K... K... K... Ka... Ka... Ka... kakerlak... Kanakke ...
Schlusstext aus der Kahlen Sängerin
Sie war eine Wucht.
Kräftig, laut, lustig, wild, manchmal bös, immer intensiv und doch ganz zart. Schlau war sie und malen konnte sie, ganz wunderbar und ein Clown war sie und eine Tragödin und eine schöne Frau und noch vieles, von dem ich gar nichts weiss.
Sie hat mir den alten Trick mit der kleinen Nuß im Arsch verraten, als ich vor lauter verschüchterter Panik, nicht wußte, wie ich auf die Bühne kommen sollte. 'Stell dir sie vor, halt sie schön fest und lauf los!'. Den Wiener Klang muß man im Ohr dazu imaginieren.
Ihre erste Inszenierung als Regisseurin war "Die Kahle Sängerin". Mitten in der 89er Umbruchzeit probierten wir dieses Wahnsinnswerk, eigentlich gedacht für das Foyer des Deutschen Theaters. Tolle Proben, aufregend, neu, anstrengend, glücklichmachend. Den ersten Durchlauf haben wir für die Kollegen der Bühnentechnik gespielt, und die haben dann durchgesetzt, dass wir auf die große Bühne kamen. Diesen Abend haben wir alle, wir waren sechs Spieler, sehr geliebt, so sehr, dass wir vor jeder Vorstellung, über 100 waren es, freiwillig eine Durchspreche gemacht haben. Trotzdem gab es dann eine Vorstellung, die Katja, nach längerer Abwesenheit sah, und nach der sie uns, zu Recht, zur Schnecke gemacht hat. Wir waren wohl ob des Erfolges zu selbstsicher geworden und mir klingt ihr Satz noch im Ohr: Du spielst Mrs. Martin und nicht Clara Zetkin! Aua!
So viele Erinnerungen, Miss Marwood, Medea, Nana, Alice, Iphigenie und und ...
... und Titania, die von Oberon aus Zettels Traum gerissen, von diesem Traum nicht lassen will und, gewaltsam von dem schlafenden Mann mit Eselskopf weggezerrt werdend, verzweifelt schreit.
OBERON:Da liegt dein Freund.
TITANIA: Wie ist dies zugegangen?
O wie mir nun vor dieser Larve graut!
OBERON: Ein Weilchen still! – Puck, nimm den Kopf da weg.
Titania, du laß Musik beginnen
Und binde stärker aller fünfe Sinnen
Als durch gemeinen Schlaf.
TITANIA: Musik her! Schlafbeschwörende Musik!
Spuk im Hochhaus
Kritik zu „Heinrich VI.“ von Shakespeare am Deutschen Theater Berlin, Regie Katja Paryla
Ein Mensch - zum König verurteilt
Wabernder Londoner Nebel. Düsternis. Mit Glockengeläut und Dudelsack-Geschnarr wird König Heinrich V. von England zu Grabe getragen. Der Sohn, der scheue kleine Heinrich (Simone von Zglinicki), weiß gekleidet, mit roten Strümpfen und hölzernem Spielzeugschwert, künftiger König Heinrich VI., wird im Trauerzug mitgeschleppt. Ungehört fleht er um Lieb' und Freundschaft. Auf der Leiche Heinrich V. rangeln die Peers um Einfluß und Macht.
In kühnem Zugriff brachte Katja Paryla am Deutschen Theater in Berlin Shakespeares „Heinrich VI." heraus. Mit Hilfe ihres Dramaturgen Henrik Bien komprimierte sie drei Dramen zu einer Spielfassung für einen normalen Theaterabend. Entstanden ist ein schlüssiges theatrales Symbol. In einem neutralen gelben Kasten mit Gängen, Winkeln und Pforten für Haß und Kabale, für Mord und Totschlag (Bühnenbild Arno Breuers) wird eine endlose Kette von Verbrechen derer vorgeführt, die zwischen Volk und Regent die Macht verwalten.
Ist der König, wie dieser Heinrich VI., ein milder, auf Ausgleich, auf Frieden und Versöhnung bedachter Herrscher, mischt er nicht intrigant und mörderisch mit, so wälzt sich machtlüsterner Anspruch erbarmungslos über ihn hin. Seine Ohnmacht ist die Allmacht der besitz- und einflußgierigen, national überheblichen staatstragenden Schichten. Bedrückend die Erkenntnis: Offenbar nicht einmal so sehr soziale Ursachen bedingen die Untaten, vielmehr über Jahrhunderte nicht veränderbare menschliche Rach- und Herrschsucht.
Die englischen Rosenkriege zwischen den Häusern Lancester und York liefern Regisseurin Katja Paryla ein reiches Spielmaterial. Sie meidet die psychologische Geste, führt ihre Schauspieler stilbewußt zu expressivem Ausdruck, scharfer Diktion und mimischer Verve bis zur Grimasse. Die Mordszenen sind pantomimisch verzögert. Einzelne Aktionen werden in die Groteske getrieben. Etwa wenn die höfische Kamarilla sich über die Erbfolge echauffiert. Eine Szene von gespenstischer Dimension. Alle Vorgänge werden präzis behauptet, zugleich mit ironischer Distanz der Lächerlichkeit ausgeliefert.
