Donnerstag, 8. November 2012

Briefe zwischen Weigel und Brecht




ich lerne: gläser + tassen spülen


   1923 haben sich die beiden bei der Arbeit an "Trommeln in der Nacht" in 
   Berlin kennengelernt. Sie eine österreichische Jüdin, die begann sich als Schau-
   spielerin einen Namen zu machen und er, ein schwäbischer Dichter, mit enormem 
   Talent und ebenso großen Ambitionen. 

   Ende Dezember 1923 Brecht an Weigel:

   1
   Zweite Hälfte Dezember:
   starke Langeweile
   90% Nikotin
   10% Grammophon
   offensichtlicher Mangel
   an Bädern
   Jahresende:
   Auf nach Mahagonny
   bevorzugt!

   2
   HW
   (zu deutsch:
             Havary)

   1923 bis 1956, 33 Jahre, zwei Kinder, 12 Jahre erzwungene Emigration, viel Arbeit,
   eine Theatergründung.
   In den 12 Jahren für sie nahezu keine Rollen, er schreibt hauptsächlich für die Schub-
   lade. Sie verlassen Deutschland 1933 direkt nach dem Reichstagsbrand, und ziehen 
   über Prag nach Wien, dann in die Schweiz, nach Dänemark, Schweden, Finnland, 
   jeweils für etwa ein Jahr, zwischendurch immer wieder Reisen auf Arbeitssuche,
   schießlich über Leningrad, Moskau und Wladiwostok in die USA. Bis 1947 leben sie, 
   dass heißt die ganze Familie, in Los Angeles. Nachdem Brecht 1947 vor das Kommitee 
   für Un-Amerikanische Aktivitäten geladen worden war, verläßt erst er, dann auch der 
   Rest der Familie die USA und wandern über Frankreich und die Schweiz wieder 
   nach  Berlin.
   12 Jahre nicht spielen, als sie fliehen mußten, war Helli, Helle oder Helen, wie Brecht 
   sie anschrieb, 33.


  Es war sicher keine übliche Ehe. Aber es war eine, so scheint mir, gute. Sie verloren 

  nie das Interesse aneinander, das wird aus den Briefen deutlich, sie hatten 
  einen gemeinsamen Humor und man bekommt, obwohl seine Briefe zahlreicher sind 
  als die ihren, viele sind wohl bei den zahlreichen Umzügen verloren gegangen, 
  den Eindruck von zwei sehr starken Personen, die sich dem Bemühen 
  umeinander stellen. 


  Ulrich Matthes und Katharina Thalbach haben ganz wunderschön gelesen, leicht 
  und amüsiert. Die Lesung wird wohl im Januar vielleicht noch einmal wiederholt.


 14. März 1956 Weigel an Brecht

  Lieber Bert!

  Wir haben gestern wie die Wahnsinnigen geheizt und nach einem ganzen Tag heizen 
  im Probenhaus waren 8º zu erreichen. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Wir wissen nicht, 
  wie wir Kohlen bekommen sollen. Der Magistrat kann uns nicht mehr an Zuschuß 
  geben. Trotz aller Schwierigkeiten muß ich Dich bitten noch in dem kleinen Probe-
  bühnchen zu arbeiten. Es ist versprochen worden, nächste Woche sei Frühling.

  Ihn habe ich nicht kennengelernt, sie war die beste vorstellbare Großmutter, nach 

  dem Abend heute, vermisse ich sie beide.


  Bertolt Brecht / Helene Weigel Briefe 1923-1956 "ich lerne: gläser + tassen spülen"
  suhrkamp; herausgegeben von Erdmut Wizisla

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