Samstag, 31. März 2012

BUNT


EIN BUNTES TREIBEN

Bunt, bunt, bunt sind alle meine Kleider,
Bunt, bunt, bunt ist alles, was ich hab.
Darum lieb ich alles, was so bunt ist,
Weil mein Schatz ein Maler, Maler ist.

Indische Pigmente © Dan Brady

Wiki sagt:
BUNT: bezeugt im Mittelhochdeutschen bunt „(vom Pelzwerk) schwarz-weiß (gefleckt)“, welches ab dem 13. Jahrhundert das ältere mittelhochdeutsche Wort vēh „vielfarbig“ ablöst, und zunächst ein reines Klosterwort war, welches eine schwarze Stickerei auf weißem Grund bezeichnete. Die weitere Herkunft des Wortes bleibt unklar.


Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch werden in der Farblehre Weiß und Schwarz zu den „Farben“ gezählt. Für die Unterscheidung zwischen Weiß/Grau/Schwarz einerseits und den restliche Farben andererseits gibt es in der Fachsprache das Wort „bunt“. Es bezeichnet das, was die Alltagssprache „farbig“ nennt. „Bunt“ oder „Buntheit“ ist in der Farbtheorie die Reinheit, die bei Spektralfarben maximal ist, die also einen maximalen Farbsättigungsgrad haben. Mit dem Wort „unbunt“ werden dagegen Farben bezeichnet die keinerlei „Farb“eindruck hinterlassen.

Das Auge eines Studenten während Holi, in Chandigarh, in Indien 10.März 2009 © Reuters/Ajay Verma

Holi, das Fest der Farben, ist ein indisches Frühlingsfest am Vollmondtag des Monats Phalguna (Februar/März). Dieses „Fest der Farben“ dauert mindestens zwei, in einigen Gegenden Indiens auch bis zu zehn Tagen. Es wird der Frühling begrüßt und der Sieg des Guten über das Böse gefeiert.  

Der kindliche Prinz Prahlada sollte von seinem Vater überredet werden, ihm alle göttliche Ehre zu erweisen, der Junge jedoch verehrte weiterhin nur Vishnu. Mit verschiedenen Mitteln versuchte nun der König seinen Sohn zu töten, jedes mal jedoch griff Vishnu selbst ein und rettete das Kind. Schließlich griff der König zu einer List: Seine Schwester Holika, eine Dämonin, die durch besondere Kräfte vor dem Feuer geschützt war, sollte mit Prahlada auf dem Schoß ins Feuer springen und ihn so verbrennen. Aber die Flammen verschonten das Kind und von Holika blieb nur ein Häufchen Asche. Danach feiern die Menschen als Erinnerung an die Vernichtung der Dämonin das Fest Holi.

Für die Dauer der Feierlichkeiten, so sagt man, sind die strengen Kasten-, Klassen- und Geschlechterschranken aufgehoben. Die Menschen bewerfen einander mit duftendem Farbpuder und Parfumen, dann wird mit riesigen Feuern, die Verbrennung der Holika zelebriert. 

Die traditionellen natürlichen Farbpigmente waren gleichzeitig medizinische Kräuter, die ayurvedische Heiler zur Behandlung der üblichen Frühlingskrankheiten, wie Heuschnupfen und Erkältungen, verwendeten.



DAS WIRD MIR ZU BUNT!

Freitag, 30. März 2012

Marie Curie - Adrienne Rich


 Marie Curie

Macht

Lebend   in den Erd- Ablagerungen   unserer Vergangenheit

hat HEUTE ein Grabenbagger   aus einer zerbröckelnden Fläche Erde
eine Flasche   bernsteinfarben   perfekt   einhundert Jahre alt   enthüllt
Heilmittel für Fieber  oder Melancholie  ein Tonic
um auf dieser Erde zu überleben   in den Wintern dieses Klimas

HEUTE habe ich über Marie Curie gelesen:
sie muß gewußt haben, dass sie    an Strahlenkrankheit litt
ihr Körper jahrelang bombardiert von dem Element
das sie läuterte
es scheint als hätte sie bis zum Ende 
die Ursache der Katarakte in ihren Augen geleugnet
die aufgesprungene und eiternde Haut   ihrer Fingerspitzen
bis sie kein   Reagenzglas und keinen   Bleistift mehr halten konnte

Sie starb als berühmte Frau   ihre Wunden
verleugnend
verleugnend
dass ihre Wunden   wie ihre Macht   aus der gleichen Quelle   stammten  

Adrienne Rich
Adrienne Rich starb am 27. März 2012 82-jährig in Kalifornien. 

