Dienstag, 16. Juli 2013

Burgund 2 - Vanitas


GEHÄUTET - Ein Grabmal
1547

Ligier Richier (* um 1500 in Saint-Mihiel; † 1567 in Genf) war ein französischer Bildhauer der Frührenaissance. Er entstammte einer sammielloiser Steinmetzfamilie. Er wurde unter anderem in Italien bei Michelangelo ausgebildet. Seine Werke finden sich vorwiegend in seiner lothringischen Heimat. (Wiki) 
 



Ich sagte zu meiner Seele, sei still und warte, ohne Hoffnung,
Denn Hoffnung wäre Hoffnung auf das Falsche; warte ohne Liebe,
Denn Liebe wäre Liebe für das Falsche; da ist noch der Glaube,
Doch Glaube, Liebe und Hoffen sind alle im Warten,
Warte ohne Gedanken, denn du bist nicht bereit für Gedanken:
So wird das Dunkel das Licht sein und die Stille der Tanz.
Geraune fließenden Wassers, Wetterleuchten im Winter,
Der ungesehene wilde Thymian, und die Walderdbeere,
Das Lachen im Garten, Widerhall von Verzückung
Nicht verloren, aber fordernd, hinweisend auf die Pein 
Von Tod und Geburt. 

I said to my soul, be still, and wait without hope
For hope would be hope for the wrong thing; wait without love
For love would be love of the wrong thing; there is yet faith
But the faith and the love and the hope are all in the waiting.
Wait without thought, for you are not ready for thought:
So the darkness shall be the light, and the stillness the dancing.
Whisper of running streams, and winter lightning.
The wild thyme unseen and the wild strawberry,
The laughter in the garden, echoed ecstasy
Not lost, but requiring, pointing to the agony
Of death and birth. 

T.S. Eliot aus East Coker - Vier Quartette




Montag, 15. Juli 2013

Burgund 1



Der Page

"Du süße Königin Fanchon,
Und willst du werden mein,
Du süße Königin Fanchon
Mein ganzes Reich sei dein!


Mein Land Burgund ist sonnig grün,
Sei du die Königin,
Und wenn die weißen Lilien blühn,
Nimm sie als Zepter hin!"


So warb der König von Burgund
Um Königin Fanchon,
Da lachte süß der blasse Mund
Der Königin Fanchon ...


Der Page, der am Throne stand,
Bog tief das feine Knie,
Es spielte seine Knabenhand
Am Dolch der Pagerie. –


So ängstlich war die Sommernacht,
Von Blitzen fern durchloht,
Und als der Sommertag erwacht,
Da war der König tot.


Wie fein der Stich im Nachtgewand,
Dreikantig vom Stilett, –
Sie legten ihn mit treuer Hand
Aufs goldne Königsbett.


Und vor dem Bett in Wache stand
Der Page spat und früh,
Es spielte seine schmale Hand
Am Dolch der Pagerie.


Börries Freiherr von Münchhausen: 
Die Balladen und ritterlichen Lieder. 
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuggart/Berlin

Marianne Stokes 
Die Königin und der Page 1896 
 

Sonntag, 14. Juli 2013

Aufsatz - Eine Gedichtsinterpretation


Ich hatte einst ein schönes Vaterland


Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft -
es war ein Traum.

Und als ich nun ins ferne Ausland kam,
da war ein Mädchen zauberschön
und blond von Haar zu seh'n.
Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch
(man glaubt es kaum,
wie gut es klang) das Wort: "Ich liebe dich" -
es war ein Traum.

Heinrich Heine 1832

Den folgenden Text hat eine Freundin in einem Bibliotheksbuch gefunden und 
mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Ich halte ihn für echt, auch weil 
ich in einem Fernsehbeitrag gesehen habe, wie Mitbürger die Frage: "Wie lange dauerte der 30-jährige Krieg?", kurz überdachten und dann "3 bis 5 Jahre?" in die Kamera schickten. Es ist eine Gedichtsinterpretation, der Aufsatz einer Schülerin der 12. Klasse.

