Samstag, 25. Dezember 2010

Das Theater riecht.


Theater riechen. Sie riechen wie nur Theater riechen. Ich meine den Teil hinter der Bühne, die Bühne selbst, die Spielergarderoben, die Räume der Maske, Requisite, Fundus usw., der Geruch variiert, die Balance der Zusammensetzung variiert, mehr Fettschminke oder Schmieröl, noch eine Prise Anti-Mottenmittel oder ein kräftiger Schuß staubiger Samt, aber der Grundgeruch bleibt konstant. Merkwürdigerweise riechen Zuschauerräume anders, als wäre da eine unsichtbare Duftbarriere, die den Zauberduft nicht durchläßt, das Publikum von ihm ausschließt. Ich habe mal ein Jahr an der Uni gearbeitet, nach circa einem halben Jahr gab mir ein Mann eine Führung durch ein wunderschönes Theatergebäude aus dem 19. Jahrhundert, ein Zuschauerraum mit riesigem herunterfahrbaren Kronenleuchter, jeder Menge Stukkatur und weichgepolsterten Klappsitzen bezogen mit rotem Samt. Sehr schön. Dann hinter die Bühne, Putz bröckelt, lange nicht frisch gestrichen, eng und leicht schmuddelig - und da war er wieder der Duft, das "Parfum" von Schweiß, Staub, Schminke, Aufregung, Hektik, Liebe und ???, und ich merkte, wie sehr ich ihn vermißt hatte. Prima noch eine Abhängigkeit mehr! Sogar Freilichtbühnen haben diesen Geruch, nur verdünnt durch frische Luft, ganz was theaterfremdem. 
Ich habe vor Jahren mit einem zauberhaften, sehr alten Regisseur gearbeitet, der gelegentlich während der Proben einschlief, nur um bei Probenschluß hellwach genaue und strenge Kritik zu geben - ein Kollege meinte, man müßte ihm 10 Zwerge schenken, so dass er zu Hause als Pensionär weiterinszenieren könne - ich hätte dann gern ein Flakon Theaterduft, am allerliebsten den von der Hinterbühne des Deutschen Theaters in Berlin.

6 Kommentare:

  1. Die Katholische Kirche erfand mit dem Weihrauch den ersten Theaterduft als bewusst eingesetztes inszenatorisches Mittel, - allerdings im Zuschauerraum. Im Fress- und Sauftheater des elisabethanischen Zeitalters muss das Theater, wie das Globe, so gestunken haben, dass sich die Akteure hinter und auf der Bühne zeitweise die Nasen zuhielten. Im Zirkus riecht es nach Sägemehl, Kot und Tierschweiß. Im bürgerlichen Theater riecht es dagegen wie in den Ateliers von Chanel. Findest Du nicht?

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  2. Der Geruch im Zuschauerraum hängt sehr vom Standort des Theaters, also der demographischen Zusammenstellung des Publikums ab, finde ich. Z.B. war für mich der Wechsel zwischen Ost und West, oder die Wende auch riechbar. Mehr künstliche Düfte, süßer. Kindertheater wiederum ganz was anderes und es gibt auch noch Abonnement-Rentner Vorstellungen und die Volksbühne, wenn viele der Zuschauer Leder tragen, und und und.

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  3. Als Kind wurde ich durch die Theatergarderoben gereicht, wärend meine Eltern spielten. Prägend dabei war der Duft von Schminke und der süße Geruch besonders der Schauspielerinnen, die sehr nett zu dem kleinen Jungen waren. Aber auch die eleganten Damen im Zuschauerraum rochen sehr vertrauensvoll. Als errwachsener Mann, nun selbst am Theater, kann ich diese Welt nicht mehr finden, obwohl es dort an allen Ecken und Enden danach riecht... Ich ertappe mich heute noch manchmal dabei, wie ich bestimmten Gerüchen im Theater besonders nachhänge... derselbe Geruch, eine andere Welt. Komisch, in jedem Theater gibt es Spuren dieser Gerüche...

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  4. Habe mich dabei erwischt, wie ich junge Schauspieler angefahren habe, weil sie sinnlosen, aber schönen Aberglauben nicht kennen und deshalb die Regeln brechen. Wie pfeifen auf der Bühne oder Essen. Wenn das ein Zauberraum seien soo, muss er magische Regeln haben, oder?

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  5. Magie lässt sich nur selten durch Verbote vermitteln... Wenn mir jemand wie Fred Düren auf der Bühne mit einem leichten Kopfschütteln und dem Finger vor dem Mund geflüstert hätte „ pssst... nicht pfeifen; das bringt Unglück auf der Bühne" wäre ich wahrscheinlich vor Ehrfurcht erstarrt und hätte diesen Rat für den Rest meines Lebens befolgt... Meine Erfahrung mit Schauspieleleven zeigt mir jedoch, dass es für viele keine Theaterhelden mehr gibt... Viel mehr gibt es Filmhelden für sie... Dann gibt es an den Theatern kaum noch beständige Engsemble mit einer guten Mischung aus jung und alt... Oft verdient die Technik mehr als ein Schauspieler und so verhält sie sich dann auch... Das alles ist der Magie natürlich nicht gerade zuträglich... Und so kommt man sich manchmal schon wie ein Rufer in der Wüste vor, wenn man diese alten Verhaltensregeln für die Bühne vermitteln will... Aber du hast verdammt nochmal recht, die Bühne ist ein Zauberraum und da braucht es magische Regeln...!!!

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  6. Ich habe heute im Flic Flac in der 6. Reihe gesessen und vernahm diesen süßlichen Geruch. Selten noch im Theater und immer nur bei Männern, auch kurz bevor diese die Bühne betreten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur Schminke und Mottenmittel ist. Wird ab und an etwas in den Raum gesprüht, damit man gespannt bleibt? Aufregung verspürt und gefesselt bleibt? Oder gibt es ein Parfum dass viele Schauspieler gerne nutzen? Kann man Adrenalin riechen? Es riecht aber absolut nich mach Schweiß... eher sexuell... andere riechen das komischerweise nicht.

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