Sonntag, 21. Juli 2013

Burgund 5 - Vézelay


Die Landschaft ist lieblich, die Hügel sanft, das Gras satt, die Heuhaufen riesig, auf einem Berg eine Kirche aus schwerem Sandstein, zu groß, zu arrogant, den Sandstein hat die Zeit gegraut, Moos läßt ihn fleckig erscheinen - drumherum viele unregelmäßige kleine und größere Häuser, in touristenorientierter Zeit voll mit Boutiquen und Läden für vezelaynische Zehenwärmer, Tassenuntersetzer und Topflappenhalter, aber die Häuser sind auch alle noch bewohnt. 
Das fällt mir hier in Burgund auf, was nicht einfällt, wird nicht abgerissen, es wird an-und umgebaut, aber das Alte bleibt ein Teil des Neuen und das macht, dass die Dörfer und Kleinstädte ihre lange Geschichte ganz organisch weiterleben. Es wurde hier schon lange gelebt, einst so, heute anders, aber beides gehört halt zusammen. Das Alte wird nicht auf Neu geputzt und das Neue protzt nicht mit Neon und Stahl.  

VÉZELAY


Ein Haus, ein Vorhof und ein Baum - und sehr viel Zeit


Vézelay ist eine französische Gemeinde mit 447 Einwohnern im Département Yonne in der Burgund. Die größte Kirche des Ortes ist die Basilika Sainte-Marie-Madeleine, ursprünglich gebaut im romanischen Stil. Nach einem ersten Brand, 1120, der über tausend Pilger das Leben kostete, wurde sie im Stil der Frühgotik wiederaufgebaut, nach dem nächsten Brand war man schon in der Spätgotik angekommen. Die Bauzeit erstreckte sich also in etwa vom Jahr 1120 bis ins Jahr 1260. Immer blieb etwas Altes stehen und das "Neue" wurde hinzugefügt. Stilmix nennt man das heute. Hügel und Kirche von Vézelay zählen seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe.  
Quelle für die Zahlen - Wiki 

DIE BASILIKA SAINTE-MARIE-MADELEINE



„Kurz nach Fertigstellung des Langhauses erlebte Vézelay den Höhepunkt seiner Geschichte: Ostern 1146 ruft Bernhard von Clairvaux auf Geheiß Papst Eugens III. vor einer riesigen Menschenmenge, die die Kirche nicht fassen kann und sich daher auf dem Hang südlich der Kirche versammelt hat, im Beisein von König Ludwig VII., der Königin Eleonore von Aquitanien und der Großen des Reiches zum Zweiten Kreuzzug auf. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, 1190, treffen sich in Vézelay die Könige Philippe-Auguste und Richard Löwenherz mit ihren Armeen zum Dritten Kreuzzug nach Palästina ... Vézelay wird nicht nur Sammelort der Pilger, sondern auch der Ritter aus ganz Europa. 1166 flüchtet hier Thomas Becket vor der Verfolgung des englischen Königs, der hl. Franziskus von Assissi gründet hier 1217 seine erste Niederlassung in Frankreich.“
Klaus Bußmann: Burgund





Zwischen den Bewohnern der Stadt und den "Betreibern" der Kirche und des ihr zugehörigen Klosters gab es immer wieder Schwierigkeiten, die Frondienste waren zu hart, die Steuererhöhungen für Neu- und Wiederaufbau zu hoch -
ein Reiseführer, der ganz offensichtlich von der katholischen Kirche lektoriert, und möglicherweise auch finanziert, wurde, beschreibt das so: " Aufgrund der andauernden Konflikte flüchtet Abt Ponce um 1155 mit seinen Mönchen zum König und bittet um Schutz. Die Bürger müssen auf ihre Gemeinschaft verzichten."
Sie werden verjagt und dann muß man auf sie verzichten, schöner kann man das nicht umschreiben.
Die katholische Kirche hat hier offensichtlich auch heute noch eine große Gegenwärtigkeit, zum Beispiel habe ich große Gruppen Halbwüchsiger in sehr kleidsamen Pfadfinderuniformen nach Vezelay wallfahren gesehen und die bekommen dann einen abschließenden Gruppengottesdienst geboten. Das geht wie am Fließband, eine Gruppe raus, die nächste rein. Erinnert mich ungut an die Fahnenappelle meiner DDR-Jugend.




