Weiter hinein in die WIENER MODERNE:
Eine Hand wird zusehends schöner, wenn man sie streichelt.
Peter Altenberg, eigentlich Richard Engländer, 1859 in Wien als Sohn einer assimilierten jüdischen Familie geboren, tritt 1910 offiziell zum Katholizismus über und stirbt nach jahrelangen Kaffeehaus- und einigen Sanatorienaufenthalten 1919.
"Wieso, weshalb, sind jüdische Künstler gerade in Wien so allgemein
beliebt? Der Wiener hat es nämlich nicht gern, sich ehrlich, anständig
sagen zu müssen: Schau, schau, der is ja doch grad so wie unsereiner!
Das hat er nicht gern. Lieber sagt er: Er ist zwar a Jud', aber amüsant
is' er, der Kerl. Das muss man gerechterweise zugeben."
Aus seinem Text "Rassenprobleme", der erst nach seinem Tod gefunden wurde.
Gustav Jagerspacher 1909 Porträt Peter Altenberg |
Siebzehn bis dreissig
Ich kam einmal zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Prinzesses égyptiennes.
An der Kassa sass ein ganz junges Mädchen, mit hellblonden seidenen Haaren.
»Ah,« dachte ich, »ein Graf wird dich verführen, du Wunderschöne – – –!«
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Wer du auch seist, Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah,« dachte ich, »es kann aber auch ein Fürst sein – – –!«
Sie heiratete einen Cafétier, der in einem Jahre zu Grunde ging.
Sie war gebaut wie eine Gazelle. Seide und Sammt erhöhten nicht ihre Schönheit – – am schönsten war sie wahrscheinlich nackt.
Der Cafétier ging zu Grunde.
Ich traf sie auf der Strasse mit einem Kinde.
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Ich habe das Leben dennoch vor mir, das Leben, weisst Du das – –?!«
Ich wusste es.
Ein Freund von mir hatte den Thyphus. Er war Junggeselle, reich und bewohnte die See-Villa.
Als ich ihn besuchte, machte eine junge Dame, mit hellblonden seidenen Haaren, die Eisumschläge. Ihre zarten Hände waren ganz aufgerissen vom Eiswasser. Sie blickte mich an: »Das ist das Leben – –! Ich habe Ihn lieb – –! Weil das das Leben ist – –!«
Als er genesen war, überliess er die Dame einem anderen reichen jungen Manne – – –.
Er trat sie einfach ab, ganz einfach – – –.
Das war im Sommer.
Später überfiel ihn die Sehnsucht – – im Herbst. Sie hatte ihn gepflegt, sich an ihn angeschmiegt mit ihrem süssen Gazellenleibe – – –.
Er schrieb ihr: »Komm' zu mir – – –!«
Eines Abends im Oktober, sah ich sie mit ihm in den wunderschönen Hausflur treten, in dem acht Säulen aus rothem Mamor schimmerten.
Ich grüsste sie.
Sie blickte mich an: »Das Leben liegt hinter mir, das Leben – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
Ich kam zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch noch immer nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarrettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Princesses –.
An der Kassa sass wieder ein Junges Mädchen, mit braunen welligen Haaren.
Sie blickte mich an mit dem grossen Triumphblick der Jugend – – – profectio Divae Augustae Victricis – – –: »Wer Du auch seist. Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah«, dachte ich, »ein Graf wird Dich verführen – – – es kann aber auch ein Fürst sein!«
Es roch nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Prinzesses égyptiennes.
An der Kassa sass ein ganz junges Mädchen, mit hellblonden seidenen Haaren.
»Ah,« dachte ich, »ein Graf wird dich verführen, du Wunderschöne – – –!«
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Wer du auch seist, Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah,« dachte ich, »es kann aber auch ein Fürst sein – – –!«
Sie heiratete einen Cafétier, der in einem Jahre zu Grunde ging.
Sie war gebaut wie eine Gazelle. Seide und Sammt erhöhten nicht ihre Schönheit – – am schönsten war sie wahrscheinlich nackt.
Der Cafétier ging zu Grunde.
Ich traf sie auf der Strasse mit einem Kinde.
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Ich habe das Leben dennoch vor mir, das Leben, weisst Du das – –?!«
Ich wusste es.
Ein Freund von mir hatte den Thyphus. Er war Junggeselle, reich und bewohnte die See-Villa.
Als ich ihn besuchte, machte eine junge Dame, mit hellblonden seidenen Haaren, die Eisumschläge. Ihre zarten Hände waren ganz aufgerissen vom Eiswasser. Sie blickte mich an: »Das ist das Leben – –! Ich habe Ihn lieb – –! Weil das das Leben ist – –!«
Als er genesen war, überliess er die Dame einem anderen reichen jungen Manne – – –.
Er trat sie einfach ab, ganz einfach – – –.
Das war im Sommer.
Später überfiel ihn die Sehnsucht – – im Herbst. Sie hatte ihn gepflegt, sich an ihn angeschmiegt mit ihrem süssen Gazellenleibe – – –.
Er schrieb ihr: »Komm' zu mir – – –!«
Eines Abends im Oktober, sah ich sie mit ihm in den wunderschönen Hausflur treten, in dem acht Säulen aus rothem Mamor schimmerten.
Ich grüsste sie.
Sie blickte mich an: »Das Leben liegt hinter mir, das Leben – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
Ich kam zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch noch immer nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarrettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Princesses –.
An der Kassa sass wieder ein Junges Mädchen, mit braunen welligen Haaren.
Sie blickte mich an mit dem grossen Triumphblick der Jugend – – – profectio Divae Augustae Victricis – – –: »Wer Du auch seist. Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah«, dachte ich, »ein Graf wird Dich verführen – – – es kann aber auch ein Fürst sein!«
Peter Altenberg
Oscar Kokoschka 1909 Portrait Peter Altenberg |
Sein Vater schrieb ihm in einem Brief: "Aber du, kaum fängt es an, ist es bereits zu Ende! Und um was dreht es
sich? Kein Mensch weiß es. Es tut mir leid, in das werde ich mich nie
hineinleben. Wieviel verdienst du wenigstens mit diesen Sachen?"
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