Deutsch Klausur II 

Das Gedicht von Heinrich Heine wirkt sehr ruhig auf mich. Es handelt sich um 
ein Gedicht mit Deutschland. Wie schön es doch einst war. Das Gedicht trägt 
den Namen „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ und wurde von Heinrich Heine verfasst. Es stammt aus dem Jahre 1933. Das Thema beruht auf das vergangene Deutschland. Ein Land zum Leben. Es ist ein zeitgeschichtliches Gedicht. 
Man könnte es auch als politisches Gedicht interpretieren. Das Gedicht ist sehr gelassen. Es kommt verliebt und sehr ruhig herüber. Es schwärmt von dem damaligen Deutschland. Das Gedicht entstand vor dem zweiten Weltkrieg und inmitten des Kalten Krieges. Heine denkt an die Zeit zurück, wo Frieden in Deutschland herrschte. Die Sehnsucht nach dem Alten kommt an und dies 
ändert sich auch bis zum Schluss des Gedichts nicht. Er teilt seine Gedanken den Menschen mit. Daraus schließt sich, dass es sich zum Teil um Gedankenlyrik handelt. Der andere Teil ergibt sich aus dem Fakt, dass er vom alten schönen Deutschland spricht. So ist der andere Teil Erlebnislyrik, da er es ja erlebt hatte. Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils vier Versen. Außerdem besitzt es eine Überschrift. Die Strophen sind im Hausreim geschrieben worden, wobei in der zweiten Strophe der Vers eins sich nicht reimt mit dem dritten Vers. Innerhalb der zweiten Strophe existiert ein Binnenreim. Dies in dem Vers eins. Beides reimt sich auf „deutsch“. Die zweite Strophe beinhaltet noch eine Besonderheit. Der zweite und die Hälfte des dritten Verses sind eingeklammert. Dies geschah wohl, um den darauffolgenden Satz zu verdeutlichen. In diesem sagt er aus, dass Deutschland sagt, dass es die Menschen, insbesondere Heine liebt. Auch spielt 
der Eichbaum eine wieder eine große Rolle. Das Symbol Deutschlands. Heinrich Heine ist 1831 nach Paris gegangen. Um Ruhe zu finden. Das Gedicht hat er 
1833 verfasst. Es ist also sein persönlicher Rückblick auf Deutschland. So hat er sein Vaterland in Erinnerung behalten. So will er es wohl auch wieder sehen.
Deutschland ist Heines Heimatland. Er ist 1797 in Düsseldorf geboren und in Deutschland zur Schule gegangen. Er hat gesehen, wie sich Deutschland immer wieder gewandelt hat. 1831 dann seine Emigration nach Frankreich. Er ist stolz 
ein Deutscher zu sein, wobei er nicht das deutsche Politiksystem unterstützt. 
Er war immer Gegner der Politik und hat auch Schreibverbote bekommen, 
die ihn letztendlich aus Deutschland vertrieben. Er wurde auch in Frankreich beigesetzt, was darauf schließen lässt, dass er nicht wieder nach Deutschland 
zog, wobei er Hamburg zwei mal besucht hatte. Dabei fand er aber sein Deutschland nicht wieder.
Die Zeit um 1930 war die Zeit im Kalten Krieg. Die Spannungen in Europa waren sehr groß. 1933 letztendlich wurden die ersten Konzentrationslager gebaut. In Dachau entstand das erste. Dieses war für Priester und Bischöfe gedacht. Von da an und aufwärts begann das Regiem von Adolf Hitler. Dies hat Heine von außen verfolgt. Auch das zeigt ihm, wie schön Deutschland in seiner Jugendzeit war. 
Beim ersten Lesen fiel mir sofort das verliebte in seinen Versen auf. Als sehne er sich zurück zu seinem Geburtsland. Das Land, in dem er aufgewachsen ist, wo er gelebt hat, in das er sich verliebt hat. Beim zweiten lesen fiel mir dann auf wie bedrückt er doch klingt. Voller Trauer und Kummer.
Er liebte Deutschland und konnte es nicht vergessen und dies drückte er in den Gedichten nach 1931 aus. 