Ausgenommen der inzwischen zum Mann gereifte Heinrich VI. Für den entwickelt sich fast Verständnis, fast Mitleid. Inmitten der höllischen Anfeindungen scheint er der einzige menschlich empfindende Mensch. Udo Kroschwald gibt ihn glatzköpfig, weichlich, dicklich, redlichen Gemüts, wie eingesperrt in seine königliche Kluft. Als Kind zum König verurteilt, für die Pflichten und Lasten der Macht weder geschaffen noch geübt, ist er dem Ränkespiel hilflos ausgeliefert, vor allem dem seiner Frau. Er stöhnt über das Hauen und Stechen um ihn her, meint, dies sei nicht sein Land. Zwei bajuwarische Förster verweigern sich ihm als Untertanen. Bevor er umgebracht wird, träumt er wie ein großer, naiver Junge von einem vermeintlich süßen, lieblichen Leben als schlichter Hirte. Er hat sich an der Rampe niedergesetzt, teilt seine innige Sehnsucht treuherzig mit.
Eva Weißenborn gibt die Königin Margareta als eine Teufelin der Heuchelei, scheinbar sanft und gütig, in Wahrheit hinterhältig böse. Aalglatt spinnt sie mit Graf Suffolk, ihrem Geliebten (Uwe Dag Berlin), intrigante Fäden, kalt und berechnend geht sie über Leichen. Die prominentesten: Herzogin Leonore (Johanna Schall) und Herzog von Gloster (Karl Kranzkowski).
Ein Ensemble von Spitzenkräften. Horst Lebinsky (als alter Mortimer), Mario Gericke (Herzog von York), Frank Lienert (Graf Warwick), Michael Walke (Graf Salisbury), Sven-Eric Just (Herzog von Somerset), Jürgen Huth (Eduard), Gabriele Heinz (Kardinal Winchester). Und Kay Schulze, der mit Bravour den triumphierenden Richard spielt, den vorläufigen Sieger des Mordens.
Neues Deutschland, 7. Oktober 1991
KATJA PARYLA gestorben am 25. 08. 2013 in Wölsickendorf
Aus Der Kahlen Sängerin:
HAUPTMANN
wendet sich zum Ausgang, bleibt dann stehen:
Ah, dass ich es nicht vergesse: Was macht die Kahle Sängerin?
Allgemeines betretenes Schweigen.
MRS. SMITH:
Sie trägt immer noch die gleiche Frisur!
HAUPTMANN:
Ah! Dann auf Wiedersehen, meine Damen und Herren.
MR. MARTIN:
Viel Glück und eine gute Feuersbrunst!
HAUPTMANN:
Hoffen wir es. Für alle!
Ihr Blick. Ihre Stimme. Ihr Lachen. Ihre Bilder. Viel gutes Theater.
AntwortenLöschenTraurig.
Traurig, so traurig. Wie gern hab' ich sie gemocht! -
AntwortenLöschenLiebe Frau Schall, können Sie bitte sagen, wann und wo sie begeisetzt wird?
Herzlichen Dank.
Die Beisetzung wird im privatesten Kreis stattfinden.
LöschenVielen Dank - ich kann das gut verstehen. Vielleicht sind Sie so freundlich und schreiben mir - gern auch später - wo.
LöschenIch danke Ihnen.
Danke fuer diesen Blog!!Sie war eine phantastische Theaterfrau.Kindheits-Jugend- und Kollegenerfahrungen verbinden mich dankbarst mit ihr!!!....
AntwortenLöschenDas Foto mit Heinz Renhack ist aus Spuk im Hochhaus.
AntwortenLöschenDanke für den Hinweis, werde ich korrigieren.
LöschenNett geschrieben - sollte breiter publik werden - angesichts der lieblosen offiziellen Pressenachrufe!
AntwortenLöschenWarum watschen Sie "Heinig" so ab? Wo Katja Paryla ihre letzte Ruhe findet, interessiert auch mich und sicher andere. Französischer Friedhof Dorotheenstrasse?
@ Anonym: Die Antwort an Herrn Heinig ist kein Watschen, sondern dass, was man auch mir gesagt hat und ich finde es völlig verständlich, wenn die Familie unter sich bleiben möchte.
AntwortenLöschenAntwort der Akademie der Künste:
AntwortenLöschenSehr geehrte[ ],
momentan wissen wir weder wann das Begräbnis von Katja Paryla stattfinden noch in welchem Kreis es sein wird. Sobald wir darüber etwas erfahren, lassen wir Ihnen die Information gern zukommen. Es ist jedoch fraglich, ob und wann wir etwas darüber erfahren werden. Wenn Ihnen sehr an der Information gelegen ist, wenden Sie sich doch bitte sicherheitshalber an das Theater Chemnitz. Vermutlich weiß man dort mehr. Ich hätte Ihnen gern die E-Mail-Adresse rausgesucht. Doch die Seite ist momentan nicht erreichbar. Daher deshalb hier wenigstens der Link: http://www.theater-chemnitz.de/
Viele Grüße
Tanja Krüger
Tanja Krüger
Sektion Darstellende Kunst
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin
Tel. +49(0)30 200 57-15 48
Fax +49(0)30 200 57-15 50
krueger@adk.de
www.adk.de
Natürlich ist das Begräbnis eines Menschen Privatsache der Angehörigen - oder - was noch mehr zu respektieren ist, Wunsch der Verstorbenen. Allerdings wird es dann "schwieriger", wenn die/der Verstorbene eine Person öffentlichen Interesses und das auch ganz im positiven Sinne ist! Vermutlich würde man das in Österreich, Parylas Heimat -- oder nicht??? --verstehen...