Sonntag, 21. September 2014

Gehorsam


Ich höre Dir zu. Ich höre auf Dich. Ich bin Dir gehorsam. Ich gehorche Dir. Zwischen Gehör und Gehorsam liegt der Schnitt. Gehöre ich mir oder bin ich hörig. Horch! Gehorche. Sei gehorsam! Kadavergehorsam, blinder Gehorsam. Gehorche ich, darf ich nicht mehr auf mich hören, muß mich taub stellen für alle Stimmen, die Anderes sprechen als der, dem ich gehorche. Horch wer kommt von draußen rein? 

Mein Großvater väterlicherseits hatte so ein riesiges altmodisches rosafarbenes Hörgerät, wenn er Fernsehen gucken wollte, setzte er sich ganz nah an den Apparat, schaltete seine Hörhilfe aus und beantwortete das ununterbrochene Gerede meiner Großmutter auf die Sekunde genau alle fünf Minuten mit einem freundlichem "Ja, Margarete" - es schien, eine glückliche Ehe zu sein. Er hat nichts gehört. Ach, wenn Ungehörsam immer so einfach wäre!


Der Übergang
Monument Anonymer Passanten
Errichtet in Erinnerung an die Ausrufung des Kriegsrechtes vom 13.12. 1981 bis zum 22.7. 1983 durch die polnische Regierung mit General Wojciech Jaruzelski an ihrer Spitze
Jerzy Kalina 2005 Wroclaw

gehorsam Adj. ‘folgsam, willig, brav’, ahd. gihōrsam, hōrsam (8. Jh.), mhd. mnd. gehōrsam, mnl. ghehoorsaem, nl. gehoorzaam, aengl. (ge)hīersum, (ge)hȳrsum. Das Adjektiv entsteht als Wiedergabe des den christlichen Gehorsamkeitsbegriff gegenüber Gott und der klerikalen Hierarchie ausdrückenden lat. oboediēns Part.adj. ‘willfährig, fügsam’. Dieses geht aus dem Part. Präs. von lat. oboedīre ‘jmdm. Gehör schenken, gehorchen, gehorsam sein’ hervor. Das Germ. knüpft an das dem lat. Wort zugrundeliegende Simplex lat. audīre ‘hören’ an und leitet das Adjektiv von dem unter hören (s. d.) behandelten Verb mit dem Suffix zur Bezeichnung von Charaktereigenschaften germ. -sama- (s. -sam) ab. – Gehorsam m. ‘Folgsamkeit’, ahd. gihōrsamī f. (um 1000), hōrsamī f. (9. Jh.), mhd. gehōrsam(e) f., daneben gehōrsam m.; seit dem 16. Jh. überwiegt die maskuline Form. Noch im 18. Jh. steht Gehorsam auch für ‘Gefängnis’, entstanden wohl aus einer Wendung wie in den Gehorsam gehen ‘in Haft gehen’. Gehorsamkeit f. ‘Folgsamkeit’, vgl. mhd. gehōrsamecheit ‘Gehorsam, Gelübde’. (Etymologisches Wörterbuch)

Gehorsam ist prinzipiell das Befolgen von Geboten oder Verboten durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen. Das Wort leitet sich (ähnlich wie Gehorchen) von Gehör, horchen, hinhören ab und kann von einer rein äußerlichen Handlung bis zu einer inneren Haltung reichen. (Wiki)

Obedience (engl. „Gehorsam“) ist eine Hundesportart, bei der es besonders auf harmonische, schnelle und exakte Ausführung der Übungen ankommt. Obedience wird auch als „Hohe Schule“ der Unterordnung bezeichnet.
(Wiederum Wiki) 

