Samstag, 8. März 2014

Eine Tirade - Die Addams Familie


EINE ERSCHROCKENE TIRADE

Mein neuestes Steckenpferd möchte ich: "folkloristisches Politizieren" nennen, etwas, dass nicht wirklich neu ist, sich aber momentan zu einer Art Volksportbewegung auszuwachsen scheint.

Da wird, im Namen der Meinungsfreiheit, Andersmeinenden, grundherztief empört, das eigene betonierte Demokratieverständnis um die Ohren und vors Maul gehauen. Übrigens in beide Richtungen. 
Über Wörter, Witze, Wandbilder werden Todesurteile gesprochen, um Gehirne vor der Gefährdung durch eigene durchdachte Entscheidungen zu schützen. 
Wir lassen denken! Wir lassen sprechen! Ein massgeschneidertes Vokabular für den verunsicherten Bürger wird verordnet und dankbar entgegengenommen. Abweichungen vom wohlsituierten Konsens werden an die nächste buntbemalte Wand gestellt und mit Hilfe von selbstgerechtem, aus der Angst falsch zu liegen, geborenem Verbalkot beschossen. 
Und dabei ist jede häßliche Verbalinjurie erlaubt. Humanistisches Liebgehabe solange es den eigenen, eng gefassten, weil nicht selbst überprüften Vorstellungen entspricht, aber wenn nicht, dann WEHE! 

Sind wir alle blöd geworden oder waren wir es immer schon und haben uns nur nicht getraut, unseren Denkmüll bei jeder Gelegenheit über die Leute zu schippen?

Stellt man Fragen zur Zusammensetzung der Protestierenden auf dem Maidan, läßt die Unterstellung man wäre ein Liebhaber Putinscher Großrusslandpolitik nicht lange auf sich warten. 
Niemand hindert uns, Herrn Sarrazin einen bigotten Statistikenverdreher und hysterischen  Überfremdungpaniker zu nennen, aber wenn er dies bei einem öffentlichen Auftritt unter Beweis stellen will, schreit man so lange dazwischen, bis er sich mit selbstgerechtem "Seht ihr, ich sag's ja"-Lächeln zurücklehnen kann.
Die alte Mohrenstrasse bereitet einigen Mitbürgern seelische Pein, also weg damit, der hochvereherte Nelson Mandela soll nun als Ersatzname herhalten.
Frau  Lewitscharoff mißbraucht in Dresden eine harmlose Theaterveranstaltung, um ihre bedauerlichen alttestamentarischen, ganz offensichtlich aus tiefen inneren Nöten konstruierten und von jedem wissenschaftlichem Unterbau freien Thesen in die Ohren der Zuhörer zu blasen. Bedauerlich. Traurig für sie. Aber muß sie deshalb aus der menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden? Insbesondere, wenn gleichzeitig der Oberhirte der weltgrößten reaktionären Vereinigung, nur durch seine Vorliebe für das einfache Leben, urplötzlich die Aura des fortschrittlichen Hoffnungsträgers um die alten Schultern gelegt bekommt?

Was ist mit uns los? Wir fordern Multikulturalismus, Toleranz und Offenheit, aber sobald sie uns in der Auseinandersetzung mit unangenehmen Zeitgenossen abgefordert wird, knicken wir ein und schreien nach nach der Meinungspolizei.
 
Demokratie und wirkliche Akzeptanz sind anstrengend, ungemütlich und fordern unablässige Selbstbefragung, sprich eine Streitkultur, uns hier in Deutschland, geht es relativ gut, wir könnten uns das leisten, wenn wir willens wären, uns der Mühe zu unterziehen. 

Was ist mit uns los?

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CHARLES ADDAMS
1912 - 1988

"Normal ist eine Illusion. Was für die Spinne normal ist, ist Chaos für die Fliege."

“Normal is an illusion. What is normal for the spider is chaos for the fly.”


"Plötzlich habe ich das grässliche Bedürfnis fröhlich zu sein."
"Nun, einfach aufprobieren und gucken wie sie passt."