Nobel Preisträgerin Marie Curie besucht Canonsburg

Power

Living   in the earth-deposits   of our history

Today a backhoe divulged   out of a crumbling flank of earth
one bottle   amber   perfect   a hundred-year-old
cure for fever   or melancholy   a tonic
for living on this earth   in the winters of this climate

Today I was reading about Marie Curie:
she must have known she suffered   from radiation sickness
her body bombarded for years   by the element
she had purified
It seems she denied to the end
the source of the cataracts on her eyes
the cracked and eiing skin   of her finger-ends
till she could no longer hold   a test-tube or a pencil

She died a famous woman   denying
her wounds
denying
her wounds   came   from the same source as her power

Adrienne Rich
The Fact of a Doorframe: Poems Selected and New 1950-1984. New York: Norton, 1984.

  Marie Curie mit ihren Kindern

Donnerstag, 29. März 2012

Lola Montez - Teil 1


"Was Lola will, kriegt Lola auch." 
"Whatever Lola wants, Lola gets." 

Elizabeth Rosanna Gilbert begehrt, berühmt und berüchtigt unter dem Namen Lola Montez - viele Einzelheiten ihres Lebens blieben jahrelang umstritten und auch sie selbst hat die eigene Geschichte ausgeschmückt, repariert und zurechtgezupft.
Noch immer ziehen viele den Mythos der wahren Geschichte vor, und dabei ist diese doch schon phantastisch genug.

 Lola Montez, 1847, gemalt von Joseph Karl Stieler für Ludwig I.

1821 in Grange, County Sligo, Irland, als Kind eines Offiziers und der Tochter eines Richters und ehemaligen Parlamentsmitgliedes geboren. Die Gerüchte über ihre Unehelichkeit sind nachweisbar falsch. Aufgewachsen in Indien, der Vater stirbt bald, das "wilde" Kind wird vom Stiefvater nach England in die Schule geschickt, früh und ohne Zustimmung der Eltern verheiratet sie sich mit einem Leutnant James, die beiden gehen nach Kalkutta und trennen sich 5 Jahre später.

Die Kleine soll ungewöhnlich hübsch, frech, eigensinnig und schnell erzürnt gewesen sein und hat gern Leuten Streiche gespielt. So weit, so gut.

Aber jetzt: 1843 tritt sie in London unter ihrem Künstlernamen "Lola Montez, die spanische Tänzerin" auf, wird aber als Mrs. James erkannt, es kommt zum Skandal, sie verläßt England und bereist ihren berühmten "Tarantulatanz" tanzend den Kontinent. Affairen mit Franz Liszt und Alexander Dumas, dem Älteren und wahrscheinlich einigen anderen Wohltätern folgen. Sie lebt eine Weile in Paris, nachdem ihr dortiger Liebhaber im Duell stirbt, geht sie 1846 nach München unter dem noch blumigeren Namen Señora Maria de los Dolores Porris y Montez und wird nahezu sofort die Geliebte des sechzigjährigen Bayernkönigs Ludwig I., der sie bald darauf zur Gräfin von Landsfeld ernennt. Er schreibt an einen Freund: "„Eßlust und Schlaf verlor ich zum Teil, fiebrig heiß wallte mein Blut, in des Himmels Höhen hob es mich, meine Gedanken wurden reiner, ich wurde besser.“ Ihr Ersuchen um die bayrische Staatsbürgerschaft erzürnt das Kabinett, alle Minister ersuchen aus Protest um ihre Entlassung und - werden von Ludwig entlassen, ein neues Kabinett wird gebildet. Lola erhält Unsummen vom König und wird in sein Testament aufgenommen, sollte sie zum Zeitpunkt seines Ablebens unverheiratet und nicht Witwe sein. Sie nutzt ihren Einfluß aber auch für eine Liberalisierung Bayerns und gegen den Einfluss der Jesuiten.