https://www.youtube.com/watch?v=98iK532OZgg

http://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment

Samstag, 20. September 2014

Ziviler Gehorsam


Ein guter Bekannter hat gerade seine Job verloren, nach 18 Jahren, und als ob das nicht schlimm genug wäre, hatte man ihn vorher, bei Nachfrage, noch über die nun ja stattfindende Kündigung belogen und ist erst in allerletzter Minute, und also viel zu spät, mit der Wahrheit rausgerückt, und dieser Vorgang wurde auch noch, obwohl er sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen, in herablassender Art und Weise ohne Respekt "abgewickelt". So weit, so schlimm.
Nun hat sich dieser Mann über die Umgangsformen bei seinem Arbeitsgeber beklagt, oder besser, sie öffentlich gemacht. Und wird dafür beschimpft - weil es ihm doch noch besser geht als anderen, weil sowas doch normal sei, weil er, wenn er widerspricht, gar nicht auf einen anderen Job hoffen könne, etc.
Warum das? Warum reagieren wir panisch, abwertend, beschwichtigend darauf, dass sich jemand wehrt, wie hilflos auch immer?
Vor hunderten Jahren in der Schule mußten wir eine außerordentlich schwere Klassenarbeit schreiben, alle linsten, kopierten, tuschelten, ein Mitschüler und ich wurden erwischt und sollten uns öffentlich entschuldigen. Wir weigerten uns beide und mußten gefühlte fünfzig Stunden nachsitzen. Später kamen fast alle anderen zu uns und versicherten uns mit gedämpfter Stimme ihrer Bewunderung.
Jahre später eine Produktion an den Kammerspielen, katastrophale Proben eines äußerst kompizierten Stückes, der Regisseur verschwand viertelstündlich auf dem Klo und kam zunehmend weicher, unschärfer und nuschelnder wieder - Was tun? - eine Delegation, bestehend aus einer Kollegin und mir, sprach, vom Ensemble beauftragt, beim Intendanten vor, der auch prompt auf der Probe erschien. Auf seine streng-väterliche Frage "Was denn hier los sei?" erhielt er von den uns ausgeschickt habenden Kollegen tapfere Blicke und die irritiert klingende Antwort: " Hier ist alles in Ordnung!" Er ging, erleichtert und mit vorwurfsvollem Blick auf die beiden Kassandren. Bei der Premiere haben wir gerade einen (EINEN) Applausvorhang geschafft, und einer meiner liebsten Kollegen saß im Saal mit klatschbereite erhobenen Händen, unfähig sie gegeneinander zu bewegen, so gräßlich war das, was er gerade gesehen hatte. 
Warum wehren wir uns nicht einmal dann, wenn wir nicht wirklich etwas riskieren? Vorauseilenden Gehorsam, Feigheit ohne guten Grund scheinen wir, so sehr verinnerlicht zu haben, dass wir, wenn ein anderer sich doch einmal wehrt, ihn dann für unsere eigene Unfähigkeit abstrafen. Liebgehabt werden um jeden Preis, nur nicht unangenehm auffallen, keinen Anstoß erregen, alle Türen offen halten - selbst dann, wenn wir nicht mehr riskieren, als den Unmut von Einigen, nicht das Leben, nicht die Existenz.
Dies sind "kleine" Beispiele, Harmlosigkeiten, aber wenn wir bei denen schon versagen, wie soll es dann in der wirklichen Not funktionieren?


Vergiß Dein Mittagsbrot nicht und mach schön Ärger
© Banksy (Der Schriftzug ist eventuell dazugefügt worden.)

Ziviler Ungehorsam ist nicht unser Problem. Unser Problem ist der zivile Gehorsam. Unser Problem ist, dass Menschen auf der ganzen Welt dem Diktat ihrer Regierungen folgen und deshalb in Kriege ziehen, in denen Millionen genau wegen dieses zivilen Gehorsams getötet werden.
Unser Problem ist der zivile Gehorsam auf der ganzen Welt, angesichts der Armut, des Hungers, der Dummheit, der Kriege und aller Verbrechen. Unser Problem besteht darin, dass die Menschen gehorsam sind während die Gefängnisse sich mit Kleinkriminellen füllen und die großen Verbrecher die Staatgeschäfte führen. Das ist unser Problem.

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“Civil disobedience is not our problem. Our problem is civil obedience. Our problem is that people all over the world have obeyed the dictates of leaders…and millions have been killed because of this obedience…Our problem is that people are obedient allover the world in the face of poverty and starvation and stupidity, and war, and cruelty. Our problem is that people are obedient while the jails are full of petty thieves… (and) the grand thieves are running the country. That’s our problem.”

Howard Zinn
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Auch interessant:

ZIVILER UNGEHORSAM

Matt Damon liest den Text über zivilen Ungehorsam

Interessante Lektüre:

Eine Geschichte des amerikanischen Volkes von Howard Zinn !!!

http://www.amazon.de/Eine-Geschichte-amerikanischen-Volkes-Howard/dp/3868201920/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1411238109&sr=8-1&keywords=Eine+Geschichte+des+amerikanischen+Volkes

Freitag, 19. September 2014

Geburtstag Nr. 56


    
      Dieses Kind wurde um den 26.12.1957 herum gezeugt, teilt mir 
      der Zeugungsrechner mit. Das Christkind kommt - und meine 
      Eltern freuten sich auf ihre Art.

      Mehr als neun Monate, wenn alles normal läuft, liegen wir in 
      warmer Suppe im Bauch einer immer runder werdenden Frau 
      und evolutionieren im Schnelldurchlauf, bevor wir via Vagina 
      oder, beim Kaiserschnitt wie bei mir, durch die Bauchdecke, das Licht 
      der Welt erblicken. (Da ist es schon wieder das Licht.) Angenehm 
      kann das nicht sein, erst warm, feucht und dunkel und dann, 
      plötzlich deutlich kühler, trocken, gleißend hell. Dann wird man 
      auch noch mit dem Kopf nach unten gehängt und, wenn man die 
      Selbstbeherrschung besitzt, nicht sofort von selbst empört loszubrüllen, 
      wird einem von einer fremden Hand auf den winzigen Arsch gehauen. 
      
      10 und ein halbes Pfund soll ich gewogen haben! Ein Wonneproppen 
      der gigantischen Art und hatte bis dahin schon einiges überlebt: 
      Im Nachtschrank meiner, für sechs Monate zum Liegen verdammten,
      Mutter lag Thalidomid, besser bekannt als Contergan, gegen 
      Kopfschmerzen, die sie Gott sei Dank nicht bekam. Um ihr 
      das Liegen zu versüßen, kaufte meine Oma einen der noch ganz 
      neuen Fernseher, woraufhin besorgte Ärzte sie in eine Asbestschürze
      wickelten, um das Embryo, also mich, vor Fernsehstrahlung zu schützen. 
      Die um den Hals gewickelte Nabelschnur war dann nur noch das 
      Krönchen.

