Der Völker Herz ist wankelmütig, Fürstin,
Sie lieben die Veränderung, sie glauben
Durch eine neue Herrschaft zu gewinnen.
Der Lüge kecke Zuversicht reißt hin,
Das Wunderbare findet Gunst und Glauben.
Sie lieben die Veränderung, sie glauben
Durch eine neue Herrschaft zu gewinnen.
Der Lüge kecke Zuversicht reißt hin,
Das Wunderbare findet Gunst und Glauben.
Vor einiger Zeit habe ich im Deutschen Theater einen beglückenden Abend erlebt, Ödipus Stadt in der Regie von Stephan Kimmig. ( Blog vom 10.11.2012 ) Entsprechend frohgemut wanderte ich also heute gegen Sieben durch Berlin Mitte, um die Premiere des Doppelprojektes Hieron / Demetrius von Mario Salazar / Friedrich Schiller, erarbeitet von eben diesem Regisseur, zu besuchen, nur um drei Stunden und einige lange Minuten später, grummelnd und schlecht gelaunt wieder nach Hause zu stampfen. Mist. Schade. Mist.
Hieron ist einfach gestrickt, ein wenig orwellsches 1984, ein bisschen Wolfgang Engler Bürger, ohne Arbeit. Man hatte eine Bonmot und schrieb dann ein Stück dazu. Ich hab's verstanden. Glaube ich. Gut gespielt, aber zu schnell und zu mühelos zu durchschauen. Mehr Wörter als Gedanken und dazu ein bedeutsames, sich monoton bewegendes Bühnenbild und kommentierender Soundtrack knapp über der Hörgrenze.
Pause.
Dann Demetrius, ein Schiller-Fragment, das aus allen Nähten platzt, die Wörter stürmen den Figuren aus den Mündern, schlagen ein und erkalten. Groß und auch absurd, da jeder seine, meist völlig egoistischen, Intentionen in dieser hochpathetischen Sprache mitteilt und sie dadurch noch klarer und mieser erscheinen. Gegen Ende nur noch Fetzen von Handlung, aber immer noch nachvollziehbar. Herrlich.
Die Mehrheit?
Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn,
Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen.
Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat?
Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl?
Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt,
Um Brot und Stiefel seine Stimm verkaufen.
Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen;
Der Staat muß untergehn, früh oder spät,
Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.
Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn,
Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen.
Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat?
Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl?
Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt,
Um Brot und Stiefel seine Stimm verkaufen.
Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen;
Der Staat muß untergehn, früh oder spät,
Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.
Nur leider doch nicht, heute und hier ist es angestrengt, anstrengend und eigenartig stümperhaft. Schauspieler ziehen sich aus und an, und sind offenbar angewiesen, während sie dies tun, kein Wort zu sprechen. Pause. Ein Hemd anzuziehen spannend zu gestalten, verlangt schon Einiges. Umbauten finden statt, ohne Kunstfertigkeit und eine Darstellerin muß, ohne weiteren Anlaß als diesen Umbau, ein langes, nicht sonderlich schönes polnisches Lied verhunzen. Pause. Mittlerweile habe ich das Vorhergeschehene schon fast wieder vergessen. Der Umbau ist letztlich zu Ende, der nächste Kollege tritt endlich auf, die Sängerin geht ab und der Neue macht erstmal wieder eine lange Pause bevor er spricht.
Ich sage mal, Pausen muß man sich verdienen. Einfach nur nix sagen, nenne ich eine Leere oder, gröber, ein Loch. Pausen heißen so, weil sie sprachlose Spannungen zwischen Gedanken sind, die Sprache muß sich erst den Weg bahnen, oder jemand ist sprachlos aus Erschütterung oder Erstaunen (da fehlen mir die Worte, es hat mir die Sprache verschlagen, etc.), oder was auch immer Sprechen unmöglich, unnötig oder hinderlich macht. Aber einfach nur schweigen und sich schön Zeit lassen, in dem Gefühl, dass die eigene Anwesenheit interessant genug sei, finde ich nichts anderes als eitel. Warum soll ich Vergnügen dabei empfinden, jemandem, in den ich nicht verliebt bin, minutenlang anzustarren? Warum? Weil es gut für mich ist? Mich zum Nachdenken zwingt? Ich möchte hier freundlich darum bitten, im Theater nicht wie ein zu belehrender Grundschüler behandelt zu werden. Packt mich, schüttelt mich, reizt mich, aber tut nicht so, als wärt ihr schlauer als ich. Und wenn ihr es seid, dann seid nicht so stolz darauf.
Wiki notiert: Demetrius ist ein Dramenfragment von Friedrich von Schiller, das am 15. Februar 1857 am Hoftheater in Weimar uraufgeführt wurde. Es beschreibt die historische Figur des Demetrius, der kurze Zeit 1605/06 russischer Zar war.
Bei einer Rede im polnischen Reichstag erklärt Demetrius seinen Anspruch auf den Zarenthron. Er erhofft sich Hilfe von Polen. Er sei der Sohn Zar Iwans IV. und nicht als Kind 1591 ermordet worden, sondern in einem Kloster aufgewachsen und dann beim Fürsten von Sendomir in Dienst getreten. Er sei dieser Zar Demetrius. Durch eine beeindruckende Rede überzeugt er den Reichstag und den König. Obwohl ein Reichstagsbeschluss am Veto Fürst Sapiehas scheitert, zieht Polen gegen Moskau ins Feld. Die Polen wollen mit Demetrius den Emporkömmling Boris Godunow vom Thron stürzen. Treibende Kraft ist Demetrius’ Verlobte Marina, die Tochter Mnischeks. Marfa, Witwe Zar Iwans, von Godunow in ein Kloster verbannt, beweint seit Jahren den scheinbar ermordeten Sohn, als sie die Nachricht erhält, dass Demetrius lebt.
Den weiteren Verlauf der Handlung hat Schiller nur skizziert: Boris erhält Nachricht von den Erfolgen des Demetrius und tötet sich durch Gift. Der neue Zar ist so lange ein gütiger Herrscher, bis er erfährt, dass sein Thronanspruch nicht legitim ist: Er ist nicht Iwans Sohn, sondern wurde von der Fraktion der Godunow-Gegner als Werkzeug benutzt. Als er durch seine Mutter Marfa identifiziert werden sollte, erkennt diese ihn nicht. Trotz der fehlenden Legitimation bittet er sie, ihn als seinen Sohn anzuerkennen. Marfa folgt ihrem Gewissen und erkennt ihn nicht an.