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Mittwoch, 13. Juni 2018

Prall gefüllte Tage

Letzten Freitag "Unendlicher Spaß" inszeniert von Thorsten Lensing und gespielt von Ursina Lardi, Devid Striesow, Sebastian Blomberg, Jasna Fritzi Bauer und anderen im Hellerauer Festspielhaus. 
Samstag Jugendweihe und Party im Brandenburgischen. 
Sonntag und Montag Wiedersehen mit einem Lieblingsmenschen im Tessin. 
Dienstag erste Urlaubsetappe am Comer See.
Hammer!

UNENDLICHER SPASS. 
Untertitel: Eine mißlungene Belustigung 
David Foster Wallace nannte sein ungeheuer dickes und ausschweifendes Werk mit Fußnoten die Menge, Ergebnis jahrelanger Arbeit, nach einem Hamlet-Zitat: 
Alas, poor Yorick! I knew him, Horatio: a fellow of infinite jest...
Ach, armer Yorick! Ich kannte ihn, Horatio: ein Bursche von unendlichem Humor...


Unendlicher Witz, aber Gott lacht immer als letzer, oder? 
Ganz wenig Bühne, ganz viel Spiel. Auch wenn mich die Geschichte, ob ihrer amerikanischen Psychopathologisierung nicht recht reißt, habe ich solche Lust an den Spielern. Ganz frei, ganz und gar nicht privat, gänzlich verschieden, sie werden Hunde und Tennischampions mit Drogenproblemen mit gleicher Ernsthaftigkeit und wildem Witz, besonders bei Striesow, manchmal auch weit über die übliche Geschmacksgrenze hinaus. Hochleistungstheater der besten Sorte. Wie olympischer Weitsprung oder Paganini auf der Geige. Sie denken, was sie reden, sie beherrschen sich und die Bühne. Ich kann nicht wegschauen, nicht dösen, will es auch nicht. Fein. Seit langem habe ich mal wieder gedacht, bei dem würde ich gern spielen.


© David Baltzer / Agentur Zenit

BOOM
Jugendweihlinge, oder wie sie an der Schule im Brandenburgischen genannt werden "Boomlinge" sind um die 14, nicht Fleisch, nicht Fisch, nicht gebacken, nicht gebraten, oder alles auf einmal. Herrlich schlau, kindisch, wissend und ahnungslos, ein toller Lebenszeitpunkt. 
Kleines gutes Detail, einer der Feiernden, dem ersten Blick nach ein Junge, nahm seine Urkunde in Stöckelschuhen entgegen und wechselte dann in ein blaues Kleid, niemand starrte oder murmelte. Vor wenigen Jahren wäre das anders gewesen, oder? 
Zweites gutes Detail, nach stundenlangem Stehen und Laufen während der Feierlichkeiten schmerzte mein Hüfte wie blöde, man nähert sich eben nicht ungestraft den Sechzigern, aber dann habe ich zweieinhalb Stunden getanzt und weg war der Schmerz, ein Wunder!

REISE
Origlio im Tessin, Menaggio am Comer See, Verona, Bologna, Ferrara und Bergamo - eine kleine Tour durch Nord-Italien. Wie viele Ortsnamen man kennt, aus Stücken, von Malern und Rezepten. Bergomasker Tanz und Julias Balkon, Bolognese und Tasso. 
Erste Etappe: Berge und See, Wolken über den Bergen, davor, aus ihnen hervorwachsend, Dunst, Nebelschwaden, Nieselregen, Granitfelsen, laubbaumbewachsene Berghänge, Städte an Strassen ohne Bürgersteige, dafür zwischen den Häusern gußeiserne Gänge in Höhe des zweiten Stocks. Nirgends das strahlende Toscana-Rot, viel schweres Grau, zerlaufenes Gelb. Mehrmals täglich Überfälle von schwerem Jasminduft. Wir fahren im Zweisitzer Cabrio, Fiat Spider durch die Landschaft und fühlen uns wie Monica Vitti.

 Der See 1

  Der See 2

  Der See 3

Der See 4

 Ist der schön?

 An der Tür alte arabische Schriftzeichen

 Nicola ist gestorben. Er war 23.