MARIA AUS MAGDALA - Apostelin der Apostel - Die Namensgeberin der Kirche


...Und es begab sich darnach, daß er reiste durch Städte und Dörfer und predigte und verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes; und die zwölf mit ihm, zwei dazu etliche Weiber, die er gesund hatte gemacht von den bösen Geistern und Krankheiten, nämlich Maria, die da Magdalena heißt, von welcher waren sieben Teufel ausgefahren... Lukas 8
Maria Magdalena ist die Schutzpatronin der Frauen, der Verführten, der reuigen Sünderinnen, der Schüler, Studenten und Gefangenen, der Winzer, Weinhändler, Handschuhmacher und Friseure. Und sie sie wird gegen Gewitter, Ungeziefer und Augenleiden angerufen. Was für eine Mischung! Um ihre Überreste, sprich Reliquien, wurde und wird hart gekämpft. 
Gute Reliquien machen zahlreiche Pilger und ergo gute Geschäfte. Insofern sind die magdalenischen Gebeine, die in der Krypta der Kirche lagern, lebenswichtig für die Ökonomie der Stadt und werden nicht öffentlich in Zweifel gestellt. Ob sie je nach Frankreich gekommen ist und wenn, wo sie gestorben und begraben wurde, ist Gegenstand vieler Bücher und wird hier nicht weiter kommentiert. Aber es wird behauptet, dass alle Splitter vom Kreuz Jesu zusammengenommen, ausreichen würden, die Berliner Mauer wieder herzustellen und es wird auch gesagt, dass ganze Regionen ihren wirtschaftlichen Aufschwung dem zufälligen, glücklichen Auffinden einzelner Teile berühmter Heiliger zu danken haben.

Drei (Frauen) hatten ständig Umgang mit dem Herrn: seine Mutter Maria, seine Schwester und Magdalena, die „seine Gefährtin“ genannt wird. Denn „Maria“, so heißt seine Schwester; und seine Mutter heißt so; und seine Gefährtin heißt so.
Nag-Hammadi-Codex II,3 Vers 32











DIE MYSTISCHE MÜHLE


Fast jede Säule ist mit Gleichnisbildern geschmückt, während langer Predigten sicher eine willkommene Ablenkung, wie Fernsehgucken beim Bügeln.


Säulenkapitell zw.1125 und 1140

Ein Mann im kurzen Gewand schüttet Korn in eine Mühle, während ein anderer, bekleidet mit einer weißen Toga, das Mehl auffängt. In der ersten Gestalt muss man Moses sehen; im Korn, das er in die Mühle schüttet, das Gesetz des Alten Testamentes, das er von Gott am Berg Sinai erhalten hat. In der Mühle, die das Korn mahlt, wird symbolisch Christus dargestellt (das Rad ist mit einem Kreuz bezeichnet). In dem Menschen, der das Korn auffängt, wird der Apostel Paulus gezeigt, und im Mehl selbst das Gesetz des Neuen Bundes, die neue Gerechtigkeit. Das Gesetz des Moses enthielt zwar die Wahrheit, aber es war eine verborgene Wahrheit, so verborgen wie das Mehl im Korn. Erst durch das Opfer Christi am Kreuz ist es in dieses Mehl verwandelt worden, das man in sich aufnehmen kann, indem man es zu Brot weiterverarbeitet: und das ist das neue Gesetz des Evangeliums Jesu Christi. (geo-reisecommunity)




Donnerstag, 18. Juli 2013

Burgund 4 - Details


Riesige Kirchen
Kleine Details
 

Gargoyle mit hockendem Zwerg
Die französische Bezeichnung für Wasserspeier ist Gargouille, ins Englische als Gargoyle übernommen, verwandt mit dem deutschen „gurgeln“.

