Donnerstag, 16. Dezember 2010

W.H. Auden - In Erinnerung an W.B. Yeats

In Memory of W. B. Yeats  


I

He disappeared in the dead of winter:
The brooks were frozen, the airports almost deserted,
And snow disfigured the public statues;
The mercury sank in the mouth of the dying day.
What instruments we have agree 
The day of his death was a dark cold day.

Far from his illness
The wolves ran on through the evergreen forests,
The peasant river was untempted by the fashionable quays;
By mourning tongues
The death of the poet was kept from his poems.

But for him it was his last afternoon as himself,
An afternoon of nurses and rumours;
The provinces of his body revolted,
The squares of his mind were empty,
Silence invaded the suburbs,
The current of his feeling failed; he became his admirers.

Now he is scattered among a hundred cities
And wholly given over to unfamiliar affections,
To find his happiness in another kind of wood
And be punished under a foreign code of conscience.
The words of a dead man
Are modified in the guts of the living.

But in the importance and noise of to-morrow
When the brokers are roaring like beasts on the floor of the Bourse,
And the poor have the sufferings to which they are fairly accustomed,
And each in the cell of himself is almost convinced of his freedom,
A few thousand will think of this day
As one thinks of a day when one did something slightly unusual.

What instruments we have agree
The day of his death was a dark cold day.
II
     You were silly like us; your gift survived it all:
     The parish of rich women, physical decay,
     Yourself. Mad Ireland hurt you into poetry.
     Now Ireland has her madness and her weather still,
     For poetry makes nothing happen: it survives
     In the valley of its making where executives
     Would never want to tamper, flows on south
     From ranches of isolation and the busy griefs,
     Raw towns that we believe and die in; it survives,
     A way of happening, a mouth.

III
          Earth, receive an honoured guest:
          William Yeats is laid to rest.
          Let the Irish vessel lie
          Emptied of its poetry.

          In the nightmare of the dark
          All the dogs of Europe bark,
          And the living nations wait,
          Each sequestered in its hate;

          Intellectual disgrace
          Stares from every human face,
          And the seas of pity lie
          Locked and frozen in each eye.

          Follow, poet, follow right
          To the bottom of the night,
          With your unconstraining voice
          Still persuade us to rejoice;

          With the farming of a verse
          Make a vineyard of the curse,
          Sing of human unsuccess
          In a rapture of distress;

          In the deserts of the heart
          Let the healing fountain start,
          In the prison of his days
          Teach the free man how to praise.
 

Es gibt eine deutsche Übersetzung von Jandl, aber sie ist schwer und sehr teuer zu kriegen. Leider gibt es manche, viele Gedichte von Auden überhaupt nicht in Deutsch. Einige Liebesgedichte und ein schmales Bändchen mit einer Auswahl, das war es schon. Schade, sehr schade! Sollte dies ein Dichter lesen, da müßte etwas getan werden. Er hat auch wunderbare Gedichte zum "Sturm" geschrieben! 



In Erinnerung an W.B. Yeats
von W.H. Auden
Interlinear übersetzt von Bryant McGill, mit Änderungen von mir


1
Er verschwand in den Tiefen des Winters:
Die Bäche waren eingefroren, die Flughäfen verlassen,
Und Schnee entstellte die öffentlichen Statuen;
Das Quecksilber sank im Rachen des sterbenden Tages.
Alle vorhandenen Instrumente stimmen zu, dass der Tag
seines Todes ein dunkler kalter Tag war. 

Weit ab von seiner Krankheit,
Streiften die Wölfe weiter durch die immergrünen Wälder,
Floss der ländliche Fluss weitab der modischen Kais;
Durch klagende Stimmen
Wurde der Tod des Dichters vor seinen Gedichten geheim gehalten.

Aber für ihn war es sein letzter Nachmittag als er selbst,
Ein Nachmittag der Krankenschwestern und Gerüchte;
Die Provinzen seines Körpers revoltierten,
Die Plätze seines Verstandes standen leer,
Stille drang in die Vororte,
Der Strom seines Gefühls verebbte; er wurde zu seinen Bewunderern.

Jetzt ist er unter hundert Städten verstreut
Und vollständig übergeben an unvertraute Zuneigungen,
Um sein Glück in einem anderen Wald zu finden,
Und nach fremden Regeln des Gewissens bestraft zu werden.
Die Worte eines toten Mannes
Werden in den Eingeweiden der Lebendigen verändert.

