Freitag, 3. Dezember 2010

Don Carlos in Dresden

Gestern habe ich "Don Carlos" inszeniert von Roger Vontobel am Staatsschauspiel Dresden gesehen. (Das Staatschauspiel, lang nicht mehr da gewesen, es hat ein anderes Publikum als andere Theater, bürgerlicher, treuer, geduldiger und ein wenig, wie eine Erinnerung an eine vergangene Zeit.) 
Aber zum Thema: es war ein unerhört genau durchdachter, zu seinem logischen Ende gedachter Abend in einem präzis und dann plötzlich überraschend mitspielendem Bühnenbild von Magda Willi. 
Kein hohles Pathos, weder inhaltsloser Historizismus, noch wahlloses "Heutigmachen". Herr R. Vontobel hat sich mit Herrn F. Schiller auseinandergesetzt und das Stück auf seine politischen Gedanken hin ernst genommen. Mein Gehirn hatte Spaß, aber/und nicht nur mein Gehirn.
Ein Satz aus dem Programmheft (er ist von Hans Mayer) "Es ist nur die halbe Wahrheit, wenn man behauptet, Schiller habe immer wieder politische Dramen geschrieben. Er hat in Wirklichkeit immer wieder das Drama der Politik zu schreiben versucht". Genau! (Schönes Wort, aber ich muß immer an die Sesamstrasse denken, wenn ich es gebrauche.)
Christian Friedel spielt Don Carlos, falls er noch keinen Fanclub haben sollte, wäre ich bereit einen zu gründen.  Sein Carlos ist eine Falle in die wir alle tappen würden, berauschend enthusiastisch und glaubhaft, gnadenlos egoistisch ohne es selbst wahr zu nehmen und ein Wortverführer, er verführt uns und die Figur selbst immer wieder dazu, "zu glauben". Immer wieder, bis die Katastrophe uns milde lächelnd anstarrt. Christine Hoppe risikofreudig und bedauernswert, im besten Sinne des Wortes, als Eboli. Beide atemberaubend. 
Ein großes Problem: der Inquisitor; da wirkt das Stück plötzlich altbacken. Wer kommt da? Wer hat Macht über die Macht? Der Abend war bis hier in keinster Weise katholisch, also nochmals die Frage, wer ist es? Mein Wunsch: Am Anfang des Theaterabends redet sich Don Carlos selbst in die Position des mißachteten Sohnes, ein Geniestreich ( Der Szenenpartner wird in den verflixten Widerpart im eigenen Gehirn verwandelt). Könnte sich Phillip nicht am Ende auch selbst in die Notwendigkeit der Tötung des eigenen Sohnes und der Ehefrau reden. Er ist gestrauchelt, schwach geworden, hat "gefühlt", einen Freund gewollt und nun da Posa tot ist, muß er sich von der Notwendigkeit, dem Sinn des eigenen Lebens, all der schrecklichen Entscheidungen, die er treffen "mußte" überzeugen?
Ist es nicht herrlich, wenn man sich nach einem Schillerabend unbedingt streiten will?

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