 Jasmin im Übermaß



Samstag, 10. Februar 2018

Dänemark ist nicht mein Ding.

Vor Jahren bin ich zwei Wochen durch Spanien gefahren. Entlang der Strände ungeordneter Wildwuchs von Beton. Im Land riesige barocke Kirchen, Madonnen mit Echthaarperücken in staubigen Kleidchen, mehr grandiose barocke Kirchen, gigantische Bürokratiegebäude und ein Geruch von unbearbeiteter Vergangenheit, gestern noch Faschisten, heute königstreue Demokraten, und dann noch mehr Barockkirchen. Irgendwas suppte vor sich hin, nicht wirklich stinkend, aber ohne jede Frische. 
Natürlich gab es auch Goya, El Greco, Velázquez und das heiße karge Kastillien, Toledo, die Mezquita Kathedrale von Cordoba mit ihren 856 Säulen und rechteckige, leckere Muscheln und Paella und eine romanische Schieferkirche auf einem Berg mit zierlichen Alabasterfenstern und und und. Aber nahezu keine Zeugnisse der Zeit vor der Reconquista, grad einen kleinen Davidstern hab ich gesehen. Und eben die riesige herrliche Säulenhalle, ehemals eine Moschee, in Cordoba, mit einer katholischen Kirche, die wie ein Geschwür in ihren Eingeweiden wuchert. 
Der Escorial-Palast spartanisch und überfüllt zugleich, tickende Uhren in jedem Raum, Schutzteppiche über den alten Teppichen, doch trotzdem durfte mich mich nicht hinknien, um die Deckenbemalung zu betrachten. 
Ab Tag sieben der Reise mutierte ich zu in einem geifernden Katholizismus-Hasser, der  ex-faschistische Staatsbeamte in jeder zweiten Ecke vermutete. Blöd, ich weiß, aber mein Bauch herrscht manchmal über mein Hirn. In Barcelona ging es mir nicht so.

Jetzt Dänemark. Vor drei Jahren bin ich Stunden über Land gefahren und dachte nur: "Ist das langweilig!" Eine Wiese, folgt einer Wiese und diese wieder einer Wiese.
Kopenhagen ist hübsch. Ein bisschen wie Amsterdam, weil es viele Brücken gibt und Kanäle. Die Strassen gesäumt von Bürgerbauten mit zwei Stockwerken weniger als in Berlin, und einiges an Jugendstil und Art Deco. Eine Stadt, die nicht zerbombt wurde. Eine intakte Stadt. Aber warum gefällt es mir hier trotzdem nicht wirklich, obwohl es so reizend ist?
Dänemark hat sich eifrig zur Teilnahme am Irak-Krieg gemeldet und nimmt so wenig Flüchtlinge auf wie nur irgendwie möglich.
http://www.taz.de/!5473566/
Es scheint vielen Leuten hier gut zu gehen, den Leerflaschensammlern und Drogenopfern nicht so sehr, aber das ist wohl die allgegenwärtige unerträgliche Realität unseres Jahrhunderts. 
Alles ist liebevoll designt, hygge.
"Hygge" ist ein Kernbestandteil der dänischen Tradition. Im Wesentlichen ist "Hygge" eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens mit netten Leuten zusammen genießt. Das warme Licht der Kerzen ist "Hygge". Freunde und Familie gehören auch zur "Hygge". Und nicht zu vergessen das Essen und Trinken – das heißt für Dänen am liebsten mehrere Stunden am Tisch zu sitzen und sich gemeinsam mit den größeren und kleineren Dingen des Lebens auseinanderzusetzen. Vielleicht erklärt das dänische Phänomen "Hygge", wieso die Dänen oft als eines der glücklichsten Völker der Welt betrachtet werden?  https://www.visitdenmark.de/de/daenemark/die-kunst-der-danischen-hygge Das ist es vielleicht, die Dänen sind mir einfach zu hygge, zu zufrieden.