Lola ???
Wiki sagt: Lola Montez war bei der Münchner Bevölkerung sehr unbeliebt. Sie löste einen Skandal nach dem anderen aus, wenn sie mit ihrer Dogge Turk Zigarre rauchend durch München zog. Lola, der der Gedanke einer studentischen Leibgarde gefiel, gelang es, den Senior und weitere Corpsburschen des Corps Palatia München dazu zu bringen, sich ihr unter dem neuen Corps-Namen Alemannia anzuschließen. Zum Corps-Studenten Peissner nahm sie bald ein sexuelles Verhältnis auf. Ihr Verhalten verursachte einigen Ärger in der Studentenschaft, so dass schließlich alle anderen Münchener Corps (Suevia, Palatia, Bavaria, Isaria) die Alemannia anfeindeten. Professoren und hohe Beamte wurden entlassen. Als sie schließlich von einer aufgebrachten Menge auf dem Theatinerplatz erkannt wurde, kam es zu Handgreiflichkeiten, und sie flüchtete sich in die Theatinerkirche. Daraufhin verordnete Ludwig I. am 9. Februar 1848 die sofortige Schließung der Universität bis zum Wintersemester 1848/49 und befahl allen Studenten, die Stadt binnen drei Tagen zu verlassen. Am 10. Februar 1848 zogen Studenten und andere Bürger vor die Residenz, und es kam zu Unruhen in der Stadt.
Nach heftigem Protest der Geschäftsleute, Vermieter und Bürger wurde die Universität einen Tag später wieder geöffnet und es erging der Befehl, dass Gräfin Landsfeld die Stadt binnen einer Stunde zu verlassen habe.
 
 Eduard Fuchs “Ein vormärzliches Tanzidyll"
 
Grandioses Drama! Herrlich. Sie raucht in der Öffentlichkeit Zigarre (Streng verboten natürlich!), schlägt aufdringliche Männer mit einer Peitsche, die sie stets bei sich hat, ins Gesicht, ist für ihre Wutausbrüche und ihren sexuellen Appetit bekannt. Liszt soll sie so erschöpft haben, dass er heinlich nachts aus dem gemeinsamen Hotel floh und an der Rezeption Geld für die Möbel, die sie erwartungsgemäß zertrümmern würde, hinterließ.
 
Duelle, Kabinette gestürzt, Universitätsbetrieb eingestellt und Ludwig I. muß zurücktreten (sicher nicht nur wegen Lola) und schreibt Gedichte! 
 
Nach einem Aufenthalt in der Schweiz, wo sie auf Wiedervereinigung mit dem König wartet und in Briefen um Geld bettelt, zieht sie 1848 wieder nach London und erst nachdem sie dort wieder geheiratet hatte, beendet Ludwig endgültig die Beziehung.


Mittwoch, 28. März 2012

Olympe De Gouges - Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin

Olympe De Gouges, geborene Marie Gouze

September 1791

Auszug aus der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin

Ihre ,Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne’ schickt Olympe an die Nationalversammlung. Der Rechtsentwurf wurde ignoriert.

„Das an Schönheit wie an Mut, die Beschwernisse der Mutterschaft betreffend, überlegene Geschlecht … erklärt die folgenden Rechte der Frau und Bürgerin:

Art. I: Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich [...]
Art. II: Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Bewahrung der natürlichen und unverjährbaren Rechte von Frau und Mann: diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und vor allem Widerstand gegen Unterdrückung.
Art. III: Die Grundlage jeder Staatsgewalt ruht ihrem Wesen nach in der Nation, die nichts anderes ist als die Wiedervereinigung von Frau und Mann [...]
Art. IV: Freiheit und Gerechtigkeit bestehen darin, alles zurückzugeben, was einem anderen gehört. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte der Frau keine Grenzen ausser denen, die die ständige Tyrannei des Mannes ihr entgegensetzt. Diese Grenzen müssen durch die Gesetze der Natur und der Vernunft reformiert werden.
Art. V: Die Gesetze der Natur und der Vernunft verbieten alle Handlungen, die der Gesellschaft schädlich sein können. Alles, was nicht durch diese weisen und göttlichen Gesetze verboten ist, kann nicht verhindert werden [...]
Art. VI: Das Gesetz muss Ausdruck des Gesamtwillens sein; alle Bürgerinnen und Bürger müssen persönlich oder durch einen Stellvertreter zu seiner Entstehung beitragen: alle Bürgerinnen und Bürger, die ja in seinen Augen gleich sein, müssen gleichermassen zu allen Würden, Stellungen und öffentlichen Ämtern zugelassen sein [...]
Art. VII: Keine Frau ist ausgenommen; sie wird in den vom Gesetz bestimmten Fällen angeklagt, festgenommen und gefangengehalten. Die Frauen sind wie die Männer diesem unerbittlichen Gesetz unterworfen.
Art. VIII: Das Gesetz darf nur Strafen festsetzen, die unbedingt und offensichtlich notwendig sind [...]
Art. IX: Auf jede für schuldig befundene Frau wird die ganze Strenge des Gesetzes angewandt.
Art. X: Niemand darf wegen seiner Überzeugungen, auch wenn sie grundsätzlicher Art sind, belangt werden. Die Frau hat das Recht das Schafott zu besteigen; sie muss gleichermassen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen [...]
Art. XI: Die freie Gedanken- und Meinungsäusserung ist eines der kostbarsten Rechte der Frau, da diese Freiheit die Legitimität der Väter gegenüber den Kindern sichert. Jede Bürgerin kann deshalb frei sagen: „Ich bin Mutter eines Kindes, das Euch gehört“, ohne dass ein barbarisches Vorurteil sie zwängt, die Wahrheit zu verbergen [...]
Art. XII: Die Garantie der Rechte der Frau und der Bürgerin muss einem höheren Nutzen verpflichtet sein. Diese Garantie muss dem Vorteil aller gegründet sein und nicht auf dem besonderen Nutzen derer, denen sie gewährt wird.
Art. XIII: Für den Unterhalt der Staatsmacht und für die Ausgaben der Verwaltung sind die Beiträge von Frau und Mann gleich. Sie ist beteiligt an allen Frondiensten und mühseligen Arbeiten; sie muss deshalb gleichermassen beteiligt sein an der Verteilung der Posten, der Anstellungen, der Aufträge, der Würden und der Gewerbe.
Art. XIV: Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, selbst oder durch ihre Stellvertreter die Notwendigkeit der öffentlichen Steuer Festzustellen. Die Bürgerinnen können dem nur zustimmen, wenn eine gleichmäßige Teilung zugelassen wird, und zwar nicht nur beim Vermögen, sondern auch bei den öffentlichen Ämtern, und sie die Höhe, die Veranlagung, die Eintreibung und die Dauer der Besteuerung mitbestimmen.
Art. XV: Die Masse der Frauen, die durch die Steuerleistung mit der der Männer vereinigt ist, hat das Recht, von jedem öffentlichen Beamten Rechenschaft über seine Verwaltung zu verlangen.
Art. XVI: Jede Gesellschaft, in der die Garantie der Rechte nicht gesichert und die Trennung der Gewalten nicht festgesetzt ist, hat gar keine Verfassung. Die Verfassung ist null und nichtig, wenn nicht die Mehrheit der Individuen, die die Nation bilden, an ihrer Ausarbeitung mitgewirkt hat.
Art. XVII: Eigentum kommt allen Geschlechtern zu, gemeinsam oder getrennt [...] niemand kann seiner als eines wahren Erbteils der Natur beraubt werden [...]

Alexander Kucharsky Porträt der Olympe de Gouges 
"Um die öffentliche Stimme, die meine patriotischen Schriften mir eingetragen haben, ins Schwanken zu bringen, verbreiten unbesonnene Menschen überall, dass ich Liebhaber gehabt habe; gewiss, diese Bemerkung ist neu und ganz besonders wesentlich."

Ihr Todesurteil wurde am 3. November 1793 auf der Place de la Concorde durch die Guillotine vollstreckt.

Dienstag, 27. März 2012

Maria Sibylla Merian


„… ja es ist kein Wurm so abscheulich und so geringe in unseren Augen, der uns nicht, wenn wir nur die gehörige Aufmercksamkeit daran wenden wollten, von der Weißheit des großen Baumeisters Himmels und der Erden völlig überzeugete“
Johann Heinrich Zedler (1706-1751) Grosse vollständige Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste

Lurch zu Frosch Metamorphosis Insectorum Surinamensium 1705

Maria Sybilla Merian kam in Frankfurt am Main als Tochter eines ältlichen Verlegers und Kupferstechers zur Welt, der schon drei Jahre nach ihrer Geburt starb. Die Mutter verheiratete sich abermals, diesesmal mit einem Blumenmaler aus Holland, der aber viel unterwegs und selten als Stiefvater anwesend war. Der Mutter mißfiel die Neigung der Tochter zur Malerei und sie sprach Verbote aus. Maria zeichnete heimlich. Der Stiefvater verhalf ihr dann zu einer Ausbildung. Sie heiratete, bekam Kinder und zeichnete weiter.

