Donnerstag, 11. Oktober 2012

Die Räuber am Maxim Gorki Theater



Michael Klammer ist nicht Karl Mohr oder wie man Lieblinge mordet
(Fabian Hinrichs zu Ehren)

Seit vorgestern Abend laufe ich herum und beglücke jeden, der es hören mag und manchen, der auch ohne auskäme, mit meiner Freude über 60 Minuten herrliches lustiges schlaues und völlig überraschendes Theater.

Antú Romero Nunes ist schön verwegen. Er hat eine Idee und gibt ihr Raum. Gut. 
2 Stunden 30 Minuten Schiller, dargeboten von drei Darstellern und einem, meiner Meinung nach, überflüssigem Überraschungschor.
Paul Schröder serviert, spielt, chargiert, grölt Franz Mohr, als gäbe es einen Preis für den besten  Bösewicht. 
Aenne Schwarz untersucht Amalia.
Die beiden machen das gut, tolle Spieleinfälle, manches ist sehr witzig, aber es bleibt im sicheren Theaterbereich.

Und dann kommt Michael Klammer - könnte ich dichten, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für ein Lob-, Liebes-, Schmachtlied.
Er sei Karl Mohr, der der ihn spielt, sei ein anderer, sagt er.


 © Bettina Stoess

Da buddelt sich einer in Ideen, in Textteile, findet Fäden, spinnt sie weiter, läßt Abschweifungen zu, sucht sie regelrecht. Theater und Filmzitate fliegen vorbei. Er grummelt, ätzt, murmelt, "labert". Lauter Fehlstarts, jeder ein Zipfel der (Un)Möglichkeit ein Stück wie die Räuber heute auf die Bühne zu bringen. Er schlägt mehrmals hart mit dem Kopf an die Wand der erwarteten, üblichen Übersetzungen. Immer wieder gerät er in den Text, verweigert sich ihm, seziert ihn doch und über all diese mißlingenden Versuche findet er, und damit ich, d.h. Eddie, so nennt er böse kumpelhaft das Publikum, fast widerwillig, Parallelen, Widerspiegelungen, das Echo des Alten im Jetzt.
Dabei bleibt er leicht und er schafft, das nahezu Unmögliche, ich glaube die momentane Erfindung. Die geprobte Improvisation behält so viel an Risiko, dass ich mich beschwindeln lassen möchte, ich denke mit und bleibe doch immer etwas langsamer als der Spieler. Fein, schön, unterhaltsam. Das herrliche alte Schlachtross Räuber, verliert hier und heute sein Alter, die Klassizität, ermüdende Konzeptionsgeschichte und die Klebeschicht von Millionen Germanisten- und Deutschlehrerinterpretationen und steht zerrissen und nackig, verstörend und mitreißend vor mir.


 © Bettina Stoess

Karl Mohr:

Zeit und Ewigkeit - gekettet an einander durch ein einzig Moment! - Grauser Schlüssel, der das Gefängniß des Lebens hinter mir schließt und vor mir aufriegelt die Behausung der ewigen Nacht - sage mir - o sage mir - wohin - wohin wirst du mich führen? - Fremdes, nie umsegeltes Land! - Siehe, die Menschheit erschlappt unter diesem Bilde, die Spannkraft des Endlichen läßt nach, und die Phantasie, der muthwillige Affe der Sinne, gaukelt unserer Leichtgläubigkeit seltsame Schatten vor - Nein! nein! Ein Mann muß nicht straucheln - Sei, wie du willst, namenloses Jenseits - bleibt mir nur dieses mein Selbst getreu - Sei, wie du willst, wenn ich nur mich selbst mit hinübernehme - Außendinge sind nur der Anstrich des Manns - Ich bin mein Himmel und meine Hölle. Wenn du mir irgend einen eingeäscherten Weltkreis allein ließest, den du aus deinen Augen verbannt hast, wo die einsame Nacht und die ewige Wüste meine Aussichten sind? - Ich würde dann die schweigende Öde mit meinen Phantasieen bevölkern und hätte die Ewigkeit zur Muße, das verworrene Bild des allgemeinen Elends zu zergliedern. - Oder willst du mich durch immer neue Geburten und immer neue Schauplätze des Elends von Stufe zu Stufe - zur Vernichtung - führen? Kann ich nicht die Lebensfäden, die mir jenseits gewoben sind, so leicht zerreißen, wie diesen? - Du kannst mich zu nichts machen - Diese Freiheit kannst du mir nicht nehmen.

1 Kommentar:

  1. Ja! Der Kerl ist ein Ereignis. Der fegt Theatermüdigkeit weg und reißt den Rücken aus der Lehne.

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