Warum es keine mehr gibt.
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Mohr: Das Wort ist bereits im Althochdeutschen des 8. Jahrhunderts in der Form mōr belegt. Ursprünglich bezeichnete es, gleich wie später im Mittelhochdeutschen (in der Form mōr oder mōre) einen Mauren. Der Begriff Maure selbst stammt vom Griechischen μαῦρος, was so viel wie „schwarz, dunkel, dunkelhäutig, dunkelhaarig“ bedeutet.

Die Mohrenstraße wurde nach Afrikanern benannt, die im 18. Jahrhundert im preußischen Heer als Musiker dienten und deren Kaserne hier stand. Es wird vermutet, dass der Schokoladenhersteller Sarotti zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Mohren als Markenzeichen zu verwenden begann, weil der Stammsitz der Firma in der Mohrenstraße lag. (Beide Zitate: Wiki)


12 Kommentare:

  1. Ja !, sehr !
    Denken und Andersdenken und Nachdenken und Umdenken haben was mit Formulieren von Argumenten zu tun. Nicht mit Verschweigen. Und nicht mit Sprechverbot. Und nicht mit Niederbrüllen und nicht mit Draufschlagen.

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  2. Michael Dressel schrieb:

    Ich glaub das ist im Augenblick so schlimm weil alle Angst haben das es nicht mehr lange so weiter geht. Tiefe Verunsicherung und diese Angst fuehren dazu, dass die Leute zumindest verbal um sich schlagen. Ausserdem darf man nicht vergessen das die deutsche Rechthaberei sich ueber das ganze politische Spektrum erstreckt.

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  3. R.H. schrieb:

    Sehr schön, Johanna! Bei all diesen Vorgängen bricht sich die Intoleranz der Wahrheitsbesitzer Bahn, nach dem Motto: "Wer das Leben beleidigt,
    Ist dumm oder schlecht.
    Wer die Menschheit verteidigt,
    Hat immer recht."

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  4. Ein fast vergessenes Lied:

    Partei, Die (Die Partei hat immer recht)
    Text und Musik: Louis Fürnberg

    Sie hat uns Alles gegeben.
    Sonne und Wind. Und sie geizte nie.
    Wo sie war, war das Leben.
    Was wir sind, sind wir durch sie.
    Sie hat uns niemals verlassen.
    Fror auch die Welt, uns war warm.
    Uns schützt die Mutter der Massen.
    Uns trägt ihr mächtiger Arm.

    Die Partei,
    Die Partei, die hat immer recht.
    Und, Genossen, es bleibe dabei.
    Denn wer kämpft
    Für das Recht, der hat immer recht
    Gegen Lüge und Ausbeuterei.
    Wer das Leben beleidigt,
    Ist dumm oder schlecht.
    Wer die Menschheit verteidigt,
    Hat immer recht.
    So, aus leninschem Geist,
    Wächst von Stalin geschweißt,
    Die Partei, die Partei, die Partei!

    Sie hat uns niemals geschmeichelt.
    Sank uns im Kampfe auch mal der Mut.
    Hat sie uns leis nur gestreichelt:
    Zagt nicht - und gleich war uns gut.
    Zählt denn auch Schmerz und Beschwerde,
    Wenn uns das Gute gelingt?
    Wenn man den Ärmsten der Erde
    Freiheit und Frieden erzwingt!

    Die Partei ...

    Sie hat uns alles gegeben.
    Ziegel zum Bau und den großen Plan.
    Sie sprach: Meistert das Leben!
    Vorwärts, Genossen, packt an!
    Hetzen Hyänen zum Kriege -
    Bricht euer Bau ihre Macht!
    Zimmert das Haus und die Wiege!
    Bauleute, seid auf der Wacht!

    Die Partei ...

