Joseph Ducreux
Joseph wurde am 26. Juni 1735 in Nancy geboren und starb am 24. Juli 1802 in Paris.
Er malte traditionelle, nicht besonders interessante Portaits von Marie-Antoinette, Maria Theresia, Jean Jacques Rousseau und anderen, verbrachte die Zeit der Revolution im englischen Exil und wurde nach seiner Rückkehr von seinem Freund Jacques-Louis David unterstützt.
Es wird behauptet, er hätte außerordentlich viel getrunken und praktisch jeder Frau nachgestellt.
Le Discret
Selbstportrait des Künstlers als Spötter
1791
Diskretion
Dass Josefine eine schiefe Nase hat;
dass Karlchen eine schwache Blase hat;
dass Doktor O., was sicher stimmt,
aus einem dunkeln Fonds sich Gelder nimmt;
dass Zempels Briefchen nur zum Spaß ein Spaß ist,
und dass er selbst ein falsches Aas ist
in allen sieben Lebenslagen –:
das kann man einem Menschen doch nicht sagen!
Na, ich weiß nicht –
Dass Willy mit der Schwester Rudolfs muddelt;
dass Walter mehr als nötig sich beschmuddelt;
dass Eugen eine überschätzte Charge;
dass das Theater ... dieser Reim wird large ...
dass Kloschs Talent, mit allem, was er macht,
nicht weiter reicht als bis Berlin W 8;
dass die Frau Doktor eine Blähung hat im Magen –:
das kann man einem Menschen doch nicht sagen!
Na, ich weiß nicht –
Man muß nicht. Doch man kann.
Die Basis unsres Lebens
ist: Schweigen und Verschweigen – manchmal ganz vergebens.
Denn manchmal läuft die Wahrheit ihre Bahn –
dann werden alle wild. Dann geht es: Zahn um Zahn!
Und sind sie zu dir selber offen,
dann nimmst du übel und stehst tief betroffen.
Die Wahrheit ist ein Ding: hart und beschwerlich,
sowie in höchstem Maße feuergefährlich.
Brenn mit ihr nieder, was da morsch ist –
und wenns dein eigner Bruder Schorsch ist!
Beliebt wird man so nicht! Nach einem Menschenalter
läßt man vom Doktor O. und Klosch und Walter
und läßt gewähren, wie das Leben will ...
Und brennt sich selber aus. Und wird ganz still.
Na, ich weiß nicht –.
Theobald Tiger
Die Weltbühne, 20.08.1929, Nr. 34, S. 295.