Freitag, 31. März 2017

Barrie Kosky a la Russe - Der Jahrmarkt von Sorotschinzi

Eine heftig grüne Schräge, eine erhöhte Brücke, fährt gelegentlich aus der Bühnentiefe bis an das Portal, die Kostüme zitieren in zitierter Annäherung erinnerte russische Klischees. Die Handlung, das Libretto, es wird russisch gesungen, ist zu vernachlässigen. Trunkene Visionen, poetische Klagechöre, burleske Duette, melancholische Chansons in loser Reihenfolge. Fragmentarisch, aber, weiß Gott, nicht im Musikalischen. 
Ist das schöne Musik! Sehr, sehr lange chorale Gesänge, die mit der russischen Volksmusik leichtfüßig Federball spielen, und die der Chor der Komischen Oper so filigran und durchscheinend singt, dass man vor Freude heulen könnte. Ist das ein Opernchor, spielfreudig und -fähig, von hoher kunstvoller Disziplin. 
Und die Spielersänger! Agnes Zwierko, Alexander Lewis, Jens Larsen, wie schafft Kosky es nur, dass sie so entspannt und miteinander und hochkonzentriert spielen? 
Schweine auf Stelzen, Schweineohren, Schweinemasken. 
Viele Sprünge,  Arme und Finger in Choreographie, harte Brüche, plötzliche Abgänge, lange Ruhe gefüllt mit Gesang.
Lohnt sich, wenn man schwelgen mag.



Trinklieder, Tänze, Volksgesänge und ein wilder Hexensabbat – das Volk als überschäumende Quelle der Energie steht im Mittelpunkt von Mussorgskis temporeicher und in der Sprung-haftigkeit ihrer Handlung überaus eigenwilliger Oper. Vom Komponisten unvollendet hinterlassen, konnte dieses komisch-groteske Meisterstück erst viele Jahre nach Mussorgskis Tod uraufgeführt werden. An der Komischen Oper und damit in Berlin zum letzten Mal im Jahre 1948 zu erleben, erscheint es jetzt in einer Neuinszenierung von Chefregisseur Barrie Kosky.
»Schlichte Geschehnisse« in loser, auf kausale Zusammenhänge verzichtender Folge sind es, die Mussorgski in seiner als Torso hinterlassenen Oper mit prallem, volkstümlichem Leben füllt. Dazu zitiert er nicht nur Volkslieder und -tänze, sondern breitet deren musikalische Faktur über die gesamte Komposition aus und fügt obendrein seine zum Chorstück erweiterte Orchesterfantasie Eine Nacht auf dem kahlen Berge von 1867 als Traum des Bauernburschen Grizko ein. Mehrere Komponisten versuchten, aus dem von Mussorgski hinterlassenen Material ein aufführbares Werk zu machen. Die zuletzt veröffentlichte Fassung von Lamm/Schebalin aus dem Jahre 1932 scheint den Absichten des Komponisten am nächsten zu kommen. Sie glättet nicht, sondern zollt dem »ungehobelten« Duktus des Werkes Rechnung.

Programm der Komischen Oper 
https://www.komische-oper-berlin.de/programm/spielplan/der-jahrmarkt-von-sorotschinzi/242/

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