HYGGE

Freitag, 24. November 2017

Ägypten 7 - Grabmalereien

Im Tal der Könige und anderen Tälern

In unwirtlicher steiniger Hitze, nur eine kurze Taxifahrt von Luxor entfernt, dem historischen Theben, das aber nicht das griechische ist, dieses hat einhundert Tore, das andere die berüchtigten sieben, also hier liegen die Gräber vieler Pharaonen, das Tal der Königinnen ist nicht weit, und dann gibt es noch das Tal der Noblen und das der Arbeiter. Das letzte ist das schönste. 
In den kahlen Bergen sieht man Löcher, viele. Manchmal geht es dann tief und steil hinunter, manchmal ist ein Raum eingestürzt, der Sandstein zerbröselt leicht. Es ist dunkel, die Lichtquellen schwach und unregelmäßig aufgestellt. Eigentlich ist photographieren verboten, aber für ein paar Pfund, sieht jeder freundlichst woanders hin.



Die Uräusschlange ist ein Symbol der altägyptischen Ikonografie. Der altgriechische Begriff ouraĩos, latinisiert Uraeus, geht vermutlich auf das altägyptische uaret zurück, was im Allgemeinen mit „die sich Aufbäumende“ übersetzt wird. Im Alten Ägypten gilt diese goldene, in Form einer sich aufreckenden, blähenden und Gift sprühenden Kobra dargestellte Stirnschlange Göttern wie Pharaonen als abwehrendes Schutzsymbol, indem Uräus mit dem Gluthauch seines Feueratems die Feinde seines Trägers abwehrt. In gleicher Eigenschaft wird das Symbol mindestens seit der 3. Dynastie auch zum Schutz von Bauwerken an deren Fassaden und über Eingängen angebracht. (Wiki)


 Aus dem Buch der Toten

O Amon, Amon! Vom Himmelsgewölbe
Schaust du zur Erde herab.
Wende dein strahlendes Antlitz zur starren, leblosen Hülle
Deines Sohnes, des vielgeliebten!
Mache ihn kräftig und siegesbewusstIn den Unteren Welten!


Verrückt, aus Angst vor Grabräubern hat man schon in alter Zeit viele Mumien großer Herrscher aus ihren Gräbern geschleppt und in einer Art Sammelgrab untergebracht. Für Prunkgrab bezahlt, im Massengrab gelandet.

Isis schützt. Wer da nicht an Engel denkt.

Die Arbeiter, die in einer Art Reihenhaussiedlung untergebracht waren, gruben sich ebenfalls Gräber, die Bildsprache der Oberen war ihnen verboten, also malten sie eigene Mythen.

Kampfaffen

 Eine Eule

 Im alten Ägypten trugen die Pharaonen und andere Herrscher plissierte Kleidung, sie war ein Symbol von Macht und Reichtum. Dem gewöhnlichen Volk war diese Art der Kleiderverziehrung vorenthalten, da die Herstellung sehr teuer und äußerst zeitintensiv war. Damals wurden Naturstoffe plissiert, dies geschah per Hand. Die Stoffe wurden befeuchtet und gefaltet, anschließend wurden sie zur Plissierung zwischen zwei Steinplatten gelegt. Diese Steine erhitzten sich in der Sonne und fixierten so die Stofffalten.
http://ratgeber.schattendiscount24.de/der-ursprung-des-plissees/

Im ägyptischen Museum in Kairo habe ich altägyptische Perücken gesehen, 
sie waren aus dicken schwarzen Wollfäden gemacht. Müssen die geschwitzt haben.

 Gigantisch

 Wiederbelebungsmaßnahme

 Ein aggressiver Hase? Ein Tiger mit übergroßen Ohren?

Musik

Gedichte eines Lebensmüden

um 1800 v. Chr.
Gespräch eines Mannes mit seinem Ba

Der Ba, auch Exkursionsseele, ist in der Ägyptischen Mythologie eine Bezeichnung für einen bestimmten Aspekt des Seelischen, der sich trotz einer engen Bindung an den Körper von diesem ablösen und entfernen kann. Solche Seelen, die den Körper verlassen und eigenständig agieren, werden in der Ethnologie und Religionswissenschaft „Freiseelen“ genannt. 

Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank von Aasgeiern an Sommertagen, wenn der Himmel glüht.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, [mehr als der Gestank] beim Fischempfang am Tage des Fischfangs, wenn der Himmel glüht.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank von Vögeln, als ein Sumpfdickicht mit Wasservögeln.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank der Fischer und als die Lagunen, in denen sie fischen
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als der Gestank von Krokodilen, als ein ganzer Wohnplatz von Krokodilen.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als eine Ehefrau, über die man ]lügen verbreitet wegen eines Mannes.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, mehr als das Kind eines Angesehenen, von dem gesagt wird, es gehöre dem, den er haßt.
Siehe, anrüchig ist mein Name durch dich, [mehr als] eine Siedlung des Königs, die auf Empörung sinnt, wenn sein Rücken gesehen wird.
Der Mann klagt über seine Lage:
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Angehörigen sind schlecht, die Freunde von heute kann man nicht lieben.
Zu wem soll ich heute sprechen? Habgierig sind die Herzen, ein jeder beraubt seinen Nächsten.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Milde ist zugrunde gegangen, Gewalttätigkeit ergreift Besitz von jedermann.
Zu wem soll ich heute sprechen? Das Antlitz des Schlechten glänzt zufrieden, das Gute ist zu Boden geworfen überall.
Zu wem soll ich heute sprechen? Wer einen Mann wegen seiner schlechten Tat zur Rede stellt, bringt alle Bösewichter zum Lachen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Man plündert. Jeder bestiehlt seinen Nächsten.
Zu wem soll ich heute sprechen? Der Verbrecher ist ein Vertrauensmann, der Bruder, mit dem man lebte, ist zum Feind geworden.
Zu wem soll ich heute sprechen? Man erinnert sich nicht an Gestern und vergilt (auch) nicht dem, der jetzt (Gutes) tut.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Angehörigen sind böse, man wendet sich zu Fremden, um Redlichkeit zu finden.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Herzen sind zugrunde gerichtet, jedermann wendet den Blick zu Boden vor seinen Angehörigen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Die Herzen sind habgierig, man kann sich auf keines Menschen Herz (mehr) verlassen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Es gibt keine Gerechten, die Welt bleibt denen überlassen, die Unrecht tun.
Zu wem soll ich heute sprechen? Es mangelt an Vertrauten, man nimmt Zuflucht zum Unbekannten, um ihm zu klagen.
Zu wem soll ich heute sprechen? Es gibt keinen Glücklichen, und jener, mit dem man (früher) ging, ist nicht mehr.
Zu wem soll ich heute sprechen? Ich bin mit Elend beladen, weil mir ein Vertrauter fehlt.
Zu wem soll ich heute sprechen? Das Übel, welches die Welt schlägt -kein Ende hat es!

Der Mann preist den Tod:
Der Tod steht heute vor mir wie das Genesen eines Kranken, wie wenn man ins Freie tritt nach einem Leiden.
Der Tod steht heute vor mir wie der Duft von Weihrauch, wie Sitzen unter dem Segel am Tag des Windes.
Der Tod steht heute vor mir wie Duft der Lotosblüten, wie Wohnen am Rand der Trunkenheit.
Der Tod steht heute vor mir wie das Aufhören des Regens, wie die Heimkehr eines Mannes vom Feldzug nach Hause.
Der Tod steht heute vor mir wie die Klarheit des Himmels, wie wenn ein Mensch die Lösung eines Rätsels findet.
Der Tod steht heute vor mir wie der Wunsch eines Menschen, sein Heim wiederzusehen, nachdem er viele Jahre in Gefangenschaft verbrachte.

Der Mann sehnt sich nach dem Jenseits:
Wahrlich, wer dort ist, ist ein lebendiger Gott, der die Sünde bestraft an dem, der sie tut.
Wahrlich, wer dort ist, der steht im Sonnenschiff, Erlesenes verteilt er daraus für die Tempel.
Wahrlich, wer dort ist, der ist ein Weiser der nicht gehindert werden kann, zum Sonnengott zu gelangen, wenn er spricht.