Anstrengung - Säulen-Kapitell mit Kopf, der eine Säule trägt

Heilige mit Aktentasche

Flachköpfige Madonna mit besorgtem Kind


Der stand im Hof in einer Ecke, die Füße schon umwachsen.

...Nicht eine Hölle voll Schwefelgeschwele
harrt meines Todes mit Schrecken und Pein -
Eine Hölle wärs meiner fiebernden Seele,
jemals von dir vergessen zu sein ...

R.M. Rilke 

Opferung Isaaks - "Schreckengeweitete Augen"

Mein Volk

Der Fels wird morsch,
Dem ich entspringe
Und meine Gotteslieder singe ...
Jäh stürz ich vom Weg
Und riesele ganz in mir
Fernab, allein über Klagegestein
Dem Meer zu.
Hab mich so abgeströmt
Von meines Blutes
Mostvergorenheit.
Und immer, immer noch der Widerhall
In mir,
Wenn schauerlich gen Ost
Das morsche Felsgebein
Mein Volk
Zu Gott schreit.

Else Lasker-Schüler



Frommes Ehepaar, mit dem ich nicht gern Kaffee trinken würde.
 

Mittwoch, 17. Juli 2013

Burgund 3 - Ein Durcheinander



Eine kleine Reise

Wir beginnen in Dijon, der Hauptstadt, klein aber sehr fein. Einhundertfünfzigtausend Einwohner, kostenlose Elektroshuttlebusse in der Innenstadt, um den Autoverkehr zu reduzieren, viele Päläste und Palästchen aus hellem Sandstein mit kühlen Fassaden, Fachwerkhäuser, die sich schräg nach rechts und links würdig aneinanderlehnen, viele der Häuser sind gedeckt mit kunstvoll buntgeziegelten Dächern. Viel Leben, viele Bäckereien (Boulangerien), noch mehr Cafés und das mieseste Kunst-Museum, dass ich je besucht habe. Jeder burgundische Künstler, der mal Rubens, Tizian, Monet, Manet ... von fern gesehen hatte, malerte fröhlich drauflos und fand hier den Ort für seine Gemälde. Ich bin noch nie in zehn Minuten durch ein ganzes Museum gerast, aber diesmal war es reiner Selbstschutz, mannoman, was da so herumhängt, und einem die Augen verklebt.




Musée de la Bourguignonne in Dijon
Aber dann! Ein Museum für die Geschichte Burgunds, minutiös nachgebaute Läden aus dem 19. Jahrhundert, rührende Puppen in historischen Kostümen, eine vollständige Kelterei und die Schilder sind handgeschrieben, in Schönschrift - hinreißend!




Himmelbett mit integrierter Wiege

Raus aus der Stadt und über Land. Die Côte-d’Or, Wein, Wein, Wein. Jeder hat einen Weinberg, jeder macht Wein, alle trinken Wein. Es gibt eine Route Grand Cru, und ich stelle mir Reisende vor, die in zunehmender heiterer Trunkenheit, die Degustationen eine nach der anderen probieren und dann in beseelten Schlangenlinien weiter über die Strasse der grossen Weine schaukeln.


Wein und  Ackerwinde

 Romanische Kirche mit glasiertem Ziegeldach nahe Gevrey-Chambertin
mitten in den Weinbergen

Die Schlichtheit ist berückend. Nichts zu viel, nichts zu wenig. Perfekt.






 Savigny-lès-Beaune

Das Château de Savigny, aus dem 14. Jahrhundert, wurde zerstört und im 17. wieder aufgebaut. Es sieht nicht sehr beeindruckend aus, aber der Hausherr ist ein Automobil-, Motorrad-, Löschfahrzeug-, Trecker- und Flugzeug - Narr und hat von jeder Sorte ungefähr hundert herumstehen. Die Autos, alle Marke Arbath übrigens im zweiten Stock eines Nebengebäudes mit Extra-Auto-Aufzug!