 

Wiki sagt: 1670 übersiedelte die Familie in Graffs Geburtsstadt Nürnberg. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes musste Maria Sibylla durch vielfältige Tätigkeit beitragen. Allerdings waren ihr als Frau in der Freien Reichsstadt Nürnberg beruflich enge Grenzen gesetzt. Die „Maler-Ordnung“ vom Ende des 16. Jahrhunderts erlaubte es nur Männern, mit Ölfarben auf Leinwand zu malen und sicherte ihnen damit jene Aufträge, die Ansehen und gute Einkünfte versprachen. Frauen durften allenfalls kleine Formate bearbeiten, mit Aquarell- und Deckfarben auf Papier oder Pergament. Zur Haupteinnahmequelle der Familie wurde schließlich der Handel mit Farben, Firnis und Malutensilien, den Maria Sibylla Merian betrieb. Sie übernahm daneben eine Vielzahl von Auftragsarbeiten, stickte zum Beispiel Seidendecken oder bemalte Tafeltücher. Außerdem unterrichtete sie junge Frauen in der Kunst der Blumenmalerei und -stickerei. 

 Pampelmuse aus Metamorphosen der Insekten 1726

"Schon als Heranwachsende widmet sich Merian der Kupferstecherei und Malerei. Ihre Blumenbilder schmückt sie häufig mit Darstellungen von Insekten. Bald ­bildet sich ein tieferes Interesse an Insekten heraus. Zu dieser Zeit gelten diese Tiere in christlicher Perspektive als „Teufelsgeziefer“ und sind noch kaum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung. Maria ­Sibylla Merian beginnt mit der Zucht von Raupen und geht besonders der bis dahin nicht beachteten Frage nach, wie sich die Entwicklung und Verwandlung der Insekten vollzieht.
Ihre langjährige Beobachtung der Insekten mündet in dem zweibändigen Werk „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“ (1679/1683), in dem auf jedem Blatt die Entwicklungsstadien der jeweiligen Schmetterlingsart sowie die den Insekten als Nahrung dienenden Pflanzen gezeigt werden. ...
Merians Hauptwerk ist zweifelsohne die Naturgeschichte der Insekten Surinams, die aus ihren Reisebeobachtungen in der südamerikanischen Kolonie zwischen 1699 und 1701 schöpft. Auf Bildtafeln mit eindrucksvollen Kupferstichen und in Erläuterungstexten werden die Lebenszyklen der Insekten jener farbenprächtigen Tropenwelt dargestellt."
Christian Winterhalter auf der Website der Humboldt Universität 

Korallenbaum und Augenspinner in verschieden Entwicklungsstadien aus Metamorphosis Insectorum Surinamensium 1705

"Ich habe mich von Jugend an mit der Erforschung der Insekten beschäftigt. Zunächst begann ich mit Seidenraupen in meiner Geburtsstadt Frankfurt am Main. Danach stellte ich fest, dass sich aus anderen Raupen viel schönere Tag- und Eulenfalter entwickelten als aus Seidenraupen. Das veranlasste mich, alle Raupen zu sammeln, die ich finden konnte, um ihre Verwandlung zu beobachten. Ich entzog mich deshalb aller menschlichen Gesellschaft und beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen.

Zweig eines Bananenbaums (Musa paradisaica) mit Raupe und Motte (Aotumeris liberia) ca. 1701-05 