      Ich erinnere mich an nichts davon. Nicht an meine zwei Jahre   
      währende Verweigerung zu laufen, bis mir meine Mutter ein Stück
      Schokolade, von mir zärtlich Glagla genannt, aus zwei Meter Entfernung 
      anbot. (Ich laufe, weil ich ausgetrickst worden bin.) Nicht an all die
      anderen zauberhaften, niedlichen, entzückenden Dingen, die ich,
      blondgelockt, blauäugig und fett, angestellt oder geäußert haben soll. 
      Mein erinnertes Leben beginnt erst viel später und selbst da weiß ich 
      nicht, wo Erzähltes oder auf undigitalen Photographien Gesehenes
      aufhört und mein eigenes Gehirn, bzw. meine Erinnerung beginnt.

      Vielleicht war alles ganz anders? Meine ersten Jahre voll dunkler
      Abenteuer und surrealer Ereignisse, die mir verschwiegen werden?
      Im hohen Alter soll angeblich das zunehmend schlechter funktionierende
      Kurzzeitgedächtnis durch immer deutlichere Kindheitserinnerungen
      ersetzt werden. Wer weiß, was mir da noch für Überraschungen ins Haus 
      stehen!

 Baby Herman © Disney
      
 AN DAS BABY
 
Alle stehn um dich herum:
Fotograf und Mutti
und ein Kasten, schwarz und stumm,
Felix, Tante Putti...
Sie wackeln mit dem Schlüsselbund,
fröhlich quietscht ein Gummihund.
"Baby, lach mal!" ruft Mama.
"Guck", ruft Tante, "eiala!"
Aber du, mein kleiner Mann,
siehst dir die Gesellschaft an...
Na, und dann - was meinste?
Weinste.

Später stehn um dich herum
Vaterland und Fahnen;
Kirche, Ministerium,
Welsche und Germanen.
Jeder stiert nur unverwandt
auf das eigne kleine Land.
Jeder kräht auf seinem Mist,
weiß genau, was Wahrheit ist.
Aber du, mein guter Mann,
siehst dir die Gesellschaft an...
Na, und dann - was machste?
Lachste.
 
Kurt Tucholsky 
 

Dienstag, 16. September 2014

Theater - Drei Listen


11 Inszenierungen, die mein Denken über das Theater geprägt haben:

Der Drache - Jewgeni Schwarz - Benno Besson/Horst Sagert - Deutsches Theater

Circa 1970. Der Gang die lange Treppe herunter von Rolf Ludwig als Drache. Eberhard Esche als Lanzelot mit schwerem Schwert, als müder Held. Die phantastische Bühne und die wie traumgeschaffenen Kostüme von Horst Sagert. Ich habe, als Zwölfjährige, ohne es wirklich zu begreifen, viel über Terror, Angst und Verrat erfahren und über Widerstand.

 
Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui - Brecht - Wekwerth/Palitzsch - Berliner Ensemble

Um 1968. Die Artistik, und dass Geschichte ganz nah und ganz fremd erzählt werden kann, das immense Tempo, die Reibung zwischen der hohen gereimten Verssprache und dem harsche Ton, der ernüchternde Ausstieg am Ende, die Entzauberung. Die Musik. Mein Vater.

Ihr aber lernet wie man sieht statt stiert,
Und handelt statt zu reden noch und noch.
Sowas hätt' einmal fast die Welt regiert,
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Die Insel - Athol Fugard - Lang/Grashoff - Deutsches Theater

1980. Zwei Schauspieler, eine fast leere Bühne. Intimität und Intensität. Die Musik. Die Ungeheuerlichkeit des Verhandelten. Danach konnte ich stundenlang nicht reden.

Der Bau - Heiner Müller - Fritz Marquardt - Volksbühne

In den 70ern. Das menschenförmige Loch in der Mauer, wenn der eine Arbeiter abhaut. Unerhört! Dieter Montag als Barka, wenn er seine, nicht von ihm schwangere, Liebste im Schnee zärtlich zur Rampe trägt. Müllers Sprache. Müllers Denken. Dialektik in Poesie.


1980 - Pina Bausch & Company
1987 beim Gastspiel in Ost-Berlin. "Ist die Wiese schön grün!" Mechthild Großmanns Stimme und wenn alle Spieler ihre Narben zeigen. Dass Tanz so ganz anders sein kann, so wahr und witzig und schön und erzählerisch. Dass Tänzer Menschen mit Gedanken und Meinungen sind. Getanzter Schmerz.

Peer Gynt - Ibsen - Peter Stein - Schaubühne (TV Übertragung)

70er Jahre. Als Kind aufbleiben dürfen, um Theater im Fernsehen zu gucken. Bruno Ganz, Bruno Ganz. So viel Geschichten, soviel Imagination. Eine Zwiebel-Inszenierung.