    Text: Louis Fürnberg
    Musik: Louis Fürnberg

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  5. http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article125553882/Wer-ist-noch-empoerter.html

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  6. Ell Scha schrieb:

    Ich sehe das nicht so. Frau Lewitscharoff wird doch nicht aus der menschlichen Gesellschaft verbannt. Im Gegenteil: Sie durfte vor einer großen Öffentlichkeit ihre Meinung formulieren, früher hätten sich die Zuhörer am Stammtisch darüber aufgeregt und die Öffentlichkeit hätte das nicht so wahrgenommen, heute können diese Leute twittern und bei facebook Zeitungsartikel posten, also auch sie können von der Meinungsfreiheit Gebrauch machen. - Frau Lewitscharoff war doch auch nicht zimperlich, als sie von "Halbwesen" sprach, vielleicht saßen welche im Zuschauerraum? Sie soll sich doch jetzt bitte nicht als Opfer sehen, wenn auch ihr jetzt eine Meinung gesagt wird, eben eine andere, als sie vielleicht erwartet hat, aber so ist das nun mal in einer Diskussion. Ich versteh zum Beispiel auch nicht, wieso sie sich jetzt entschuldigt. Das war doch eine ausgefeilte Rede von ihr, die wird sie doch nicht aus dem Ärmel geschüttelt haben, oder? Es war doch kein Interview, wo vielleicht auch mal ein falscher Zungenschlang raus rutscht. Sie hat schon gesagt, was sie denkt. Und nun sagt das die andere Seite auch.

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  7. Anne Mechling-Stier schrieb:

    Ich hätte grosse Lust zu einer Diskussion mit ihr zu gehen. Um zu erfahren, ob ich eine Gefahr vor mir habe, die Legion werden könnte oder nicht. Im ersten Fall wäre ich die erste immer wieder und mit aller Kraft über diese Dinge zu debattieren! Im zweiten (und den befürchte ich nach ihrer unsäglichen Entschuldigungsnummer) kann ich sie ignorieren. Und das nicht aus dem Grund, dass ich mich im Besitz der Wahrheit wähne, sondern schlicht, weil ich anders denke!

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  8. Gabriele Bigott-Kleinert schrieb:

    ich habe sehr viele kluge, ruhige und durchdachte Äußerungen in der Presse und auch hier im net zu ihren Thesen gelesen. Und ich finde es gut und richtig, daß die geschrieben worden sind. Es wird sich ganz bestimmt sehr, sehr oft hysterisch über alle möglichen Worte und Verdächtigungen aufgeregt, und auch mit unsäglichen Argumenten oft. Hier aber hat eine Frau, eine Frau des Wortes zudem, Menschen ihre Menschlichkeit abgesprochen, sie zu Halbwesen degradiert und den Vorgang ihrer Zeugung mit der Rassenaufzucht der Nazis verglichen, und die sieht sie nur als eine Vorstufe davon . Das ist ungeheuerlich, und macht Erwiderungen notwendig. Mehr passiert ihr ja nun nicht. Sie hat ihre Meinung gesagt. Darauf gibt es Antworten. Ich liebe ein sogenanntes "Halbwesen" übrigens von ganzem Herzen, und freue mich mit seinen glücklichen Eltern und allen anderen, denen so geholfen werden konnt.

    Ich zitiere hier mal noch aus einem Artikel von Jo Lendle, HanserVerlag: .....Sie schreiben: "Wie verstörend muss es für ein Kind sein, wenn es herausbekommt, welchen Machinationen es seine Existenz verdankt." Das ging mir als traditionell Empfangenem offengestanden nicht anders. Eltern dürfen auch mal unerklärlich sein. Selbst Jesus hätte allen Grund gehabt, verstört von den Umständen seiner Zeugung zu sein. Es hat ihm, so weit wir das von heute aus beurteilen können, nicht geschadet...."

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  9. http://www.sueddeutsche.de/kultur/lewitscharoff-und-die-kuenstliche-befruchtung-kurzes-zischen-im-hirn-1.1907230

    "Zwischen Abscheu und Vernunft gibt es das Unbehagen. Es gehört dazu, lässt sich nicht wegreden, wird auch nicht verschwinden. Eine offene Gesellschaft kann das gut aushalten, ja sie lebt davon, Unbehagen produktiv zu machen, auch das Unbehagen angesichts der Emanzipation der Schwulen, das Fremdeln mit Einwanderern, die moralische Überforderung durch den medizinischen Fortschritt, der Entscheidungen verlangt, die früher nicht zu treffen waren.

