Sonntag, 30. März 2014

"Sobald Fünf Jahre Vergehen" von Lorca am Stuttgarter Theater


Jo Fabian komponiert ein Stück, das Frederico Garcia Lorca 1931 geschrieben hat, genau fünf Jahre vor seiner Ermordung durch eine Falange Milizgruppe.

Ein Mann liebt eine Frau, will sie aber erst "sobald fünf Jahre vergehen" heiraten. Fünf Jahre lebt/liebt er die Idee einer Liebe, er wartet, erwartet. Eine ungelebte Liebe ist reine Liebe. 
Die Frau geht auf Reisen in Begleitung ihres Vaters. 
Eine Andere erklärt dem Mann ihre Liebe und wird erwartungsgemäß abgewiesen. 
Die fünf Jahre werden verwartet und am Tag des Wiedersehens kommt es zum Eklat: die junge Frau hat mittlerweile einen anderen Mann "in ihrem Schlafzimmer". 
Der Wartende entscheidet sich daraufhin, nach der einst Abgewiesenen zu suchen, er gerät in eine Traumwelt, wird auch von der enttäuschten Frau abgewiesen und... ?

Fiebrige Erwartung statt ungewisser, möglicherweise enttäuschender Realität. 

Die Figuren tragen undurchdringliche Sonnenbrillen, stolzieren durch die nur punktuell hörbare Sprache, nehmen Posen ein und verweigern in größter poetischer Hingabe die eindeutige Zuwendung.
Ein zweistündiges Gemälde musikalischer Art. Ein lethargischer Tanz im Sprachfetz-Rhytmus. Musik, Geräuschschnipsel, falsche Toneinsätze verhindern jedwedes vollständige Gespräch.
Es ist ein wenig wie in gewissen Breughel-Gemälden, viele überraschende Details und das, was man eigentlich sehen soll, findet irgendwo links unten in einer Ecke statt.
Es war sehr sehr schön, auch wenn die fast unvermeidliche  Gefährdung durch Selbstgefälligkeit hin und wieder zu spüren ist, eine solche Bild-Ton-Bewegungsphantasie ist sicher eine einsame Angelegenheit.


© Conny Mirbach

Der Regisseur hat Humor. Kommt leider auch nicht mehr so häufig vor. 
Ein alter Mann mit Hut in der Hand tritt auf, hängt ihn an einen Stuhl, sagt: "Ich werde meine Hut vergessen." und geht ab. Tritt wieder auf, nimmt erleichtert den Hut und sagt: " Ich habe meinen Hut vergessen."
Zeit. Zeit. Zeit vergeht. Zeit schleicht. Zeit scheint verdickt und gestaut und, ganz plötzlich, flitzt sie voran. Zeit ist    

© Conny Mirbach

Jörg Steinberg zur Probenarbeit bei Jo Fabian:

Jo sagte zu uns: ,Laßt uns unser letztes Stück machen. Alles ist scheißegal. Was die Leute von uns erwarten, ist scheißegal, was sie davon verstehen und ob es ihnen gefällt oder paßt. Alles ist so scheißegal, wie es mir immer scheißegal war, wie andere glaubten, daß ich Theater machen sollte. Also, laßt uns dieses letzte Mal ein ultimatives Kunstwerk schaffen. Mehr verlange ich nicht von euch.' Sie werden vielleicht denken, daß wir es mit der Angst zu tun bekamen, aber so war es nicht. Ich habe jetzt ca. siebzehn Produktionen mit Jo gemacht und er hat nie versäumt, am Anfang jeder Arbeit diesen Text zu sagen. Es ist ein guter Text und er hängt seit vielen Jahren über meinem Klo. Wir gingen also auf die Bühne, er zündete sich eine Zigarette an und sagte leise: ACHTUNG, UND: BITTE!


 © Conny Mirbach

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