 Ein roter Rennkasten

Abarth ist ein Kraftfahrzeughersteller sowie Automobiltuner mit Sitz in Italien und befindet sich seit 1971 im Eigentum der Fiat Group. Alle Wagen sind rot und manche ähneln kaum mehr dem, was wir als Auto kennen, sondern sehen wie um ein Vielfaches vergrößerte angemalte Streichholzkisten aus. Sollen aber viele Rennen gewonnen haben.

 Harley-Davidson!

 Kampfflugzeug mit Heiligen-Statue


Gruppe einander aufrecht haltender Häuser in Beaune

Hôtel-Dieu in Beaune - Ein Krankenhaus




 Die Küche mit Schwanenhals-Wasserhähnen direkt am Herd.

Fiebrigen Patienten müssen die Nonnen mit ihren großen doppelt geschwungenen Hauben wie Engel erschienen sein. Der Krankensaal ist riesig, an beiden Seiten Himmelbetten mit roten Decken, und weisser Bettwäsche, ein Stuhl, ein Tischchen, die Klosterapotheke ist voller geheimnisvoller Kräutertöpfe. Keine Antibiotika, wenig gegen die Schmerzen, aber für diese Zeit, 1443 gegründet, als Hospital für die Armen, ein rarer Ort der Hilfe. Nicolas Rolin der Gründer hatte früh seine Frau verloren, die er sehr geliebt hat, an den Wänden findet man immer wieder Seule (Einzige) und einen Stern in den Stein gekratzt.  

Drachen spuckt Deckbalken


Tomaten

Die Kirche des Sankt Philibert in Tournus






Die Krypta unter der Kirche, hier riecht es nach Zeit, 
der Brunnen ist achtzig Meter tief.



Überall kleine, sehr alte, sehr einfache Kirchen, nur dass im Laufe der Jahrhunderte, je nach Zeitgeschmack die Innendekoration willkürlich verändert wurde. Meist findet sich ein wüstes Durcheinander von Wunderschönem und Geschmacklosigkeiten der übelsten Art. Wie es halt in lang bewohnten Häusern passiert, es sammelt sich was an.

Und dann: Cluny
Die Kirche der Kirchen, die erste Superkirche!

Über 1000 Jahre alt und nahezu vollständig abgetragen und als Steinlieferant für die Anwohner der Stadt verwendet, ahnt man doch noch die irrwitzigen Ausmaße (Das Kirchenschiff war 187 Meter lang!), die diese Benedektiner-Zentral-Kirche, Mutterhaus für 1200 Klöster und circa 20 000 Mönche, einmal gehabt hat. Solche Macht, solche Darstellung von Macht. Brachial. Massiv. Zu groß.





Dienstag, 16. Juli 2013

Burgund 2 - Vanitas


GEHÄUTET - Ein Grabmal
1547

Ligier Richier (* um 1500 in Saint-Mihiel; † 1567 in Genf) war ein französischer Bildhauer der Frührenaissance. Er entstammte einer sammielloiser Steinmetzfamilie. Er wurde unter anderem in Italien bei Michelangelo ausgebildet. Seine Werke finden sich vorwiegend in seiner lothringischen Heimat. (Wiki) 
 



Ich sagte zu meiner Seele, sei still und warte, ohne Hoffnung,
Denn Hoffnung wäre Hoffnung auf das Falsche; warte ohne Liebe,
Denn Liebe wäre Liebe für das Falsche; da ist noch der Glaube,
Doch Glaube, Liebe und Hoffen sind alle im Warten,
Warte ohne Gedanken, denn du bist nicht bereit für Gedanken:
So wird das Dunkel das Licht sein und die Stille der Tanz.
Geraune fließenden Wassers, Wetterleuchten im Winter,
Der ungesehene wilde Thymian, und die Walderdbeere,
Das Lachen im Garten, Widerhall von Verzückung
Nicht verloren, aber fordernd, hinweisend auf die Pein 
Von Tod und Geburt. 