    Das Unbehagen muss artikuliert werden, ohne dass gleich nach Verbot oder Umerziehung gerufen wird. Es gelten aber auch für die Artikulation von Unbehagen die allgemeinen Geschäftsbedingungen des zivilisierten Gesprächs. Wer es mit Verachtung und Abscheu beginnt, vergiftet es auf lange Zeit. Wer bei jeder missglückten Formulierung eine öffentliche Hinrichtung verlangt oder Unterwerfung unter Vorformuliertes, unterdrückt es. Wer aber Unbehagen artikuliert, redet nicht im luftleeren Raum. Es hilft, den Gedanken kurz durchs Hirn zischen zu lassen, nicht jeder, der Abscheu weckt, sei abartig, widerwärtig.
    Was passiert, wenn Sibylle Lewitscharoff ihrem Abscheu freien Lauf lässt, wissen wir jetzt. Wie aber sieht ihr Unbehagen aus, wenn sie darüber spricht, ohne zu verteufeln, was es auslöst?"
    Jens Bisky

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  10. So sind wir doch gar nicht alle. Mit Herrn Sarrazin sollte man sich auseinandersetzen, nicht verbieten. Das wäre Zensur. Und wenn ich Frau Lewitscharows Äußerungen verurteile, verurteile ich eben diese Haltung in einer ganz bestimmten Frage, aber nicht den ganzen Menschen. Es liegt an uns, ob wir die uns in den Medien vorgesetzten Schwarz-weiß-Beurteilungen übernehmen. Es liegt an uns zu hinterfragen, nach mehr Informationen zu suchen und uns unsere eigene Meinung bilden. Auch die Vorschriften der so genannten "political correctness" nicht einfach hinnehmen, sondern immer wieder hinterfragen, ob es für einen selbst stimmig ist.

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  11. Mireille Adieu schrieb:

    ich kann mir durchaus auch vorstellen, dass auch hier viele menschen die meinung von s.l. teilen. es ist ja leider keine überraschung mehr, allerortens auf rassismus zu stoßen, wo man ihn nicht erwartet hat. äußerungen der art von s.l. könnten durchaus vor überlegungen zu euthanasie stehen.

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  12. Du bringst wichtige Fragen auf zum Thema Selbstprüfung, Protestkultur und suhlen in der politisch korrekten Lebensweise.
    Ich vergesse leider immer in welcher bayerischen kleinen Stadt das passiert ist, aber mir wurde erzählt, dass dort ein Aufmarsch rechten Gesinnungsgutes stattfand. Es gab keine Gegendemonstration, kein Geschrei... es gab eine Vereinbarung der Bürger. Sie stellten sich mit dem Rücken zur Straße auf die Bürgersteige. Stumm. Einfach. Ein Hochmoment ruhiger Symbolkraft. Widerstand in hochentwickelter aussagekräftiger Form.
    Aber können wir uns immer so hochentwickelt benehmen, wie es vielleicht sogar Sinn hätte und besser wäre? Wir werden von Gefühlen geleitet.
    Sicher, auch mit Übertoleranz kann man Terror verbreiten. Mit dem Heiligenschein der correctness zuschlagen... und über Grenzen der Vernunft schlagen. Eine Gutmenschenhaltung kann von differenzierter Betrachtung abbringen. Aber muss ich allen Veräußerungen mittelalterlichen Schwachsinns das Recht der freien Meinungsäußerung zubilligen? Was ist eine Meinung, was ein Verbrechen? Was ist eine persönliche Ansicht und was bereitet ein Abrutschen in gestrige Gesellschaftsstrukturen vor?
    Es ist ein Balanceakt zwischen Descartes' "Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen." und dem Gedanken, dass Schweigen Zustimmung ist. Wann ist Intoleranz mit Toleranz zu bekämpfen und wann verdient sie ihr eigenes Gift?

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