auch sollte man die Pflaumen und den Branntwein vorher erwärmen.
Wie wir bei einer Kerze oben das Schälchen und darin den geschmolzenen Brennstoff haben, so hier die Schale mit dem Spiritus darin, während der Docht hier von den Rosinen vertreten wird. Ich zünde jetzt den Spiritus an, und Ihr seht nun die wundervollen Flammenzungen emporschlagen Ihr seht, wie die Luft über den Schalenrand hineinsteigt und diese Zungen emportreibt. Wie so? Nun, bei der Heftigkeit der Luftströmung und der Unregelmäßigkeit des Vorganges kann die Flamme nicht in einem Zuge gleichmäßig emporsteigen. Die Luft fließt so unregelmäßig in die Schale hinein, daß Ihr das, was sich sonst als einheitliches Bild darstellen würde, in eine Menge verschiedener Gestaltungen zerrissen seht, von denen jede ihre eigene unabhängige Existenz besitzt. Ich möchte fast sagen, wir sähen hier eine Anzahl einzeln für sich bestehender Kerzen vor uns. Aber Ihr müßt Euch nicht vorstellen, daß, weil man alle diese Zungen auf einmal sieht, ihr Gesammtbild die eigenthümliche Gestalt der Flamme darstelle. Es ist eine Menge von Formen, die so rasch auf einander folgen, daß das Auge sie nicht einzeln zu fassen im Stande ist, sondern den Eindruck von allen gleichzeitig empfängt.
Es thut mir leid, daß wir heute nicht weiter als zu meinem Snapdragon-Spiel gekommen sind. Es soll mir aber für die Zukunft eine Mahnung sein, mich strenger an die Sache zu halten, und Eure Zeit nicht so sehr mit dergleichen Ausschmückungen in Anspruch zu nehmen.




Advent - Ankunft


Eine kurze Vorwarnung für die nächste Zeit: ich liebe Weihnachten! Ich weiss, das ist nicht trendy, nicht schick, nicht modern, aber ich liebe es. Nicht den Einkaufszwang, nicht niedliche kleine Plastikrentiere und getöpferte Weihnachtsmänner, nicht Volksmusikverbände, die zarte heimelige Lieder mit gefühlsimitiertem Timbre über kaufrauschgetränkte Märkte schmieren. Aber:

Es ist ein Ros entsprungen
Aus einer Wurzel zart.
Wie uns die Alten sungen,
Aus Jesse kam die Art Und hat ein Blümlein bracht,
Mitten im kalten Winter,
Wohl zu der halben Nacht.

Das Röslein das ich meine,
Davon Jesaia sagt:
Maria ist's, die Reine,
Die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ew'gen Rat
Hat sie ein Kind geboren
Wohl zu der halben Nacht.

Das Bümelein so kleine,
Das duftet uns so süß,
Mit seinem hellen Scheine
Vertreibt's die Finsternis.
Wahr' Mensch und wahrer Gott,
Hilf uns aus allem Leide,
Rettet von Sünd' und Tod.

O Jesu, bis zum Scheiden
Aus diesem Jammertal
Laß Dein Hilf uns geleiten
Hin in den Freudensaal,
In Deines Vaters Reich,
Da wir Dich ewig loben.

Das ist schön. Und dabei bin ich nicht mal ein bißchen religiös. Aber ich liebe diese Geschichte, von dem Mann der sich einer Frau verlobt, die plötzlich schwanger ist, ohne sein Zutun, und er will sie verlassen und bringt es nicht über sich. Die Reise auf dem Esel, der Horror des Kindermordes, von dem die künftige Kleinfamilie nichts weiss, der Stall und die Schafshirten, die sich freuen, zusammen mit Ochs, Esel und Schaf. Die drei verwirrten Könige, die auf eine Ahnung hin weit reisen, um zu einer Geburt zu gratulieren. Gibt es schöneres Bild für Hoffnung? Heute hat mir eine Bekannte, die Krankenschwester werden will, von der ersten Geburt erzählt, bei der sie heute anwesend war - ein Wunder, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ironie greift nicht. Postdramatisch? Von wegen!

Von der Freundlichkeit der Welt

Auf die Erde voller kaltem Wind
Kamt ihr alle als ein nacktes Kind.
Frierend lagt ihr ohne alle Hab
Als ein Weib euch eine Windel gab.

Keiner schrie euch, ihr wart nicht begehrt
Und man holte euch nicht im Gefaehrt.
Hier auf Erden wart ihr unbekannt
Als ein Mann euch einst nahm an der Hand.

Von der Erde voller kaltem Wind
Geht ihr all bedeckt mit Schorf und Grind.
Fast ein jeder hat die Welt geliebt,
Wenn man ihm zwei Hände Erde gibt.

"Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben», das heißt übersetzt: Gott mit uns."

Ich liebe es, mit meiner kleinen Nichte den Baum zu schmücken. Nicht ästhetisch durchgeplant, sondern bunt, solang bis kein Grün mehr zu sehen ist.
Ich liebe die Erinnerung an viele vergangene Weihnachten, an Menschen, die nicht mehr anwesend seien werden, und die Freude an den Anderen, die hinzugekommen sind.
Ich liebe es, jedes Jahr einmal genau das gleiche Essen zu essen. Mir das Hirn über das richtige, erfreuende Geschenk zu zermartern und mich auf Geschenke zu freuen.
Und dann am 27. ist Schluss damit. Das liebe ich auch.