Othello - Shakespeare - Frank Castorf - Anklam

Neu. Anders. Klarer. Das blöde Stück macht Sinn. Endlich. Ich werde Fan. Kurt Naumann, schweigend im schwarzen Ledermantel, draußen, Katalysator für jedermanns Frust. Zum ersten Mal: Kühlschrank und Bier und superhohe Hackenschuhe und viel Wasser und Freiheit, außerhalb des Textes zu improvisieren.

Minna von Barnhelm - Lessing - Armin Petras - Leipzig

Alles falsch und alles richtig. Tellheims und Minnas Liebesgeschichte interessiert den Regisseur nicht und ist entsprechend öde. Aber die drei Tellheims, drei Generationen entlassener, arbeitsloser NVA-Offiziere, die manisch Geld drucken und elend scheitern, sind so sehr wahr. Die DDR, nach ihrem Vegehen, zum ersten Mal auf der Bühne.

Bernards Albas Haus - Lorca - Konstanze Lauterbach - Leipzig

Frauen, Kraft, Lust, Druck, Wut, Sinnlichkeit. Annette Straube klettert den roten Samtvorhang hoch. Die Musik. 

Splendids - Jean Genet - Michael Grüber

Ich weiß es nicht einmal warum, aber es war groß.  Ganz ruhig, wie ein zärtlicher, unerbittlicher Kopf-Auge-Ohrwurm, der dich verführt und einvernehmlich überwältigt. Dass man so langsam eine Zigarette rauchen kann.
(Nur Ben Becker hat gestört, er nervte, wie immer.)

The Mahabarata - Peter Brook

Acht Stunden in Französisch, einer Sprache, die ich nicht verstehe, und ich hätte noch acht weitere Stunden sehen wollen.

11 Inszenierungen, die mich mit leichtem Schritt und wachem Hirn das Theater verlassen liessen:


Die Perser - Aischylos - Dimiter Gotscheff
Einstein on the beach - Glass/Wilson (Rekonstruktion)
Emilia Galotti - Lessing - Michael Thalheimer - Deutsches Theater
Murks den Europäer! Murks ihn! Murks ihn! Murks ihn! Murks ihn ab! - Christoph Marthaler - Volksbühne
Die Räuber - Schiller - Antu Romero Nunes - Gorki Theater Berlin
Ödipus Stadt - Aischylos/John von Düffel - Stephan Kimmig - Deutsches Theater
Das trunkene Schiff - Paul Zech - Frank Castorf Volksbühne
Die spanische Fliege - Arnold und Bach - Herbert Fritsch - Volksbühne
Der Reigen - Schnitzler - Claudia Bauer - Magdeburg
Der blaue Drache - Robert Lepage - Montreal
Wicked - Stephen Schwartz - New York

8 Inszenierungen, an denen ich mitgearbeitet habe, die meine Sicht auf das Theater verändert haben: 


Dantons Tod - Büchner - Alexander Lang - Deutsches Theater
Der Lohndrücker - Heiner Müller - Deutsches Theater
Die Kahle Sängerin - Ionesco - Katja Paryla - Deutsches Theater
Paris, Paris - Bulgakow - Frank Castorf - Deutsches Theater
Der Meister und Margaritta - Bulgakow - ich - Ingolstadt
Der Goldene Drache - Schimmelpfennig - ich - Heilbronn
Der Menschenfeind - Moliere - ich - Karlsruhe
Sugar Dollies - Claus Chatten - ich - Deutsches Theater

Alice im Wunderland - Lewis Caroll - ich - Rostock


LICHT - Turner & Eliasson


        
        Neulich war ich in einer Ausstellung des mir bis dahin völlig unbekannten
        Künstlers, namens Otto Piene. Nicht die große Installation während
        deren Aufbaus er verstarb, sondern eine Auswahl seiner Bilder und 
        Installationen in der Kunsthalle der Deutschen Bank Unter den Linden.

        Der Mann machte in Licht. Er malte Licht. Und es leuchtete wirklich, ich
        konnte Lichtwellen sehen/spüren.
        Und heute in der Tate Britain Turner mit zusätzlicher Sonderausstellung
        zu seinem Spätwerk. Im ersten Saal gleich Arbeiten von Olafur Eliasson
        (So ein schöner Name!) zu Turner. Er hat Turners Gebrauch von Farbe 
        und Licht untersucht, indem alle Farbschattierungen, die er in einigen
        seiner Bilder fand, genauestens in eine Reihe von abstrakten Farbstudien 
        übertrug.
        "In den Turner Farbexperimenten habe ich Licht und Farbe in Turners 
        Arbeiten isoliert, um seinen Sinn für Vergänglichkeit von den begehrten
        Objekten, die seine Bilder geworden sind, herauszufiltern. ... Die 
        schematische Anordnung der Farben auf runden Leinwänden schafft
        ein Gefühl von Endlosigkeit und erlaubt es dem Betrachter das Kunst-
        werk in einer dezentralisierten, meandernden Art aufzunehmen."
        O. Eliasson

        Und Gott sprach: Es werde Licht! 
        Und es ward Licht. 
        Und Gott sah, daß das Licht gut war. 
        Da schied Gott das Licht von der Finsternis.

