Die gewöhnliche vergnügliche Feier ist in meinem Umkreis eine vom Aussterben bedrohte Form des unerzwungenen Zusammentreffens von Menschen. Man trifft sich heutzutage eher im Cafe, im Restaurant, in der Bar, man lädt zum Essen ein, man geht gemeinsam ins Theater, Kino oder Museum. Aber gemeinsames Feiern, außerhalb von Premieren-, Drehende- oder Preisvergabeparties, ist rarer als ein deutscher Fernsehabend ohne Ch. Neugebauer.
Merkwürdig.
Man geht auch nicht mehr einfach so mal bei jemandem vorbei, auf'n Kaffee. Man verabredet sich. Am besten schon Wochen vorher. Kalenderabgestimmte Spontaneität. Haben wir so viel mehr zu tun? Ersetzt uns Facebook das ungeplante Hängenbleiben in der Kantine? Halten unsere älter gewordenen Herzen, Lebern und Knochen Überraschungs-treffen nicht mehr aus?
Vor zwei Jahren hatte Pierre Besson die großartige Idee allen ihm bekannten, verstreuten, freischaffenden, herumstreunenden darstellenden Künstlern, die Gelegenheit zu geben, gemeinsam zu feiern. Ohne genauer bestimmten Anlaß, als den, dass es Frühling oder Herbst ist. Ich gehe gern zu diesen Festen, im Handgepäck zwei nichtselbstgebackene Kuchen (Hier ein herzlicher Dank an meine Mutter!) und die Vorfreude auf lauter Leute, die ich außerhalb dieser Feste nie, fast nie oder nur in den unkörperlichen Gefilden von Facebook treffe, die ich aber irgendwie mag. Unanstrengend ist es. Auch unverbindlich, aber das muß ja nicht immer etwas Schlechtes sein.
Wir alle hasten berufshalber durch die Gegend, schließen kurzzeitige innige Bündnisse
und verlassen sie wieder, wenn das jeweilige Projekt beendet ist. Hin und wieder, "once in a blue moon" *, entsteht etwas Dauerndes, eine Freundschaft, eine professionelle Partnerschaft, eine Innigkeit, aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Die alten Ensembles mit der ihnen eigenen familienähnlichen Struktur, verschworen und dysfunktional in einem, sind am Aussterben, der an- und abreisende Wanderspieler/-regisseur ist das Modell des Tages, ich schreibe dies ohne jede Sentimentalität. Aber es tut gut, zweimal im Jahr die anderen, die leben wie du, zu treffen. Die, die auch nicht wissen, was übernächstes Jahr sein wird, und die ängstlich aber stolz sind ob dieser Ungewissheit.
Der Dramatiker und Kritiker Eric Bentley definierte Schauspiel als: „A verkörpert B, während C zuschaut“.
Wanderschauspieler in eine Scheune probierend. Aus den Arbeiten von WIlliam Hogarth (Jones, 1833).
* Wiki sagt: Ein Blue Moon (engl. „blauer Mond“) ist im englischen Sprachraum landläufig die Bezeichnung für einen zweiten Vollmond innerhalb eines Monats. In älterer astronomischer Definition wird damit der dritte Vollmond innerhalb einer Jahreszeit mit vier Vollmonden bezeichnet. In der Umgangssprache meint man mit dem Spruch once in a blue moon dementsprechend etwas sehr Seltenes.
Das klingt nach einem wunderbaren Zusammensein und vielen Lächelgründen, geballt an einem Abend.
AntwortenLöschenWeißt Du, ich möchte die Fernkommunikationsmedien ja nicht missen. Meine Menschen sind so verstreut, ich bin verstreut, ich liebe das Telefon und Skype und Mails und all das sehr - aber als ich Anfängerin in Dessau war, da erzählten mir meine Kollegen, dass man zum Beispiel früher einmal am Tag ins Theater ging... auf den Probenplan schauen. Und weil nicht jeder Haushalt Telefon hatte klingelte man eben mal im Vorbeigehen an Wohnungen, wenn man gerade in der Gegend war - und dann trank man einen Kaffee zusammen und quatschte.
Heute haben wir viele Möglichkeiten uns nach anderen Menschen auszustrecken ohne die Wohnung zu verlassen. Andere, neue Möglichkeiten... schöne, aber auch bequeme. Missen möchte ich sie nicht, aber man greift wohl immer nur auf eine bestimmte Anzahl Möglichkeiten zurück - dabei geraten die alten, vielleicht manchmal persönlicheren, ins Hintertreffen.
Umso schöner, wenn man sie dann ganz bewußt zelebriert.
Ja, so richtig weiß ich nicht, ob wir einfach unkoplizierter waren, weil wir jünger waren.
AntwortenLöschenAber die fehlenden Telefone im Osten hatten ganz sicher ihren Anteil daran. Man brüllte unten, wenn oben Licht war oder schmiss Steinchen, oder, wenn eine Haustür offen war, kletterte man notfalls kreuz und quer über Hofmauern, bis man im richtigen Hinterhof war.
Haste Zeit? Nee, grad nicht, mach Dir 'n Tee. Oder: bis morgen. Oder man badete zusammen oder mit dem Kind, das grad in der Wanne saß. Ein Bad hatte ja auch kaum einer.
Manchmal saßen lauter Leute zufällig zusammen in einer Küche, die sich bis dahin nicht kannten.
Ich staune heute immer mal wieder, wenn mir Leute erzählen, dass sie mal bei uns in der Wohnung rumgelungert hätten. Und ich war mit anderen bei Leuten, die mich nicht mehr kennen.
Ist mir heute unvorstellbar, aber eine richtig schöne Erinnerung an die ätzende Mangelwirtschaft. Oder besser, was wir imstande waren, damit anzufangen.