Montag, 4. April 2011

Amsterdam selbst erlebt


Ist das eine schöne Stadt! Klein, ohne kleinstädtisch zu sein, ziemlich alt und ganz neu. Und obwohl ich weiss, dass auch Holland den xenophoben, rechtshinkenden Weg entlangstapft, den sich scheinbar ganz Europa zum beliebtesten Trampelpfad auserwählt hat, so spürt man doch, bei so kurzem Aufenthalt nichts davon. Die Paare und Gruppen (die Ein- heimischen, nicht die Touristen) sind gemischt in Farben und Geschlecht, es wird viel geküsst, immer ein gutes Zeichen und gut gegessen, dito.

Es erstaunt mich allerdings immer wieder, wie wenig ich über die Geschichte selbst unserer nächsten Nachbarländer weiss, von Asien und Afrika erst gar nicht zu reden. Da war ich gestern in einer geheimen katholischen Kirche, denn nach dem Sieg der Reformation, in diesem Fall des Calvinismus, 1648 wurde zwar Religionsfreiheit ausgerufen, aber die Katholiken kurzerhand ihrer Kirchen entledigt, die wurden erst bildergestürmt und dann in reformierte Kirchen umgewandelt. Also haben die Katholischen, für circa 200 Jahre, heimliche Kirchen besucht, auf Dachböden, in Wohnungen und so. Wie ungewöhnlich für Katholiken, meist war es doch andersrum. Und die, ihrer Statuen, Heiligenbilder und figurengeschmückten Fensterscheiben entzogenen Kirchen, haben eine ganz eigene Wirkung, nicht eigentlich kalt, aber sehr ernst und würdevoll.
Calvinismus muss eine recht anstrengende Religionsrichtung sein: die in vielen holländischen Wohnungen nicht vorhandenen Vorhänge, haben ihre Ursache in der verlangten Einsehbarkeit allen Tuns, nichts sollte verborgen bleiben, sodass es keine heimliche Sünde geben konnte. Und bis vor einigen Jahren wurden auf dem flachen Land noch die Fenster der Läden am Sonntag verhängt, damit auf dem Weg zur Kirche nichts vom Spirituellen des heiligen Tages ablenkt. Das ist schon eigenartig, bedenkend das Herr Calvin meinte, dass sowieso schon vor der Erschaffung des Menschen festgelegt worden war, wer "erwählt" ist und wer halt nicht. Wozu dann noch die ganzen Sicherheitsmaßnahmen? Die Erwählten kann man unter anderem auch an ihrem enormen Fleiss und wirtschaftlichem Erfolg erkennen, hört! hört!
Und trotzdem wirkt die Stadt Amsterdam ganz lustvoll und unangestrengt vergnügt und das liegt nicht nur an den Coffeeshops, Stonerhimmelchen inclusive Kaffeegenuss.
Kurzum: Frühlingssonne, viel Laufen, eine herrliche Ausstellung mit vergleichenden Kupferstichen von Lukas von Leyden und Rembrandt, sehr gute Pommes, belgische, das sind die besten, indonesische Reistafel in 35 kleinen Schälchen und dann "The Kings Speech" in einem 90 Jahre alten Kino. Ein Herr Tuschinski hat es gebaut und wie einen 30er Jahre Hollywoodtraum ausgestattet, er ist daran bankrott gegangen. 1941 wurde er in Ausschwitz vergast. Das Kino verfiel und wurde von der Pathe Gruppe restauriert, inclusive nachgewebten Teppichen. Ein Traum mit Separees und plüschigen Sitzgelegenheiten, so muss Kino sein, früher durfte man sogar noch trinken und rauchen, früher.

Quentin Massys
The Money Changer and His Wife




"The Kings Speech", ich versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal einen Film mit so viel Wörtern und so langen Einstellungen gesehen habe. Vor Colin Firth und Geoffrey Rush will ich mich verbeugen. Natürlich ist der Film von leicht rührseliger Aussage, aber so schön gespielt!

2 Kommentare:

  1. Ja, Amsterdam ist schön. Und leider wo Menschen sind, ist auch deren Häßlichkeit. aber wiegesagt: Amsterdam ist schön. Wär auch gern da. Eine schöne Zeit dort.

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  2. Hatte ich. Komisch mit Anonym zu reden, wenn Anonym so viele verschiedene Leute sind.

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