Freitag, 3. Dezember 2010

Mein erster Kommentar - Von Hatto Fischer

Athen den 3.12.2010
Liebe Johanna,
einmal erzählte uns der italienische Maler Ferruccio Marchetti eine Geschichte die tatsächlich in seinem Dorf stattfand. Da gab es einen Mann der ein großes Karusell besitzte. Er war stolz darauf. Die Kinder und Erwachsene kletterten gerne in die von Ketten hängenden Sitze um dann beim immer schneller Drehen weit hinaus getragen zu werden. Rund und Rung ging es. Eines Tages befand sich der Mann in der Dorfkneipe. Es war eine fröhliche Runde die spät in die Nacht andauerte. Als die Zeit nahte zum Aufbruch kam plötzlich die Idee auf doch noch eine Runde mit dem Karusell zu drehen. Schnell gesagt, schnell realisiert. Also kletterten alle in ihre Sitze, auch der Karusellbesitzer und drückte den Kopf um die Drehung zu starten. Als das Karusell bereits im vollen Schwung war, dämmerte es ihm und den anderen keiner war zurück geblieben, um den Knopf zum Stop zu drücken. Für Stunden mußten die unfreiwilligen Fahrgäste die schwindligen Drehungen ertragen. Erst am frühen Morgen kam der Sohn des Besitzers zufällig vorbei und befreite sie von dieser endlosen Fahrt.
Ich weiß nicht warum mir plötzlich diese Geschichte in den Kopf kam. Nachdem Ferruccio diese Geschichte erzählt hatte, lachten wir alle. Aber als Metaphor kann sie fürs ganze Leben geltend gemacht werden. Wir steigen ein ins Leben insofern wir hineingeboren werden und dann drehen sich manchmal die Dinge weiter und viel schneller als was wir jemals vorgehabt hatten, und keiner kann uns retten weil alle sich mit uns im gleichen Drehkreis befinden.
Was Du also vorhast mit dem Schreiben zur alltäglichen Liebe, und ich hoffe Dich richtig verstanden zu haben, dann kann ich mit einem weiteren Beispiel ansetzen. Momentan arbeite ich teilweise in Dänemark da die Stadt Sonderborg sich um den Titel Kulturhauptstadt von Europa im Jahre 2017 sein zu wollen. Es muß ein Program für ein Jahr aufgestellt werden. Wir haben damit begonnen die Stadt und die ganze Region, die ja die Deutsch-Dänische Grenze miteinbezieht und deshalb Flensburg und Schleswig Holstein meint, zu verstehen, und zwar als Potential für eine neue Definition von Nachbarschaft die über Grenzen hinweg das Miteinanderleben praktiziert. Das dies nicht selbstverständlich ist, wissen wir alle. Heutzutage leben wir oftmals zusammen aber nur in einem abstrakten Sinne weil wir den echten Sinn der Nachbarschaft verloren haben. Und ein guter oder schlechter Nachbar kann auch die Geliebte oder der Geliebte sein. Irgendwo ist also die Liebe auf der Strecke geblieben oder wir erfahren sie nur noch selten, sporadisch sozusagen, quasi als Ausnahme doch wir befinden uns nicht im Ausnahmezustand wo härtere Gesetze gelten sondern im konventionellen Sinne in einer Realität des Schweigens und des oftmals hinfälligen Bemühens irgendwie doch noch einen Sinn an Leben aufrecht zu erhalten. Das kommt gleich dem armseligen Blumentopf der vermutlich mit seiner Pflanze nicht den harten Winter überstehen werden. Vermutlich ist das dann das Problem: wie werden wir gerecht gegenüber uns selbst denn das Erforderlich, nämlich die Liebe, kann nicht wie Gewerkschaften das tun wenn sie einen höheren Lohn für getane Arbeit wollen, nicht gefordert werden. Liebe entzieht sich jeglicher Logik und doch ist ihr das was wir auf Englisch mit 'Reasoning' nicht fremd. Aber wenn Du mit dem Begriff der Liebe klar kommen möchtest, um so besser wenn wir daran teilnehmen können, denn Deine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ist bewunderswert. Also bitte sage Bescheid wo wir diese alltäglichen Beschreibungen lesen können.
Mit einem lieben Gruß aus Athen
hatto

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