I said to my soul, be still, and wait without hope
For hope would be hope for the wrong thing; wait without love
For love would be love of the wrong thing; there is yet faith
But the faith and the love and the hope are all in the waiting.
Wait without thought, for you are not ready for thought:
So the darkness shall be the light, and the stillness the dancing.
Whisper of running streams, and winter lightning.
The wild thyme unseen and the wild strawberry,
The laughter in the garden, echoed ecstasy
Not lost, but requiring, pointing to the agony
Of death and birth. 

T.S. Eliot aus East Coker - Vier Quartette




Montag, 15. Juli 2013

Burgund 1



Der Page

"Du süße Königin Fanchon,
Und willst du werden mein,
Du süße Königin Fanchon
Mein ganzes Reich sei dein!


Mein Land Burgund ist sonnig grün,
Sei du die Königin,
Und wenn die weißen Lilien blühn,
Nimm sie als Zepter hin!"


So warb der König von Burgund
Um Königin Fanchon,
Da lachte süß der blasse Mund
Der Königin Fanchon ...


Der Page, der am Throne stand,
Bog tief das feine Knie,
Es spielte seine Knabenhand
Am Dolch der Pagerie. –


So ängstlich war die Sommernacht,
Von Blitzen fern durchloht,
Und als der Sommertag erwacht,
Da war der König tot.


Wie fein der Stich im Nachtgewand,
Dreikantig vom Stilett, –
Sie legten ihn mit treuer Hand
Aufs goldne Königsbett.


Und vor dem Bett in Wache stand
Der Page spat und früh,
Es spielte seine schmale Hand
Am Dolch der Pagerie.


Börries Freiherr von Münchhausen: 
Die Balladen und ritterlichen Lieder. 
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuggart/Berlin

Marianne Stokes 
Die Königin und der Page 1896 
 

Sonntag, 14. Juli 2013

Aufsatz - Eine Gedichtsinterpretation


Ich hatte einst ein schönes Vaterland


Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft -
es war ein Traum.

Und als ich nun ins ferne Ausland kam,
da war ein Mädchen zauberschön
und blond von Haar zu seh'n.
Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch
(man glaubt es kaum,
wie gut es klang) das Wort: "Ich liebe dich" -
es war ein Traum.

Heinrich Heine 1832

Den folgenden Text hat eine Freundin in einem Bibliotheksbuch gefunden und 
mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Ich halte ihn für echt, auch weil 
ich in einem Fernsehbeitrag gesehen habe, wie Mitbürger die Frage: "Wie lange dauerte der 30-jährige Krieg?", kurz überdachten und dann "3 bis 5 Jahre?" in die Kamera schickten. Es ist eine Gedichtsinterpretation, der Aufsatz einer Schülerin der 12. Klasse.

