Thomas Gainsborough zwischen 1763 und 1770 6 Katzenstudien
KLEINE KATZEN
Kleine Katzen sind so drollig
und so wollig und so mollig,
daß man sie am liebsten küßt.
Aber auch die kleinen Katzen
haben Tatzen, welche kratzen.
Also Vorsicht! Daß ihr's wißt!
Kleine Katzen wollen tollen
und wie Wolleknäuel rollen.
Das sieht sehr possierlich aus.
Doch die kleinen Katzen wollen
bei dem Tollen und dem Rollen
fangen lernen eine Maus.
Kleine Katzen sind so niedlich
und so friedlich und gemütlich.
Aber schaut sie richtig an:
Jedes Sätzchen auf den Tätzchen
hilft, daß aus dem süßen Kätzchen
mal ein Raubtier werden kann.
James Krüss
Pablo Picasso 1939 Katze verschlingt Vogel
Pablo Picasso 1939 Verletzter Vogel und Katze
Katze und Maus in Gesellschaft
Eine Katze hatte Bekanntschaft mit einer Maus gemacht und ihr soviel
von großer Liebe und Freundschaft vorgesagt, die sie zu ihr
trüge, daß die Maus endlich einwilligte, mit ihr zusammen
in einem Haus zu wohnen und gemeinschaftliche Wirtschaft zu führen.
"Aber für den Winter müssen wir Vorsorge tragen,
sonst leiden wir Hunger", sagte die Katze. "Du, Mäuschen,
kannst dich nicht überallhin wagen und gerätst mir am
Ende in eine Falle." Der gute Rat wurde also befolgt und ein
Töpfchen mit Fett angekauft. Sie wußten aber nicht, wohin
sie es stellen sollten. Endlich, nach langer Überlegung, sprach
die Katze: "Ich weiß keinen Ort, wo es besser aufgehoben
wäre, als die Kirche; da getraut sich niemand etwas wegzunehmen.
Wir stellen es unter den Altar und rühren es nicht eher an,
als bis wir es nötig haben." Das Töpfchen wurde also
in Sicherheit gebracht. Aber es dauerte nicht lange, so trug die
Katze Gelüste danach und sprach zur Maus: "Was ich dir
sagen wollte, Mäuschen, ich bin von meiner Base zum Gevatter
gebeten. Sie hat ein Söhnchen zur Welt gebracht, weiß
mit braunen Flecken, das soll ich über die Taufe halten. Laß
mich heute ausgehen und besorge du das Haus allein!"
"Ja, ja", antwortete die Maus, "geh
in Gottes Namen! Wenn du was Gutes ißt, so denk an mich! Von
dem süßen roten Festwein tränk ich auch gern ein
Tröpfchen!"
Es war aber alles nicht wahr. Die Katze hatte keine
Base und war nicht zum Gevatter gebeten. Sie ging geradewegs nach
der Kirche, schlich zu dem Fettöpfchen und leckte die fette
Haut ab. Dann machte sie einen Spaziergang auf den Dächern
der Stadt, streckte sich hernach in der Sonne aus und wischte sich
den Bart, sooft sie an das Fettöpfchen dachte. Erst als es
Abend war, kam sie wieder nach Hause. "Nun, da bist du ja wieder!"
sagte die Maus. "Du hast gewiß einen lustigen Tag gehabt."
"Es ging an", antwortete die Katze. "Was
hat denn das Kind für einen Namen bekommen?" fragte die
Maus.
"Hautab", sagte die Katze ganz trocken.
"Hautab", rief die Maus, "das ist
ja ein seltsamer Name! Ist der in eurer Familie gebräuchlich?"
"Was ist da weiter!" sagte die Katze.
"Er ist nicht schlechter als Bröseldieb, wie deine Paten
heißen."
Nicht lange danach überkam die Katze wieder
ein Gelüste. Sie sprach zur Maus: "Du mußt mir den
Gefallen tun und nochmals das Hauswesen allein besorgen; ich bin
zum zweitenmal zum Gevatter gebeten, und da das Kind einen weißen
Ring um den Hals hat, so kann ich's nicht abschlagen." Die
gute Maus willigte ein, die Katze aber schlich hinter der Stadtmauer
zu der Kirche und fraß den Fettopf halb aus. "Es schmeckt
nichts besser", sagte sie, "als was man selber ißt",
und war mit ihrem Tagewerk ganz zufrieden.
Als sie heimkam, fragte die Maus: "Wie ist
denn dieses Kind getauft worden?"
"Halbaus", antwortete die Katze.
"Halbaus! Was du sagst! Den Namen habe ich
mein Lebtag noch nicht gehört. Ich wette, der steht nicht im
Kalender."
Der Katze wässerte das Maul bald wieder nach
der Leckerei. "Aller guten Dinge sind drei", sprach sie
zu der Maus. "Ich soll wieder Gevatter stehen. Das Kind ist
ganz schwarz und hat bloß weiße Pfoten, sonst kein weißes
Haar am ganzen Leib. Das trifft sich alle paar Jahre nur einmal.
Du lässest mich doch ausgehen?"
"Hautab, Halbaus", antwortete die Maus,
"es sind seltsame Namen, die machen mich nachdenklich."
"Da sitzest du daheim in deinem dunkelgrauen
Flausrock und deinem langen Haarzopf", sprach die Katze, "und
fängst Grillen. Das kommt davon, wenn man bei Tag nicht ausgeht!"
Die Maus räumte während der Abwesenheit
der Katze auf und brachte das Haus in Ordnung; die naschhafte Katze
aber fraß den Fettopf rein aus. "Wenn erst alles aufgezehrt
ist, so hat man Ruhe", sagte sie zu sich selbst und kam satt
und dick erst in der Nacht nach Hause. Die Maus fragte gleich nach
dem Namen, den das dritte Kind bekommen habe. "Er wird dir
wohl auch nicht gefallen", sagte die Katze; "er heißt
Ganzaus."
"Ganzaus!" rief die Maus. "Was soll
das bedeuten?" Sie schüttelte den Kopf, rollte sich zusammen
und legte sich schlafen.
Von nun an wollte niemand mehr die Katze zum Gevatter
bitten. Als aber der Winter herangekommen und draußen nichts
mehr zu finden war, gedachte die Maus ihres Vorrats und sprach:
"Komm, Katze, wir wollen zu unserm Fettopf gehen, den wir uns
aufgespart haben! Der wird uns schmecken."
"Jawohl", erwiderte die Katze, "der
wird dir schmecken, als wenn du deine feine Zunge zum Fenster hinausstreckst."
Sie machten sich auf den Weg, und als sie anlangten,
stand zwar der Fettopf noch an seinem Platz, war aber leer.
"Ach", sagte die Maus, "jetzt merke
ich, was geschehen ist! jetzt kommt's an den Tag. Du bist mir eine
wahre Freundin! Aufgefressen hast du alles, während du behauptetest,
Gevatter zu stehen: erst Haut ab, dann halb aus, dann..."
"Willst du schweigen!" rief die Katze.
"Noch ein Wort, und ich fresse dich auf!"
"Ganz aus", hatte die arme Maus schon
auf der Zunge. Kaum war es heraus, tat die Katze einen Satz nach
ihr, packte sie und schlang sie hinunter.
Aus den Märchen der Brüder Grimm