        Erstes Buch Mose

        Ob es stimmt, das Goethe kurz vor seinem Tod nach "Mehr Licht!"
        verlangt hat? "Wo viel Licht ist, ist starker Schatten", ist ja auch
        von ihm, aus dem Götz.

 Friede - Seebegräbnis 
W. Turner 1842

       Die Essenz von Turners Errungenschaft in den späten Jahren findet
       man dort, wo das Subjekt sich in Raum und Licht auflöst, wie die
       moderne Wissenschaft Masse in Energie umformt.    
      
William Gaunt 

Farbproben
William Turner


Olafur Eliasson

 Olafur Eliasson

Boot auf wilder See
William Turner

Scharlachroter Sonnenuntergang 
William Turner 1830-40

      Schönes Wikizitat: Bis weit in die Neuzeit hinein war weitgehend unklar,
      was Licht tatsächlich ist. Man glaubte teilweise, dass die Helligkeit
      den Raum ohne Zeitverzögerung ausfüllt, und dass „Strahlen“ von den 
      Augen ausgehen und die Umwelt beim Sehvorgang abtasten. 
      Es gab jedoch auch schon seit der Antike Vorstellungen, nach denen das 
      Licht von der Lichtquelle mit endlicher Geschwindigkeit ausgesendet wird.

Samstag, 13. September 2014

A verkörpert B, während C zuschaut.



Der agierende Schauspieler

Das deutsche Wort Schauspieler benennt den Spielenden der angeschaut wird, während er spielt, der spielt, um angeschaut zu werden und, hoffentlich, genau hinschaut während er spielt.

Ein Spieler ist etwas anderes, einer, der "alles auf eine Karte setzt", ein hohes Risiko des Verlustes eingeht, in Hoffnung auf den ungeheuren Gewinn. Ein Spielender wiederum, ist einer der Spiele spielt, unschuldige und andere. Verspielt, spielerisch, spielend -  hat man alles verspielt und verloren und trägt dennoch ein verspieltes Kleid? Geht man spielerisch mit einer Situation um oder ist es spielend leicht, sie in den Griff zu bekommen? Spiel dich nicht auf, du solltest das besser runterspielen. Da hat sich was abgespielt.

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schauen Vb. ‘den Blick auf etw. richten, betrachten, achtgeben, sich kümmern um, innerlich erblicken, erfassen, erkennen’, ahd. scouwōn
spielen Vb., ahd. spilōn (8. Jh.), mhd. spiln, spilen ‘Scherz treiben, sich vergnügen (mit Leibesübungen, Kampfspiel, Brett- oder Würfelspiel), sich lebhaft bewegen, fröhlich sein, musizieren’, asächs. spilon ------------------------------------------------------------------------------------

Ich mag den englischen Begriff actor fast lieber - der der etwas tut, der handelt. Die Wörter sind bereits geschrieben, in älteren Stücken und einigen neuen ist die Grundhandlung vorgegeben und nun kommt der, der Situation und Wörter in seinem Handeln aufeinanderprallen läßt.

Anne Carson beschreibt es so und besser:

Warum gibt es die Tragödie? 
Weil du voll Wut bist. Warum bist du voll Wut? Weil du voller Schmerz bist... Wut und Schmerz - du mußt sie im Zaum halten, eine Form um sie errichten, wo sie sich austoben können, ohne dass du oder deine Familie sterben müssen. Es gibt eine Theorie, dass es gut für dich ist, Geschichten über andere Menschen anzusehen, die in Wut und Schmerz versunken sind - dass es deine Dunkelheit läutern könnte. Willst du in deine Abgründe allein hinabsteigen? Nicht unbedingt. Wie, wenn es ein Schauspieler es für dich tuen könnte? Werden sie nicht deshalb actors = Tuende genannt? Sie tuen für dich. Du opferst sie der Aktion, der Tat. Und dieses Opfer ist eine Form der tiefsten Intimität mit deinem eigenen Leben. In ihm siehst du dich selbst, die jetzige und mögliche Gestaltung deiner Natur durchspielen. Du kannst dir deines Bewusstseins dieser Natur bewusst sein, wie du es niemals im Moment des Erlebens bist. Der Schauspieler, indem er dich wiederholt, opfert einen Moment seines Lebens, um dir deine Geschichte zu geben.

Anne Carson Trauer Lektionen: Vier Stücke
Die Übersetzung versucht den Inhalt möglichst genau wiederzugeben, nicht die einzelnen Wörter.  

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actor late 14c., "an overseer, guardian, steward," from Latin actor "an agent or doer," also "theatrical player," from past participle stem of agere (see act). Mid-15c. as "a doer, maker," also "a plaintiff." 
Online Etymology Dictionary
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Picasso Der Schauspieler 1903

Why does tragedy exist? Because you are full of rage. Why are you full of rage? Because you are full of grief… Grief and rage - you need to contain that, to put a form around it, where it can play itself out without you or your kin having to die. There is a theory that watching unbearable stories about other people lost in grief and rage is good for you—may cleanse you of your darkness. Do you want to go down to the pits of yourself all alone? Not much. What if an actor could do it for you? Isn’t that why they are called actors? They act for you. You sacrifice them to action. And this sacrifice is a mode of deepest intimacy with your own life. Within it you watch yourself act out the present or possible organization of your nature. You can be aware of your own awareness of this nature as you never are at the moment of experience. The actor, by reiterating you, sacrifices a moment of his own life in order to give you a story of yours.