Für den Text ein Dankeschön an B.D.
 
Noch eine Interpretation des Heine-Gedichtes, diesmal von Mascha Kaleko: 
 
Emigranten-Monolog

Ich hatte einst ein schönes Vaterland -
So sang schon der Flüchtling Heine.
Das seine stand am Rheine,
Das meine auf märkischem Sand.

Wir alle hatten einst ein (siehe oben!)
Das fraß die Pest, das ist im Sturm zerstoben.
O Röslein auf der Heide,
Dich brach die Kraftdurchfreude.

Die Nachtigallen werden stumm,
Sahn sich nach sicherm Wohnsitz um.
Und nur die Geier schreien
Hoch über Gräberreihen.

Das wird nie wieder, wie es war,
Wenn es auch anders wird.
Auch, wenn das liebe Glöcklein tönt,
Auch wenn kein Schwert mehr klirrt.

Mir ist zuweilen so, als ob
Das Herz in mir zerbrach.
Ich habe manchmal Heimweh.
Ich weiß nur nicht, wonach . . .


Samstag, 13. Juli 2013

Niclas Gerhaert van Leyden


    Gastfrei zu sein vergesset nicht; 
    denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel 
    beherbergt.
       Paulus Brief an die Hebräer 13.2 in der Luther-Übersetzung, Ausgabe 1912


Klagender Engel, 
Niclaus Gerhaert von Leyden und Werkstatt, 1462

   Wiki schreibt: Niclas Gerhaert van Leyden, auch Nicolaus, Niclaes oder Niklas 
   Gerhaert van  oder von Leyden (* um 1430 in Leiden; † 28. Juni 1473 in Wiener 
   Neustadt) war ein niederländischer Bildhauer, der vor allem im südlichen 
   Mitteleuropa gewirkt hat.

Nachdenkender Mann
Niclaus Gerhaert von Leyden und Werkstatt, 1467


Der Engel in dir
Freut sich über dein
Licht
Weint über deine Finsternis

Aus seinen Flügeln rauschen
Liebesworte
Gedichte Liebkosungen

Er bewacht
deinen Weg

Lenk deinen Schritt
engelwärts

Rose Ausländer


Zweimal dieselbe Frau?

Interessiert!
 
 Büste der Heiligen Barbara

Werkstatt des Niklaus Gerhaert von Leyden, 1465
 
 Genervt!
 
Büste der Heiligen Katharina von Alexandria
Werkstatt des Niklaus Gerhaert von Leyden, 1465


Freitag, 12. Juli 2013

Margaret Bourke-White 2 - Schönheit


 
   “The camera is a remarkable instrument. Saturate yourself with your 

    subject and the camera will all but take you by the hand.”
   "Die Kamera ist ein erstaunliches Instrument. Fülle dich mit Deinem
     Subjekt und die Kamera, wird Dich nahezu an der Hand nehmen."

    Schönheit ist ein flatterhafter, schwer fassbarer Begriff. 
    Schönheit ist Hoffnung. Hoffnung, dass es besser ausgehen wird, als 
    wahrscheinlich. Schönheit ist Hoffnung auf die Unendlichkeit des
    Moments. Schönheit ist der Moment, wo noch alle Möglichkeiten offen
    stehen. Schönheit ist der Augenblick bevor ...


Arbeiter im Gold-Bergwerk - LIFE Magazin Johannesburg, Südafrika, 1950
©  TIME INC., courtesy of Monroe Gallery of Photography

 Schwarzer, Neger, Afro-Amerikaner, Afro-Deutscher, schwarzer Deutscher, geschwärzter Deutscher. Kohle oder Pigment, egal, die Schönheit ist flüchtig, aber real und atemberaubend.

