Emil Nolde 1921
Nach dem Sündenfall
Eine Theaterliebhaberin in penetranter Sinnkrise, aber voller liebhaberischer Hoffnung beschreibt ein Theater- und Kino-gefülltes Wochenende: unfair, ja, ungerecht, geschmäcklerisch, persönlich, all das in offenster Weise, jetzt und hier!
Am Freitag in der Komischen Oper "Die Zauberflöte": die Karten zu bekommen, war ein privilegiertes Glück, wir haben uns mächtig aufgebrezelt und wurden wunderbar behandelt.
19.30 Uhr: Videocartoons als Bühnenbild, viktorianische Kinderbücher, Disneys frühe Filme und Monty Python geben sich die Ehre. Die Regie führte Barrie Kosky und für die Animation war die Gruppe "1927" verantwortlich. Die Vorstellung ist ausverkauft bis zum Sanktnimmerleinstag, das Publikum eine glückliche Mischung aus illustren Opernliebhabern, Kindergruppen und beseelten Touristen. Ich erlebte Begeisterungsstürme. Hinreißend, unterhaltsam, lustig, niedlich, endlich kann man seine Kinder in die Oper mitnehmen!
aber,
es war zuviel des Guten. Nur wenige Sänger waren in der Lage, gleichzeitig zu singen und die Interaktion mit den bewegten Bildern und die Stummfilmspielweise zu erfüllen, und, alles in allem, bleiben, wenn man die Illustration der alten Bühnenbildanweisungen und die unzähligen spaßigen kleinen Einfälle subtrahiert, nur wenige Szenen länger im Gedächtnis. Und, welch konservativer Gedankengang, lenkt so viel Film nicht die Aufmerksamkeit mit unbarmherziger Verführung fort von der Musik? Ein MTV-Video der Magic Flute?
Es bleibt mir eine von Beate Ritter wundervoll gesungene Königin der Nacht, der flirrende Papageno des Dominik Köninger und ein paar tolle Szenen, wo Spieler und Video zusammen agierten und etwas Neues entstand.
Samstag im Maxim Gorki Theater "Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen",
vier Spielerinnen, stark, locker, anwesend, frech. Die vier sprechen vorangig chorisch, und das sehr gut. Der Text vibriert zwischen Kabarett und dem Ton, der von mir oft geliebten Kolumnen Sybille Bergs. Das Tempo ist hoch, es wird viel und wild getanzt. Der Saal fühlt sich angesprochen.
aber,
ich nicht. Bin ich zu alt oder ist niemand jemals wirklich derart jung, wie hier behauptet wird?
Einige Zeit habe ich düster darüber sinniert, dass ich vor ... Jahren den sportlichen Herausforderungen eines solchen Abends noch locker gewachsen gewesen wäre. Ach.
Am Sonntag dann "August Osange County" im Kino. Große Schauspielkunst! Meryl Streep & Julia Roberts & Chris Cooper & die mir bisher unbekannte Margo Martindale & der ganze Rest, sind wunderbar. Überhaupt, sollte sich Frau Streep je dazu entschließen, das Telephonbuch von Los Angeles zu verlesen, ich werde dabei sein und ihr atemlos zuhören und staunen.
aber,
die Geschichte ist dünn, die Autorin Tracy Letts Tennessee Williams armer Cousin in dritter Generation, der durch jahrelange Behandlung mit Nachmittagsserien die Schärfe verloren gegangen ist. Und in der zweiten Hälfte wird so viel geweint, dass man, schon aus Höflichkeit, nicht selber zum Weinen kommt, wobei der behäbige Symbolismus, für den die indianische, First Nation Haushälterin herhalten muß, meine Distanziertheit noch verschärft hat.
Ach, Mensch, ich bin eine alte Meckertante!
Gabriele Bigott-Kleinert schrieb:
AntwortenLöschenABER es klingt trotzdem so, als wenns ganz schön gewesen wäre. ABER eben nicht ganz. - Das ist es ja auch sehr selten!
Anna Else Bärbel Goldbeck-Löwe schrieb:
Das Wort "Aber" ist ein Radiergummi.