Samstag, 10. August 2013

Theater hat auch Theaterstücke über Theater


Es gibt Theaterstücke über Theater: Raub der Sabinerinnen, Der Nackte Wahnsinn, Bullets Over Broadway, Othello Darf Nicht Platzen. Ich habe all diese Stücke schon toll gesehen und auch grässlich, da ist immer ein Riesenunterschied zwischen anbiedernder Selbstverachtung und der Fähigkeit sich nicht allzu ernst zu nehmen und sich dem Gelächter der Zuschauenden anzubieten. Bitte anbieten, nicht anbiedern, bitte.  

In diesen Stücken kommt es vor, dass Schauspieler als Schauspieler auftreten. Also sie, die Schauspieler, spielen andere Schauspieler, was leider meist dazu führt, dass sie ungewöhnlich schlechte Schauspieler spielen. 
Zum Beispiel Sein Oder Nichtsein von Ernst Lubitsch nach Noch ist Polen nicht verloren von Melchior Lengyel: Herr Joseph Tura, soll laut Text ein großartiger Darsteller sein, aber meist bekommen wir einen knödelnden, chargierenden, Trottel- Hamlet geboten, der so oft, offensichtlich und unprofessionell aussteigt, dass er nicht mal an einer dörflichen Laienbühne tragbar wäre. Die Ausrede, dass es sich um eine emotionale Notsituation der Figur handelt, zieht nicht, da habe ich schon Kollegen mit massiveren Problemen erlebt, die doch noch in der Lage waren, die Vorstellung halbwegs über die Runden zu bringen. Ich bin wahrlich keine Verfechterin der dezenten Komik, aber warum sollte jemand nur komisch sein können, wenn er auch blöd ist? 
Oder die Schauspieler in Hamlet müssen sich einen langen Monolog lang anhören, in dem ihnen der Prinz von Dänemark ihren Beruf erkärt. Nun gut, er ist Prinz, also müssen sie wohl zuhören, aber wie hören sie zu? Meist wie dankbare Kinder, die nun endlich begreifen, was sie bisher nicht verstanden haben. War Hamlet in Wittenberg im Regieseminar?  
Katharina Thalbach hat mal eine ganz wunderbare, zauberische Inszenierung vom Raub der Sabinerinnen erarbeitet. Da stimmte alles, die Sehnsucht nach ernsthafter Größe und Kunst und das radikale Scheitern aus Geldnot, Talentnot und/oder anderen ungünstigen Umständen.
Unser verflixter Beruf hat oft einen wirklich schlechten Ruf. "Was macht ihr denn tagsüber?" oder "Wie könnt ihr euch nur den ganzen Text merken?", ist jeder von uns schon gefragt worden. Die Idee von einem Haufen versoffener, sexuell überaktiver Faxenmacher, die für ein bisschen Applaus Großmütter töten und Hosen fallen lassen, ist weit verbreitet. Aber dass wir uns selber so unter den Scheffel schubsen, wenn wir einen der unseren auf die Bühne bringen, hat mich immer erstaunt.


Tony Zuvela

Karel Capek: Wie ein Theaterstück entsteht

"Das Theater ist eben eine Stätte der Wunder, das grösste Wunder ist allerdings, dass es überhaupt funktioniert."

"Wir wollen hier keineswegs den fälschlichen Eindruck erwecken, als verstünden wir das Theater, Fakt ist, dass niemand das Theater versteht, weder die auf den Brettern in Ehren Ergrauten noch der älteste Direktor, ja nicht einmal die Kritiker."


Theatermasken der Tragödie und Komödie
 Mosaik Rom 2. Jahrhundert
"Das Schauspielergewerbe ist härter als Kriegführen; und falls jemand von Ihnen Schauspieler werden möchte, dem rate ich an Vaters und Mutters Stelle mit gefalteten Händen und erhobener Stimme davon ab, nun ja, wenn er es aber mit aller Gewalt will, dann prüfe er zuvor seine Widerstandskraft, seine Geduld, erprobe die Blasebälge, Pfeifen und Register, dann erfahre er am eigenen Leibe, wie man unter der Perücke oder unter der Schminke schwitzt, dann überlege er, ob er es aushält, nackt im Frost zu gehen oder, in Wattesachen verpackt, ein Dampfbad zu nehmen, ob er fähig ist, acht Stunden hintereinander zu stehen, zu laufen, zu schreien, zu flüstern, sein Mittag- und Abendessen aus einem Stück Papier einzunehmen, nach Wanzen stinkenden Mastix unter der Nase zu haben, von Scheinwerfern gebraten und von der Windmaschine aus der Versenkung angeblasen zu werden, etwa soviel Tageslicht zu sehen wie ein Bergmann, sich mit allem was man anfasst, zu beschmieren, Pech im Kartenspiel zu haben, eine halbe Stunde lang nicht niesen zu dürfen, ein von zwanzig Vorgängern durchschwitztes Trikot zu tragen, sechsmal die Kleider von der verbrühten und regelrecht dampfenden Blöße zu streifen, mit Knochenhautentzündung, Angina, und meinethalben auch Beulenpest zu spielen und noch viele andere Qualen zu erdulden, die ein Schauspieler, der spielt, zu erleiden hat; wobei ein Schauspieler, der nicht spielt, hundertfach schlimmere Martern aussteht."

Karel Capek: Wie ein Theaterstück entsteht 1925
http://www.exil-archiv.de/grafik/biografien/capek/capek.pdf

1 Kommentar:

  1. "Nicht jeder, der die Bretter betritt, die die Welt bedeuten weiß, das er sich auf einem Holzweg befindet!"

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