Freitag, 17. November 2017

Ägypten 5 - Eisenbahn

Kairo Hauptbahnhof 
Ein Zug fährt ein. Einige Menschen steigen auf die übliche Art aus. Die meisten allerdings nutzen die nicht zum Bahnsteig zeigenden Türen, springen auf die Gleise, stemmen sich und ihr Gepäck auf den gegenüberliegenden Bahnsteig, und helfen denen, die es nicht allein schaffen. Zwei Treppen eingespart! Man stelle sich so etwas am Berliner Hauptbahnhof vor. Großartig!


Schlafwagen Kairo - Luxor
Die Waggons und auch die Lokomotive haben in den frühen 70ern das Licht der Welt erblickt. Die Polster kackbraungraubeige. Bequem und schmuddelig. Es ruckelt und zuckelt und fühlt sich wirklich wie Eisenbahnfahren an.

Sonntag, 12. November 2017

Ägypten 1 - Kairo

TAG EINS

Im Flugzeug von Egyptair ertönt aus dem Bordfernseher gleich nach den Sicherheitshinweisen eine dunkel-sanfte Märchenerzählerstimme und ruft uns zum gemeinsamen Gebet. Die Boeing ist ältlich und topfit, auf den Toiletten finden sich nämlich noch Aschenbecher, wenn auch außer Dienst. 
Dies soll allerdings fürs erste der einzige Ort sein, an dem hier nicht graucht werden darf - ich qualme kindisch-froh im Taxi, in Cafes, im Hotelzimmer.
Das Hotel ist eine Ansammlung von merkwürdigen Widersprüchen, das Treppenhaus heruntergekommen, an der Rezeption lagert ein Knäuel von Kabeln in der Mikrowelle, aber das Zimmer ist wunderbar, die Handtücher in Schwanenform gefaltet und das blitzsaubere Klo schmückt eine Blüte aus Toilettenpapier. 
Ein alter Freund holt uns ab und fährt uns in eine Kneipe mit Alkoholausschank, den wir an diesem Abend wegen Übermüdung aber nicht nutzen, auf dem Weg dorthin überqueren wir den Tahrir-Platz. 
Er war 2011 der Kundgebungsplatz der Kräfte, die gegen/für Mubarak eintraten, und wurde so zum Symbol der ägyptischen Revolution.
Der Freund erzählt vom arabischen Frühling, wie er ihn erlebt hat. Von der hoffnungserfüllten Stimmung, der Sehnsucht nach Freiheit, wenn auch die genaue Definition des Wortes im ahnungslosen Vagen lag. Von den Tagen als seine Schule abgeriegelt war und in der Strasse vor dem Schultor die Leichen der Revolutionsopfer lagen. Von den politischen Manipulationen die sich anschlossen. Von der ökonomisch katastrophalen Lage des Landes. Er liebt es mit verzweifelter Hoffnungslosigkeit.


Früher Dekonstruktivismus im Ägyptischen Museum.

TAG ZWEI


Beim Frühstück schiebt sich am Nebentisch ein schwarzes Vögelchen, eine schmale, junge, vollverschleierte Frau, ihr Frühstück unter das hinderliche Tuch. Ihr Mann, ein Muslimbruder, erkennbar am Bart und der gekürzten Hose, der Knöchel, so will es scheinbar der Prophet, muß frei bleiben, stopft Massen von Süßigkeiten in seinen ohnehin schon feisten Körper.
Trotz des deutlich sichtbaren "Rauchen verboten" Schildes wird auch hier geraucht. 
Die Stadt, ein Moloch. 7 000 000 Einwohner, 16 000 000 in der Metroplregion, kämpfen sich durch den Tag. Ob Autofahrer oder Fußgänger, wer zögert, verliert. Am Morgen habe ich zehn Minuten für eine Straßenüberquerung benötigt, am Abend war ich nur unwesentlich schneller. Solche Art Auto zu fahren habe ich noch nie erlebt, und ich bin gerne und fröhlich in Rom und Paris herumgekutscht. Aber hier? Abenteuerlich, unfaßbar bis lebensgefährlich, Spuren gelten nur als lässig zu mißachtende Vorschläge, Mopeds sind mit vier Personen besetzt oder mit zweien und einem Abwaschtisch, Kleinlaster werden himmelhoch mit Waren vollgestapelt, viele Autos, stammen aus den 60ern und da die Fußgängerwege voll und unbequem sind, latschen auch noch die Fußgänger auf der Strasse. Hupen ist Volkssport. Tohuwabohu. Ein gewöhnlicher deutscher Polizist erläge binnen kurzer Zeit einem Herzinfarkt.