Aber in der Bedeutsamkeit und im Lärm von Morgen,
Wenn die Aktienhändler wie  wilde Tiere auf dem Boden der Börse brüllen
Und die Armen das Leid ertragen, an das sie ziemlich gewöhnt sind,
Und jeder in seiner Zelle von seiner Freiheit überzeugt ist,
Werden einige tausend an diesen Tag denken,
Wie an einen Tag, an dem sie etwas Ungewöhnliches getan haben.

Alle vorhandenen Instrumente stimmen zu, dass der Tag
seines Todes ein dunkler kalter Tag war. 

2

Sie waren dumm wie wir; Ihr Talent überlebte alles:
Die Gemeinde der reichen Frauen, körperlichen Zerfall,
Sich selbst. Das verrückte Irland verletzte Sie in Poesie.
Irland hat immer noch seine Verrücktheit und sein Wetter,
Denn Poesie ändert nichts: sie überlebt
Im Tal ihres Entstehens, wo die Offiziellen
sich nicht einzumischen wagen, fließt weiter nach Süden
von den Höfen der Einsamkeit und des beschäftigten Leids,
Rohe Städte, denen wir glauben und sterben; sie überlebt,
Eine Art des Geschehens, eine Mund.

3
Erde empfange einen geehrten Gast:
Wir legen William Yeats zur Rast,
Lasst das irische Schiff fahren,
Entladen seiner Poesie.

Im Albtraum der Nacht
Bellen die Hunde Europas,
und die Nationen warten,
Jede, vereinzelt in ihrem Hass;

Intellektuelle Schande
Starrt aus jedem menschlichen Gesicht,
und die Meere des Mitleids liegen
Eingefroren und verriegelt in jedem Auge.

Komm Poet, komme gleich
Zur Unterseite der Nacht,
Überzeugen Sie uns doch noch zu jubeln,
Mit Ihrer Stimme, die uns nicht einengt.

Machen Sie einen Weinberg aus dem Fluch
Durch das Beackern eines Verses
Singen Sie vom menschlichen Misserfolg
in der Euphorie der Verzweiflung.

In den Wüsten des Herzens,
Lassen Sie die heilende Quelle fließen,
Im Gefängnis der Tage,
Lehren Sie den freien Mann zu danken. 

6 Kommentare:

  1. na ja
    nun ist ja herr jandl ungefragt und unbesorgt -
    ein sprachgenie!

    aber als jandl-guru haben sie vielleicht die möglichkeit,
    bei den erben zu betteln -
    manchmal überzeugt ein guter wille -
    es geht ja immerhin um sprache -
    kunstsprache, lustsprache - lebenssprache.

    übrigens:
    es gibt hervorragende sprach-aufzeichnungen -
    jandeln - schauen sie in der cyberwelt
    viel spass beim jandeln

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  2. Bei den Erben betteln? Sicher nicht. Es hat mir nur Spass gemacht das Gedicht so genau zu lesen, dass ich es ohne poetischen Anspruch und mit Hilfe von Herrn McGill ins Deutsche interlinear übersetzen konnte. Und ich denke, es ist enorm schade, dass die Gedichte eines grossen Dichters wie W.H. Auden nicht vollständig und ihrer Schönheit und Klugheit entsprechend übersetzt wurden oder eben schlecht zu kriegen sind.
    Warum eigentlich Anonym?

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  4. Schön, hier etwas von W. H. Auden zu lesen - bitte mehr davon! Ich war verblüfft, wie sehr sich Ihre Übertragung von Jandls mehr als dreißig Jahre alter Übersetzung unterscheidet. Mich hat sie aber angeregt, wieder in Audens "Collected Poems" zu blättern (- und ich sehe, daß ich mich wohl auch mit "In Memory of Ernst Toller" und "In Memory of Sigmund Freud" aus der gleichen Sammlung beschäftigen sollte...), und nun muß ich mich auf die Suche nach den drei Strophen des Gedichts machen, die der Autor wieder gestrichen hat.
    Ich erinnere mich, daß Brodsky en passant über Auden schrieb, im Aufsatz "In Memoriam Stephen Spender" - darin erfährt man (wenn man wie ich gerade nachblättert) z.B., daß Audens Gedicht das Vorbild für seine, Brodskys, "Verse auf den Tod T.S. Eliots" ist (übrigens auch ein schönes Gedicht, daß die Vergegenwärtigung lohnt...). So kommt man vom einem zum anderen. Gut so - und vielen Dank für den Anstoß.

