Das fällt mir hier in Burgund auf, was nicht einfällt, wird nicht abgerissen, es wird an-und umgebaut, aber das Alte bleibt ein Teil des Neuen und das macht, dass die Dörfer und Kleinstädte ihre lange Geschichte ganz organisch weiterleben. Es wurde hier schon lange gelebt, einst so, heute anders, aber beides gehört halt zusammen. Das Alte wird nicht auf Neu geputzt und das Neue protzt nicht mit Neon und Stahl.
VÉZELAY
Ein Haus, ein Vorhof und ein Baum - und sehr viel Zeit
Vézelay
ist eine französische Gemeinde mit 447 Einwohnern im Département Yonne
in der Burgund. Die größte Kirche des Ortes ist die Basilika
Sainte-Marie-Madeleine, ursprünglich gebaut im romanischen Stil. Nach
einem ersten Brand, 1120, der über tausend Pilger das Leben kostete,
wurde sie im Stil der Frühgotik wiederaufgebaut,
nach dem nächsten Brand war man schon in der Spätgotik angekommen. Die
Bauzeit erstreckte sich also in etwa vom Jahr 1120 bis ins Jahr 1260.
Immer blieb etwas Altes stehen und das "Neue" wurde hinzugefügt. Stilmix nennt man das heute. Hügel und Kirche von Vézelay zählen seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Quelle für die Zahlen - Wiki
Quelle für die Zahlen - Wiki
DIE BASILIKA SAINTE-MARIE-MADELEINE
„Kurz nach Fertigstellung des Langhauses erlebte
Vézelay den Höhepunkt seiner Geschichte: Ostern 1146 ruft Bernhard von
Clairvaux auf Geheiß Papst Eugens III. vor einer riesigen Menschenmenge,
die die Kirche nicht fassen kann und sich daher auf dem Hang südlich
der Kirche versammelt hat, im Beisein von König Ludwig VII., der Königin
Eleonore von Aquitanien und der Großen des Reiches zum Zweiten Kreuzzug
auf. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, 1190, treffen sich in
Vézelay die Könige Philippe-Auguste und Richard Löwenherz mit ihren
Armeen zum Dritten Kreuzzug nach Palästina ... Vézelay wird nicht nur
Sammelort der Pilger, sondern auch der Ritter aus ganz Europa. 1166
flüchtet hier Thomas Becket vor der Verfolgung des englischen Königs,
der hl. Franziskus von Assissi gründet hier 1217 seine erste Niederlassung in
Frankreich.“
Klaus Bußmann: BurgundZwischen den Bewohnern der Stadt und den "Betreibern" der Kirche und des ihr zugehörigen Klosters gab es immer wieder Schwierigkeiten, die Frondienste waren zu hart, die Steuererhöhungen für Neu- und Wiederaufbau zu hoch -
ein Reiseführer, der ganz offensichtlich von der katholischen Kirche lektoriert, und möglicherweise auch finanziert, wurde, beschreibt das so: " Aufgrund der andauernden Konflikte flüchtet Abt Ponce um 1155 mit seinen Mönchen zum König und bittet um Schutz. Die Bürger müssen auf ihre Gemeinschaft verzichten."
Sie werden verjagt und dann muß man auf sie verzichten, schöner kann man das nicht umschreiben.
Die katholische Kirche hat hier offensichtlich auch heute noch eine große Gegenwärtigkeit, zum Beispiel habe ich große Gruppen Halbwüchsiger in sehr kleidsamen Pfadfinderuniformen nach Vezelay wallfahren gesehen und die bekommen dann einen abschließenden Gruppengottesdienst geboten. Das geht wie am Fließband, eine Gruppe raus, die nächste rein. Erinnert mich ungut an die Fahnenappelle meiner DDR-Jugend.
MARIA AUS MAGDALA - Apostelin der Apostel - Die Namensgeberin der Kirche
...Und
es begab sich darnach, daß er reiste durch Städte und Dörfer und
predigte und verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes; und die zwölf
mit ihm, zwei dazu etliche Weiber, die er gesund hatte gemacht von den
bösen Geistern und Krankheiten, nämlich Maria, die da Magdalena heißt,
von welcher waren sieben Teufel ausgefahren... Lukas 8
Maria Magdalena ist die Schutzpatronin
der Frauen, der Verführten, der reuigen Sünderinnen, der Schüler,
Studenten und Gefangenen, der Winzer, Weinhändler, Handschuhmacher
und Friseure. Und sie sie wird gegen Gewitter, Ungeziefer und Augenleiden angerufen. Was für eine Mischung! Um ihre Überreste, sprich Reliquien, wurde und wird hart gekämpft.
Gute Reliquien machen zahlreiche Pilger und ergo gute Geschäfte. Insofern sind die magdalenischen Gebeine, die in der Krypta der Kirche lagern, lebenswichtig für die Ökonomie der Stadt und werden nicht öffentlich in Zweifel gestellt. Ob sie je nach Frankreich gekommen ist und wenn, wo sie gestorben und begraben wurde, ist Gegenstand vieler Bücher und wird hier nicht weiter kommentiert. Aber es wird behauptet, dass alle Splitter vom Kreuz Jesu zusammengenommen, ausreichen würden, die Berliner Mauer wieder herzustellen und es wird auch gesagt, dass ganze Regionen ihren wirtschaftlichen Aufschwung dem zufälligen, glücklichen Auffinden einzelner Teile berühmter Heiliger zu danken haben.
Drei (Frauen) hatten ständig Umgang mit dem Herrn:
seine Mutter Maria, seine Schwester und Magdalena, die „seine
Gefährtin“ genannt wird. Denn „Maria“, so heißt seine Schwester; und
seine Mutter heißt so; und seine Gefährtin heißt so.
Nag-Hammadi-Codex II,3 Vers 32
DIE MYSTISCHE MÜHLE
Fast jede Säule ist mit Gleichnisbildern geschmückt, während langer Predigten sicher eine willkommene Ablenkung, wie Fernsehgucken beim Bügeln.
Säulenkapitell zw.1125 und 1140
Ein Mann im kurzen Gewand schüttet Korn in eine Mühle, während ein anderer,
bekleidet mit einer weißen Toga, das Mehl auffängt.
In der ersten Gestalt muss man Moses sehen; im Korn, das er in die Mühle
schüttet, das Gesetz des Alten Testamentes, das er von Gott am Berg
Sinai erhalten hat. In der Mühle, die das Korn mahlt, wird symbolisch
Christus dargestellt (das Rad ist mit einem Kreuz bezeichnet). In dem
Menschen, der das Korn auffängt, wird der Apostel Paulus gezeigt, und im
Mehl selbst das Gesetz des Neuen Bundes, die neue Gerechtigkeit. Das
Gesetz des Moses enthielt zwar die Wahrheit, aber es war eine verborgene
Wahrheit, so verborgen wie das Mehl im Korn. Erst durch das Opfer
Christi am Kreuz ist es in dieses Mehl verwandelt worden, das man in
sich aufnehmen kann, indem man es zu Brot weiterverarbeitet: und das ist
das neue Gesetz des Evangeliums Jesu Christi. (geo-reisecommunity)
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