Bergarbeiter in Gelsenkirchen 1945

Alle Photographien © Margaret Bourke-White

Dienstag, 9. Juli 2013

Hans Christian Andersen - Amor - Caravaggio


OMNIA VINCIT AMOR


Amor Vincit Omnia Caravaggio 1601/02

Omnia vincit amor et nos cedamus amori!
Die Liebe besiegt alles, unterwerfen wir uns der Liebe!
Virgil Eclogen 10,69, Bucolica 

DER UNARTIGE KNABE

Es war einmal ein alter Dichter, so recht ein guter alter Dichter. Eines Abends als er zu Hause saß, entstand draußen ein schrecklich böses Wetter; der Regen strömte hernieder, aber der Dichter saß warm und gut bei seinem Ofen, wo das Feuer brannte und die Äpfel zischten.
"Es bleibt kein trockner Faden auf den Armen, die bei diesem Wetter nicht zu Hause sind!" sagte er, denn er war ein guter Dichter.
"O, öffne mir! mich friert und ich bin ganz nass!" rief draußen ein kleines Kind. Es weinte und klopfte draußen an die Tür, während der Regen herabströmte und der Wind mit allen Fenstern klirrte. "Du kleines Wesen!" sagte der alte Dichter, als er die Tür öffnete. Da stand ein kleiner Knabe, der war ganz nackt, und das Wasser floss aus seinen langen gelben Locken. Er zitterte vor Kälte; wäre er nicht hereingekommen, hätte er in dem bösen Wetter sicher umkommen müssen.
"Du armer Junge!" sagte der freundliche Dichter und nahm ihn bei der Hand. "Komm zu mir, ich werde dich schon erwärmen! Wein und einen Apfel sollst du haben, denn du bist ein prächtiger Knabe!"
Das war er auch. Seine Augen sahen wie zwei klare Sterne aus, und obgleich das Wasser aus seinen gelben Locken herabfloss, ringelten sie sich doch. Er sah aus wie ein kleines Engelskind, war aber bleich vor Kälte und zitterte über den ganzen Körper. In der Hand trug er einen herrlichen Bogen, aber der war vom Regen ganz verdorben, alle Farben auf den schönen Pfeilen liefen vom nassen Wetter in einander.
Der alte Dichter setzte sich an den Ofen, nahm den kleinen Knaben auf seinen Schoß, drückte das Wasser aus seinen Locken, wärmte ihm die Hände in den seinen und kochte ihm süßen Wein. Da erholte er sich, bekam rote Wangen, sprang auf den Fußboden nieder und tanzte rings um den alten Dichter herum.
"Du bist ein lustiger Knabe!" sagte der Alte. "Wie heißt du!"
"Ich heiße Amor!" erwiderte er. "Kennst du mich nicht? Dort liegt mein Bogen; glaube mir, damit schieße ich! Sieh, nun wird das Wetter draußen wieder gut, der Mond scheint."
"Aber Dein Bogen ist verdorben!" sagte der alte Dichter." "Das wäre schlimm!" sagte der kleine Knabe, nahm ihn auf und besah ihn. "O, der ist ganz trocken, der hat gar keinen Schaden gelitten; die Sehne sitzt ganz stramm; nun werde ich ihn probieren!" Dann spannte er ihn, legte einen Pfeil darauf, zielte und schoss dem guten alten Dichter gerade in das Herz: "Siehst du wohl, dass mein Bogen nicht verdorben war?" sagte er, lachte ganz laut und lief seines Weges. Der unartige Knabe, so den alten Dichter zu schießen, der ihn in die warme Stube hereingenommen, so gut gegen ihn gewesen war und ihm den schönsten Wein und die besten Äpfel gegeben hatte.
Der gute Dichter lag auf dem Fußboden und weinte, er war wirklich gerade in das Herz geschossen: "Pfui! was ist dieser Amor für ein unartiger Knabe, das werde ich allen guten Kindern erzählen, damit sie sich in Acht nehmen können und nie mit ihm spielen, denn er tut ihnen etwas zu Leide!"
Alle guten Kinder, Mädchen und Knaben, welche er dieses Erzählte, nahmen sich auch vor dem bösen Amor in Acht, aber er führte sie doch an, denn er ist schlau. Wenn die Studenten von den Vorlesungen kommen, läuft er ihnen zur Seite, mit einem Buche unter dem Arm und hat einen schwarzen Rock an. Sie können ihn gar nicht erkennen, und dann fassen sie ihn unter dem Arm und glauben, dass er auch ein Student sei, aber dann sticht er ihnen den Pfeil in die Brust. Wenn die Mädchen vor dem Prediger kommen und wenn sie eingesegnet werden, so ist er auch hinter ihnen.