    Bunny

    Und hier liest der Autor selbst: einen Teil seines Gedichts: http://www.youtube.com/watch?v=BNlS_Vbip_Q

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  5. Danke für den Link. Seltsam und gut. Leider habe ich die Jandl Übersetzung noch nicht gelesen, die Auflage it vergriffen und antiquarisch kostet es 50 oder so. Das Brodsky Gedicht werde ich lesen, Dussmann ruft! Danke.
    Versuchen Sie sich doch mal an den "Sturm" Gedichten von Auden, sie werden Ihnen gefallen.
    Johanna

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  6. ZUM GEDENKEN AN W.B. YEATS

    (gest. Jan. 1939)

    I

    Er verschwand im tiefsten Winter:
    Die Bäche waren vereist, die Flugplätze fast verlassen,
    Und Schnee entstellte die Denkmäler;
    Das Quecksilber sank im Mund des sterbenden Tages.
    Was an Instrumenten wir haben, bestätigt es:
    Sein Todestag war ein dunkler, kalter Tag.

    Fernab von seiner Krankheit
    Liefen die Wölfe durch die immergrünen Wälder,
    Blieb der bäuerliche Fluß unverlockt durch die vornehmen Kaie;
    Trauernde Zungen
    Hielten den Tod des Dichters fern von seinen Gedichten.

    Aber für ihn war es sein letzter Nachmittag als er selbst,
    Ein Nachmittag der Pflegerinnen und Gerüchte;
    Die Provinzen seines Körpers revoltierten,
    Die Plätze seines Geistes waren leer,
    Stille drang in die Vororte,
    Der Strom seines Fühlens versagte; er wurde seine Bewunderer.

    Jetzt ist er verstreut über hundert Städte
    Und unbekannten Neigungen völlig überlassen,
    Um sein Glück zu finden in einer anderen Art Gehölz
    Und bestraft zu werden unter einem fremden Gewissenskodex.
    Die Worte eines Toten
    Werden abgeändert in den Bäuchen der Lebendigen.

    Aber inmitten der Wichtigkeit und des Lärms von morgen,
    Wenn die Makler brüllen wie Tiere auf dem Parkett der Börse
    Und die Armen zu erleiden haben, woran sie so ziemlich gewöhnt sind,
    Und jeder in der Zelle seines Ich fast überzeugt ist von seiner Freiheit,
    Werden ein paar tausend denken an diesen Tag,
    Wie man denkt an einen Tag, als man etwas nicht ganz Gewöhnliches tat.
    Was an Instrumenten wir haben, bestätigt es:
    Sein Todestag war ein dunkler, kalter Tag.

    II

    Du warst albern wie wir; deine Gabe überdauerte alles:
    Die Gemeinde reicher Frauen, körperlichen Verfall,
    Dich selbst. Narr Irland quälte dich zur Dichtung.
    Irlands Narrheit und Wetter bestehen weiter,
    Denn Dichtung bewirkt nichts: sie überdauert
    Im Tal ihrer Erzeugung, wo die Exekutive
    Ihre Finger einzieht, fließt nach Süden weiter
    Von Gehöften der Isolation und des emsigen Kummers,
    Rauhen Dörfern, wo wir glauben und sterben; sie überdauert,
    Eine Art Zufall, einen Mund.

    III

    Erde, nimm den Ehrengast:
    William Yeats sucht hier nach Rast.
    Bette friedlich Irlands Kelch,
    Der sein Lied nicht mehr enthält.

    In der Nächte grauser Mahr
    Bellt Europas Hundeschar,
    Und die Völker stehn auf Wacht,
    Abgetrennt in ihrem Haß.

    Menschengeistes Schande spricht
    Jedes menschliche Gesicht,
    Und in jedem Auge steckt
    Meer des Mitleids, eisbedeckt.

    Folge, Dichter, folg bedacht
    Bis zum tiefen Grund der Nacht,
    Deine Stimme, unzerstört,
    Helfe uns, daß Jubel währt;

    Mit dem Pfluge im Gedicht
    Weinberg mach aus Strafgericht,
    Hingerissen von der Not
    Sing, was alle uns bedroht;

    In des Herzens Wüsten laß
    Quellen strömen heilend Naß,
    In der Tage Kerker lehr
    Freien Mann das Wort: ich ehr.

    Übersetzt von Ernst Jandl

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