Deutsch Klausur II 

Das Gedicht von Heinrich Heine wirkt sehr ruhig auf mich. Es handelt sich um 
ein Gedicht mit Deutschland. Wie schön es doch einst war. Das Gedicht trägt 
den Namen „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ und wurde von Heinrich Heine verfasst. Es stammt aus dem Jahre 1933. Das Thema beruht auf das vergangene Deutschland. Ein Land zum Leben. Es ist ein zeitgeschichtliches Gedicht. 
Man könnte es auch als politisches Gedicht interpretieren. Das Gedicht ist sehr gelassen. Es kommt verliebt und sehr ruhig herüber. Es schwärmt von dem damaligen Deutschland. Das Gedicht entstand vor dem zweiten Weltkrieg und inmitten des Kalten Krieges. Heine denkt an die Zeit zurück, wo Frieden in Deutschland herrschte. Die Sehnsucht nach dem Alten kommt an und dies 
ändert sich auch bis zum Schluss des Gedichts nicht. Er teilt seine Gedanken den Menschen mit. Daraus schließt sich, dass es sich zum Teil um Gedankenlyrik handelt. Der andere Teil ergibt sich aus dem Fakt, dass er vom alten schönen Deutschland spricht. So ist der andere Teil Erlebnislyrik, da er es ja erlebt hatte. Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils vier Versen. Außerdem besitzt es eine Überschrift. Die Strophen sind im Hausreim geschrieben worden, wobei in der zweiten Strophe der Vers eins sich nicht reimt mit dem dritten Vers. Innerhalb der zweiten Strophe existiert ein Binnenreim. Dies in dem Vers eins. Beides reimt sich auf „deutsch“. Die zweite Strophe beinhaltet noch eine Besonderheit. Der zweite und die Hälfte des dritten Verses sind eingeklammert. Dies geschah wohl, um den darauffolgenden Satz zu verdeutlichen. In diesem sagt er aus, dass Deutschland sagt, dass es die Menschen, insbesondere Heine liebt. Auch spielt 
der Eichbaum eine wieder eine große Rolle. Das Symbol Deutschlands. Heinrich Heine ist 1831 nach Paris gegangen. Um Ruhe zu finden. Das Gedicht hat er 
1833 verfasst. Es ist also sein persönlicher Rückblick auf Deutschland. So hat er sein Vaterland in Erinnerung behalten. So will er es wohl auch wieder sehen.
Deutschland ist Heines Heimatland. Er ist 1797 in Düsseldorf geboren und in Deutschland zur Schule gegangen. Er hat gesehen, wie sich Deutschland immer wieder gewandelt hat. 1831 dann seine Emigration nach Frankreich. Er ist stolz 
ein Deutscher zu sein, wobei er nicht das deutsche Politiksystem unterstützt. 
Er war immer Gegner der Politik und hat auch Schreibverbote bekommen, 
die ihn letztendlich aus Deutschland vertrieben. Er wurde auch in Frankreich beigesetzt, was darauf schließen lässt, dass er nicht wieder nach Deutschland 
zog, wobei er Hamburg zwei mal besucht hatte. Dabei fand er aber sein Deutschland nicht wieder.
Die Zeit um 1930 war die Zeit im Kalten Krieg. Die Spannungen in Europa waren sehr groß. 1933 letztendlich wurden die ersten Konzentrationslager gebaut. In Dachau entstand das erste. Dieses war für Priester und Bischöfe gedacht. Von da an und aufwärts begann das Regiem von Adolf Hitler. Dies hat Heine von außen verfolgt. Auch das zeigt ihm, wie schön Deutschland in seiner Jugendzeit war. 
Beim ersten Lesen fiel mir sofort das verliebte in seinen Versen auf. Als sehne er sich zurück zu seinem Geburtsland. Das Land, in dem er aufgewachsen ist, wo er gelebt hat, in das er sich verliebt hat. Beim zweiten lesen fiel mir dann auf wie bedrückt er doch klingt. Voller Trauer und Kummer.
Er liebte Deutschland und konnte es nicht vergessen und dies drückte er in den Gedichten nach 1931 aus. 

Für den Text ein Dankeschön an B.D.
 
Noch eine Interpretation des Heine-Gedichtes, diesmal von Mascha Kaleko: 
 
Emigranten-Monolog

Ich hatte einst ein schönes Vaterland -
So sang schon der Flüchtling Heine.
Das seine stand am Rheine,
Das meine auf märkischem Sand.

Wir alle hatten einst ein (siehe oben!)
Das fraß die Pest, das ist im Sturm zerstoben.
O Röslein auf der Heide,
Dich brach die Kraftdurchfreude.

Die Nachtigallen werden stumm,
Sahn sich nach sicherm Wohnsitz um.
Und nur die Geier schreien
Hoch über Gräberreihen.

Das wird nie wieder, wie es war,
Wenn es auch anders wird.
Auch, wenn das liebe Glöcklein tönt,
Auch wenn kein Schwert mehr klirrt.

Mir ist zuweilen so, als ob
Das Herz in mir zerbrach.
Ich habe manchmal Heimweh.
Ich weiß nur nicht, wonach . . .


