Mittwoch, 14. Dezember 2011

James Krüss - Die Weihnachtsmaus



 Manchmal erfreut mich der Gedanke, dass meine Mitmenschen ihre Zeit, außer mit Arbeit, Studium, Krieg, Sex, Liebe, Essen, Schlafen, Feiern, auch noch mit anderen, weniger augenfällig notwendigen Dingen verbringen, zum Beispiel damit, Mäusen kleine Weihnachtsmannmützchen aufzusetzten. 

Ein alter Bekannter hat viel Mühe und Zeit darauf verwendet,
Tauben zu fangen und ihnen Papierhüte aufzukleben, nur weil
ihn der Gedanke begeisterte, dass ein völlig Unbekannter,
am nächsten Morgen, verschlafen aus dem Fenster schauend,
sich für Augenblicke als Bewohner einer anderen, zauberischen,
Welt wähnen würde. Er hat allerdings auch einem, na nennen
wir es, naiven Kollegen, auf dessen Frage hin, wie denn der Knochen, der den Penis versteift, funktioniert, ein eigens produziertes Röntgenbild eines männlichen Geschlechtsteiles
in Doppelbelichtung mit einem Mittelfingerknochen vorgelegt und
ihm dann einen fast 20-minütigen Vortrag über den Ziehharmonikaknochen, auch Akkordeonknochen genannt, gehalten.
Zum untenstehenden Gedicht: meine Nichte mußte Strophen 11
und 12 auswendig lernen, ohne Auskunft über den Rest des Werkes machen zu wollen, mein Vater wurde, gelegentlich "Mausi" genannt und James Krüss Buch "der Leuchtturm auf den Hummerklippen",
in dem alle Tauben aussehen, als würden sie Emma heißen, war
die Quelle des Namens meiner Katze Emma, einer großartigen Persönlichkeit und gnadenlosen Mäusefängerin.


 DIE WEIHNACHTSMAUS

Die Weihnachtsmaus ist sonderbar
sogar für die Gelehrten,
Denn einmal nur im ganzen Jahr
Entdeckt man ihre Fährten

Mit Fallen oder Rattengift
Kann man die Maus nicht fangen,
Sie ist , was diesen Punkt betrifft,
Noch nie ins Garn gegangen.

Das ganze Jahr macht diese Maus
Den Menschen keine Plage,
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
Kriecht sie am Weihnachtstage

Zum Beispiel war vom Festgebäck,
Das Mutter gut verborgen,
Mit einem Mal das Beste weg
Am ersten Weihnachtsmorgen.

Da sagte jeder rundheraus:
Ich habe nichts genommen,
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen.

Ein andres Mal verschwand sogar
Das Marzipan vom Peter,
Was seltsam und erstaunlich war,
Denn niemand fand es später.

Der Christian rief rundheraus:
Ich hab es nicht genommen,
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen.

Ein drittes Mal verschwand vom Baum
An dem die Kugeln hingen,
Ein Weihnachtsmann aus Eierschaum,
Nebst andren leckren Dingen.

Die Nelly sagte rundheraus:
Ich habe nichts genommen,
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen.

Und Ernst und Hans und der Papa,
Die riefen: Welche Plage!
Die böse Maus ist wieder da,
Und just am Feiertage!

Nur Mutter sprach kein Klagewort,
Sie sagte unumwunden:
Sind erst die Süßigkeiten fort,
Ist auch die Maus verschwunden.

Und wirklich wahr: Die Maus blieb weg
Sobald der Baum geleert war,
Sobald das letzte Festgebäck
Gegessen und verzehrt war.

Sagt jemand nun, bei Ihm zu Haus -
Bei Fränzchen oder Lieschen -
Da gäb’ es keine Weihnachtsmaus
Dann zweifle ich ein bisschen!

Doch sag’ ich nichts, was jemand kränkt!
Das könnte Euch so passen!
Was man von Weihnachtsmäusen denkt,
Bleibt jedem überlassen!

James Krüss


2 Kommentare:

  1. Weihnachtsmaus Sausebraus nimmt Reißaus voller Graus im Voraus aus dem Warenhaus:
    Habe gestern das erste Regal mit Osterdingens gesehen. Weihnachten wurde bereits an die Ecke gerutscht.

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  2. Vielen Dank, das kannte ich nicht. James Krüss mag ich sehr. Seine Reime machen beim Vorlesen so großen Spaß. Die haben ein Eigenleben.

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