Anne Carson Grief Lessons: Four Plays by Euripides

In der Reihenfolge ihres Alters: Aischylos, Sophokles, Euripides


Euripides, römische Kopie einer griechischen Büste von 330 v.u.Z

Das Titelzitat ist von Eric Bentley.

Donnerstag, 11. September 2014

Ekkehard Schall - Wenn Theater nicht irgend einen Anlass zum Denken bietet, dann interessiert es mich nicht.



Hans-Dieter Schütt

Ekkehard Schall:

„Ich hab's erlebt, was will man mehr“



Letzte Gespräche
Verlag Das Neue Berlin
Ausschnitte

(Und, nein, ich bekomme keine Tantiemen, aber ich finde die Texte interessant und nicht nur aus verwandtschaftlichen Gründen.)


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Aber Sie gingen nicht schnurstracks von Frankfurt nach Berlin?

Wo denken Sie hin! An großen Theatern vorzusprechen, das wagte ich nicht. Gera war so etwa die Grenze meines Mutes. Den schönsten Satz hörte ich vom Intendanten des Stadttheaters Zeitz. Ich bewarb mich, er wollte wissen, woher ich komme, ich sagte: Frankfurt an der Oder – da setzte er sein ungläubigstes Staunen auf und fragte doch allen Ernstes: Und von da wollen Sie gleich nach Zeitz? Ich ging in mein Hotelzimmer und weinte.


 Autogrammpostkarte



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Vor allen Überlegungen über eine Rolle und allen Einfällen dazu liegt schwer wie ein Bleigürtel eine Grundangst, die gleichzeitig eine Grundhoffnung ist, die es absolut in Frage stellt, aufzutreten und vor Menschen einen intimen oder einen öffentlichen Vorgang – den man selber nie so erlebte – auszubreiten, exakt und unbeholfen, detailgenau und chaotisch. Diese Angst speist, wenn er draußen steht, allen Ausdruck des Schauspielers - der sich zutiefst lächerlich machen kann (auch vor sich selbst), wenn er seine Unglaubwürdigkeit (von der er weiß) nicht vergessen machen kann im Spiel, mit Chuzpe und schamlos. Der Schauspieler Wolf von Beneckendorff sagte mir mal früh um sieben in der Garderobe in Babelsberg, wir saßen uns gegenüber und wurden geschminkt: Um diese Zeit merkt man deutlich, dass das kein Beruf für Erwachsene ist. Recht hatte er. Aber was vor dem Schritt auf die Bühne liegt, muss jeder mit sich selbst ausmachen.

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Mich als Schauspieler interessiert die ganze Figur nicht. Ich spiele Haltungen, ich halte mich an Nahtstellen oder Bruchstellen auf und wechsle zu neuen Nahtstellen oder neuen Bruchstellen. Jede Haltung ist eine Möglichkeit, aber es ist in jeder Situation immer auch eine andere Haltung möglich. Der Mensch stellt sich auf Situationen ein und übt sich so zwangsläufig in Irrationalität – die seiner Vernunft eine harte Schule bleibt. Quantität schlägt an Überraschungspunkten in eine neue Qualität um, nicht nach den Maßgaben eines Lehrbuches. Nicht so spielen, als ergäbe sich alles, nein, spielen, dass etwas eintrifft. Nichts nacheinander spielen, was man auch übereinander geht. Man kann spielend jede Haltung einnehmen, aber man sollte davon ausgehen, dass man sich von ihr auch wieder verabschieden kann - wie von einer Freundin.
Mut und Feigheit, Sehkraft und Blindheit, Güte und Gewalttätigkeit, Liebe und Hass, Kraft und Ohnmacht – das bildet Klumpen, die von Situation zu Situation in anderer Rezeptur geknetet sein können. Nein, ich gestalte nicht Menschen. Ich summiere Möglichkeiten, wie man sich in ausgedachten Lagen verhält. Mich bewegt die Wahrhaftigkeit von Teilen, die zusammenzusetzen sind. Mich interessieren am Theater nicht Menschen, mich interessieren Probleme. Das, was ich sehe, soll etwas sein, über das ich nach der Vorstellung unbedingt noch nachdenken und sprechen will. Und wenn ich ein neues Stück probe, dann ist das Wichtigste: das Vergessen. Ja, das Vergessen der Erfahrungen, die bei der letzten Arbeit zum Erfolg führten. Einerseits sind die Erfahrungen der goldene Fundus, andererseits darf Erfahrung nicht zum Rezept werden, das man sich selber ausschreibt. Die Droge Wiederholung ist eine sehr gefährliche Droge. In Proben bin ich immer hineingegangen mit dem Vorsatz, mir nichts klar, sondern mir zuerst einmal alles unklar zu machen. Brücken nicht hinter sich abbrechen, sondern vor sich. Die Rätsel durch Spielpraxis beruhigen: Nein, sie müssen nicht zu früh ihre Lösung gestehen.