Samstag, 13. Juli 2013

Niclas Gerhaert van Leyden


    Gastfrei zu sein vergesset nicht; 
    denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel 
    beherbergt.
       Paulus Brief an die Hebräer 13.2 in der Luther-Übersetzung, Ausgabe 1912


Klagender Engel, 
Niclaus Gerhaert von Leyden und Werkstatt, 1462

   Wiki schreibt: Niclas Gerhaert van Leyden, auch Nicolaus, Niclaes oder Niklas 
   Gerhaert van  oder von Leyden (* um 1430 in Leiden; † 28. Juni 1473 in Wiener 
   Neustadt) war ein niederländischer Bildhauer, der vor allem im südlichen 
   Mitteleuropa gewirkt hat.

Nachdenkender Mann
Niclaus Gerhaert von Leyden und Werkstatt, 1467


Der Engel in dir
Freut sich über dein
Licht
Weint über deine Finsternis

Aus seinen Flügeln rauschen
Liebesworte
Gedichte Liebkosungen

Er bewacht
deinen Weg

Lenk deinen Schritt
engelwärts

Rose Ausländer


Zweimal dieselbe Frau?

Interessiert!
 
 Büste der Heiligen Barbara

Werkstatt des Niklaus Gerhaert von Leyden, 1465
 
 Genervt!
 
Büste der Heiligen Katharina von Alexandria
Werkstatt des Niklaus Gerhaert von Leyden, 1465


Freitag, 12. Juli 2013

Margaret Bourke-White 2 - Schönheit


 
   “The camera is a remarkable instrument. Saturate yourself with your 

    subject and the camera will all but take you by the hand.”
   "Die Kamera ist ein erstaunliches Instrument. Fülle dich mit Deinem
     Subjekt und die Kamera, wird Dich nahezu an der Hand nehmen."

    Schönheit ist ein flatterhafter, schwer fassbarer Begriff. 
    Schönheit ist Hoffnung. Hoffnung, dass es besser ausgehen wird, als 
    wahrscheinlich. Schönheit ist Hoffnung auf die Unendlichkeit des
    Moments. Schönheit ist der Moment, wo noch alle Möglichkeiten offen
    stehen. Schönheit ist der Augenblick bevor ...


Arbeiter im Gold-Bergwerk - LIFE Magazin Johannesburg, Südafrika, 1950
©  TIME INC., courtesy of Monroe Gallery of Photography

 Schwarzer, Neger, Afro-Amerikaner, Afro-Deutscher, schwarzer Deutscher, geschwärzter Deutscher. Kohle oder Pigment, egal, die Schönheit ist flüchtig, aber real und atemberaubend.

Bergarbeiter in Gelsenkirchen 1945

Alle Photographien © Margaret Bourke-White

Dienstag, 9. Juli 2013

Hans Christian Andersen - Amor - Caravaggio


OMNIA VINCIT AMOR


Amor Vincit Omnia Caravaggio 1601/02

Omnia vincit amor et nos cedamus amori!
Die Liebe besiegt alles, unterwerfen wir uns der Liebe!
Virgil Eclogen 10,69, Bucolica 

