Samstag, 3. November 2012

November - Allerlei



Albrecht Dürer Weinender Cherubim


Dies Irae -
Tage des Zorns
 
Als ich das Dis Irae in der Sixtinischen Kapelle hörte:

Nein, Gott, nicht so! Lenzfrohes Knospenspringen,
Olivenhain, der Taube Silberbrust
Zeigt klarer deiner Liebe Sein und Macht
Als Flammenschreck und Donnerkeulenschwingen.

Die roten Reben dein Gedenken bringen;
Ein Vogel, der des Abends westwärts fliegt,
Sagt mir von Ihm, den niemals Rast gewiegt;
Von dir, ich weiß es, alle Vögel singen.

Nein, komm nicht so! Komm in des Herbsttags Stille,
Wenn rot und braun entflammt die Blätter sind
Und über Wäldern echot Schnittersang.

Komm, wenn des runden Mondes Glanz und Fülle
Auf goldne Ährenbündel nieder rinnt,
Und ernte deine Frucht: wir harrten lang.

Oscar Wilde


Sonnet On Hearing The Dies Irae Sung In The Sistine Chapel  

Nay, Lord, not thus! white lilies in the spring,
Sad olive-groves, or silver-breasted dove,
Teach me more clearly of Thy life and love
Than terrors of red flame and thundering.

The hillside vines dear memories of Thee bring:
A bird at evening flying to its nest
Tells me of One who had no place of rest:
I think it is of Thee the sparrows sing.

Come rather on some autumn afternoon,
When red and brown are burnished on the leaves,
And the fields echo to the gleaner's song,

Come when the splendid fulness of the moon
Looks down upon the rows of golden sheaves,
And reap Thy harvest: we have waited long.

Dies irae (lateinisch „Tag des Zorns“, häufig auch in der mittellateinischen Form Dies ire
ist der Anfang eines mittelalterlichen Hymnus vom Jüngsten Gericht, der bis 1970 in der römischen Liturgie als Sequenz der Totenmesse gesungen wurde.

...Welch ein Graus wird sein und Zagen,
Wenn der Richter kommt, mit Fragen 
Streng zu prüfen alle Klagen!... 


Die Herbstzeitlose


Herbstzeitlose - Giftpflanze des Jahres 2010
 
Der deutsche Herbst-Zeitlose leitet sich davon ab, dass die Pflanze im Herbst bis in den Oktober hinein und damit außerhalb der Blütezeit anderer Pflanzen blüht.
 Andere deutsche Trivialnamen für die Herbst-Zeitlose sind Giftkrokus, Butterwecken, Giftblume, Hahnenklöten, Henne, Hennegift, Herbstblume, Herbstlilie, Herbstvergessene, Hundsblume, Hundshode(n), Hundsknofel, Käsestäuber, Kokokköl, Kuckucksweck, Kühe, Kuhditzen, Kuheuter, Läuseblume, Leichenblume, Michelsblume, Michelwurz, Mönchskappen, Nacktarsch, Nackte Hur, Nackte Jungfer, Ochsen, Ochsenpinsel, Spindelblume, Spinnblume, Teufelsbrot, Teufelswurz, Wiesenlilie, Wiesensafran, Wildsafran, Wilde Zwiebel, Winterhaube, Winterhauch und Zeitlose. Schweizerdeutsch: Blutts Mäitli (Schweizerdeutsch für Nacktes Mädchen), Säulöichrut, Tüfelswurzle


Melpomene/Band 1/022


22. Bey dem Grabe zweier Kinder, die Gift gegessen hatten.


1. Als in der schönsten Blumenzeit
Zwei Kinder sich erquickten,
Und sich in unschuldvoller Freud
Die schönsten Blumen pflückten;
Da fanden sie im Wiesengrund
Der Herbstzeitlose Samen,
Wo sie, entzückt bei diesem Fund,
In höchster Wonne schwamen.

2. Sie öffneten den Samenkelch
Worin sie Körnchen fanden
Von blühend weisser Farb; und welch
Entzücken sie empfanden!
Das müßen Zuckerkörnchen seyn,
So sprachen sie, und nahmen,
Betrogen von dem falschen Schein,
Für Zucker diesen Samen.

3. Zum Unglück war kein Mensch dabei
Sie weislich zu belehren:
Daß dieser Samen giftig sey
Wie viele schöne Beeren;
Auch waren sie zum Schulbesuch
Zu jung, und nicht verpflichtet,
Sonst hätte sie sogleich ein Buch
Von Giften unterrichtet.

4. Sie assen nun mit Lüsternheit
Den giftgefüllten Samen,
Wovon sie schon in kurzer Zeit
Die größte Qual bekamen;
Sie eilten zu den Eltern heim,
Und klagten über Schmerzen,
Und trugen schon den Todeskeim
In ihren bangen Herzen.

5. Die Schmerzen nahmen überhand
Im aufgebäumten Magen,
Daß jedes wie ein Wurm sich wand,
In grenzenlosen Plagen.
Man rief sogleich den Arzt herbei:
Was doch den Kindern fehle,
Und was es für ein Übel sey,
Das sie so grausam quäle.

6. Der Arzt erschien, und sagte: daß
Sie Gift bekommen haben,
Gab ihnen ohne Unterlaß
Die allerbeßten Gaben;
Allein die Hülfe kam zu spat,
Dem Gift zu widerstehen,
Und ach! sie mußten ohne Gnad
Dem Tod ins Auge sehen.

7. Denn bald erschien des Todes Farb
Auf ihren Angesichtern,
Es brach ihr armes Herz, und starb
In Zuckungen und Gichtern.
Da lagen sie im Todesarm
Die starren Kinderleichen,
Und ihrer Eltern Gram und Harm
Ist keiner zu vergleichen.

8. Sie werfen auf die Leichen sich,
Befeuchten sie mit Thränen
Und ihr Geheul ist fürchterlich
Und lößt sich auf in Stöhnen;
Sie möchten bei der Kinder Tod
Auch sich zu Grabe stürtzen,
Und ach! ihr grosser Jammer droht
Ihr Leben abzukürtzen.

9. Und sicher wird es beim Gericht
Den Eltern beigemessen,
Wenn sie bei ihrem Unterricht
Die weise Lehr vergessen:
Die Kinder möchten ja doch nie
Was Unbekanntes essen,
Es sey ja öfter schon für sie
Der Tod darin gesessen.

10. Und o ihr Kinder! lasset euch
Durch diesen Fall belehren,
Und euch das Naschen doch sogleich
Von euren Eltern wehren,
Und esset ja doch nichts, als wenn
Die Eltern es erlauben,
Es könnte, wärs auch noch so schön,
Euch doch das Leben rauben.

11. Nun ruhet sanft im Erdenschoos,
Ihr unschuldvollen Kinder!
Denn glücklicher ist euer Loos
Als das verstockter Sünder.
Zwar hat des Todes Hand gepflückt
Euch schon in zarter Blüthe,
Hingegen ewig euch beglückt
Des Allerhöchsten Güte.

Michael von Jung
 

2 Kommentare:



  1. Else Lasker-Schüler
    Weltflucht

    Ich will in das Grenzenlose
    zu mir zurück,
    Schon blüht die Herbstzeitlose
    Meiner Seele,
    Vielleicht ists schon zu spät zurück.
    O, ich sterbe unter euch!
    Da ihr mich erstickt mit euch.
    Fäden möchte ich um mich ziehen
    Wirrwarr endend!
    Beirrend,
    Euch verwirrend,
    Zu entfliehn
    Meinwärts.

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