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Brecht ging es immer darum Gefühle als Bestandteil einer Haltung kenntlich zu machen. Es galt, Emotionen einzubinden in geistige Prozesse, in Interessensphären der jeweiligen Gestalt. Gefühle als unerwartete Geschäftsstörungen, als Ausdruck für Kontrollverluste.
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Ernst Busch war ein grandioser Schauspieler, grandios auch, weil er seine Kunst mit seiner Existenz beglaubigte. Wie Erwin Geschonneck. Ihm ist das zwanzigste Jahrhundert nicht schlechthin auf den Leib geschrieben gewesen, es ist ihm unter die Haut gegangen, es ist ihm als Nummer in diese Haut eingraviert worden, und was ihm da alles unter die Haut gegangen war, das leuchtete ein Künstlerleben lang nachdrücklicher als alle Orden, die er ja ebenfalls bekam. Er kam politisch dort an, wofür er sein Leben lang gekämpft hatte, und er kam bei den Menschen an. Und der Mann hat seine Haut nie zu Markte getragen. Geschonneck bekam am BE jede Rolle, auch jede, mit der er überfordert war – Brecht liebte ihn, aus politischen Gründen.

Geschonneck spielte am frühen BE, Bernhard Minetti am späten BE. Extremer können sich Lebenswege nicht voneinander unterscheiden. Zum 90. Geburtstag von Bernhard Minetti 1995 fand eine Festveranstaltung just im Berliner Ensemble statt. Ich habe diese schwammige Ausrede von Heiner Müller gehasst, er stelle solche Leute wie Bernhard Minetti bloß, indem er sie am Berliner Ensemble für einen Geist benutze, der ihnen wie eine Strafe vorkommen müsse. Ich habe Müller gesagt, ich als ehemaliger Genosse möchte nicht an einem Theater sein, das sich mit ehemaligen Nazis hervortut. Da wurde ein Minetti zum hohen runden Geburtstag auf der Bühne Brechts auf einen Ehrensessel gesetzt und gefeiert – und ein Mann wie Erwin Geschonneck, Kommunist, KZ-Häftling, Überlebender des Flüchtlingsschiffs „Arcona”, Brecht-Protagonist erster Ordnung, muss seinen hohen Geburtstag am Hackeschen Markt in einer Nische feiern. Ihm wurde das BE nicht huldvoll geöffnet. Das war eine Schande.


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Ich will sterben, und ich hoffe
daß ich sterbe wie erhofft
nicht verwirrt und nicht besoffen
sterben mehrmals, oft und oft.

Meinetwegen auch mit Schmerzen
meinetwegen auch mit Wut
sterben nicht nur mit dem Herzen
sterben so, als sei es gut
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Die Fragen stellte Hans-Dieter Schütt
Die Antworten und das Gedicht sind von Ekkehard Schall
 

Montag, 8. September 2014

Wera Muchina - Der Junge und das Mädchen



DER FLIEGENDE PROLETARIER

Nach dem Titel eines Majakowki Gedichtes

Skulptur von Wera Ignatjewna Muchina, geboren am 19. Juni in Riga, Lettland,
gestorben am 6. Oktober 1953 in Moskau. Sie war eine sowjetische Bildhauerin.
 
Der russische Pavillon auf der Weltausstellung in Paris oder der
Exposition Internationale des Arts et Techniques appliqués à la vie moderne  
1937.

Der Pavillon der UdSSR, riesig, aber, so lese ich, halbleer, weil nicht genug Ausstellungsstücke vorhanden waren. Davor "Der Junge und das Mädchen", wie
Wera Muchina ihr Werk nannte, oder auch "Der Arbeiter und die Kolchosbäuerin". Unter diesem Namen wurde es bekannt, berühmt, berüchtigt. Die Skulptur ist 20 Meter hoch, aus rostfreiem Stahl und stand zunächst in Paris. Der Pavillon selbst war 35 Meter hoch! Dann wurde sie nach Moskau verbracht und vor der Allunions - Landwirtschaftsausstellung heute das Allrussischen Ausstellungszentrum, aufgestellt. Seit 1947 verwendet Mosfilm sie als sein Erkennungszeichen.









Ein mögliches Vorbild?
Marmorkopie der Tyrannenmörder im Nationalmuseum in Neapel - eine leicht surreale Ähnlichkeit, oder? Stalin soll, wegen dieses möglichen Bezuges, den von der Bildhauerin gewünschten hohen Sockel verboten haben.

Als Tyrannenmörder (auch Tyrannentöter) wird eine antike Statuengruppe bezeichnet, die im Jahr 477/76 v. Chr. auf der Agora von Athen aufgestellt wurde und die beiden Attentäter Harmodios und Aristogeiton darstellt, die 514 v. Chr. Hipparch, den Bruder des Tyrannen Hippias, getötet hatten. Wiki



Sonntag, 7. September 2014

Mein lieber Schwan!



SCHWAN
SCHWANENHALS, SCHWANENGESANG, MIR SCHWANT ETWAS.

Herr Schwan, Herr Schwan, dein Gesang ist süß, aber deine Eier sind sauer.