DER UNARTIGE KNABE

Es war einmal ein alter Dichter, so recht ein guter alter Dichter. Eines Abends als er zu Hause saß, entstand draußen ein schrecklich böses Wetter; der Regen strömte hernieder, aber der Dichter saß warm und gut bei seinem Ofen, wo das Feuer brannte und die Äpfel zischten.
"Es bleibt kein trockner Faden auf den Armen, die bei diesem Wetter nicht zu Hause sind!" sagte er, denn er war ein guter Dichter.
"O, öffne mir! mich friert und ich bin ganz nass!" rief draußen ein kleines Kind. Es weinte und klopfte draußen an die Tür, während der Regen herabströmte und der Wind mit allen Fenstern klirrte. "Du kleines Wesen!" sagte der alte Dichter, als er die Tür öffnete. Da stand ein kleiner Knabe, der war ganz nackt, und das Wasser floss aus seinen langen gelben Locken. Er zitterte vor Kälte; wäre er nicht hereingekommen, hätte er in dem bösen Wetter sicher umkommen müssen.
"Du armer Junge!" sagte der freundliche Dichter und nahm ihn bei der Hand. "Komm zu mir, ich werde dich schon erwärmen! Wein und einen Apfel sollst du haben, denn du bist ein prächtiger Knabe!"
Das war er auch. Seine Augen sahen wie zwei klare Sterne aus, und obgleich das Wasser aus seinen gelben Locken herabfloss, ringelten sie sich doch. Er sah aus wie ein kleines Engelskind, war aber bleich vor Kälte und zitterte über den ganzen Körper. In der Hand trug er einen herrlichen Bogen, aber der war vom Regen ganz verdorben, alle Farben auf den schönen Pfeilen liefen vom nassen Wetter in einander.
Der alte Dichter setzte sich an den Ofen, nahm den kleinen Knaben auf seinen Schoß, drückte das Wasser aus seinen Locken, wärmte ihm die Hände in den seinen und kochte ihm süßen Wein. Da erholte er sich, bekam rote Wangen, sprang auf den Fußboden nieder und tanzte rings um den alten Dichter herum.
"Du bist ein lustiger Knabe!" sagte der Alte. "Wie heißt du!"
"Ich heiße Amor!" erwiderte er. "Kennst du mich nicht? Dort liegt mein Bogen; glaube mir, damit schieße ich! Sieh, nun wird das Wetter draußen wieder gut, der Mond scheint."
"Aber Dein Bogen ist verdorben!" sagte der alte Dichter." "Das wäre schlimm!" sagte der kleine Knabe, nahm ihn auf und besah ihn. "O, der ist ganz trocken, der hat gar keinen Schaden gelitten; die Sehne sitzt ganz stramm; nun werde ich ihn probieren!" Dann spannte er ihn, legte einen Pfeil darauf, zielte und schoss dem guten alten Dichter gerade in das Herz: "Siehst du wohl, dass mein Bogen nicht verdorben war?" sagte er, lachte ganz laut und lief seines Weges. Der unartige Knabe, so den alten Dichter zu schießen, der ihn in die warme Stube hereingenommen, so gut gegen ihn gewesen war und ihm den schönsten Wein und die besten Äpfel gegeben hatte.
Der gute Dichter lag auf dem Fußboden und weinte, er war wirklich gerade in das Herz geschossen: "Pfui! was ist dieser Amor für ein unartiger Knabe, das werde ich allen guten Kindern erzählen, damit sie sich in Acht nehmen können und nie mit ihm spielen, denn er tut ihnen etwas zu Leide!"
Alle guten Kinder, Mädchen und Knaben, welche er dieses Erzählte, nahmen sich auch vor dem bösen Amor in Acht, aber er führte sie doch an, denn er ist schlau. Wenn die Studenten von den Vorlesungen kommen, läuft er ihnen zur Seite, mit einem Buche unter dem Arm und hat einen schwarzen Rock an. Sie können ihn gar nicht erkennen, und dann fassen sie ihn unter dem Arm und glauben, dass er auch ein Student sei, aber dann sticht er ihnen den Pfeil in die Brust. Wenn die Mädchen vor dem Prediger kommen und wenn sie eingesegnet werden, so ist er auch hinter ihnen.

Ja, er ist immer hinter den Leuten her! Er sitzt in der großen Lampenkrone im Theater und brennt lichterloh, so dass die Leute glauben, er sei eine Lampe, aber später sehen sie den Irrtum ein. Er läuft im Schlossgarten und auf den Wällen umher, ja, er hat auch einen deinem Vater und deiner Mutter gerade in das Herz geschossen! Frage sie nur danach, so wirst du hören, was sie sagen. Ja, es ist ein böser Knabe, dieser Amor, mit ihm musst du nie etwas zu schaffen haben; er ist hinter Jedermann her. Denk einmal, er schoss sogar einmal einen Pfeil auf die alte Großmutter ab, aber das ist lange her, dass es geschehen ist. Die Wunde ist zwar geheilt, doch vergisst sie es nie. Pfui, der böse Amor! Aber nun kennst du ihn und weißt, was er für ein unartiger Knabe ist!

Hans Christian Andersen