Ja, er ist immer hinter den Leuten her! Er sitzt in der großen Lampenkrone im Theater und brennt lichterloh, so dass die Leute glauben, er sei eine Lampe, aber später sehen sie den Irrtum ein. Er läuft im Schlossgarten und auf den Wällen umher, ja, er hat auch einen deinem Vater und deiner Mutter gerade in das Herz geschossen! Frage sie nur danach, so wirst du hören, was sie sagen. Ja, es ist ein böser Knabe, dieser Amor, mit ihm musst du nie etwas zu schaffen haben; er ist hinter Jedermann her. Denk einmal, er schoss sogar einmal einen Pfeil auf die alte Großmutter ab, aber das ist lange her, dass es geschehen ist. Die Wunde ist zwar geheilt, doch vergisst sie es nie. Pfui, der böse Amor! Aber nun kennst du ihn und weißt, was er für ein unartiger Knabe ist!

Hans Christian Andersen

Montag, 8. Juli 2013

Raphael Soyer - Gottfried Benn



Raphael Soyer Café-Szene 1946

Nachtcafé

824: Der Frauen Liebe und Leben.
Das Cello trinkt rasch mal. Die Flöte
rülpst tief drei Takte lang: das schöne Abendbrot.
Die Trommel liest den Kriminalroman zu Ende.

Grüne Zähne, Pickel im Gesicht
winkt einer Lidrandentzündung.

Fett im Haar
spricht zu offenem Mund mit Rachenmandel
Glaube Liebe Hoffnung um den Hals.

Junger Kropf ist Sattelnase gut.
Er bezahlt für sie drei Biere.

Bartflechte kauft Nelken,
Doppelkinn zu erweichen.

B-moll: die 35. Sonate
Zwei Augen brüllen auf:
Spritzt nicht das Blut von Chopin in den Saal,
damit das Pack drauf rumlatscht!
Schluß! He, Gigi! -

Die Tür fließt hin: Ein Weib.
Wüste ausgedörrt. Kanaanitisch braun.
Keusch. Höhlenreich. Ein Duft kommt mit.
Kaum Duft.
Es ist nur eine süße Verwölbung der Luft
gegen mein Gehirn.

Eine Fettleibigkeit trippelt hinterher.

Gottfried Benn 1912

Sonntag, 7. Juli 2013

Staatsbürgerkunde 1961


Stellen Sie die Armee eines kapitalistischen Landes der eines sozialistischen Landes gegenüber!

Am 24.3.1961 in einer Schule in Mecklenburg war dies das Thema eines Staatsbürgerkunde (Stabü) - Aufsatzes. Die Schreiberin war gerade sechzehn geworden, hörte begeistert Radio Luxemburg, las Schiller auf dem Klo, um dort ungestört weinen zu können, hatte überhaupt ihre ganz eigenen sechzehnjährigen Gedanken und Ideen und war doch, ohne größere Mühe, in der Lage über den oben zitierten Satz einen längeren Text zu schreiben. Lerne lügen ohne zu denken, könnte man das nennen. Ähnliche Hohlsätze, Worthülsen, Sinnverquarkungen haben die meisten DDR-Kinder meiner Generation, zu ähnlichen idiotischen Aufgabenstellungen, fleissig von sich gegeben. Ich schließe mich selbst dabei ein. Manche von uns haben geglaubt, manche haben sich gewehrt, aber viele haben im Wissen um die verlangte Verlogenheit ohne Skrupel das Erwünschte geliefert und sind dann nach Hause gegangen und haben sich darüber lustig gemacht. Welch ein schizophrener Irrsinn.
Ich lese das heute, lache lauthals, erkenne mich wieder und erschrecke.

