Mittwoch, 28. März 2012

Olympe De Gouges - Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin

Olympe De Gouges, geborene Marie Gouze

September 1791

Auszug aus der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin

Ihre ,Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne’ schickt Olympe an die Nationalversammlung. Der Rechtsentwurf wurde ignoriert.

„Das an Schönheit wie an Mut, die Beschwernisse der Mutterschaft betreffend, überlegene Geschlecht … erklärt die folgenden Rechte der Frau und Bürgerin:

Art. I: Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich [...]
Art. II: Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Bewahrung der natürlichen und unverjährbaren Rechte von Frau und Mann: diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und vor allem Widerstand gegen Unterdrückung.
Art. III: Die Grundlage jeder Staatsgewalt ruht ihrem Wesen nach in der Nation, die nichts anderes ist als die Wiedervereinigung von Frau und Mann [...]
Art. IV: Freiheit und Gerechtigkeit bestehen darin, alles zurückzugeben, was einem anderen gehört. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte der Frau keine Grenzen ausser denen, die die ständige Tyrannei des Mannes ihr entgegensetzt. Diese Grenzen müssen durch die Gesetze der Natur und der Vernunft reformiert werden.
Art. V: Die Gesetze der Natur und der Vernunft verbieten alle Handlungen, die der Gesellschaft schädlich sein können. Alles, was nicht durch diese weisen und göttlichen Gesetze verboten ist, kann nicht verhindert werden [...]
Art. VI: Das Gesetz muss Ausdruck des Gesamtwillens sein; alle Bürgerinnen und Bürger müssen persönlich oder durch einen Stellvertreter zu seiner Entstehung beitragen: alle Bürgerinnen und Bürger, die ja in seinen Augen gleich sein, müssen gleichermassen zu allen Würden, Stellungen und öffentlichen Ämtern zugelassen sein [...]
Art. VII: Keine Frau ist ausgenommen; sie wird in den vom Gesetz bestimmten Fällen angeklagt, festgenommen und gefangengehalten. Die Frauen sind wie die Männer diesem unerbittlichen Gesetz unterworfen.
Art. VIII: Das Gesetz darf nur Strafen festsetzen, die unbedingt und offensichtlich notwendig sind [...]
Art. IX: Auf jede für schuldig befundene Frau wird die ganze Strenge des Gesetzes angewandt.
Art. X: Niemand darf wegen seiner Überzeugungen, auch wenn sie grundsätzlicher Art sind, belangt werden. Die Frau hat das Recht das Schafott zu besteigen; sie muss gleichermassen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen [...]
Art. XI: Die freie Gedanken- und Meinungsäusserung ist eines der kostbarsten Rechte der Frau, da diese Freiheit die Legitimität der Väter gegenüber den Kindern sichert. Jede Bürgerin kann deshalb frei sagen: „Ich bin Mutter eines Kindes, das Euch gehört“, ohne dass ein barbarisches Vorurteil sie zwängt, die Wahrheit zu verbergen [...]
Art. XII: Die Garantie der Rechte der Frau und der Bürgerin muss einem höheren Nutzen verpflichtet sein. Diese Garantie muss dem Vorteil aller gegründet sein und nicht auf dem besonderen Nutzen derer, denen sie gewährt wird.
Art. XIII: Für den Unterhalt der Staatsmacht und für die Ausgaben der Verwaltung sind die Beiträge von Frau und Mann gleich. Sie ist beteiligt an allen Frondiensten und mühseligen Arbeiten; sie muss deshalb gleichermassen beteiligt sein an der Verteilung der Posten, der Anstellungen, der Aufträge, der Würden und der Gewerbe.
Art. XIV: Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, selbst oder durch ihre Stellvertreter die Notwendigkeit der öffentlichen Steuer Festzustellen. Die Bürgerinnen können dem nur zustimmen, wenn eine gleichmäßige Teilung zugelassen wird, und zwar nicht nur beim Vermögen, sondern auch bei den öffentlichen Ämtern, und sie die Höhe, die Veranlagung, die Eintreibung und die Dauer der Besteuerung mitbestimmen.
Art. XV: Die Masse der Frauen, die durch die Steuerleistung mit der der Männer vereinigt ist, hat das Recht, von jedem öffentlichen Beamten Rechenschaft über seine Verwaltung zu verlangen.
Art. XVI: Jede Gesellschaft, in der die Garantie der Rechte nicht gesichert und die Trennung der Gewalten nicht festgesetzt ist, hat gar keine Verfassung. Die Verfassung ist null und nichtig, wenn nicht die Mehrheit der Individuen, die die Nation bilden, an ihrer Ausarbeitung mitgewirkt hat.
Art. XVII: Eigentum kommt allen Geschlechtern zu, gemeinsam oder getrennt [...] niemand kann seiner als eines wahren Erbteils der Natur beraubt werden [...]

Alexander Kucharsky Porträt der Olympe de Gouges 
"Um die öffentliche Stimme, die meine patriotischen Schriften mir eingetragen haben, ins Schwanken zu bringen, verbreiten unbesonnene Menschen überall, dass ich Liebhaber gehabt habe; gewiss, diese Bemerkung ist neu und ganz besonders wesentlich."

Ihr Todesurteil wurde am 3. November 1793 auf der Place de la Concorde durch die Guillotine vollstreckt.

3 Kommentare:

  1. Warum ist diese tolle Frau kaum bekannt! Was sie fordert und wie sie es begründet, ist so praktisch und so klar.
    Verblüffend der Artikel VIII., ganz einfach und ganz logisch. Immer noch, nicht nur auf Frauen bezogen, in aktuellen Diktaturen.

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  2. Ich las heute diesen Artikel vor dem heutigen Beitrag hier.

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,824129,00.html

    Eine zufällige, aber ekelhaft passende Verknüpfung.
    Obwohl von Land zu Land teilweise stark divergierend, nehmen wir der Vereinfachung halber ein ungefähres Hälfte/Hälfte Verhältnis zwischen Männer und Frauen an... dann bedeutet das für beeindruckend viele Länder, dass die Hälfte ihrer Bevölkerung in mannigfaltigen Formen der Unterdrückung lebt.
    Es wird ignoriert... Macht verhandelt nur mit Machtinhabern.
    Eher wird die Unterdrückung von Rasse, Hautfarbe und Religion bemerkt, als jene, die sich an das Geschlecht bindet.
    Vielleicht, weil es keinen Staat auf der Welt gibt, der eine vollkommene gesellschaftliche Gleichstellung praktiziert.

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  3. Stimmt, Silvia.
    Mir scheint manchmal, die Unterdrückung von Frauen, damit meine ich auch physische Gewalt, wird als Teil nationaler Folklore betrachtet.

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