Das Ägyptische Museum, von Franzosen um die Jahrhundertwende erbaut, riesig, unter massivem Polizeischutz, wie alle wichtigen Gebäude, Taschenkontrollen inclusive, der Bau rosafarben und majestätisch. Drinnen fünftausend Jahre menschlichen Könnens, menschlichen Machtge- und Mißbrauches und unserer Fähigkeit zum Imaginieren. So viel Schönes. Fast zu viel! Räume und Räume und Räume voller Mumien und Grabbeigaben und Statuen und Schmuck und historischen Alltagsgegenständen und Tinnef. Pharaonenperrücken aus schwarzer Wolle, viertausend Jahre altes Leinen, fein ziselierter Schmuck.
 
Echnaton, wunderschönes längliches Gesicht, zarter Oberkörper, 
der in einer Birnenform endet. Fett? Schwanger? 


FRAGEN EINES LESENDEN ARBEITERS 
  Wer baute das siebentorige Theben? 
In den Büchern stehen die Namen von Königen. 
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? 
Und das mehrmals zerstörte Babylon, 
Wer baute es so viele Male auf ? In welchen Häusern 
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute? 
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war, 
Die Maurer? Das große Rom 
Ist voll von Triumphbögen. Über wen 
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz 
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis 
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang, 
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven. 
Der junge Alexander eroberte Indien. 
Er allein? 
Cäsar schlug die Gallier. 
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? 
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte 
Untergegangen war. Weinte sonst niemand? 
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer 
Siegte außer ihm? 
Jede Seite ein Sieg. 
Wer kochte den Siegesschmaus? 
Alle zehn Jahre ein großer Mann. 
Wer bezahlte die Spesen? 
So viele Berichte, 
So viele Fragen.

b.b.


 ÄGYPTISCHE GESICHTER







Und überall Frauen um mich, die ihre Haare und ihren Körper verdecken, aber ihre Gesichter verführerisch schminken, nahezu alle tragen Kopftuch, die meisten zwei übereinander, in vielerlei Bindvariationen, viel zu viele, die meist schwarze Burkha. Und letztere laufen einen Schritt hinter dem bärtigen Gatten und haben oft vier und mehr Kinder dabei. Deutschland findet sich auf der Liste der Staaten, geordnet nach ihrer Gegurtenzahl auf Platz 218, Ägypten liegt mit 23,35 Geburten per 1000 Einwohnern auf Platz 68. 
Ihre unverkleideten Männer wispern "Taxi" oder "Fünf Prozent" in mein Ohr und die mit Witz: "How can I get your money?". Vor jedem Hotel, jeder Werkstatt stehen sechs bis sieben Männer herum, ohne, dass ersichtlich wäre, was genau ihre Aufgabe ist. Ein Land vor der Pleite, ein Land mit mehr als 12 Prozent Arbeitslosigkeit, unter jungen Menschen sind bis zu 28 Prozent. Müll allüberall.

 ÄGYPTISCHER VERFALL

 Abendlicher Basar

Decke im Ägyptischen Museum

 Löwenkopf und Plastiktüten im Ägyptischen Museum


TAG DREI

Wir wandern planlos durch die Stadt, durch Strassen, Gassen, Gässchen, über Müllberge. Die Armut und der damit einhergehende Dreck sind erschütternd. Als wäre die Hoffnungslosigkeit so groß, die Apathie so total, dass die Menschen mit gespenstischer Blindheit für den Zustand ihrer Umgebung geschlagen sind.
















Am Abend essen wir, dem Rat einer jungen Ägypterin folgend, Kushari, eine wohlschmeckende Matschepampe aus Reis, Makkaroni, Linsen und knusprige Zwiebeln, aber wir schlafen schlecht in dieser Nacht und nicht wegen des Essens.