Der Aufsatz:

Jeder Staat hat seine Machtmittel: Polizei, Gesetze, Regierung, Gericht und auch die Armee. Der Charakter der Armee ist von der jeweils im Lande herrschenden Gesellschaftsordnung abhängig. * In Ländern mit antagonistischen Klassen (sehr gegensätzlich, nicht vereinbar) stellt die Amee nicht nur eine Verteidigungs-, sondern in weit größerem Maße, eine Angriffsarmee dar. Länder mit antagonistischen Klassen sind die kapitalistischen Länder. ** Der Kapitalismus hat sein größtes Geschäft am Krieg. Also ist die Armee dort eine Ver Angriffsarmee. In den sozialistischen Ländern dagegen ist nur im Frieden an ein Vorwärtskommen zu denken. Alle Betriebe sind auf friedliche Produktion eingestellt. Wir brauchen ja die Menschen und Materialien, um unseren Wirtschaftsbedarf zu decken. Der Sozialismus kann nur im Frieden existieren. Dementsprechend ist auch der Charakter der Armeen in friedliebenden Ländern, z.B.  bei uns in der DDR. Eine Armee brauchen auch wir; jedoch nicht zum Angreifen sondern zur Verteidigung, zum Schutz unseres Landes und seiner Errungenschaften. Der Oberbefehlshaber unserer Armee war früher Arbeiter. (Ich glaube Maurer.) Dies allein sagt schon genug. In den kapitalistischen Ländern, z.B. in Westdeutschland, sind jetzt viele Offiziere usw. in Machtstellung, die auch im 2. Weltkrieg schon mit am Ruder waren; z.B. der Bonner Kriegsminister Strauß. Schon alleine durch die Menschen, die in den beiden Armeen zu bestimmen haben, kann man seine Schlüsse auf deren Charakter ziehen. Außerdem haben wir andere Beweise, daß die Bundeswehr eine Angriffsarmee ist. Plant man doch in der DBR (?) schon wieder einen neuen Feldzug in Richtung Osten! Wie sollte das ohne die Bundeswehr geschehen? Und von Verteidigung kann in dem Falle auch gar nicht die Rede sein; obwohl die Bundeswehr an und für sich von sich selbst behauptet, sie sei eine Verteidigungsarmee. Jedoch die Tatsachen sprechen dagegen.

* Wir kennen Angriffs- uund Verteidigungsarmeen.

** Auch in der DDR gibt es verschiedene Klassen. Jedoch arbeiten diese
   miteinander und nicht gegeneinander. 
http://www.google.de/imgres?hl=de&biw=1115&bih=593&tbm=isch&tbnid=PxOJJVZTLV7MOM:&imgrefurl=http://www.poolalarm.de/kindersuchdienst/ddr-schule.htm&docid=EQK26ZAa1Sfj1M&imgurl=http://www.poolalarm.de/kindersuchdienst/schule-bilder/schule-schiessuebung.jpg&w=500&h=386&ei=-YzZUfWvA4_QsgaF-4CYAQ&zoom=1&iact=hc&vpx=184&vpy=242&dur=1940&hovh=197&hovw=256&tx=150&ty=87&page=1&tbnh=143&tbnw=182&start=0&ndsp=18&ved=1t:429,r:1,s:0,i:88 

Josef Sudek / Ei - nfach?


EIN EI

 1930

Ich glaube, dass Photographie banale Dinge liebt, und ich liebe das Leben der Dinge. J.S.

 1961

ei Interjektion; (meist im Umgang mit Kindern) verwendet, um Erstaunen o. Ä. auszudrücken oder um ein Kind zu trösten 


die einsamkeit

das muß schon einige zeit her sein,
daß ich von einsamkeit gelesen habe,
denn längst ist einsamkeit nicht mehr
so fern (von mir),
daß ich es lesen muß
um etwas davon zu hören.
sie geht mir tag und nacht
nicht mehr aus den ohren.
 