Sprichwort

Leo Slezak, berühmter österreichischer Tenor, sang den Lohengrin, in dieser Oper wird der Gralsritter Lohengrin, auf einem Schwan reitend zu Elsa, der Herzogin von Brabant als Helfer und Beschützer gesandt. Er gebietet ihr, ihn niemals nach seinem Namen zu fragen und reist mitsamt Schwan wieder ab. Der verantwortliche Bühnentechniker zog eines Abends den Reiseschwan zu früh oder zu schnell, jedenfalls gelang Slezak der Aufstieg nicht, woraufhin er sich mit fragendem Gesicht an das Publikum wandte und " Wann kommt der nächste Schwan?" fragte. 

Im Aassee von Münster hat sich der weibliche Teil eines Paars schwarzer Schwäne, nach dem Tod ihres Partners, unsterblich in ein schwanenförmiges Tretboot verliebt. Sie begleitete es überallhin. Andre ebenfalls Schwänen nachgebildete Gefährte führten zu keinerlei Reaktion.
Nach Ansicht des zooeigenen Verhaltensbiologen ist nicht davon auszugehen, dass sich das Tier jemals von seinem Tretboot trennen wird.” 


Die Schwanen- oder kontinentbedingt Giraffenhälse der Frauen der Padaung


http://de.wikipedia.org/wiki/Padaung

Wieso sagt man, wenn jemand eine Vorahnung hat, dass ihm etwas schwant? Ist der Schwan im Volksglauben ein Vogel mit Zukunftsahnung?

Ob die Wendung etwas mit dem Schwan zu tun hat, ist nicht geklärt. Sie findet sich zuerst im Mittelniederdeutschen (Braunschweig 1514), aber in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts auch schon im Hochdeutschen. Möglicherweise liegt das Verb wanen ›wähnen, ahnen‹ zugrunde, wobei zwischen einem vorgestellten Personalpronomen und diesem Verb die Wortgrenze sich verschoben hat (mir’s wanet > mir swanet. Ähnliches ist – in umgekehrter Richtung – bei dem Wort Otter (›Schlange‹) eingetreten, das auf Natter zurückgeht. Hier wurde das anlautende n als Ende eines vorangehenden unbestimmten Artikels empfunden (ein[e] Atter); das a im vermeintlichen Anlaut wurde zu o verdumpft. – Eine andere Herleitungsmöglichkeit bringt doch den Schwan ins Spiel: Der Wendung könnte neulateinisch olet mihi (›es ahnt mir‹, von lat. olere, ›riechen, sich durch Geruch bemerkbar machen‹) zugrunde liegen. Von Gelehrten der frühen Neuzeit könnte dieses Verb scherzhaft an das lateinische Wort für den Schwan, olor, angeschlossen worden sein, so dass schwanen die »wörtliche« Übersetzung von olere wäre.
Gefunden bei:

 
SCHWANENGESANG

Kyknos (altgr.: Κύκνος, Schwan), ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Sthenelos und der Okeanide Klymene (Okeanide).
Kyknos war König von Ligurien und Geliebter des Phaethon. Als Phaethon tot vom Himmel in den Fluss Eridanus stürzt, eilt Kyknos herbei und trauert um ihn. Von Apollon wird er daraufhin aus Mitleid in einen Schwan aus leuchtenden Sternen am Nachthimmel verwandelt. Bevor Kyknos aus Trauer über den geliebten Freund starb, sang er auf jene von keinem anderen Gesang an trauriger Schönheit übertroffene Weise. Wiki

Der Schwan

Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen:

in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehen, Flut um Flut;

während er unendlich still und sicher


immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht. 

Rainer Maria Rilke
Aus der Sammlung Neue Gedichte, Erster Teil

 Wenn Schwäne an Land sind, watscheln sie wie Balletttänzerinnen ohne Tanz.
Eine sich bedroht fühlende Schwänin hat einmal mit ihren Flügeln den Yorkie meiner Mutter ohnmächtig geschlagen, eins ihrer Kinder war blind, die ersten Wochen des Sommers schwamm es noch in einiger Entfernung hinter seiner Familie her, eines Tages nicht mehr, ich habe ihn nie wieder gesehen.

Und dann gibt es noch Die Sechs Schwäne, ein Märchen in der Sammlung der Gebrüder Grimm auch unter Die Zwölf Brüder oder, Hoffnung aller Mädchen, die sich unansehnlich finden, Das häßliche Entlein von Hans Christian Andersen.

http://de.wikisource.org/wiki/Die_sechs_Schw%C3%A4ne_%281812%29

http://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/die_zwoelf_brueder

Und aus der Carmina Burana von Carl Orff, das Lied des gebratenen Schwanes:

Olim lacus olumeram

Der gebratene Schwan singt:

Einst schwamm ich auf den Seen umher,
Einst lebte ich und war schön,
Als ich ein Schwan noch war.

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Es dreht und wendet mich der Koch.
Das Feuer brennt mich sehr.
Nun setzt mich vor der Speisemeister.

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Jetzt liege ich auf der Schüssel
Und kann nicht mehr fliegen,
Sehe bleckende Zähne um mich her!

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Leviticus 11:27
Unter den Vögeln sollt ihr Folgende verabscheuen - man darf sie nicht essen, sie sind abscheulich: ... das Käuzlein, den Schwan, den Uhu...