"Maria Sibylla Merian trennte sich 1685 von ihrem Mann und zog mit ihren beiden Töchtern und ihrer alten Mutter zu ihrem Stiefbruder Caspar auf das Schloß Waltha nach Holland. Ihr Bruder hatte sich dort der Glaubensgemeinschaft der Labadisten angeschlossen. Schloß Waltha gehörte der Familie des Gouverneurs von Surinam, Cornelis van Sommelsdijk. Maria Sibylla Merian erfuhr hier von der Wunderwelt der tropischen Flora und Fauna Südamerikas. Sie konnte nie gesehene exotische Schlangen, riesige metallisch schillernde Schmetterlinge, bizarre Käfer und Zikaden bestaunen, die von Reisenden aus Surinam mitgebracht wurden.
Nachdem ihre Mutter und auch ihr Stiefbruder gestorben waren, zog sie 1686 mit ihren beiden Töchtern nach Amsterdam. Im weltaufgeschlossenen Amsterdam war die Autorin des Raupenbuchs längst keine Unbekannte mehr. Daher erhielt sie Zutritt zu den vielen privaten Raritätenkabinetten, Orangerien und Volieren der begüterten Bürger, die dort tropische Pflanzen und Insekten hielten. Schnell reifte in ihr der Wunsch nach Surinam zu reisen, um dort die Tier- und Pflanzenwelt genauer zu erforschen. Als ihr Wunsch bekannt wird, raten ihr viele Freunde ab, da eine Reise über den Ozean zu jener Zeit gefährlich ist und heimtückische Krankheiten in der fernen südamerikanischen Kolonie sie bedrohen würden. Doch ihr Entschluß stand fest. Nach achtjähriger Vorbereitung und einem Reisestipendium der Stadt Amsterdam stach sie im Jahre 1699 endlich in See und reiste mit ihrer jüngsten Tochter Dorothea auf einem Kauffahrteisegeler nach Surinam.
Die holländischen Kolonisten belächelten die beiden Frauen, als sie von derer Interesse erfahren. Sie konnten nicht verstehen, dass jemand eine so weite und beschwerliche Reise auf sich nimmt, um "Ungeziefer" zu studieren und zu malen. Von der Hauptstadt aus unternahm Maria Sibylla Merian mit ihrer Tochter mehrmals weite Exkursionen bis tief ins Landesinnere. Was sie hier im Regenwald entdeckten, ging weit über die Erfahrungen mit der Metamorphose der heimischen Schmetterlinge hinaus. Sie dokumentierte minutiös die Metamorphose der tropischen Insekten Surinams im Regenwald und an der Küste und schuf unzählige Zeichnungen und Aquarelle. Im Frühjahr 1701 erkrankte Maria Sibylla Merian so schwer an Malaria, dass sie ihre Arbeiten einstellen mußte und viel früher als geplant kehrten die beiden Frauen daraufhin mit reicher Ausbeute nach Holland zurück. ...
1717 starb Maria Sibylla Merian im Alter von 70 Jahren in Amsterdam.
 

 

Sonntag, 25. März 2012

Praktisch nur für Berliner lesbar - "Danach" von Kurt Tucholsky

 DANACH

Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen –
da hat sie nu den Schentelmen.
Na, un denn –?

Denn jehn die beeden brav ins Bett.
Na ja ... diß is ja auch janz nett.
A manchmal möcht man doch jern wissn:
Wat tun se, wenn se sich nich kissn?
Die könn ja doch nich imma penn ... !
Na, un denn –?

Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
Denn kocht sie Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich beede jänzlich trenn ...
Na, un denn –?

Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.
Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn doof und hinten minorenn ...
Na, un denn –?

Denn sind se alt.
Der Sohn haut ab.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit –
Ach, Menschenskind, wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!
Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch un Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.


Theobald Tiger
Die Weltbühne, 01.04.1930, Nr. 14, S. 517,
wieder in: Lerne Lachen.

Samstag, 24. März 2012

Theater hat auch eine Generalprobe


Die Generalprobe. Ein irritierendes Halbding, ein ehelicher Bankert, noch nicht wirklich ernster Ernst, fast schon wie richtig, aber doch noch nicht ganz.
Sie muß schief gehen, sonst klappt es bei der Premiere nicht, sagt der Theatervolksmund und schiefgehen tut sie dann auch.
Sonst wortperfekte Darsteller haspeln, die Inspizientin, gewöhnlich ein Hort der Ruhe, greift zu eilig in die Tasten, zu schließende Türen werden geöffnet, Hubbühnen huben nicht und der höchst heimliche Dieb, läßt das Diebesgut unter lautem Knallen von der Bühne fallen. Ja, es ist alles da, aber eben nicht gerade jetzt.
Generalissimo, habe ich gelesen, heißt General der Generäle, demnach sollte es manchmal auch Generalissimoprobe heißen.

Es ist ein bisschen, wie im Witz mit der sehr alten, häßlichen Frau, der ein Frosch aus der Stirn wächst und die, nachdem ihr ein junger schöner Mann über die Strasse geholfen hat, mit alterszitternder Stimme verkündet: "Ich bin eine gute Hexe und wenn du jetzt noch errätst, wie das Tier auf meiner Stirn heißt, darfst du mit mir schlafen!" Der junge Mann in panischer Angst, antwortet: "Ein Elefant?" Darauf sie: "Nah genug, nah genug."