Ernst Jandl

 1950-54

 1951

 Auf dem Fensterbrett meines Studios 1950-54


Josef Sudek

Ale Photographien © Josef Sudek

Der tschechische Fotograf Josef Sudek wird am 17. März 1896 im böhmischen Kolín geboren. Mit 14 Jahren geht Sudek nach Prag, macht eine Buchbinderlehre und arbeitet von 1913-15 als Druckereiarbeiter. Er ist bereits engagierter Amateur-fotograf, als er zu seinem insgesamt drei Jahre währenden Kriegsdienst im Ersten Weltkrieges antritt. Infolge einer schweren Verletzung verliert Josef Sudek seinen rechten Arm. Da er nun seinen gelernten Beruf nicht mehr ausüben kann, entscheidet er sich, Fotograf zu werden. Er absolviert von 1922-24 ein Studium an der Staatlichen Grafikschule in Prag und ist Gründungsmitglied der Tschechischen Fotografischen Gesellschaft. Josef Sudek und sein Freund Jaromír Funke werden die beiden wichtigsten Vertreter der tschechischen Avantgarde und sind Verfechter einer unverfälschten, dokumentarischen Fotografie, welche im Gegensatz zur "gefälligen" Kunstfotografie steht. 1927 richtet Josef Sudek ein kleines Atelier in Prag ein und veröffentlicht ein Portfolio über die Bauarbeiten am Prager Veitsdom.
1940 kennzeichnet einen Wendepunkt in Josef Sudeks Werk: Er zieht sich immer mehr in die eigene hermetische Welt seines Ateliers zurück und konzentriert sich auf private Themen. Seine größte Meisterschaft erreicht Sudek in seinen Stillleben, die gekennzeichnet sind durch höchste lichtplastische Sensibilität. Oft sind auf den Aufnahmen nur wenige, ganz alltägliche Gegenstände, wie ein Glas Wasser und ein weißes Ei, zu sehen – Josef Sudek schafft es jedoch, diese mit Bedeutung aufzuladen und ihnen eine geheimnisvoll- irreale Wirkung zu verleihen. Ab 1950 fotografiert Sudek mit einer Panoramakamera. Die Ergebnisse erscheinen neun Jahre später in dem Buch "Praha panoramatická". 1961 erhält Sudek als erster Fotograf die Auszeichnung "Verdienter Künstler" der Tschechoslowakischen Republik.
Er stirbt am 15. September 1976 in Prag.

 
Ei und Dekanter 1954

Das Liebesbrief-Ei

Ein Huhn verspürte große Lust
unter den Federn in der Brust,
aus Liebe dem Freund, einem Hahn zu schreiben,
er solle nicht länger in Düsseldorf bleiben.
Er solle doch lieber hier - zu ihr eilen
und mit ihr die einsame Stange teilen,
auf der sie schlief.
Das stand in dem Brief. Wir müssen noch sagen: Es fehlte ihr an gar nichts.
Außer an Briefpapier.
Da schrieb sie ganz einfach und deutlich mit Blei
den Liebesbrief auf ein Hühnerei.
Jetzt noch mit einer Marke bekleben
und dann auf dem Postamt abgeben.
Da knallte der Postmann den Stempel aufs Ei.
Da war sie vorbei,
die Liebelei.

Janosch
 

Freitag, 5. Juli 2013

Kleinigkeiten



    Ich habe heute:
    - meiner Lieblingsnichte beim Reiten zugeschaut.
    - einen sehr großen Hund spazierengeführt.
    - eine Stunde lang eine Katze gestreichelt.
    - ein bisschen in einem Buch gelesen.
    - einen Tisch für acht Menschen gedeckt.
    - ein  Gespräch geführt.
    - ein Brot aufgeschnitten.
    - 24 Mücken erschlagen.
    - zwei Prinzessinnen vor einem aggressiven Frosch 
      gerettet.


      DIE FRÖSCHE

     Ein großer Teich war zugefroren,
   die Fröschlein in der Tiefe verloren,
   durften nicht ferner quaken noch springen,
   versprachen sich aber im halben Traum,
   fänden sie nur da oben Raum,
   wie Nachtigallen wollten sie singen.
   Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
   nun ruderten sie und landeten stolz
   und saßen am Ufer weit und breit
   und quakten wie vor alter Zeit.


   Johann Wolfgang von Goethe