Es ist auch die Probe, bei der das Kind die ängstlichen Eltern verliert. Nun gehört das Stück den Spielern. Und ich, die Mamapapa muß sehen wo ich bleibe. Bin plötzlich, von einem Tag zum anderen, nur noch zu Besuch, sogar netter Besuch, aber gehöre halt nicht mehr dazu. Verlassensängste heben ihr häßliches Haupt und werden geköpft. 
Aber Premieren erst, die sind für Regisseure übel. Wirklich übel.





Freitag, 23. März 2012

Peter Altenberg - Kaffeehausbewohner


Weiter hinein in die WIENER MODERNE: 

Eine Hand wird zusehends schöner, wenn man sie streichelt.

Peter Altenberg, eigentlich Richard Engländer, 1859 in Wien als Sohn einer assimilierten jüdischen Familie geboren, tritt 1910 offiziell zum Katholizismus über und stirbt nach jahrelangen Kaffeehaus- und einigen Sanatorienaufenthalten 1919.

"Wieso, weshalb, sind jüdische Künstler gerade in Wien so allgemein beliebt? Der Wiener hat es nämlich nicht gern, sich ehrlich, anständig sagen zu müssen: Schau, schau, der is ja doch grad so wie unsereiner! Das hat er nicht gern. Lieber sagt er: Er ist zwar a Jud', aber amüsant is' er, der Kerl. Das muss man gerechterweise zugeben." 
Aus seinem Text "Rassenprobleme", der erst nach seinem Tod gefunden wurde.  

Gustav Jagerspacher 1909 Porträt Peter Altenberg

Siebzehn bis dreissig

Ich kam einmal zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Prinzesses égyptiennes.
An der Kassa sass ein ganz junges Mädchen, mit hellblonden seidenen Haaren.
»Ah,« dachte ich, »ein Graf wird dich verführen, du Wunderschöne – – –!«
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Wer du auch seist, Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah,« dachte ich, »es kann aber auch ein Fürst sein – – –!«
Sie heiratete einen Cafétier, der in einem Jahre zu Grunde ging.
Sie war gebaut wie eine Gazelle. Seide und Sammt erhöhten nicht ihre Schönheit – – am schönsten war sie wahrscheinlich nackt.
Der Cafétier ging zu Grunde.
Ich traf sie auf der Strasse mit einem Kinde.
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Ich habe das Leben dennoch vor mir, das Leben, weisst Du das – –?!«
Ich wusste es.
Ein Freund von mir hatte den Thyphus. Er war Junggeselle, reich und bewohnte die See-Villa.
Als ich ihn besuchte, machte eine junge Dame, mit hellblonden seidenen Haaren, die Eisumschläge. Ihre zarten Hände waren ganz aufgerissen vom Eiswasser. Sie blickte mich an: »Das ist das Leben – –! Ich habe Ihn lieb – –! Weil das das Leben ist – –!«
Als er genesen war, überliess er die Dame einem anderen reichen jungen Manne – – –.
Er trat sie einfach ab, ganz einfach – – –.
Das war im Sommer.
Später überfiel ihn die Sehnsucht – – im Herbst. Sie hatte ihn gepflegt, sich an ihn angeschmiegt mit ihrem süssen Gazellenleibe – – –.
Er schrieb ihr: »Komm' zu mir – – –!«
Eines Abends im Oktober, sah ich sie mit ihm in den wunderschönen Hausflur treten, in dem acht Säulen aus rothem Mamor schimmerten.
Ich grüsste sie.
Sie blickte mich an: »Das Leben liegt hinter mir, das Leben – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
Ich kam zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch noch immer nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarrettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Princesses –.
An der Kassa sass wieder ein Junges Mädchen, mit braunen welligen Haaren.
Sie blickte mich an mit dem grossen Triumphblick der Jugend – – – profectio Divae Augustae Victricis – – –: »Wer Du auch seist. Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah«, dachte ich, »ein Graf wird Dich verführen – – – es kann aber auch ein Fürst sein!«

Peter Altenberg

Oscar Kokoschka 1909 Portrait Peter Altenberg
Sein Vater schrieb ihm in einem Brief:  "Aber du, kaum fängt es an, ist es bereits zu Ende! Und um was dreht es sich? Kein Mensch weiß es. Es tut mir leid, in das werde ich mich nie hineinleben. Wieviel verdienst du wenigstens mit diesen Sachen?"